Frühförderung interdisziplinär
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0721-9121
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Je früher um so besser? Wann Kinderschutz beginnen sollte
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2009
Anne Katrin Künster
Birgit Ziesel
Ute Ziegenhain
In der derzeitigen Kinderschutzdiskussion wird ein immer früherer Beginn von Hilfen für Familien gefordert. Deshalb wird hier eine Möglichkeit zur sehr frühen Erfassung von Risikoindikatoren für Misshandlung und Vernachlässigung dargestellt, der "Anhaltsbogen für ein vertiefendes Gespräch". Des Weiteren werden frühe Interventionsprogramme in ihrer Wirksamkeit beleuchtet sowie ein bereits positiv evaluiertes Interventionsprogramm, die Entwicklungspsychologische Beratung, vorgestellt. Abschließend veranschaulichen zwei Falldarstellungen die Möglichkeit zur Untersuchung und Beratung von Familien bereits rund um die Geburt.
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51 Frühförderung interdisziplinär, 28. Jg., S. 51 - 60 (2009) © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Je früher um so besser? Wann Kinderschutz beginnen sollte Anne KAtrin Künster, Birgit Ziesel, Ute ZiegenhAin Zusammenfassung: In der derzeitigen Kinderschutzdiskussion wird ein immer früherer Beginn von Hilfen für Familien gefordert. Deshalb wird hier eine Möglichkeit zur sehr frühen Erfassung von Risikoindikatoren für Misshandlung und Vernachlässigung dargestellt, der „Anhaltsbogen für ein vertiefendes Gespräch“. Des Weiteren werden frühe Interventionsprogramme in ihrer Wirksamkeit beleuchtet sowie ein bereits positiv evaluiertes Interventionsprogramm, die Entwicklungspsychologische Beratung, vorgestellt. Abschließend veranschaulichen zwei Falldarstellungen die Möglichkeit zur Untersuchung und Beratung von Familien bereits rund um die Geburt. Schlüsselwörter: Kinderschutz, Prävention, Frühe Kindheit, Bindung The Earlier the Better? When to Start with Child Protection Summary: In the current discussion about child protection in Germany there is a call for very early help for families. Therefore, a short screening instrument for the early assessment of risk-indicators for child abuse and neglect (the “Anhaltsbogen für ein vertiefendes Gespräch”) is shown. Intervention programs for young families are discussed, focussing on a program that has been positively evaluated (the “Entwicklungspsychologische Beratung”). Finally, two mother-child-dyads are described to show the opportunity of analysing und advising families around birth. Keywords: Child protection, prevention, infancy, attachment Einleitung Nach zahlreichen in den Medien berichteten Fällen, in denen sehr junge Kinder durch Misshandlung oder Vernachlässigung zu Tode gekommen sind, wird der Ruf nach immer früher ansetzenden Interventionen laut. Dabei geht es darum, wie junge Familien möglichst früh erreicht werden und wie hilfebedürftigen Familien passgenaue und effektive Hilfen angeboten werden können. Voraussetzung für passgenaue Interventionen ist jedoch eine (bisher so noch nicht praktizierte) standardisierte Erfassung möglicher Risikofaktoren als Basis für anschließende Hilfe und Prävention. Um dies zu klären, soll im Folgenden kurz auf die Bedeutung der frühen Kindheit bzw. die besondere Vulnerabilität junger Kinder eingegangen werden. Des Weiteren werden Risikofaktoren für Kindeswohlgefährdung erörtert und eine ökonomische Möglichkeit zur Einschätzung der Wahrscheinlichkeit von Entwicklungsgefährdungen dargestellt, der sogenannte „Anhaltsbogen für ein vertiefendes Gespräch“. Mit diesem Instrument kann zugleich geklärt werden, ob Eltern für die Inanspruchnahme von frühen und präventiven Angeboten gewonnen werden können. Weiterhin wird erörtert, welche Interventionen sich in der frühen Kindheit anbieten und bereits positiv evaluiert wurden. Abschließend wird an zwei Fallbeispielen die Umsetzung