Frühförderung interdisziplinär
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0721-9121
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2009
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Quer gedacht: Riskante Kindheit - Ein Metalog
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2009
Regina Klaes
Renate Walthes
Zum Jubiläum der Risikoforschung <p> Die Wurzeln der Risikoforschung werden - bei allem Risiko der Fehlinformation und dem noch höheren Risiko der Fehlinformationsverbreitung - auf das Jahr 1969 datiert. Vierzig Jahre später ist das Gewächs der Forschung prächtig gewachsen und bringt allseits vermarktbare Früchte hervor. Vom Hochrisiko bis zum Restrisiko ist alles dabei.
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Frühförderung interdisziplinär, 28. Jg., S. 133 - 140 (2009) © Ernst Reinhardt Verlag München Basel quer gedacht „Riskante Kindheit“: Ein Metalog Regina Klaes, Renate Walthes Zum Jubiläum der Risikoforschung Die Wurzeln der Risikoforschung werden - bei allem Risiko der Fehlinformation und dem noch höheren Risiko der Fehlinformationsverbreitung - auf das Jahr 1969 datiert. Vierzig Jahre später ist das Gewächs der Forschung prächtig gewachsen und bringt allseits vermarktbare Früchte hervor. Vom Hochrisiko bis zum Restrisiko ist alles dabei. So ist der Risikodiskurs im Laufe seiner 40-jährigen Risikogeschichte in den Risikokonflikt geraten, hat sich nun aber in aller Risikoverantwortung zum Risikodialog aufgeschwungen und geht dabei das Risikowagnis ein, die Risikofolgen nicht wirklich abschätzen zu können und das, obwohl tausendfach Risikoanalysen vorliegen, die in umfangreichen Risikostudien über unzählige Risikogruppen zu nicht haltbaren, aber dennoch interessanten Risikotheorien geführt und diverse Risikokonzepte zur Risikobewältigung unter Berücksichtigung der jeweiligen Risikosituation - natürlich im Risikovergleich - einen Risikoindex hervorgebracht hat, der zwar nicht das Risikomaß, so doch die Risikodosierung in einer zumutbaren Restrisikonorm, nämlich DIN 31004 zu fassen erlaubt und damit eine Risikoeinschätzung, und, was noch wertvoller ist, ein Risikomanagement ermöglicht, das dazu in der Lage ist, sowohl die Risikoneigung als auch den Risikobedarf in seine Risikowahrnehmung zu nehmen, um so die Bewegung zwischen Grenzrisiko und Mehrrisiko gemäß der Risikoorientierung an der Risikobestimmungsformel R = W × S auszurichten und auf diese Weise zu einer uneindeutigen Risikobeurteilung zu kommen, die hinsichtlich der Entscheidungsauswirkungen zwar mit dem Unwissbaren lebt, sich zugleich aber des unschätzbaren Guts erfreut, mögliche unerwünschte Entscheidungsergebnisse angesichts zuvor ausgiebig geführter Risikokommunikation auf den Risikoverursacher zurückführen zu können. Das erhöht nicht nur die Risikoakzeptanz, sondern teilt die Menschheit insbesondere zur Entlastung der einen Gruppe auch ein in Risikotäter und Risikoopfer. Und weil das so ist, bekommen die Wenigen, die bereit sind, das hohe Risiko der Rückführung ungünstiger Entscheidung auf ihre Person als Risikotäter zu tragen, auch richtig viel Geld für ihren hochriskanten Job, den sie natürlich risikokompetent und risikosensibel ausüben. Von daher ist die Attraktivität, sich nun auch in der Frühförderung dem Risikomanagement anzunehmen, nur allzu verständlich. Erläuternde Worte Wenn wir hier nun gleich unsere Erkenntnisse aus der Risikoforschung in etwas riskanter Weise in den Metalog bringen, so sei zuvor all denen herzlich gedankt, die sich bereits hochengagiert der Verhinderung möglicher negativer Risikoauswirkungen auf die Entwicklung von Kindern und Familien widmen und dafür sowohl tragfähige interdisziplinäre Strukturen als auch praktisch fachliche Handlungsorientierungen schaffen. Es ist wichtig und gut hinzuschauen und noch besser ist es, dann auch helfen zu können. Auch wenn wir im Folgenden vielleicht etwas despektierlich mit dem Risikoblick umgehen, so ist uns völlig klar, dass es einer deutlichen, vielleicht auch überdeutlichen Betonung bedarf, um vorhandene Risiken ins öffentliche oder wie hier fachliche Bewusstsein zu rufen, um so eine notwendige Sensibilisierung zu entwickeln. In gleicher Weise - nämlich überbetont - wollen wir nun das Risiko der Frühförderung betrachten, wenn sie sich zukünftig mehrheitlich den Entwicklungsrisiken ihrer Klientels verschreibt. Nehmen Sie es als Fragen über Fragen und suchen Sie ihre Antworten. Metalog: DIN 31004 „Riskante Kindheit“ - Früh erkennen - Früh fördern Beratungs-/ Verkaufsgespräch zwischen Risikomaklerin (A) und Kundin (Frühförderin im Umbruch) (B) Risikomaklerin: Nummer 31004 bitte! Frühförderin: (erscheint mit Blinklicht auf dem Kopf) Namasde! Risikomaklerin: Na mal seh’n! Nehmen Sie doch bitte Platz! Guten Tach! Was kann ich für Sie tun? Frühförderin: Sie können mir helfen! Risikomaklerin: Das will ich hoffen! Frühförderin: Wie - Sie hoffen noch? Ich dachte Sie seien Spezialist für Risiken und würden rechnen statt hoffen! Risikomaklerin: Schon, aber zur Risikoabschätzung errechnen wir ja die Wahrscheinlichkeit auf berechtigte Hoffnung. Danach richtet sich dann auch der Preis für unsere Risikoangebote. 