eJournals Frühförderung interdisziplinär 27/1

Frühförderung interdisziplinär
1
0721-9121
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
11
2008
271

Zur Reliabilität und Validität des "Wiener Entwicklungstests" (WET)

11
2008
Günter Krampen
Miriam Becker
Tanja Becker
Anne Thiel
In drei erweiterten Replikationsstudien wurden wesentliche Aspekte der Reliabilität und Validität des "Wiener Entwicklungstests" (WET) untersucht. An Studie I waren 60, an Studie II 52 und an Studie III 60 3- bis 6-jährige Kindergartenkinder beteiligt. Neben der Standarderhebung des WET im Einzelsetting wurden in Studie I und II Ideenflüssigkeit und -flexibilität als Indikationen divergenter Produktionen (Kreativitätstest für Vorschul- und Schulkinder, KVS), in Studie III Indikatoren der selektiven Aufmerksamkeitsleistung (Frankfurter Tests für Fünfjährige - Konzentration, FTF-K; Kaseler-Konzentrations-Aufgabe, KKA) und in Studie II Fremdeinschätzungen der Bindungssicherheit der Kinder durch die Bezugserzieherin erfasst. Die Befunde aller drei unabhängigen Studien bestätigen die Testhalbierungsreliabilität der 14 WET-Subtests und der WET-Skalen zu sechs Funktions- bzw. Entwicklungsbereichen. Zudem werden bedeutsame Aspekte der differenziellen, faktoriellen und konvergenten Validität des WET auf der Auswertungsebene seiner sechs Entwicklungsskalen bestätigt. Dies resultiert im Vorschlag, in der WET-Auswertung und -Interpretation ergänzend oder alternativ diese sechs Entwicklungsskalen zu fokussieren, dies nicht zuletzt wegen ihrer entwicklungstheoretischen Anbindungen. Deutlich wird zudem, dass die Indikatoren der divergenten Leistungen und der Konzentrationsleistungen in hohem Maße durch die sechs WET-Entwicklungsskalen determiniert werden. Im Screening des allgemeinen Entwicklungsstandes kann demnach eine Beschränkung der Entwicklungsdiagnostik auf den WET empfohlen werden, die dann zugunsten der ergänzenden Anwendung bereichsspezifischer, differenzierterer Entwicklungsdiagnostika aufzuheben ist, wenn im Einzelfall der Verdacht auf eine Entwicklungsver-zögerung auftritt oder wenn gezielt Maßnahmen der Entwicklungsförderung evaluiert werden sollen.
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Zur Reliabilität und Validität des „Wiener Entwicklungstests“ (WET) Befunde aus drei erweiterten Replikationsstudien und Vorschläge für eine erweiterte Testauswertung Günter Krampen, miriam BecKer, tanja BecKer, anne thiel Zusammenfassung: In drei erweiterten Replikationsstudien wurden wesentliche Aspekte der Reliabilität und Validität des „Wiener Entwicklungstests“ (WET) untersucht. An Studie I waren 60, an Studie II 52 und an Studie III 60 3bis 6-jährige Kindergartenkinder beteiligt. Neben der Standarderhebung des WET im Einzelsetting wurden in Studie I und II Ideenflüssigkeit und -flexibilität als Indikationen divergenter Produktionen (Kreativitätstest für Vorschul- und Schulkinder, KVS), in Studie III Indikatoren der selektiven Aufmerksamkeitsleistung (Frankfurter Tests für Fünfjährige - Konzentration, FTF-K; Kaseler-Konzentrations-Aufgabe, KKA) und in Studie II Fremdeinschätzungen der Bindungssicherheit der Kinder durch die Bezugserzieherin erfasst. Die Befunde aller drei unabhängigen Studien bestätigen die Testhalbierungsreliabilität der 14 WET-Subtests und der WET-Skalen zu sechs Funktionsbzw. Entwicklungsbereichen. Zudem werden bedeutsame Aspekte der differenziellen, faktoriellen und konvergenten Validität des WET auf der Auswertungsebene seiner sechs Entwicklungsskalen bestätigt. Dies resultiert im Vorschlag, in der WET-Auswertung und -Interpretation ergänzend oder alternativ diese sechs Entwicklungsskalen zu fokussieren, dies nicht zuletzt wegen ihrer entwicklungstheoretischen Anbindungen. Deutlich wird zudem, dass die Indikatoren der divergenten Leistungen und der Konzentrationsleistungen in hohem Maße durch die sechs WET-Entwicklungsskalen determiniert werden. Im Screening des allgemeinen Entwicklungsstandes kann demnach eine Beschränkung der Entwicklungsdiagnostik auf den WET empfohlen werden, die dann zugunsten der ergänzenden Anwendung bereichsspezifischer, differenzierterer Entwicklungsdiagnostika aufzuheben ist, wenn im Einzelfall der Verdacht auf eine Entwicklungsverzögerung auftritt oder wenn gezielt Maßnahmen der Entwicklungsförderung evaluiert werden sollen. Schlüsselwörter: Entwicklungstests, Frühdiagnostik, Differenzialdiagnostik, Reliabilität, Validität, Kreativitätsmessung, selektive Aufmerksamkeit, Vorschulalter On the Reliability and Validity of the „Vienna Developmental Test“ (WET; a German Developmental Measure for Preschool Age Children): Results from Three Extended Replication Studies and Suggestions for an Extended Test Analysis and Evaluation Summary: Presents empirical results of three extended replication studies on the reliability and validity of the „Vienna Developmental Test“ (WET), a German developmental measure for preschool age children. Data with the WET were gathered under routine conditions in samples of 60, 52 and 60 preschool age children aged 3 - 6 years in single test settings. In addition, in Study I and Study II verbal fluency and verbal flexibility were assessed as indicators of divergent productions (Kreativitätstest für Vorschul- und Schulkinder, KVS), in Study III selective attention performance was measured before and after WET-testing (Frankfurter Test für Fünfjährige - Konzentration, FTF-K; Kaseler-Konzentrations-Aufgabe, KKA), and in Study II kindergarten teachers answered to a questionnaire on the attachment security of the children. The results