in der Praxis aufgezeigt. Besondere Gefährdung in der frühen Kindheit Mit den enormen Fortschritten der Kleinkind- und Hirnforschung wurde zunehmend deutlich, auf welche Weise frühe Kindheitserfah- Originalarbeiten 52 Anne Katrin Künster et al. FI 2/ 2009 rungen die folgende körperliche und emotionale Entwicklung manchmal irreversibel beeinflussen (Shonkoff & Phillips, 2000). Einen besonders starken Einfluss auf die Entwicklungsphase des Kindesalters haben dabei vor allem die Bezugspersonen des Kindes, die sein Erleben und Verhalten im täglichen Umgang prägen, da Kinder von der Stimulation und Versorgung durch ihre primären Bezugspersonen abhängig sind (Beardslee, Bemporad, Keller & Klerman, 1983). Die gelingende oder auch misslingende Passung zwischen dem Verhalten eines Erwachsenen und seinem Kind ist dabei ausschlaggebend für eine normale oder abweichende Entwicklung sozialer und emotionaler Kompetenzen des Kindes (Sameroff, 1995). So kann beispielsweise mangelnde emotionale Zuwendung der Eltern dazu führen, dass Kinder eine nur unzureichende emotionale Bindung an ihre Bezugspersonen entwickeln. Daraus resultiert u. U. eine verstärkte Selbstbezogenheit des Kindes, was wiederum zur Folge hat, dass das Kind sich vor fremden Einflüssen und Anregungen abschirmt. Eine solche Abschirmung reduziert die Vielfalt der Erfahrungen und schränkt dadurch die Entwicklung des Gehirns ein. So finden wichtige Entwicklungsprozesse im kindlichen Gehirn nicht mehr oder nur unzureichend statt (Hüther, 2007). Die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung erscheint insofern als zentral wichtig für die gesamte Entwicklung eines Kindes. Aufgrund der hohen - auch körperlichen - Vulnerabilität von Säuglingen liegt die Annahme einer besonderen Gefährdung von Kindern im ersten Lebensjahr nahe. Typische Vernachlässigungs- und Misshandlungsformen sind in diesem Alter das Schütteltrauma, Gedeihstörungen, invasives Füttern, unterlassene Aufsicht sowie unterlassener Schutz. Dabei kommt es zu abrupten Übergängen von ersten dezenten Hinweisen bis zur akuten Gefährdung. So besteht im ersten Lebensjahr und insbesondere in der Neugeborenenzeit Lebensgefahr beispielsweise bereits bei unzureichender Flüssigkeitszufuhr (rasches Austrocknen) oder bei unbeherrschtem Handling (lebensgefährliche Verletzungen). Da in Deutschland bisher systematische Untersuchungen über die Häufigkeit, d. h. die Prävalenz, von Misshandlung und Vernachlässigung im Kindesalter fehlen, wird an dieser Stelle auf internationale Zahlen zurückgegriffen. Untersuchungen aus den USA zeigten, dass im ersten Lebensjahr mehr Kinder in der Folge von Vernachlässigung und Misshandlung starben als in jedem späteren Alter. Insgesamt ereigneten sich 77 % aller misshandlungsbedingten Todesfälle in den ersten 48 Lebensmonaten (US Department of Health and Human Services, 1999). Eine dänische Studie zeigte zudem im Rahmen einer Untersuchung von 76.625 Kindern, dass 4 % der unter Einjährigen unter Misshandlung oder Vernachlässigung litten (Christensen, 1999). In der frühen Kindheit kommt es also zu einem äußerst kritischen Wechselspiel: Junge Kinder sind auf der einen Seite besonders auf ihre Eltern angewiesen und ihre Entwicklung ist in großem Maße von diesen abhängig. Auf der anderen Seite sind Kinder in diesem jungen Alter ausgesprochen vulnerabel, sodass Misshandlung und Vernachlässigung besonders gravierende Folgen haben, bis hin zum Tod des Kindes. Identifikation von Risikofamilien Im Rahmen einer Expertise für das Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/ Psychotherapie, analysierte Heinz Kindler internationale Untersuchungen, die sich mit Indikatoren für Kindeswohlgefährdung beschäftigten. Als empirisch belegte Risikofaktoren für frühe Vernachlässigung und Misshandlung nahm er die Faktoren an, bei deren metaanalytischer Untersuchung wiederholt ein überzufälliger und längsschnittlicher Zusammenhang bestätigt wurde. Grundlage für diese Auswertungen FI 2/ 2009 Je früher umso besser? 