134 Regina Klaes, Renate Walthes FI 3/ 2009 Frühförderin: Also ich habe inzwischen auf Mut zur Realität umgestellt und beherzige die Fastenzeit, indem ich eisern auf jede Hoffnung verzichte! Risikomaklerin: Aber ist nicht gerade die Fastenzeit, zumindest nach der christlichen Gebrauchsanweisung, Hoffnung pur? Hoffnung auf Liebe, Vergebung und die Erlösung von allem Bösen, inklusive des Versprechens der Auferstehung und des ewigen Lebens - also sozusagen der Tunnel zum Licht? Frühförderin: Ja, aber ich bin ja beruflich nicht für das Ende, sondern für den Anfang zuständig und insofern muss ich das Böse im Auge haben, noch bevor es um Vergebung und Erlösung geht. Risikomaklerin: Ach, dann sind Sie eher der Tunnel als das Licht. Aber weshalb tragen Sie dann das Licht auf dem Kopf? Sind Sie düsterer Realist und funkelnder Hoffnungsträger zugleich? Das wäre eine perfekte Geschäftsidee. Zuerst Verdunkelung, und dann: Lampe an - hier geht’s lang! Frühförderin: Ich bin kein Hoffnungsträger, ich bin ein Frühwarnsystem! Meine Funktion besteht darin, haufenweise Risiken zu definieren. Es ist doch nichts gewonnen, die Augen zu verschließen und alles dem Schicksal oder dem Zufall oder der Hoffnung zu überlassen. Wenn wir so weitermachen, stirbt die Hoffnung wahrlich zuletzt, weil sie uns überlebt, indem sie uns zwar zuversichtlich, aber tatenlos in den Taifun des Lebens schlendern lässt. Deshalb mein fester Entschluss zum Verzicht auf jede Hoffnung. Ich werde jetzt aktiv und widme meine Leuchtkraft dem Risiko. Risikomaklerin: Aha - jetzt habe ich verstanden. Sie sind so eine Art Leuchtturm! Frühförderin: Das wäre ich gerne - aber, in der wogenden Risikowelle das rettende Ufer zu sein, so weit bin ich noch nicht. Ich weiß ja wo meine Grenzen sind, d’rum beschränke ich mich und warne lediglich. Risikomaklerin: Und wovor warnen Sie? Frühförderin: Vor dem Risiko. Risikomaklerin: Vor welchem Risiko? Frühförderin: Ja, das weiß ich eben noch nicht, deshalb bin ich ja hier! Risikomaklerin: Das heißt, im Moment sind Sie eher die personifizierte gefährliche Klippe, die es zu umschiffen gilt, sozusagen das Risiko selbst. Das ist natürlich kein sonderlich aussichtsreiches Geschäftsmodell. Da müssen wir was tun! Nun gut, dann fangen wir mal ganz vorne an. Dürfte ich Sie bitten, das Licht auf ihrem Kopf solange auszumachen. Die Beschäftigung mit Risiken ist ja doch eher eine dunkle Angelegenheit und daher ist zu viel Licht der Sache abträglich. Frühförderin: Aha, Licht ist also ein Risiko für Risiken? Das muss ich mir schon mal merken. (macht die Lampe aus) Risikomaklerin: Zunächst mal die Geschäftsbedingungen - also wie gesagt, der Preis unserer Produkte korreliert mit der Hoffnungswahrscheinlichkeit auf einen guten Ausgang, will meinen: je geringer die Hoffnung, um so höher der Preis. Schauen Sie, da gibt es unterschiedliche Risikokategorien von römisch VII bis arabisch 13, das wäre in Ihrer Branche - was machen Sie beruflich? Frühförderin: Ich bin Frühförderin. Risikomaklerin: Ach ja, da gibt es ja genügend Angebote. Also in Ihrer Branche wäre das dann zum Beispiel die Risikokategorie: eine alleinerziehende, sehr junge, nichtarbeitende, etwas dicke Mutter, mit geringem sozialen Status. Doch lassen Sie uns zunächst mal ermitteln, um welche Risiken es Ihnen so geht. Wissen Sie schon, wonach Sie suchen? Frühförderin: Ja und Nein! Wenn ich ganz ehrlich bin, so ist mein Verzicht auf Hoffnung für mich eine harte Herausforderung. Ich befinde mich auf einem schmalen Grat, sozusagen auf einer hoch aufgespannten Slackline über meinem Arbeitsfeld und im Moment fehlt mir noch so ziemlich alles, um von der einen auf die andere Seite zu kommen. Deshalb bin ich nun hier. Risikomaklerin: Und von wo nach wo wollen Sie sich bewegen? Also was befindet sich auf den jeweiligen Ufern? Frühförderin: Auf der einen Seite, da, wo ich zur Zeit noch stehe, ist die Beschäftigung mit den Beobachtbarkeiten der Gegenwart, und auf der anderen Seite ist die Beobachtung der Zukunft! Risikomaklerin: Mh! Was wäre denn gewonnen, wenn Sie sicher in der „Spökenkiekerei“ ankommen würden? Frühförderin: Nun, ich wäre wohl in meiner Branche ganz vorne mit dabei, die stellt nämlich gerade um von Potenzialauf Risikoförderung. Das neueste Symposion war zum Beispiel überschrieben mit „Riskante Kindheit. Früh erkennen - Früh fördern.