of all three studies confirm test-half-reliability of the 14 WET-tasks and the 6 WET-developmental scales. Differential, factorial and convergent validity of the WET is empirically supported. This results in the suggestion, to focus the WET-analysis and -evaluation on the six developmental scales. Results show, that the indicators of divergent productions and of selective attention are strongly determined by the six WET-scales. Thus, for screening of children’s general developmental status the application of WET may be sufficient. Domain-specific, more differentiated developmental measures should be added in cases of suspected developmental retardations as well as in evaluations of early interventions. Keywords: Developmental measures, early diagnosis, differential diagnosis, test reliability, test validity, creativity measurement, selective attention, preschool age children Frühförderung interdisziplinär, 27. Jg., S. 11 - 23 (2008) © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Mit dem „Wiener Entwicklungstest“ (WET; Kastner-Koller/ Deimann 1998) liegt ein modernes Breitband-Entwicklungsdiagnostikum für den Altersbereich von drei bis sechs Jahren vor, das sowohl mit seinen altersadäquaten und motivierenden Testmaterialien und Durchführungsinstruktionen als auch mit der (probabilistischen) Testentwicklung den Ansprüchen der Anwendungspraxis und der Psychometrie entspricht. Erste Testrezensionen (Doil/ Frevert 1998; Krampen 1999; Quaiser- Pohl 1999) bewerteten die in der Wiener Tradition der „Kleinkindertests“ (Bühler/ Hetzer 1932) stehende Zusammenstellung von im Wesentlichen empirisch bewährten Testaufgaben zu einer Testbatterie positiv. Entsprechend findet der WET inzwischen auch in Handbüchern der Klinischen Kinderpsychologie als bedeutsames diagnostisches Hilfsmittel Erwähnung (Krucker 2000; Poustka/ Bölte/ Feineis-Matthews/ Schmötzer 2004). Kritisch angemerkt wurden aber auch bestehende Schwächen des WET in seiner Normierung, der empirischen Befundlage zu seiner Durchführungs- und Auswertungsobjektivität, Reliabilität und Validität sowie der zum Teil erheblichen (korrelationsstatistisch belegten) Konfundierung unterschiedlicher Testaufgaben (etwa der zur Sprachproduktion und kognitiven Entwicklung). In der zweiten Auflage der Handanweisung konnten einige dieser Schwächen gemildert werden, was insbesondere für die Testnormierung gilt, die nun auf größeren Altersstichproben von Kindern aus Österreich und Deutschland unterschiedlicher sozioökonomischer Herkunft basiert (Kastner-Koller/ Deimann 2002). Zu ergänzen bleiben testkritische, auch weiterführende empirische Beiträge, die unabhängig von der Wiener Arbeitsgruppe (vgl. hierzu etwa Deimann/ Kastner-Koller/ Benka/ Kainz/ Schmidt 2005; Kastner-Koller/ Deimann/ Konrad/ Steinbauer 2004; Werneck/ Rollett 2002) als ggf. erweiterte Replikationsstudien durchgeführt werden. Nach unserer Literaturanalyse erschöpft sich dies bislang auf zwei empirische Validitätshinweise aus Bielefeld (Grimm 2001; Jungmann 2003) und einen aus Potsdam (Esser 2002), die im Rahmen umfangreicherer eigener Testentwicklung u. a. den WET nutzten, relativ „versteckt“ publiziert sind, jedoch übereinstimmend zu positiven Befunden für den WET kommen: So sind die (eigentlich diagnostisch nicht empfohlenen, da zu globalen) Gesamttestwerte aus dem WET und der „Basisdiagnostik für umschriebene Entwicklungsstörungen im Vorschulalter“ (BUE- VA) zu r = .79 korreliert (Esser 2002), was die konvergente Validität beider Testverfahren wechselseitig bestätigt; Grimm (2001) nutzte acht weitgehend sprachfreie WET-Subtests erfolgreich zur diskriminanten Validierung des „Sprachentwicklungstests für dreibis fünfjährige Kinder“ (SETK 3-5); Jungmann (2003) wies für fünf mit dem WET erfasste Funktionsbzw. Entwicklungsbereiche statistisch hoch bedeutsame Entwicklungsretardationen bei nach Geburtsgewicht, Gestationsdauer sowie medizinischen peri- und postnatalen Komplikationen unreif geborenen Kindern (mit einem Testalter von drei Jahren) nach, wodurch die differenzielle Validität des WET belegt wird. Die nach wie vor bestehende Lücke testkritischer, unabhängiger empirischer Studien zur Reliabilität und Validität des WET soll hier exemplarisch anhand der Befunde aus drei Studien weiter gefüllt werden. Nachgegangen wird dabei grundlegenden, zum Teil auch weiterführenden Fragen nach (1) den Reliabilitäten der insgesamt 14 WET- Subskalen (oder Testaufgaben), (2) den Reliabilitäten der daraus abgeleiteten, mit dem WET diagnostizierten sechs Funktionsbzw. Entwicklungsbereiche, (3) der für Entwicklungstests entscheidenden Frage nach der Differenzierungsfähigkeit der WET-Skalen zwischen verschiedenen Altersbereichen, wobei im Hinblick auf • • • 12 Günter Krampen et al. FI 1/ 2008 die differenzielle Validität des WET zugleich Gruppenunterschiede nach dem Geschlecht und nach der Variable des Halbtagsversus Ganztags-Kindergartenbesuchs überprüft werden, (4) der faktoriellen Validität der 14 WET- Subskalen für die sechs diagnostisch angezielten Funktionsbzw. Entwicklungsbereiche, (5) der konvergenten bzw. diskriminanten Validität der WET-Skalen gegenüber Indikatoren divergenter Produktionen von Vorschulkindern (Ideenflüssigkeit und -flexibilität), (6) der konvergenten bzw. diskriminanten Validität der WET-Skalen gegenüber Indikatoren der Konzentrationsfähigkeit, (7) der (Aufmerksamkeits-)Belastung von 3bis 6-Jährigen durch die im Durchschnitt gut eine Stunde dauernde WET-Einzeltestung anhand von Konzentrationstest-Daten aus Vorher-Nachher-Vergleichen und (8) dem Zusammenhang der