53 waren 15 Längsschnittstudien. Er stellte als Ergebnis die Faktoren heraus, die - insbesondere in Kumulation miteinander - statistisch bedeutsam zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit einer späteren Kindeswohlgefährdung führen (Meysen, Schönecker & Kindler, 2008). Die von Kindler zusammengestellten Indikatorengruppen sind in Tabelle 1 mit Beispielen aufgelistet. Zur differenzierten Erfassung des Indikators „beobachtbares Fürsorgeverhalten der Mutter bzw. des Vaters gegenüber dem Kind“ kann bereits in den ersten Wochen nach der Geburt eine sogenannte Interaktionsdiagnostik durchgeführt werden. Der Umgang des Erwachsenen mit seinem Baby wird gefilmt und mithilfe beispielsweise des CARE-Index analysiert (Crittenden, 2006). Der CARE-Index ist ein Verfahren zur Erfassung der elterlichen Feinfühligkeit sowie des Verhaltens des Kindes in Eltern-Kind- Interaktionen. Er ist ein Screening-Verfahren, das es trainierten Fachleuten erlaubt, reliable und valide Einschätzungen bezüglich einer Eltern-Kind-Beziehung zu treffen und zwar auch in den Fällen, in denen untrainierten Beobachtern nichts Besonderes auffällt (Crittenden, 2005 a). Der CARE-Index basiert auf der Beurteilung dreibis fünfminütiger freier Spielinteraktionen zwischen einem Erwachsenen und einem Kind. Es handelt sich dabei um eine Methode zum Gewinnen von Informationen bezüglich einer Eltern-Kind-Dyade, also bezüglich einer spezifischen Beziehung. Das bedeutet, es geht nicht um die Erfassung elternspezifischer, sondern beziehungsspezifischer Charakteristika. Der CARE-Index existiert in zwei Versionen: „Infants (birth - 15 months) Coding Manual“ (Crittenden, 2006) und „Toddler (15 - 30 months) Coding Manual“ (Crittenden, 2005 b). Die beiden Versionen unterscheiden sich bezüglich der beispielhaften Beschreibungen der einzelnen Skalen und der Konzeptualisierung der Skalen bezüglich des Kindes. Crittenden berücksichtigt mit dieser Unterteilung des CARE- Index in zwei Altersstufen die Entwicklung indikatoren Beispiele Grobindikatoren der sozialen Lage der Familie Armut, niedriger Bildungsstand Lebenssituation der Familie Mutter alleinerziehend, Partnerschaftsgewalt, sozial isoliert persönliche Voraussetzungen von Mutter bzw. Vater für die Bewältigung der Fürsorgeaufgabe Mutter sehr jung, eigene Gefährdungserfahrungen psychische Gesundheit der Mutter bzw. des Vater Mutter psychisch auffällig, Vater depressive Anzeichen Verhalten während der Schwangerschaft und Haltung gegenüber Schwangerschaft und dem Kind unzureichende Vorsorge, Alkoholkonsum in der Schwangerschaft, ungewolltes Kind Fürsorgeanforderungen durch Kind und Geschwister sowie Geschichte der Fürsorge für andere Kinder Entwicklungsprobleme, anderes Kind in Fremdbetreuung beobachtbares Fürsorgeverhalten der Mutter bzw. des Vaters gegenüber Kind problematisches Fürsorgeverhalten, geringe Wärme des Vaters weitere Faktoren inkonsistente Disziplin oder Lernbehinderung des Kindes Tabelle 1: Risikoindikatoren für frühe Vernachlässigung und Misshandlung (Meysen et al., 2008) 54 Anne Katrin Künster et al. FI 2/ 2009 von Kindern. Dadurch wird den sich verändernden und zunehmenden Ausdrucksmöglichkeiten von Kindern Rechnung getragen. Denn die Verhaltensweisen des Kindes, welches beispielsweise seine Kooperativität und sein Wohlbefinden in der Interaktion mit dem Erwachsenen ausdrückt, entwickeln sich in diesen jungen Jahren rasch und ändern sich deutlich im Ausdruck. Teilt man das Verhalten des Kindes in der Säuglingszeit in kooperatives, überangepasstes, passives oder schwieriges Verhalten ein (Crittenden, 2006), so stehen für das Kleinkindalter kooperatives, überangepasstes und drohendes bzw. entwaffnendes Verhalten zur Beschreibung des Kindes zur Verfügung (Crittenden 2005 b). Der CARE-Index eignet sich als Screening-Verfahren für Risiken