“ Risikomaklerin: Die riskante Kindheit früh fördern - das klingt ausgesprochen spannend. Wir sollten uns vernetzen! Warum zögern Sie denn da noch? Da sind Sie doch wirklich am Puls der Zeit. Frühförderin: Dann halten Sie die forcierte Beschäftigung mit Risiken also auch für eine Geburt des Zeitgeistes? FI 3/ 2009 „Riskante Kindheit“ 135 Risikomaklerin: Na klar, jede Zeit hat doch ihren Geist und der kriegt nach und nach Kinder! Wenn man einem namhaften Soziologen (N. Luhmann) glauben darf, dann konstituiert die moderne Gesellschaft gerade ein neues Verhältnis zu ihrer Zukunft, indem sie ihre eigene Zukunft wesentlich in der Perspektive der Vermeidung möglicher künftiger Schäden thematisiert. Zukunft ist nicht mehr die Intransparenz des Kommenden, sondern muss heute schon mitbedacht, mit kalkuliert werden. Das führt zu einem hohen Aufwand, der zur Rationalisierung der Folgen betrieben wird, wohl wissend, dass letzte Sicherheit nicht erreichbar ist. Und wenn die Frühförderung nun endlich auch einen Risikosinn entwickelt, dann ist das wahrlich keine Frühgeburt, was das Entwicklungsrisiko des Risikothemas deutlich mindert. Und ich vermute die Beziehung zum Thema wird auch eher von Liebe und Zuwendung getragen als von Bindungsschwierigkeiten geprägt sein, was wiederum für eine gute Reifung des Themas spricht. Lächeln sie also wieder, greifen sie zu! Frühförderin: Aber ich kann doch nicht einfach von A auf B umstellen, ohne die Erfolgswahrscheinlichkeit bzw. die damit verbundenen Risiken geprüft zu haben. Das muss ich Ihnen als Risikomaklerin doch wohl nicht erst erzählen! Risikomaklerin: Da haben Sie natürlich Recht und ich wäre wirklich eine schlechte Beraterin, wenn ich wüsste, was für Sie gut ist. Nehmen wir uns also die Zeit herauszufinden, was dafür und was dagegen spricht, damit Sie selbst mit einem guten Gefühl ihre Balance auf der Slackline finden. Worauf richten sich denn Ihre Bedenken, wenn Sie zukünftig als REO tätig werden sollten und anstatt die Gegenwart die Zukunft zu ihrem Thema machen würden? Frühförderin: Als was soll ich tätig werden? Risikomaklerin: Als REO, als Risikoentschärfungsoperator, kurz REO genannt, so heißt das im Fachjargon! Sie werden dann zu einer Entscheiderin, die zu einer bestehenden Handlungsoption, zum Beispiel „Klauen“, eine alternative Handlung intendiert, um das mit der ersten Option verbundene Risiko zu reduzieren. Frühförderin: Aber sehen Sie, das will ich schon gar nicht, ich will gar keine Entscheiderin werden. Ich will eine bereichernde Umwelt für die Familie bleiben, eine offene Möglichkeit, ein Angebot, eine Idee, eine Anregung! Risikomaklerin: Aha! Sie scheuen also das Risiko der Entscheidung! Nun gut, dann schalten wir einfach einen Gang zurück. Sie müssen ja nicht sofort zu einem Präventions-REO werden. Sie können auch zunächst als Kompensations- REO anfangen. Wir schalten quasi um: von Impfung auf Versicherung! Das heißt: statt das Eintreten negativer Konsequenzen riskanter oder prekärer Entwicklungsbedingungen eines Kindes zu verhindern, gehen wir auf Schadensmilderung. Das Kind fällt sozusagen erst einmal in den Brunnen und Sie sorgen dann dafür, dass es nicht ertrinkt. Sie sollten dann allerdings von der Frühförderung in die spätere Rehabilitation wechseln, denn es braucht ja so seine Zeit, bis das Kind am Brunnen vorbeikommt. Frühförderin: Kann es sein, dass Ihr Zynismus biografisch bedingt ist? Risikomaklerin: Nun, auf irgendeinem Wege muss man ja zu seiner Berufswahl finden, und ehrlich gesagt, ich bin mit meiner ganz zufrieden. Sie wissen ja, Resilienz heißt das Zauberwort. Frühförderin: Ach daher ihre Sympathie für Risiken! Risikomaklerin: Ja, ganz nach dem Motto: Die Mutigen kennen sich gut aus mit der Furcht! Frühförderin: Lassen Sie uns mutig zum Brunnen und zu meiner Zukunft als Kompensations- REO zurückkommen, denn meine Furcht davor ist groß genug. Das Versicherungskonzept überzeugt mich so wenig wie die Impfung. Ich könnte doch auch bei dem bleiben, was ich heute schon mache und Kinder wie Eltern von Anfang an zum freudvollen Schwimmen einladen, dann muss ich den Brunnen nicht verhindern und habe trotzdem keine Schäden zu mildern. Risikomaklerin: Aha - Sie sind also eher chinesisch unterwegs und bevorzugen das wei-ji. Frühförderin: Keine Ahnung, aber wenn Sie es sagen! Risikomaklerin: Das kommt öfter