WET-Skalen mit der Bindungssicherheit des Kindes gegenüber der Mutter. Fragestellungen (5), (6) und (8) dienen dazu, das nomologische Netzwerk der sechs mit dem WET diagnostizierten Funktionsbzw. Entwicklungsbereiche (Motorik; Visumotorik und visuelle Wahrnehmung; Lernen und Gedächtnis; kognitive Entwicklung; Sprache; emotionale Entwicklung) auf der Basis empirischer Ergebnisse auszuweiten; dies auch um einen eventuellen Ergänzungsbedarf der WET-Testbatterie identifizieren zu können. Im Forschungsprozess kristallisierte sich dabei - geleitet durch unsere empirischen Befunde - der weitergehende Vorschlag heraus, in der diagnostischen Anwendungspraxis die im Manual und Testheft des WET durchgängig empfohlene, an den 14 Subskalen-Ergebnissen (oder Testaufgaben-Ergebnissen) ausgerichtete Befundlegung durch die Orientierung an den sechs Funktionsbzw. Entwicklungsbereichen zu ergänzen bzw. zu ersetzen (vgl. auch Jungmann 2003). Dies wird a priori dadurch gestützt, dass mit den 14 Subskalen-Bezeichnungen lediglich traditionelle Testaufgaben-Typen schlagwortartig und relativ fern von Entwicklungstheorien und -konzepten benannt werden, wogegen die sechs mit dem WET diagnostizierten Funktionsbzw. Entwicklungsbereiche in direktem Zusammenhang mit der entwicklungspsychologischen Theorienbildung stehen (siehe Kastner-Koller/ Deimann 1998, 2002). Methoden Durchgeführt wurden drei unabhängige Studien, in denen der WET nach den Standardinstruktionen von Kastner-Koller und Deimann (2002) in Einzeltestungen bei insgesamt 172 3bis 6-Jährigen in einem ruhigen Kindergarten-Raum (Personalraum) appliziert wurde. Schriftliche Einwilligungen der Eltern wurden im Zusammenhang mit einem Elternbrief und der Bearbeitung des WET-Elternfragebogens zur Selbstständigkeitsentwicklung des Kindes eingeholt. Den Eltern wurde ein Kurzbericht mit einem Entwicklungsprofil ihres Kindes zur Verfügung gestellt und die Möglichkeit zu einem Beratungsgespräch gegeben. Sozioökonomisch kann der familiäre Hintergrund der Kinder in allen drei Stichproben nach den Berufen von Mutter und Vater als heterogen beschrieben werden, da einfache, mittlere und höhere Angestellten- und Beamtentätigkeiten jeweils in etwa zu einem Drittel vertreten sind; Arbeitslosigkeit war zwei Mal, Selbstständigkeit (in der Landwirtschaft) der Eltern fünf Mal gegeben. Studie I An Studie I waren 31 Mädchen und 29 Jungen (M = 57 Monate, SD = 13.02) aus zwei Kindergärten beteiligt, von denen 46 den Kindergarten regelmäßig halbtags und 13 ganztags besuchten. Nach der WET-Testung, die im Mittel 70 Minuten (SD = 7.86) in Anspruch nahm, wurde eine aus den Subtests-Nr. 3 (Alternative Verwendungen), 4 (Bilderraten) und FI 1/ 2008 Reliabilität und Validität des „Wiener Entwicklungstests“ (WET) 13 5 (Gebundene Zeichnungen) bestehende Kurzversion des „Kreativitätstests für Vorschul- und Schulkinder“ (KVS-K; Krampen 1996) zur Erfassung divergenter Leistungsindikatoren (Ideenflüssigkeit, KVS-FLU, und Ideenflexibilität, KVS-FLE) durchgeführt, was im Mittel weitere 20 Minuten (SD = 5.32) dauerte. Studie II Die WET-Testung von 26 Mädchen und 26 Jungen (M = 58.5 Monate; SD = 9.59) aus drei Kindergärten in Studie II benötigte im Durchschnitt 65 Minuten (SD = 8.68) und am Tag danach erfolgte eine Testung mit dem gesamten aus sechs Subtests bestehenden KVS-P (Krampen 1996) (M = 35 Minuten; SD = 7.13). Halbtags besuchten 27 dieser Kinder den Kindergarten, regelmäßig ganztags taten dies 25. Ergänzend wurden bei den Müttern und den Gruppen-Erzieherinnen der Kinder mit inhaltlich parallel konstruierten Kurzfragebogen Fremdeinschätzungen der Bindungssicherheit des Kindes erhoben. Literaturgeleitet wurden dazu 13 Items zum bindungssicheren versus -unsicheren Sozial-, Explorations-, Ausdauer-, Problemlöse- und Impulskontrollverhalten sowie zum Emotionsausdruck und kindlichen Verhalten in Trennungs- und Wiedervereinigungssituationen formuliert, die - analog zum WET- Elternfragebogen - auf 5-stufigen Skalen nach der Verhaltenshäufigkeit zu beantworten sind. Studie III Insgesamt 30 Mädchen und 30 Jungen (M = 56.7 Monate, SD = 10.34) aus drei Kindergärten, von denen 42 den Kindergarten regelmäßig halbtags und 18 ganztags besuchten, wurden in Studie III zusätzlich zum WET (mittlere Testdauer: M = 66 Minuten, SD = 8.32) unmittelbar vor und nach der WET-Testung mit zwei Konzentrationstests untersucht. Zum Einsatz kam neben dem Frankfurter Test für Fünfjährige: Konzentration (FTF-K; Raatz/ Möhling 1971; siehe auch Esser 2002) mit der Kaseler-Konzentrations-Aufgabe (KKA) eine ad-hoc-Eigenentwicklung, von der erwartet wurde, dass sie das Altersspektrum besser abdecken kann als der FTF-K, zeitgemäßer ist als die Verwendung von „Äpfelchen und Birnchen“ (wie im FTF-K) und zudem über Parallelformen verfügt. Die KKA umfasst - ähnlich wie der Test d2 (Brickenkamp 2000) - nach zwei Übungszeilen insgesamt neun Testzeilen, in denen innerhalb von jeweils zehn Sekunden die Bilder einer Glocke (Parallelform A) bzw. die eines Buches (Parallelform B) in einer 25 Bilder umfassenden Bilderreihe (bei sieben unterschiedlichen Bildern; Quelle: Wingdings aus Microsoft Word 2000) mit einem Stift zu markieren bzw. durchzustreichen sind. Die Durchführungszeiten von FTF-K und KKA betragen jeweils 90 Sekunden plus wenige Minuten Instruktionszeit. Ergebnisse Reliabilitätsparameter des WET und der ergänzend eingesetzten Diagnostika In Tabelle 1 sind die Befunde zu den Testhalbierungsreliabilitäten der 14 WET-Subskalen (Testaufgaben) aus den drei Studien zusammengefasst. Sie weisen zwischen den Studien eine beeindruckende