in Eltern-Kind- Beziehungen, da Crittenden in mehreren Studien einen Zusammenhang zwischen der so ermittelten elterlichen Feinfühligkeit gegenüber dem Kind und Misshandlung und Vernachlässigung des Kindes nachweisen konnte (Crittenden, 1981, 1985). In einem weiteren Analyseschritt widmete sich Kindler im Rahmen seiner Recherchen der Untersuchung von international bereits vorliegenden Risikoinventaren im Bereich frühe Hilfen. Grundlage dieser Analyse waren 18 Risikoinventare, die in einem oder mehreren internationalen Projekten eingesetzt wurden. Aus den gewonnenen Erkenntnissen formulierte Kindler in Kooperation mit der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/ Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm (Arbeitsgruppe: „Guter Start ins Kinderleben“) und der geburtshilflichen Klinik des St. Marien- und St. Annastiftskrankenhauses Ludwigshafen den „Anhaltsbogen für ein vertiefendes Gespräch“. Der Anhaltsbogen enthält nur fünf Punkte, nämlich „Mindestens eine besondere soziale Belastung“, „Mehrere fehlende Schwangerschaftsuntersuchungen bzw. U-Untersuchungen“, „Kind stellt deutlich erhöhte Fürsorgeanforderungen, die die Möglichkeiten der Familie zu übersteigen drohen“, „Beobachtbare deutliche Schwierigkeiten der Hauptbezugsperson bei der Annahme und Versorgung des Kindes“ und „Hauptbezugsperson beschreibt starke Zukunftsangst, Überforderung oder Gefühl, vom Kind abgelehnt zu werden“, deckt damit aber eine erhebliche Bandbreite möglicher Risikofaktoren ab. Wird einer oder mehrere dieser Punkte bezüglich einer Familie bejaht, empfiehlt der Anhaltsbogen ein weiterführendes Gespräch mit der Familie, das auf der Rückseite des Anhaltsbogens nach folgenden Punkten protokolliert werden soll: Gesprächsverlauf (Sichtweise der Eltern, Ressourcen der Familie, Diskussionspunkte etc.) und Abwägung (pro/ contra) bezüglich Einbeziehung weiterer Institutionen zur Unterstützung bzw. Weitervermittlung. Auf Grundlage der Informationen aus dem Anhaltsbogen und dem vertiefenden Gespräch sollte die Familie im Idealfall ggf. eine Weitervermittlung an passgenaue Hilfsangebote erfahren (Meysen, Schönecker & Kindler, 2008). Mithilfe dieses Screening-Fragebogens wird eine zeitökonomische Erhebung von Risikoindikatoren im Praxisalltag beispielsweise einer Entbindungsstation ermöglicht. Die in Tabelle 1 dargestellten Risikoindikatoren für frühe Vernachlässigung und Misshandlung können mithilfe des „Anhaltsbogens für ein vertiefendes Gespräch“ und des „CARE-Index“ schon in der Schwangerschaft bzw. direkt nach der Geburt eines Kindes festgestellt werden und eignen sich daher als Indikatoren insbesondere für den frühen und präventiv wirksamen Kinderschutz. Interventionsprogramme für die frühe Kindheit Die Wurzeln früher und präventiver Ansätze für die Kindheit liegen bei den Head-Start- Programmen in den 60er Jahren. Diese wurden in den USA entwickelt und hatten das Ziel, schlechtere Entwicklungschancen von FI 2/ 2009 Je früher umso besser? 55 ärmeren Kindern auszugleichen. Später konzentrierten sich die Programme auf verschiedene Risikogruppen wie behinderte oder misshandelte Kinder. 1994 wurden diese Programme (Early Head Start) auf jüngere Kinder (Geburt bis drei Jahre) und ihre Familien ausgeweitet. Evaluationsstudien (u. a. Love et al. 2002) zeigten, dass die teilnehmenden Kinder weniger aggressiv waren und höhere Werte in der kognitiven, sozial-emotionalen und sprachlichen Entwicklung aufwiesen. Die Eltern nahmen mehr an beruflichen und pädagogischen Programmen teil. Ebenso verbesserten die Early Head Start Programme wesentlich die Gesundheit der Kinder und Familien. Studien belegen, dass Zielgruppen, die einen besonderen Unterstützungsbedarf haben, häufig Angebote im traditionellen pädagogischen bzw. therapeutischen Kontext d. h. mit einer „Komm-Struktur“ nicht annehmen (Bauer & Bittlingmayer, 2005; Stern, 1998; Mc Donough, 2000). Wegen der