vor, dass Leute gar nicht wissen, was sie denken oder fühlen. Und dann ist es gut, wenn man es ihnen sagt. Also wei-ji ist das chinesische Schriftzeichen für Risikosituation, was zugleich Chance und Gefahr bedeutet - so wie der Brunnen neben der Gefahr hineinzufallen zugleich auch Nahrungsquelle und Lebensspender ist. Vor diesem Hintergrund müssten Sie vielleicht auf Risikomanagement umschalten, wie wäre das? Frühförderin: Bestimmt gut bezahlt, aber riskant! Oder? Risikomaklerin: Nun ja, das kommt auf die Verursachungszuschreibung bzw. Verantwortungszuweisung bei misslungenen Prozessen an. Aber das kriegen wir schon zu Ihren Gunsten hin. 136 Regina Klaes, Renate Walthes FI 3/ 2009 Also, ihre zukünftige Aufgabe bestünde dann in der Einschätzung der unmittel- und mittelbaren Lebenswelt des Kindes hinsichtlich chancenreicher oder entwicklungsschädlicher Komponenten. Die Referenzgröße der Einschätzung oder Diagnose wäre Normalentwicklung der unterschiedlichen Entwicklungsparameter. Da müssten sie sich allerdings Entsprechendes einfallen lassen, das ist ja heutzutage nicht mehr ganz so leicht. Zum Entwicklungs-wei-ji des Kindes gehören natürlich in erster Linie die Eltern: Sie als risikomanagendere Frühförderin werden, ganz in Ihrem Sinne, nun zur anregenden Umgebung des Familiensystems und sollten dazu dienen, dass das System mehr von den Chancen realisiert als von den antizipierbaren Schäden erzeugt. Dazu müssen Sie natürlich Verdachtsmomente für Schäden entwickeln und durch Ihr Verhalten die Eltern dazu veranlassen, vorhandene Ressourcen als Gegensteuerungspotenziale zu nutzen. Soweit die praktische Aufgabe, das klingt doch ganz in ihrem Sinne oder? Frühförderin: Weiß nicht - die Sache mit den Verdachtsmomenten kommt mir verdächtig vor. Risikomaklerin: Na wunderbar, ich merke schon, Sie sind die richtige Frau für diesen Ansatz. Nun aber noch zu den Voraussetzungen, die Sie für diese Arbeitsprozesse schaffen müssen: Als Risikomanagerin müssen Sie sich zunächst einmal eine Legitimation verschaffen, was da heißt die Eltern, bei gleichbleibenden Ausgangsbedingungen des Elternhauses, von der Bedrohlichkeit der Zukunft zu überzeugen. Schlicht ausgedrückt: sie müssen eindrücklich problematisieren. Frühförderin: Sehen Sie, das ist die 180-Grad- Wende, die mich so bedroht. Die psychische Belastung bei unausgesprochenen Unterstellungen, Eltern würden sich im Sinne fördernotwendiger Maßnahmen nicht gut genug um ihre Kinder kümmern, ist ja jetzt schon wahnsinnig hoch und führt meistens durch ein inneres Opponieren der Frühförderin zu einem ungewollten Besserelternsein mit Rückzug auf das Kind oder als letzter Ausweg zur Abgabe der „schwierigen Familie“ an eine Kollegin. Wie soll das dann erst werden, wenn ich zum offiziellen Inspektor für Rabeneltern werde? Risikomaklerin: Machen Sie sich nicht so viel Sorgen, der gravierende Unterschied wird sein, dass es zukünftig nicht mehr um unausgesprochene Unterstellungen, sondern um ausgesprochene Prognosen aufgrund wasserdichter Realitätsprüfungen geht. Das ist viel leichter. Frühförderin: Und wohin mit der Angst, Eltern durch solche Offenbarungen mehr als zu kränken? Risikomaklerin: Ja, ein bisschen Risiko muss schon sein, das ist ja gerade das Salz in der Suppe ihres zukünftigen Auftrags. Aber zugegeben, in Sachen Kommunikationskompetenz müssen Sie schon noch ein Schüppchen drauflegen. Die Lizenz zur Risikomanagerin gibt es nicht einfach frei Haus. Frühförderin: O. k. Darin liegt ja auch eine Chance. Ich wollte mich immer schon mal verständlich machen können. Risikomaklerin: Damit sind wir beim nächsten Punkt der zu schaffenden Voraussetzungen. Sie müssen sich bei Ihrer Kundschaft, sprich den Eltern, fachliche Akzeptanz erwerben, in dem Sie Ihre in Aussicht gestellte Wirksamkeit, bei vertretbaren Kosten, glaubwürdig rüberbringen. Dazu ist es notwendig, eine Eintretenswahrscheinlichkeit des gewünschten Risikogegensteuerungseffektes auf der Grundlage der Wahrscheinlichkeitsrechnung in objektiven Zahlen darzulegen. Keine Sorge, das ist leichter als es scheint. Die Formel hierzu lautet: R = W × S. Ist das alles erfolgreich getan, kommt der letzte, aber sehr bedeutsame Schritt: Sie müssen Ihre Funktion als Risikomanagerin deutlich von der Verantwortungsübernahme für das Restrisiko trennen. Die verbleibt in jedem Falle bei den Eltern. Frühförderin: Das ist gut. Aber, was, bitte schön, ist das Restrisiko? Risikomaklerin: Das Restrisiko ist der objektiv unabwägbare Teil des kindlichen/ menschlichen Entwicklungsprozesses, der nicht beherrschbar noch verantwortbar ist. Frühförderin: Nicht verantwortbar, aber auch nicht