Stabilität auf und stimmen überdies gut mit den im Manual des WET (Kastner-Koller/ Deimann 2002, S. 24, Tabelle 14) für die Normierungsstichprobe dokumentierten Reliabilitätskennwerten überein. Im Vergleich zur Normierungsstichprobe sind allenfalls für die Testaufgaben-Nr. 02 („Lernbär“ mit nur 4 Items), 05 (Schatzkästchen) und 13 (Fotoalbum) leichte Abstriche zu machen. Konzeptuell und entwicklungstheoretisch geleitet sind diese 14 Subskalen des WET sechs Funktionsbzw. Entwicklungsbereichen zugeordnet (siehe Tabelle 1), für die von Kastner-Koller und Deimann (1998, 2002) jedoch keine Reliabilitätsprüfungen berichtet werden und denen in der empfohlenen Aus- 14 Günter Krampen et al. FI 1/ 2008 wertung und Interpretation der diagnostischen Befunde nur eine indirekte Bedeutung - quasi als entwicklungstheoretischer Bezugsrahmen - zukommt. Gleichwohl ist auf der Rohwertebene (bei Gleichgewichtung der verschiedenen Subtests) die Bestimmung darauf bezogener Testhalbierungsreliabilitäten möglich, über deren Ergebnisse in Tabelle 2 zusammenfassend informiert wird. Auch hier stimmen die in den drei unabhängigen Studien gewonnenen Reliabilitätskennwerte gut überein. Die Wertebereiche sind auf dem Hintergrund der Tatsache, dass sie auf nur zwei Subskalen (Testaufgaben) bzw. in einem Fall (Bereich kognitive Entwicklung; WET-KE) vier Subskalen (Testaufgaben) mit sehr heterogenen Aufgabenstrukturen und -inhalten basieren, vertretbar und begründen unseren Vorschlag, in Auswertung und Interpretation der WET-Befunde ergänzend (oder auch alternativ) mit diesen entwicklungstheoretisch einzuordnenden sechs Skalen zu Funktionsbzw. Entwicklungsbereichen zu arbeiten. Ergänzend wird in Tabelle 2 über die Reliabilitätsparameter der zusätzlich eingesetzten psychometrischen Instrumente informiert. Die Kennwerte zur Testhalbierungsreliabilität der Skalen zur Ideenflüssigkeit und Ideenflexibilität des Kreativitätstests für Vorschul- und Schulkinder entsprechen sowohl für die in Studie I verwendete KVS-Kurzform als auch für die in Studie II verwendete KVS-P- Originalform den nach den vorliegenden Befunden (Krampen 1996) bestehenden Erwartungen. Ungünstiger sind dagegen die in Studie III für beide Erhebungszeitpunkte für den Frankfurter Test für Fünfjährige: Konzentration (FTF-K) ermittelten Reliabilitätskennwerte. Sie werden deutlich von unserer ad-hoc-Entwicklung der Kaseler-Konzentrations-Aufgabe (KKA) überschritten, deren Messwerte sich zu beiden Erhebungszeitpunkten als hoch reliabel erweisen. Dies gilt weniger für die in Studie II eingesetzten Skalen zur Fremdeinschätzung Tabelle 1: Reliabilitätsschätzungen für die 14 Subskalen des WET aus drei Studien und nach dem Manual (Kastner-Koller/ Deimann 2002, S. 24) testhalbierungsreliabilität Wet-Subskalen Funktionsbereich Studie i Studie ii Studie iii manual (N = 60) (N = 52) (N = 60) (2002) 01 Turnen MO: Motorik .84 .79 .81 .81 02 Lernbär MO: Motorik .68 .69 .64 .72 03 Nachzeichnen VW: Visumotorik/ visuelle W. .83 .76 .77 .81 04 Bilderlotto VW: Visumotorik/ visuelle W. .79 .84 .83 .89 05 Schatzkästchen LG: Lernen und Gedächtnis .63 .61 .65 .76 06 Zahlen merken LG: Lernen und Gedächtnis - a - a - a .67 a 07 Muster legen KE: Kognitive Entwicklung .76 .75 .80 .86 08 Bunte Formen KE: Kognitive Entwicklung .79 .91 .83 .88 09 Gegensätze KE: Kognitive Entwicklung .83 .70 .78 .86 10 Quiz (Langform) KE: Kognitive Entwicklung .83 .87 .85 .91 11 Wörter erklären SP: Sprache .83 .75 .74 .81 12 Puppenspiel SP: Sprache .78 .80 .80 .82 13 Fotoalbum EE: Emotionale Entwicklung .69 .72 .68 .79 14 Elternfragebogen EE: Emotionale Entwicklung .88 .94 .84 .91 a wegen der Vorgabemodalitäten ist nur die Berechnung der Test-Retest-Reliabilität möglich (Kastner- Koller/ Deimann 2002, S. 25). FI 1/ 2008 Reliabilität und Validität des „Wiener Entwicklungstests“ (WET) 15 der Bindungssicherheit des Kindes. Durch die Elimination eines nicht trennscharfen Items konnte zwar für die Erzieherinnen- Version der Bindungssicherheit-Fremdeinschätzung (B-SICH-ERZ) eine hinreichende Testhalbierungsreliabilität erreicht werden. Für die Elternbzw. Mutter-Version führten Itemselektionen jedoch nicht zu einem entsprechenden Resultat, weswegen in den folgenden Befunddarstellungen auf die Skala B-SICH-ELT verzichtet wird. Ergänzend sei mitgeteilt, dass weder auf Itemebene (lediglich drei signifikante Korrelationskoeffizienten, .27 < r < .57, bei insgesamt 13 Items) noch auf der Skalenebene (r = .26) die konvergente Validierung beider Fremdeinschätzungsmaße gelungen ist, dass aber die Außenkorrelationen der reliablen Erzieherinnen-Fremdeinschätzungen mit den WET-Entwicklungsskalen „Emotionale Entwicklung“ (r = .33; p < .05) und „Motorik“ (r = .31; p < .05) deren Validität stützen. Faktorielle Validität des WET Nicht primär zur Replikation der von Kastner-Koller und Deimann (2002, S. 32, Tabelle 16) dargestellten faktorenanalytischen Lösung für die WET-Skalen, sondern - im Sinne einer erweiterten Replikation - zur empirischen Prüfung des Vorschlags einer auf die sechs mit dem WET diagnostizierten Funktionsbzw. Entwicklungsbereiche konzentrierten Auswertung und Interpretation wurden die 14 WET-Subskalenwerte einer Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation unterzogen. Dazu wurden die Stichproben aus den drei Studien zusammengefasst (N = 172). A priori wurde eine 6-faktorielle Lösung erwartet, die anhand von Cattells Scree-Test empirisch mit einer Gesamtvarianzbindung von 74,9 % abgesichert werden konnte. Die vollständige Ladungsmatrix (nach Varimax- Rotation) findet sich in Tabelle 3. Faktor I