geringen finanziellen und sozialen Ressourcen der Risikofamilien sollten die Angebote daher sehr niedrigschwellig sein, beispielsweise im Kontext einer aufsuchenden Beratung (Hausbesuche), damit sie auch genutzt werden. Blickt man zurück, so zeigt sich, dass aufsuchende Programme in den USA bereits weit in die Kolonialzeit zurückreichen (US Department of Health and Human Services: Wasik, 1993). Sie haben das Ziel, Informationen, Gesundheitshilfe, psychologische Beratung oder auch andere Dienstleistungen an die Familien zu geben. Hausbesucherprogramme wurden als erfolgreich bewertet, wenn die Beziehung zwischen Hausbesucher und Mutter als gut beschrieben wurde, die schwangeren Frauen bereits pränatal besucht wurden bzw. möglichst früh nach der Geburt (Kearney et al., 2000) und ressourcenorientiert mit den Familien gearbeitet wurde bzw. die Familien ausreichend über Hilfeangebote informiert und an öffentliche Einrichtungen weitervermittelt wurden (Heaman et al., 2006). Hausbesucherprogramme mit professionellem Personal (z. B. Krankenschwestern, Sozialarbeiter, Erzieher) waren wirksamer als Programme, die von Laien durchgeführt wurden (Olds et al., 2002). Im Rahmen von aufsuchenden Interventionen für Eltern mit Säuglingen und Kleinkindern spielen insbesondere bindungstheoretische und beziehungsorientierte Ansätze eine große Rolle. Denn Säuglinge und Kleinkinder entwickeln nahezu alle ihre Fähigkeiten im Kontext von Beziehungen. So können Wohlbefinden oder Verhaltensprobleme und -auffälligkeiten bei Säuglingen und Kleinkindern nur im Kontext von spezifischen Bindungsbeziehungen interpretiert werden. Die Zweckmäßigkeit früher und präventiver Intervention ergibt sich auch aus Befunden zum Zusammenhang zwischen frühen Problemen und Störungen in der frühen Eltern- Kind-Beziehung und späteren Verhaltensauffälligkeiten und Entwicklungsproblemen bei Kindern sowie aus jüngeren Untersuchungen der Bedeutung sensibler Perioden in der Gehirnentwicklung (Ziegenhain, 2004). Präventive Interventionen, die auf die Förderung der frühen Eltern-Kind-Beziehung basieren, wurden in einer Meta-Analyse von Bakermans-Kranenburg und Mitarbeitern untersucht. Die Forscher werteten 70 bindungsorientierte Interventionsprogramme für die frühe Kindheit aus. Dabei waren die spezifisch auf die Verbesserung des mütterlichen Verhaltens ausgerichteten Programme am wirksamsten (Bakermans-Kranenburg et al., 2003). Die Programme, die zeitlich begrenzt und klar verhaltensbezogen waren, ragten besonders heraus. Gerade bei Hochrisikofamilien schien es wichtig, Interventionen in einen breiten Unterstützungskontext einzubinden. Denn nur wenn diese Familien gezielt entlastet werden, wie etwa durch finanzielle Unterstützung, außerfamiliäre Kinderbetreuung etc. können sie überhaupt beziehungsorientierte Angebote annehmen (Ziegenhain, 2004; 2007). 56 Anne Katrin Künster et al. FI 2/ 2009 In einer groß angelegte Metastudie von Layzer et al. (2001), die die Wirksamkeit von 260 Präventionsprogrammen im Bereich der Eltern-Kind-Beziehungen untersucht, wurde deutlich, dass sich die errechnete Effektstärke von 0,25 verdoppelte, wenn die Programme früh begannen, Bestandteile zur Selbstentwicklung der Eltern enthielten, die Eltern sich dabei gegenseitig unterstützten, die Durchführung in Elterngruppen erfolgte und die Maßnahmen von professionellen Personen geleitet wurden (Berkic & Schneewind, 2007). In der Meta-Analyse von MacLeod & Nelson (2000), die die Wirksamkeit von 56 Programmen zur Prävention von Misshandlung bei Kindern zusammenfassten, zeigte sich ebenfalls, dass proaktive Programme (Beginn rund um die Geburt bzw. während der frühen Kindheit) höhere Effektstärken bei den Follow-up-Zeitpunkten aufwiesen, als reaktive Programme (Beginn im Schulalter). Höhere Effektstärken zeigten sich zudem bei längeren Hausbesucherprogrammen (12 oder mehr Besuche und Dauer mehr als ein halbes Jahr). Zusammengefasst