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Am Anfang war der Ausdruck. Meilensteine und Mechanismen der Emotionsentwicklung

Manfred Holodynski

Abstract


Die Frage, inwiefern Emotionen des Menschen eher durch sein biologisches oder sein kulturelles Erbe bestimmt sind, hat zu kontroversen Theorien geführt. Im Beitrag wird eine entwicklungsorientierte Theoriebildung vorgeschlagen, die diese kontroversen Positionen integrieren und damit der empirischen Forschung neue Wege aufzeigen kann. Ausgehend davon stellt der Autor eine kontextualistische Emotionstheorie vor: das Internalisierungsmodell der Emotionsentwicklung. Darin wird den emotionalen Ausdrucksreaktionen eine herausgehobene Vermittlungsfunktion in den Interaktionen zwischen Bezugsperson und Kind zugewiesen: Sie stellen die wesentlichen Mittel dar, mittels derer Bezugsperson und Kind insbesondere in der frühen Ontogenese kommunizieren, um ihre Tätigkeiten wechselseitig zu regulieren. Dabei lässt sich zeigen, dass viele Ausdruckszeichen nicht biologischen Ursprungs sind, sondern Produkt kulturgeschichtlicher Symbolbildungsprozesse, durch die Emotionen auch eine kulturspezifische Färbung annehmen.
Der Artikel beschreibt die ersten drei Phasen der Emotionsentwicklung und präsentiert dazu auch eigene empirische Studien: (1) Aus den stereotypen Vorläuferemotionen des Neugeborenen entstehen in den Bezugsperson-Kind-Interaktionen zeichenvermittelte Emotionssysteme des Kleinkindes. Sie sind durch Ausdruckszeichen vermittelt, die für den jeweiligen kulturellen Kontext adaptiv sind und darauf zielen, die Handlungen der Bezugspersonen auszurichten (interpersonale Regulation). (2) Erst ab dem Kleinkindalter übernehmen Emotionen auch eine intrapersonale Regulationsfunktion, nämlich die eigenen Handlungen motivdienlich auszurichten. (3) Ab dem Grundschulalter können Ausdruckszeichen internalisiert werden, wodurch eine private Gefühlswelt entsteht, die nicht mehr länger eng mit dem offenen Ausdruck korrespondiert.

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