ist nach dem Fürntratt-Kriterium (aij2/ h2 > .50; Fürntratt, 1969) essenziell Tabelle 2: Reliabilitätsschätzungen für die Sekundärskalen zu den sechs durch den WET erfassten Funktionsbzw. Entwicklungsbereichen sowie für die Skalen zu divergenten Produktionen sowie zur Konzentration und Bindungssicherheit aus drei Studien testhalbierungsreliabilität Funktions-/ entwicklungsbereich Studie i (N = 60) Studie ii (N = 52) Studie iii (N = 60) WET-MO: Motorik .75 .76 .66 WET-VW: Visumotorik/ vis. Wahrn. .75 .68 .68 WET-LG: Lernen und Gedächtnis .69 .63 .77 WET-KE: Kognitive Entwicklung .64 .65 .75 WET-SP: Sprache .80 .66 .59 WET-EE: Emotionale Entwicklung .60 .68 .64 KVS-FLU: Ideenflüssigkeit .73 .71 -/ a KVS-FLE: Ideenflexibilität .77 .73 -/ a FTF-K: Konzentrationsleistung t 1 -/ a -/ a .63 FTF-K: Konzentrationsleistung t 2 -/ a -/ a .59 KKA: Konzentrationsleistung t 1 -/ a -/ a .93 KKA: Konzentrationsleistung t 2 -/ a -/ a .91 B-SICH-ERZ: Bindungssicherheit -/ a .72 -/ a B-SICH-ELT: Bindungssicherheit -/ a .48 -/ a a in der jeweiligen Studie nicht erfasst. 16 Günter Krampen et al. FI 1/ 2008 durch die beiden Testaufgaben zum Entwicklungsbereich „Lernen und Gedächtnis“ sowie eine Testaufgabe aus dem Bereich „kognitive Entwicklung“ markiert (siehe Tabelle 3). Hinzu treten moderate Faktorladungen drei weiterer Testaufgaben aus dem Bereich der „kognitiven Entwicklung“. Lernen, Gedächtnis und kognitive Entwicklung ist somit die naheliegende Interpretation für diesen varianzstarken ersten Faktor. Nach dem Fürntratt-Kriterium eindeutig für WET-Funktionsbzw. Entwicklungsbereiche bestimmt sind die Faktoren II (Emotionale Entwicklung), III (Motorik) und IV (Visumotorik/ visuelle Wahrnehmung). Unscharf markiert bleibt dagegen Faktor V mit einer essenziellen Ladung eines Subtests aus dem Bereich „kognitive Entwicklung“, einer weiteren moderaten Faktorladung aus diesem Bereich, einer ebenfalls moderaten aus dem Bereich „Sprache“ und einer moderaten, jedoch negativen Faktorladung eines Subtests aus dem Entwicklungsbereich „Motorik“. Hier deuten sich Konfundierungen der WET-Subskalen (bzw. Subtests) an, die nicht in reiner Form der Subskalenzuordnungen zu den Funktionsbereichen entsprechen (siehe Doil/ Frevert 1998). Günstiger ist dagegen wieder die Interpretation von Faktor VI: Beide Subtests zum Funktionsbereich „Sprache“ weisen essenzielle Faktorladungen auf, wobei die des Subtests „Wörter erklären“ das Fürntratt-Kriterium mit .49 nur sehr knapp unterschreitet. Insgesamt ergibt sich das Bild, dass die faktorielle Validierung des WET in Maßen gelungen ist. Immerhin vier von sechs Funktionsbzw. Entwicklungsbereichen lassen sich faktoriell eindeutig anhand der ihnen zu- Tabelle 3: Faktormatrix der 14 WET-Subskalen (Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation; N = 172) a, b Faktor Wet-Subskala Funktions-/ entwicklungsbereich i ii iii iV V Vi h2 01 Turnen MO: Motorik -.21 -.42 .65 -.10 -.42 .14 .85 02 Lernbär MO: Motorik .06 -.10 .91 .19 -.01 -.06 .88 03 Nachzeichnen VW: Visumotorik/ visuelle W. .35 -.13 .00 .74 .07 .09 .70 04 Bilderlotto VW: Visumotorik/ visuelle W. .22 .15 .02 .86 -.10 -.04 .82 05 Schatzkästchen LG: Lernen und Gedächtnis .87 .08 -.03 -.18 -.16 .18 .85 06 Zahlen merken LG: Lernen und Gedächtnis .94 .15 .02 .02 .25 .03 .97 07 Muster legen KE: Kognitive Entwicklung .45 .04 .49 -.18 .54 -.03 .77 08 Bunte Formen KE: Kognitive Entwicklung .84 -.06 -.02 .13 -.06 -.14 .75 09 Gegensätze KE: Kognitive Entwicklung .43 .53 .52 .11 -.07 .26 .82 10 Quiz (Langform) KE: Kognitive Entwicklung .50 .08 .18 .10 .71 .28 .88 11 Wörter erklären SP: Sprache .39 .27 .21 -.19 .43 .68 b .95 12 Puppenspiel SP: Sprache .17 .44 .40 -.03 .25 .71 .95 13 Fotoalbum EE: Emotionale Entwicklung -.05 .96 .02 .00 -.06 .03 .93 14 Elternfragebogen EE: Emotionale Entwicklung .14 .80 .12 -.14 .20 -.26 .80 Eigenwert (eij) 3.61 2.38 2.01 1.49 1.37 1.26 Relativer Varianzanteil (%) 29.8 19.6 16.6 12.3 11.3 10.4 Absoluter Varianzanteil (%) 22.3 14.7 12.4 9.2 8.5 7.8 a aufgeklärte Gesamtvarianz: 74.9 %. b nach dem Fürntratt-Kriterium (a ij2 / h 2 > .50; vgl. Fürntratt 1969) bedeutsame Faktorladungen sind fett gedruckt; die Faktorladung von WET-Subskala 11 auf Faktor VI unterschreitet das Fürntratt-Kriterium mit (.68 2 ) / .95 = .49 knapp. FI 1/ 2008 Reliabilität und Validität des „Wiener Entwicklungstests“ (WET) 17 geordneten Subtests identifizieren. Der varianzstarke Faktor I - methodenimmanent durch die Hauptkomponentenanalyse mitbedingt - bindet dagegen nicht nur die beiden Subtests zum Bereich „Lernen und Gedächtnis“, sondern vereint zudem essenzielle und moderate Varianz von Subtests, die dem Bereich der „kognitiven Entwicklung“ angehören. Damit verbleibt augenscheinlich nicht genug Varianz, um für diesen Entwicklungsbereich einen eigenen Faktor (etwa Faktor V, der unscharf bleibt) aufzuspannen. Unseres Erachtens ist dies vertretbar, da der WET kein in der faktorenanalytischen Entwicklungstradition stehendes psychometrisches Instrument ist und das Standardverfahren der Faktorenanalyse bei unserem Datensatz aus drei unabhängigen Studien explorativ zu einer Faktorlösung geführt hat, die wesentliche Aspekte der WET-Struktur abbildet - dies sogar besser als die von Kastner-Koller und Deimann (2002, S. 32) referierte Faktorlösung. Differenzielle Validität des WET und der ergänzend eingesetzten Skalen Die differenzielle Validität des WET als Entwicklungstest wird für alle sechs Funktionsbzw. Entwicklungsbereiche (und auch die 14 Subtests) durch die Ergebnisse einfaktorieller Varianzanalysen (mit dem Alter als