beherrschbar. Das hört sich schwer nach Machtlosigkeit an. Und dafür sind dann trotzdem die Eltern verantwortlich? Das verstehe ich nicht! Risikomaklerin: Halt stopp, hier geht es nicht um Machtlosigkeit, sondern um eine Eigentumsteilungserklärung von Schuld. Diese sieht eine Generalabsolution auf Ihrer Seite und eine Generalschuld auf seiten der Eltern vor. Nicht verantwortbar heißt, die Gefahr, dass der unabwägbare Teil der kindlichen Entwicklung daneben geht, kann niemandem zur Last gelegt werden, weil er nicht beherrschbar ist. Er ist eben eine Gefahr und damit so etwas wie ein mögliches schlechtes Schicksal oder ein misslicher Zufall. Gleichwohl sind aber die Eltern mit der Entscheidung für ihr Kind grundsätzlich das Risiko dieser Gefahr eingegangen, FI 3/ 2009 „Riskante Kindheit“ 137 was sie zu letzten Urhebern eben auch dieses Schicksals macht. Ob nun beherrschbar oder nicht, die Eltern kommen nicht raus aus der Verantwortung, während Sie, Gott sei Dank, außen vor bleiben. Na, das wird doch immer attraktiver, oder? Frühförderin: Mir ist schlecht! Risikomaklerin: Aber wieso denn, bis jetzt steht der Umstellung auf Zukunftsregulation doch nichts im Wege. Frühförderin: Schuld, Verantwortung, Absolution - ich glaube, ich will zurück zu meiner guten alten Hoffnung. Risikomaklerin: Also gut, dann machen wir es anders - in Ihrem Falle gehen wir besser auf Grenzrisiko im Sinne des größten noch hinzunehmenden Risikos, jenseits dessen erst eine Gefahr besteht. Da sind wir dann auf der sicheren Seite, denn das entspricht der Risikonorm DIN 31004. Dazu sollten Sie den Eltern fairerweise erläutern, dass man im Umgang mit Risiken naturgegebener Weise mit dem Nichtgewussten oder dem Unwissbaren umgeht und der ganze Akt lediglich dazu dient, aus der Gefahrenzone in die Risikozone zu wechseln, also von der Opferzur Täterrolle. Damit können Eltern zu aktiven Schadensvermeidern oder sogar Chancenbeförderern werden. Was allerdings bleibt - aber das müssen Sie ja nicht unbedingt herausstreichen bei ungünstigen Entwicklungsverläufen werden auch hier die Eltern zu Schadensverursachern gemacht. In jedem Falle bietet dieses Angebot der Frühförderung als Risikomanagement für die Familien ein deutliches Mehr an Sicherheit, da ein Zustand (ganz im Sinne der ISO/ IEC) erreicht wird, der, wenn auch nicht als Freiheit von Gefahr, so doch als Freiheit von inakzeptablen Risiken bezeichnet werden darf und damit der TÜV-Norm entspricht. Das wiederum kann unter dem Aspekt der Qualitätssicherung als großes Vermarktungsplus der nun auf Risikoimplementierung neu orientierten Frühförderung gesehen werden, die damit die Berechtigung erwirbt, den Kindern nach Beendigung der Maßnahmen eine Art Prüfplakette auf die Stirn zu kleben. Na, wie finden Sie das? Frühförderin: Halt, stopp, aus! Zuerst soll ich mit hellseherischem Blick auf Morgen die Sorgen von Heute erfinden und dann soll ich auch noch eine Art Reparaturwerkstatt betreiben! Wo denken Sie mich eigentlich hin? Risikomaklerin: Nun ja, in Ihre Zukunft! Ich dachte, deshalb wären Sie hier. Doch ich habe schwer den Eindruck, dass Sie gegen bessere Zukunftsprognosen resistent sind, weil Sie sich zu ihrer Verwirklichung ändern müssten. Ich vermisse ehrlich gesagt eine gewisse Bereitschaft zum Wiederlächeln und zur intuitiven positiven Resonanz auf all meine Entwicklungsbemühungen. Um ehrlich zu sein, ich verspüre einen nicht unerheblichen Mangel an Bindungskompetenz. Frühförderin: Das scheint mir beidseitig gegeben, denn nichts von dem, was Sie mir in Aussicht stellen, verbindet sich mit dem, was mich bewegt. Ganz im Gegenteil, Sie kommen mir immer mehr als ein Restrisiko vor - unbeherrscht und verantwortungslos. Risikomaklerin: Mit Verlaub, das haben Sie falsch verstanden: unbeherrschbar und unverantwortbar. Frühförderin: Egal jetzt, so wird das jedenfalls nichts. Ich kann dieses Risikopferd nicht einfach satteln, ohne über die möglichen Auswirkungen auf mich, meine Kundschaft und meine ganze Arbeitsidentität als Frühförderin nachzudenken. Ich brauche eine ernsthafte Risikoanalyse! Risikomaklerin: Aber sicher doch, das ist doch selbstverständlich. Natürlich, kommt sofort. Das Risiko des Risikos. Mögliche Chancen und mögliche Schäden. Widmen wir uns also der Frage, welches Risiko Sie eingehen, wenn Sie die Entwicklung der Frühförderung zur Risikopräventionseinrichtung unterstützen und welches Sie eingehen, wenn sie diese Richtung ablehnen. In einer Risikogesellschaft, die prüfen muss, ob sie die für die gewünschte gesellschaftliche Entwicklung richtigen Risiken nutzt bzw. vermeidet, wollen beide Seiten genau betrachtet