Gruppierungsvariable; siehe Tabelle 4) in allen drei Studien bestätigt. Ebenso wie für die Skalen zur Ideenflüssigkeit und Ideenflexibilität aus Funktions-/ entwicklungsbereich Gruppierungsvariable bzw. Korrelat Wet-mO Wet-VW Wet-lG Wet-Ke Wet-Sp Wet-ee KVS-FlU KVS-Fle FtF-K KKa B-Sich altersgruppen (3vs 4vs 5-jährige) I (18/ 17/ 17): F(2/ 49) 34.7** 23.2** 23.3** 32.3** 33.3** 16.7** 10.5** 10.1** -/ a -/ a -/ a II (7/ 21/ 19): F(2/ 44) 12.9** 26.9** 14.5** 20.4** 18.0** 3.6* 5.9** 6.81** -/ a -/ a 0.2 III (17/ 13/ 30): F(2/ 57) 53.4** 23.6** 24.1** 20.7** 16.9** 22.5** -/ a -/ a 31.9** 45.4** -/ a Geschlechtsgruppen (mädchen vs jungen) Studie I (31/ 29): t(58) 0.04 0.30 0.18 1.72 0.19 1.50 0.08 0.43 -/ a -/ a -/ a Studie II (26/ 26): t(50) 1.56 0.58 0.09 0.67 0.84 1.85 0.96 1.45 -/ a -/ a 2.74** b Studie III (30/ 30): t(58) 0.94 0.56 0.29 1.23 2.06* b 1.06 -/ a -/ a 0.93 0.26 -/ a halbtagsvs Ganztags-Kindergartenbesuch Studie I (46/ 13): t(57) 1.02 0.68 0.05 0.65 0.40 0.53 0.49 0.43 -/ a -/ a -/ a Studie II (27/ 25): t(50) 0.55 1.03 0.28 0.49 1.02 0.71 0.32 0.87 -/ a -/ a 1.34 Studie III (42/ 18): t(58) 1.11 0.87 0.31 0.58 0.99 0.53 0.48 0.63 1.10 0.36 -/ a Korrelation mit der testdauer I: WET (KVS) -.42** -.62** -.27* -.47** -.39** -.29* (.48**) (.39**) -/ a -/ a -/ a II: WET (KVS) -.40** -.51** -.33* -.44** -.44** -.32* (.59**) (.43**) -/ a -/ a -/ - III: WET (FTF/ KKA) -.56** -.34* -.32* -.31* -.36** -.44** -/ a -/ a (.41**) (.43**) -/ a Korrelation mit dem alter Studie I: .72** .77** .68** .67** .66** .54** .53** .49** -/ a -/ a -/ a Studie II: .69** .78** .72** .73** .71** .43** .54** .38** -/ a -/ a .06 Studie III: . .84** .72** .65** .63** .52** .67** -/ a -/ a .71** .79** -/ a Tabelle 4: Gruppendifferenzen in den und Korrelate der sechs WET-Funktionsbzw. Entwicklungsbereiche/ n und für die Skalen zu divergenten Produktionen, zur Konzentration und zur Bindungssicherheit aus den Studien I, II und III **p < .01; *p < .05; a in der jeweiligen Studie nicht erfasst; b Mädchen > Jungen 18 Günter Krampen et al. FI 1/ 2008 dem KVS sowie die beiden Konzentrationstests sind alle Altersgruppendifferenzen mit dem a posteriori Duncan-Test wenigstens bei p < .05 inferenzstatistisch abgesichert. Bestätigt wird dies durch die ebenfalls in Tabelle 4 (unten) dokumentierten statistisch bedeutsamen und numerisch hoch ausgeprägten Alterskorrelationen aller Skalen. Damit steht der Status dieser psychometrischen Instrumente als Entwicklungsdiagnostika - hier repliziert anhand von Querschnittdaten (vgl. auch Kastner-Koller/ Deimann 2002; Krampen 1996) - außer Frage. Dies gilt jedoch nicht für die Erzieherinnen-Einschätzung der Bindungssicherheit der Kinder, für die sich kein Zusammenhang mit dem Alter zeigt (siehe Tabelle 4). Ebenfalls durchgängig in allen drei Studien repliziert wird die weitgehende Unabhängigkeit der WET-, KVS-, FTF-K- und KKA- Skalenwerte vom Geschlecht der Kinder (siehe Tabelle 4). Ausnahmen finden sich nur in statistisch bedeutsam erhöhten Skalenwerten für den WET-Funktionsbereich „Sprache“ und für die Erzieherinnen-Einschätzungen der Bindungssicherheit der Mädchen im Vergleich zu den Jungen. Über die bisherige Befundlage hinaus gehen die Ergebnisse zum Vergleich von Kindern, die den Kindergarten regelmäßig ganzversus halbtags besuchen. In keiner der drei unabhängigen Studien konnten für die untersuchten Entwicklungsbereiche statistisch bedeutsame Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen (die nicht mit dem Lebensalter und/ oder der Dauer des bisherigen Kindergartenbesuchs konfundiert sind) ermittelt werden (siehe Tabelle 4). Ebenfalls über die bisherige Befundlage zum WET hinaus gehen die konsistenten Befunde zu statistisch bedeutsamen negativen Korrelationen der WET-Skalenwerte mit der Testdauer, die darauf verweisen, dass hohe WET-Skalenwerte mit kürzeren Testzeiten einhergehen, dass also entwicklungsakzelerierte Kinder bei der Testung schneller, entwicklungsretardierte dagegen langsamer arbeiten (siehe Tabelle 4). Dies steht im Gegensatz zu den statistisch ebenfalls signifikanten, jedoch positiven Korrelationen der Testdauer mit den Indikatoren divergenter Produktionen (Ideenflüssigkeit und -flexibilität) und der Konzentrationsleistung. Eine längere Testzeit ist hier mit erhöhten Leistungswerten verbunden, was für die Kreativitätsindikatoren plausibel ist und vorliegende Befunde bestätigt (siehe Krampen 1996), für beide Konzentrationstests wegen ihrer „speed“-Durchführung nur darauf zurückgeführt werden kann, dass für die Instruktionen und die Bearbeitung der Übungsbeispiele mehr Zeit (und damit mehr Sorgfalt) aufgewendet wurde. Konvergente bzw. diskriminante Validität des WET Anhand der Daten aus den Studien I und II wurden die Zusammenhänge der sechs WET- Entwicklungsbereiche zu den beiden mit dem KVS erfassten Indikatoren divergenter Produktionen anhand multipler Regressionsanalysen überprüft. Sowohl für die Ideenflüssigkeit als auch für die Ideenflexibilität zeigen sich übereinstimmend in den beiden unabhängigen Studien statistisch und auch numerisch bedeutsame Determinationen der KVS-Skalenwerte durch die WET-Entwicklungsskalen (siehe Tabelle 5). Alle multiplen Korrelationskoeffizienten überschreiten die Signifikanzgrenze und führen zu adjustierten Populationsschätzungen für die Determination der Kreativitätsindikatoren durch die WET-Entwicklungsskalen zwischen 23 % und 54 %. Beta-Gewichte und Regressions-Faktor- Strukturkoeffizienten der Regressionsfunktionen weisen auf die hohe Bedeutung aller sechs WET-Skalen. Deutlich wird aber, dass der relative Vorhersagebzw. Rekonstruktionswert der WET-Skalen „Sprache“ und „Visumotorik/ visuelle Wahrnehmung“ für das Kriterium der Ideenflüssigkeit in beiden Studien am höchsten liegt. Für das Kriterium der Ideenflexibilität sind dies die WET-Entwicklungsskalen zur „kognitiven Entwick- FI 1/ 2008 Reliabilität und Validität des „Wiener Entwicklungstests“ (WET) 19 lung“ und zur „Visumotorik/ visuellen Wahrnehmung“. Auf der Stichprobenebene ergibt sich somit für den WET kein Ergänzungsbedarf für Skalen zur Entwicklung divergenten Denkens und Handelns, in der angewandten Entwicklungsdiagnostik mag dies - gerade bei entwicklungsretardierten und sozial auffälligen Kindern, bei denen divergente Leistungen durch die „power“-Testbedingungen im Vergleich zum unter „speed“-Bedingungen erfassten allgemeinen Entwicklungsstand häufiger günstiger ausfallen und Ansatzpunkte für Entwicklungsförderungen bieten können (siehe hierzu Krampen 1996) - im Einzelfall anders sein. Analog wurden die Zusammenhänge der WET-Entwicklungsskalen zu den in Studie III erhobenen Skalenwerten zur Konzentrationsleistung analysiert. Auch hier belegen die statistisch bedeutsamen Befunde (siehe Tabelle 6) eine hohe Determination der Konzentrationstest-Leistungen durch die WET- Tabelle 5: Multiple Regressionsanalysen der sechs WET-Funktions-/ Entwicklungsbereiche auf die KVS- Skalen zur Ideenflüssigkeit (FLU) und Ideenflexibilität (FLE) a Studie i: KVS-FlU Studie i: KVS-Fle Studie ii: KVS-FlU Studie ii: KVS-Fle prädiktoren (Wet) r crit beta c i r crit beta c i r crit beta c i r crit beta c i WET-MO: Motorik .58 .09 .75 .42 .02 .70 .55 .13 .83 .46 .13 .82 WET-VW: Visumotorik/ vis. Wahrn. .71 .27 .92 .49 .24 .82 .59 .27 .89 .47 .08 .84 WET-LG: Lernen und Gedächtnis .60 .07 .78 .36 .05 .60 .46 .04 .70 .43 .13 .77 WET-KE: Kognitive Entwicklung .67 .26 .87 .58 .35 .97 .55 .04 .83 .52 .26 .93 WET-SP: Sprache .74 .28 .96 .43 .23 .72 .60 .28 .91 .38 .04 .68 WET-EE: Emotionale Entwicklung .45 .02 .58 .41 .06 .68 .38 .01 .58 .34 .02 .61 Multiple Korrelation (R) .77** .60** .66** .56** Adjustierte multiple Determination (R ad2 ) .54 .32 .36 .23 F (df 1 / df 2 ) 12.49** (6/ 52) 9.73** (6/ 52) 5.85** (6/ 45) 3.48** (6/ 45) **p < .01; a r crit = Prädiktor-Kriteriums-Korrelation; beta = Beta-Gewicht; c i = Regressions-Faktor-Strukturkoeffizient FtF-K-leistung KKa-leistung prädiktoren (Wet) r crit beta c i r crit beta c i WET-MO: Motorik .73 .42 .94 .75 .68 .98 WET-VW: Visumotorik/ vis. Wahrnehmung .69 .26 .89 .63 .27 .82 WET-LG: Lernen und Gedächtnis .59 .10 .76 .56 .11 .73 WET-KE: Kognitive Entwicklung .48 .06 .62 .47 .10 .61 WET-SP: Sprache .38 .12 .49 .38 .07 .49 WET-EE: Emotionale Entwicklung .45 .12 .58 .54 .19 .70 Multiple Korrelation (R) .77** .78** Adjustierte multiple Determination (Rad 2 ) .55 .56 F (df 1 / df 2 ) 12.40** (6/ 50) 12.78** (6/ 50) Tabelle 6: Multiple Regressionsanalysen der sechs WET-Funktions-/ Entwicklungsbereiche auf die Skalen zur Konzentrationsfähigkeit (Studie III) a ** p < .01; a r crit = Prädiktor-Kriteriums-Korrelation; beta = Beta-Gewicht; c i = Regressions-Faktor-Strukturkoeffizient 20 Günter Krampen et al. FI 1/ 2008 Entwicklungsskalen (mit adjustierten Determinationskoeffizienten von 55 % bzw. 56 %). Beta-Gewichte und Regressions-Faktor- Strukturkoeffizienten weisen hier auf den besonders hohen relativen Prognosebzw. Rekonstruktionswert der WET-Skalen „Motorik“ und „Visumotorik/ visuellen Wahrnehmung“ für die Konzentrationsleistungen. Auf der Stichprobenebene ergibt sich somit für den WET auch kein Ergänzungsbedarf für Konzentrationstests, in der angewandten Entwicklungsdiagnostik mag dies erneut - gerade bei entwicklungsretardierten Kindern, bei solchen mit einem Verdacht auf eine hyperkinetische Störung o. Ä. - im Einzelfall anders sein. Aufmerksamkeitsbelastungen der Kinder durch die WET-Testung Für den Vergleich der unmittelbar vor und unmittelbar nach der in Studie III im Durchschnitt 66 Minuten dauernden WET-Einzeltestung erhobenen Konzentrationsleistungen der Kinder zeigen sich widersprüchliche Ergebnisse: Bei hoher positionaler Stabilität der Messwerte (r = .84, p < .01) ergab sich für den FTF-K-Skalenwert eine statistisch signifikante Leistungsverbesserung (t1: M = 25.4, SD = 8.4; t2: M = 27.6, SD = 10.1; t(58) = 4.22, p < .01), die etwa als Übungseffekt interpretiert werden kann, da zu beiden Erhebungszeitpunkten mit dem identischen Testblatt gearbeitet werden musste. Eine gewisse Aufmerksamkeitsbelastung der Kinder durch die WET-Testung wird dagegen durch die mit den Parallelformen des KKA gewonnenen Ergebnissen bestätigt: Bei ebenfalls hoher positionaler Stabilität der KKA-Messwerte (r = .92, p < .01) zeigt sich für sie im Vorher-Nachher-Vergleich eine moderate Leistungsverschlechterung (t1: M = 26.8, SD = 6.9; t2: M = 25.4, SD = 6.9; t(58) = 2.64, p < .05), deren Bedeutung unter Bezug auf die im Durchschnitt 66 Minuten dauernde WET-Einzeltestung aber nicht überschätzt werden sollte. Zu ergänzen ist, dass FTF-K- und KKA- Skalenwerte sowohl zu t1 (r = .81, p < .01) als auch zu t2 (r = .84, p < .01) essentiell korreliert sind, und dass sich die 52 Rechts- und die 7 Linkshänder in den Skalenwerten beider Testverfahren statistisch nicht bedeutsam unterscheiden (t(55) < 1.44). Bindungssicherheit und Testleistungen der Kinder Oben wurde schon berichtet, dass sich in Studie II für die Fremdeinschätzung der Bindungssicherheit der Kinder durch die Bezugserzieherinnen keine bedeutsamen Altersunterschiede, aber signifikant höhere Werte für Mädchen als für Jungen ergeben haben. Nachzutragen bleibt, dass (erhöhte) Einschätzungen der Bindungssicherheit mit den WET- Entwicklungsskalen „Emotionale Entwicklung“ (r = .33, p < .05) und „Motorik“ (r = .31, p < .05) statistisch bedeutsam korrelieren. Alle anderen WET-Entwicklungsskalen und auch die KVS-Skalen zu divergenten Leistungen sind zwar durchgängig positiv, aber nicht signifikant mit den Fremdeinschätzungen der Bindungssicherheit durch die Erzieherinnen korreliert (.07 < r < .25). Diskussion Die Ergebnisse der drei unabhängigen, erweiterten Replikationsstudien zur Reliabilität und zu verschiedenen Aspekten der Validität des Wiener Entwicklungstests (WET; Kastner-Koller/ Deimann 2002) haben das auf ihn bezogene Befundmuster zum großen Teil replizieren, partiell auch markant ausweiten können. Die befriedigende Testhalbierungsreliabilität der 14 WET-Subskalen (oder Testaufgaben) konnte durchgängig bestätigt werden. Auch die Reliabilitätskennwerte der sechs WET-Funktionsbereichsskalen (oder WET-Entwicklungsskalen) genügen bei Beachtung ihrer relativen Kürze sowie strukturellen und inhaltlichen Aufgabenheterogenitäten den psychometrischen Anforderungen. FI 1/ 2008 Reliabilität und Validität des „Wiener Entwicklungstests“ (WET) 21 Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass der WET zentralen Anforderungen an die Validität allgemeiner Entwicklungstests genügt: Unsere Ergebnisse belegen eindeutig seine Differenzierungsfähigkeit für verschiedene Altersbereiche, seine insgesamt hinreichende faktorielle Validität auf der Ebene der sechs WET-Entwicklungsskalen und ausgewählte Aspekte seiner kriterienbezogenen Validität. Repliziert werden konnten zudem vorliegende Befunde zur Unabhängigkeit der WET-Skalenwerte vom Geschlecht. Neu sind die Ergebnisse zur Unabhängigkeit des mit dem WET erfassten Entwicklungsstandes der Kinder vom regelmäßigen Ganzversus Halbtagsbesuch des Kindergartens, zur Kovariation zweier Entwicklungsbereiche („emotionale Entwicklung“ und „Motorik“) mit Fremdeinschätzungen der Bindungssicherheit der Kinder durch ihre Bezugserzieherin sowie zu den relativ geringen Auswirkungen der immerhin über eine Stunde dauernden WET-Einzeltestung auf die kurzzeitigen Konzentrationsleistungen von 3bis 6-Jährigen, was gegen eine zu starke Belastung der Kinder durch die Testung spricht. Direkte Notwendigkeiten, die allgemeine Breitband-Entwicklungsdiagnostik mit dem WET bei Vorschulkindern um bereichsspezifische Entwicklungstests zu divergenten Leistungen und zu selektiven Aufmerksamkeitsleistungen zu ergänzen, zeichnen sich nach den vorgelegten Befunden nicht ab. Für beide Funktionsbereiche wurden erhebliche Determinationen durch die WET-Entwicklungsskalen nachgewiesen, die auf der Stichprobenebene Vorhersagen gestatten. Zusammenfassend sind die Ergebnisse zu den Zusammenhängen der sechs WET-Entwicklungsskalen mit Indikatoren des divergenten Denkens und Handelns sowie der kurzzeitigen selektiven Aufmerksamkeitsleistung eher im Sinne einer konvergenten als einer diskriminanten Validierung des WET zu interpretieren, was in dem in Frage stehenden Altersbereich eventuell auf der Gruppenebene durch erhöhte positionale Stabilitäten erklärt werden kann und konvergente Validierungen wahrscheinlicher macht. Dies wird durch die von Esser (2002) festgestellte hohe Korrelation zwischen den WET- und BUE- VA-Gesamtwerten (r = .79) und auch dadurch gestützt, dass Grimm (2001) für immerhin zwei von acht nonverbalen WET-Subtests signifikante Korrelationen zu Skalenwerten aus dem Sprachentwicklungstest für dreibis fünfjährige Kinder ermittelt hat. Damit steht der Mehrwert ergänzender Entwicklungsdiagnostika im Einzelfall und zur Evaluation von Maßnahmen der Entwicklungsförderung und Therapie selbstverständlich keinesfalls infrage. Für das Screening des allgemeinen Entwicklungsstandes scheint der WET auszureichen. Dann, wenn sich daraus Hinweise auf Entwicklungsretardationen oder gar Entwicklungsstörungen ergeben, sind ergänzende Anwendungen bereichsspezifischer und differenzierterer entwicklungsdiagnostischer Skalen zu kritischen Entwicklungsbereichen indiziert. Literatur Brickenkamp, R. (2000): Aufmerksamkeits-Belastungs- Test (Test d2) (9. Aufl.). Hogrefe, Göttingen Bühler, C. & Hetzer, H. (1932): Kleinkindertests: Entwicklungstests vom 1. bis 6. Lebensjahr. Barth, Leipzig Deimann, P., Kastner-Koller, U., Benka, M., Kainz, S. & Schmidt, H. (2005): Mütter als Entwicklungsdiagnostikerinnen: Der Entwicklungsstand von Kindergartenkindern im Urteil ihrer Mütter. 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(1998): Wiener Entwicklungstest (WET): Testmaterial und Manual (1. Aufl.). Hogrefe, Göttingen Kastner-Koller, U. & Deimann, P. (2002): Wiener Entwicklungstest (WET): Manual (2. Aufl.). Hogrefe, Göttingen Kastner-Koller, U., Deimann, P., Konrad, C. & Steinbauer, B. (2004): Entwicklungsförderung im Kindergartenalter. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 53, 145 - 166 Krampen, G. (1996): Kreativitätstest für Vorschul- und Schulkinder (KVS-P). Hogrefe, Göttingen Krampen, G. (1999): Breitband-Entwicklungsdiagnostik bei Vorschulkindern mit dem „Wiener Entwicklungstest“ (WET). Report Psychologie, 24, 281 - 286 Krucker, W. (2000): Diagnose und Therapie in der klinischen Kinderpsychologie: Ein Handbuch für die Praxis. Pfeiffer Klett-Cotta, Stuttgart Poustka, F., Bölte, S., Feineis-Matthews, S. & Schmötzer, G. (2004): Autistische Störungen (= Leitfaden Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, Bd. 5). Hogrefe, Göttingen Quaiser-Pohl, C. (1999): Der Wiener Entwicklungstest (WET). 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