sein. Fangen wir mal mit den Risiken der Vermeidung an. Also was befürchten Sie, wenn Sie die Entwicklung der Frühförderung als Risikoentwicklungspräventionsmaßnahme nicht mitvollziehen? Frühförderin: Hmmm, also mir geht es schon so, dass ich immer mehr das Gefühl habe, Mitglied einer Gesellschaft zu sein, die mehr Lebensrisiken hervorbringt als abbaut und ich dabei nicht Entscheider, sondern eher Opfer von negativen Konsequenzen der Entscheidungen anderer bin. Insofern ist es schon an der Zeit, die Chance zu nutzen, und wenigstens bei anderen als eingreifender Täter die drohende Katastrophe zu verhindern. Ich möchte auf keinen Fall zum Nachbarn von nebenan werden, der über Jahre gar nichts bemerkt hat. 138 Regina Klaes, Renate Walthes FI 3/ 2009 Risikomaklerin: … oder zur Fachfrau, die vor lauter Gutem im Menschen die ebenso menschlichen Versäumnisse nicht sieht … Frühförderin: … oder vor lauter Angst und Rücksichtname den Mut nicht findet, die wahrgenommenen Unzulänglichkeiten auch anzusprechen. Zudem trage ich mit der offiziellen Eintrittserlaubnis in die Entwicklungsgebiete Familie als Frühförderin ja auch eine gewisse gesellschaftliche Verantwortung, die ich wirklich nicht scheuen möchte. Risikomaklerin: Ja und nicht zu vergessen, dass Sie mit der Ausübung dieser gesellschaftlichen Wichtigkeit auch das Image der Frühförderung deutlich verbessern können. Retter werden höher gehandelt als Dienstleister. Frühförderin: Sie können wohl nicht anders als zynisch oder? Risikomaklerin: Stimmt, ich bin eben so, wie man mich geworden hat - aber das hatten wir ja schon! Lassen Sie uns trotzdem auch noch über Ihre Bedenken reden, die Sie abhalten könnten, in der Entwicklungsfrühförderung auf Risikomanagement umzuschalten. Frühförderin: Ach, da weiß ich gar nicht, wo anfangen. Das geht schon los mit der neuen Sprache, an die ich mich nicht anschließen will. Gestern waren es noch Kinder und Familien, auf deren Entwicklungspotenziale und -ressourcen ich mich bezogen habe. Morgen sind es dann Risikokinder, in Hochrisikofamilien, deren Risikoentwicklung über eine interdisziplinäre Risikokommunikation, bei der nicht geklärt ist, wer mit welchem Risikoverständnis und unter welchen Rahmenbedingungen unterwegs ist, mit vereinten Kräften verhindert werden soll. Risikomaklerin: Nun das geht ja nicht anders, das Denken über Risiken bringt natürlich auch eine entsprechende Sprache hervor. Frühförderin: Aber die Sprache bringt zirkulär auch ein entsprechendes Denken hervor - und so kriegen die Zeitgeister Kinder. Mir persönlich ist das zu riskant, denn ich kenne den Meister nicht, der die Geister, die ich rief, wieder beruhigt. Risikomaklerin: Das heißt frei nach Wittgenstein, Sie negieren die Probleme, weil Sie sich die Lösungen nicht zutrauen. Das ist auch eine Lösung. Nun gut, was haben Sie noch für Bedenken? Frühförderin: Ja ich frage mich, was man möglicherweise hier und jetzt nicht mehr sehen kann, wenn man auf die negativen Entwicklungsoptionen fokussiert. Aber vielleicht entwickeln wir ja phylogenetisch noch eine Wahrnehmungsfähigkeit, die in einer Art Spagatblick den blinden Fleck überwindet. Man kann ja nicht wissen, zu was der Mensch noch alles fähig wird, wenn man ihn sich nur entwickeln lässt. Aber noch ist es eben nicht so weit und wir müssen uns entscheiden, was wir in den Vordergrund stellen. Ich persönlich dachte, die Defizitnummer läge hinter uns, doch jetzt wird sie pädagogisch verantwortungsbewusst vorausschauend durch die Vordertüre wieder eingeführt. Wenn ich es demnächst mit einem Knaben mit niedrigem Geburtsgewicht, einem impulsiven Interaktionsverhalten in sozioökonomisch nicht so guten Verhältnissen zu tun habe, und die Mutter zudem raucht, dann muss ich mich fragen, was ich tun könnte, damit der Junge mit etwa 15 Jahren nicht delinquent wird. Risikomaklerin: Jetzt bleiben Sie mal realistisch und übertreiben nicht so maßlos. Frühförderin: Ja, Sie haben Recht, um mich das fragen zu müssen, müsste die Mutter gar nicht rauchen. Risikomaklerin: War das gerade etwa Zynismus, der da zwischen Ihren Zähnen zischelte? Frühförderin: Kann gut sein, mir fehlen bei diesem Thema offenbar die geeigneten Schutzfaktoren. Risikomaklerin: Die Schutzfaktoren sind nicht das Entscheidende. Sie brauchen das sogenannte förderliche mittlere Belastungsniveau, was aus dem Zusammenwirken von Schutz- und Risikofaktoren resultiert, und die sollten weder besonders niedrig noch besonders hoch sein. Mit anderen Worten: zu wenig Risiko ist auch nix. Stellen Sie sich also den Herausforderungen. Frühförderin: Ich trau mich aber nicht. Ich bin einfach in meinem wohlbehüteten Dasein nicht ausreichend mutig gemacht worden für den Schritt in die Risikofrühförderung. Risikomaklerin: Das heißt, eigentlich würden Sie es schon gerne wagen wollen, wenn Sie sicher wären, dabei nicht allzu großen Schaden anzurichten oder erleiden zu müssen. Frühförderin: Ja, im Grunde schon. Risikomaklerin: Was halten Sie dann davon, wenn ich Sie zur Fortbildung „Riskflecting“ anmelde? Das ist eine Art Nachhilfekurs für Knieschlotterer wie Sie. Durch die bewusste Auseinandersetzung mit der eigenen Person, dem sozialen Umfeld und dem Risikoverhalten soll ein aktiver Umgang mit Risikosituationen er- FI 3/ 2009 „Riskante Kindheit“ 139 reicht werden. Die Idee ist, dem menschlichen Bedürfnis nach Risikosituationen Rechnung zu tragen. Man lernt mit einem gewissen Maß an Risikoverhalten seine Umwelt intensiver zu erkunden und seine Unsicherheit in Sicherheit zu verwandeln. Meines Erachtens ist das genau die Qualifikation, die Sie demnächst brauchen. Frühförderin: Ach, ich wusste gar nicht, dass es das auch für Erwachsene gibt. Meines Wissens ist das ein Ansatz für ältere Kinder und Jugendliche, damit sie eine stabile persönliche und soziale Identität bilden und auf Überforderung oder Langeweile wirksam reagieren können. Meinen Sie nicht, dass mein Entwicklungsfenster für Risikobereitschaft schon zu ist? Risikomaklerin: Nun, bei dem Ansatz geht es ja um Grenzverschiebung. Da sind vorhandene Grenzen eine notwendige Voraussetzung. Insofern sollten Sie da goldrichtig sein. Frühförderin: Das habe ich jetzt nicht verstanden, sie sollten ein Schüppchen Kommunikationskompetenz nachlegen. Risikomaklerin: O. k. dann kommen wir doch lieber zu Ihren Bedenken zurück. Sehen Sie noch mehr Risiken der Frühförderung, wenn sie sich für die Entwicklungsrisiken von Familien zertifiziert? Frühförderin: Aber sicher, meine allergrößte Sorge habe ich noch gar nicht genannt. Risikomaklerin: Ja ja, die größten Sorgen kommen immer zum Schluss, das kenne ich schon. Doch machen Sie es bitte kurz, denn neben all den Sorgen wollen wir ja Ihre Chancen und Möglichkeiten nicht unentdeckt lassen - Sie wollen ja schließlich eine Zukunft von mir haben. Frühförderin: Gut! Also, ich war doch da auf dem schon erwähnten Symposion. Und was mir da ganz deutlich geworden ist, dass es bei einer gesunden Beziehungsentwicklung auf ein gutes Bindungsverhalten ankommt. Ein Verhalten, was Sicherheit und Vertrauen hervorbringt, was mich zur verlässlichen Größe macht, an die man sich wenden kann und die dazu in der Lage ist, sowohl Trost als auch Anregung zur Selbstwirksamkeit zu geben. Das ist ja soweit alles noch ganz in meinem Sinne, aber wie soll ich ein solches Verhältnis zwischen mir und den Eltern entwickeln, wenn ich zugleich in der Kooperation mit dem Gesundheits- und dem Jugendamt auch zu einer Kontroll- und Überwachungsinstanz werde? Ich frage mich, ob da eine Binnendifferenzierung der Aufgaben und Zuständigkeiten nicht sinnvoller ist. Sollen doch die einen definitiv für die schützende Beaufsichtigung und Gewährleistung guter Entwicklungsbedingungen zuständig bleiben und darin ihre Strukturen und Hilfsansätze verfeinern und die anderen weiterhin therapeutisch-pädagogisch gute Arbeit im besten Sinne der Ressourcenförderung und -nutzung machen, die sich seit der Einführung der systemischen Denke vor 20 Jahren ohnehin auf die Entwicklungsthemen zwischen Eltern und Kindern bezieht. Risikomaklerin: Uff! War’s das jetzt oder kommt noch was? Frühförderin: Nein, jetzt sind Sie dran. Sagen Sie mir was ich tun soll! Risikomaklerin: Gott bewahre, das werde ich nicht tun. Ich will doch nicht die Verantwortung für Ihre Zukunft auf mich laden. Sie selbst sollen Ihre Balance auf der Slackline finden und dann die Richtung bestimmen. Lassen Sie uns ein Spiel spielen. Stellen Sie sich vor, Sie müssten sich für ein Gesundheitsprogramm gegen eine gefährliche Epidemie entscheiden und hätten zwei Möglichkeiten vorzugehen. Die erste Möglichkeit verspricht, dass 200 von 600 Leuten mit 100 % Sicherheit gerettet werden, während die zweite Möglichkeit bedeutet, dass alle 600 Leute nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/ 3 gerettet werden aber mit einer Wahrscheinlichkeit von 2/ 3 alle umkommen. Wofür entscheiden Sie sich? Frühförderin: Das ist eine unmoralische Aufgabe, das mache ich nicht. Risikomaklerin: Nun gut, dann machen wir es anders: Ausgangslage: wieder zwei Handlungsmöglichkeiten: Im ersten Fall werden mit 100 % Sicherheit von 600 Leuten 400 Tote zu beklagen sein oder Sie können ein Gesundheitsprogramm fahren, bei dem mit einer Wahrscheinlichkeit von 2/ 3 alle, mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/ 3 aber niemand stirbt. Frühförderin: Ich würde auf alle Fälle die Chance nutzen, dass alle überleben. Risikomaklerin: Sehen Sie, es ist die gleiche Aufgabe. Einmal können Sie sich ihr stellen und ein anderes mal nicht. Es kommt ganz auf die Darstellung der Situation an. Finden Sie heraus, welche Darstellung ihrer Zukunft ihnen erlaubt, Handlungsbereitschaften zu entwickeln. Die Risiko- oder die Hoffnungsdarstellung. Frühförderin: Ich glaube, ich mache mal mein Licht wieder an! Dann wird das Risiko chancenreicher! 140 Regina Klaes, Renate Walthes FI 3/ 2009 Nachklapp Frühförderin: Ich möchte auch ein Spiel mit Ihnen spielen. Risikomaklerin: Oh ja gerne, ich liebe Spiele! Frühförderin: Nicht so schnell, hören Sie sich bitte erst die Spielregeln an, bevor Sie sich entscheiden. Also es geht so: Ich stelle Ihnen eine Frage. Können Sie diese richtig beantworten, werde ich Ihr Beratungshonorar verdoppeln. Antworten Sie falsch, bekommen Sie nichts. Risikomaklerin: Das ist ein unseriöser Vorschlag. Das mache ich nicht. Frühförderin: Na gut dann gibt’s eben nur das halbe Honorar. Risikomaklerin: Aber wieso das halbe, ich habe doch von meinem ursprünglichen Honorar nichts verloren. Frühförderin: Nein das nicht, aber von Ihrem denkbar möglichen. Und das macht Sie heute etwas ärmer. Schade auch! Zum Nachlesen Aronen, E. / Arajaervi, T.: Die Voraussagbarkeit der psychischen Entwicklung von Kindern im Vorschulalter anhand der familiären Risikofaktoren. In: Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Jg. 15, Nr. 2, 1987, S. 146 - 157 Bennett, J. G. (2005): Risiko und Freiheit. Hasard - Das Wagnis der Verwirklichung. Zürich: Chalice Verlag Bernstein, P. L. (1997): Wider die Götter - Die Geschichte von Risiko und Risikomanagement von der Antike bis heute. München: Gerling Akademie Verlag Duehrssen, A./ Lieberz, K. (1999): Der Risiko-Index. Ein Verfahren zur Einschätzung und Gewichtung von psychosozialen Belastungen in Kindheit und Jugend. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht Ellinger, S./ Koch, K./ Schroeder, J. (2007): Risikokinder in der Ganztagsschule. Ein Praxishandbuch. Stuttgart: Kohlhammer Franzkowiak, P.: Risikokompetenz - Eine neue Leitorientierung für die primäre Suchtprävention? 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Weinheim u. a.: Juventa 2008 Klein, M.: „Thrill-Pädagogik“: zum Umgang mit dem unkontrollierten Risiko. In: Deutsche Jugend; Jg. 44, Nr. 9, 1996, S. 378 - 387 Kleinwellfonder, B. (1996): Der Risikodiskurs zur gesellschaftlichen Inszenierung von Risiko. Opladen: Westdeutscher Verlag Le Breton, D. (1995): Lust am Risiko. Von Bungeejumping, U-Bahn-surfen und anderen Arten, das Schicksal herauszufordern. Frankfurt a. M.: dipa- Verlag Leinen, J.: Risiko-Ressourcen-Profil für Familien und einzelne Familienmitglieder. Unsere Jugend, Jg. 53, Nr. 5, 2001, S. 205 - 212 Luhmann, N.: Die Moral des Risikos und das Risiko der Moral. In: Bechmann, G. (Hrsg.): Risiko und Gesellschaft. Opladen: Westdeutscher Verlag 1993, S. 327 - 338 Rohrmann, B.: Akteure der Risiko-Kommunikation. In: Jungermann, H. et al. (Hg.): Risikokontroversen. Berlin: Springer 1991, S. 355 - 370 Schödlbauer, C.: Riskflection. Sicherheit und Risiko als Metapher und Alltagsmythen. In: Erleben und lernen, Jg. 3/ 4, 2004, S. 18 - 21 Schründer-Lenzen, A. (Hrsg.): Risikofaktoren kindlicher Entwicklung. Migration, Leistungsangst und Schulübergang. Wiesbaden: VS, Verlag für Sozialwissenschaften 2006 Schüz, M. (Hg.): Risiko und Wagnis. Pfullingen: Neske 1990, S. 217 - 292 Walter, W.: Mehr Risiko! In: Königswieser, R. et al. (Hg.): Risiko-Dialog: Zukunft ohne Harmonieformel. Köln: Dt. Inst.-Verl. 1996, S. 199 - 212 Zelli, Fabiborz: Vom Risiko einer Risiko-Definition - eine Skizze. Sowi: das Journal für Geschichte, Politik, Wirtschaft und Kultur, H. 2, Jg. 32, S. 43 - 46 Ziegenhain, U./ Fegert, J. M./ Ostler, T./ Buchheim, A.: Risikoeinschätzung bei Vernachlässigung und Kindeswohlgefährdung im Säuglings- und Kleinkindalter - Chancen früher beziehungsorientierter Diagnostik. In: Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, Jg. 56, Nr. 5, 2007, S. 410 - 428 Weitere Literatur unter www.reinhardt-verlag.de > Zeitschriften > Frühförderung interdisziplinär > Einzelhefte > Heft 3 (2009) Regina Klaes, Dipl.-Päd., Familientherapeutin (IGST) Zentrum für systemische Bewegungstherapie Paul-Dietz-Str. 11 D-72072 Tübingen E-Mail: info@bewegung-im-dialog.de Prof. Dr. phil. Renate Walthes TU Dortmund, Rehabilitationswissenschaften Postfach 500 500 D-44221 Dortmund E-Mail: renate.walthes@tu-dortmund.de