erscheinen also die Programme am wirksamsten, die im Rahmen von Hausbesuchen arbeiten, früh beginnen (d. h. spätestens rund um die Geburt), von professionellen Beratern durchgeführt werden, bindungsorientiert auf eine Veränderung der Eltern-Kind-Beziehung hinarbeiten, zeitlich begrenzt und verhaltensorientiert vorgehen und den Unterstützungsbedarf der Familien umfassend berücksichtigen (z. B. auch organisatorische oder finanzielle Hilfen vermitteln). Solche selektiven, d. h. sekundärpräventiven Elternprogramme für Familien in Hochrisikosituationen sind in Deutschland bisher kaum vorhanden und nicht systematisch in bestehende Regelstrukturen integriert (Ziegenhain, 2008). Ein Interventionsprogramm, das spezifisch auf Familien mit psychosozialen Risiken zugeschnitten ist und in Deutschland eingesetzt wird, ist die Entwicklungspsychologische Beratung (EPB; Ziegenhain, Fries, Bütow & Derksen, 2004). Sie berücksichtigt die oben genannten Faktoren, d. h. die Beratung beginnt bereits in den ersten Wochen nach der Geburt, wird im Rahmen von Hausbesuchen angeboten, arbeitet ressourcenorientiert mit den Eltern und strebt eine bindungsorientierte Modifikation von Elternverhalten an. Die EPB arbeitet mit einer videogestützten Methode zur Verbesserung der Mutter-Kind- Beziehung. Sie ist ein niederschwelliges Beratungskonzept für Eltern mit Babys und Kleinkindern in den unterschiedlichsten Lebenssituationen. Übergeordnetes Ziel der EPB ist die Prävention von Verhaltensauffälligkeiten und Entwicklungsstörungen im späteren Kindes- und Jugendalter. Dies kann durch eine adäquate Unterstützung beim Aufbau einer sicheren und zuverlässigen Bindung im Säuglings- und Kleinkindalter an mindestens eine emotional verfügbare Bezugsperson erreicht werden. Mit diesem Beratungsansatz sollen Warnzeichen für mögliche spätere Probleme schon frühzeitig erkannt werden. Negative Interaktionskreise zwischen Eltern und Kind und in Folge auftretende Verhaltensprobleme bzw. Entwicklungsstörungen beim Kind können verhindert oder zumindest abgeschwächt werden. Das Grundprinzip dieses Beratungsansatzes basiert auf einer wertschätzenden und ressourcenorientierten Haltung den Eltern gegenüber und auf neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Säuglings- und Kleinkindforschung sowie der Entwicklungspsychologie. Als Methode wird videogestützte Beobachtung und das Beschreiben von kindlichem und elterlichem Verhalten eingesetzt. Gemeinsam mit den Eltern werden Handlungsstrategien erarbeitet, die eine positive Eltern-Kind-Interaktion begünstigen. Die Wirksamkeit der EPB wurde bereits in mehreren Studien nachgewiesen (z. B. Ziegenhain 2007; Ziegenhain et al. 2005). FI 2/ 2009 Je früher umso besser? 57 Fallbeispiele Vorgestellt werden im Folgenden zwei Mutter-Kind-Paare, die im Rahmen eines Modellprojekts bereits im ersten Lebensmonat erstmalig untersucht wurden und eine Intervention in Form der Entwicklungspsychologischen Beratung erhielten (Modellprojekt „Guter Start ins Kinderleben“; Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/ Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm; www.uniklinikulm.de/ struktur/ kliniken/ kinder-und-jugendpsychiatriepsychotherapie.html). Die Daten, die zur Darstellung verwendet werden, wurden ausschließlich in den ersten vier Lebenswochen des Kindes erhoben. Die Falldarstellungen dienen als Illustration dessen, dass bereits rund um die Geburt der Zugang zu Familien hergestellt, wichtige Risikoindikatoren (siehe oben) erhoben sowie eine passgenaue Beratung angeboten werden können. Tabelle 2 zeigt die Untersuchungen, die mit beiden Müttern und Kindern durchgeführt wurden, sowie die Risikoindikatoren, die damit erfasst werden können. Aufgeführt werden bei der Beschreibung der Mutter-Kind-Paare im Folgenden nur die Indikatoren, die laut Kindler prognostischen Wert im Sinne einer späteren Kindeswohlgefährdung haben, sowie die Einschätzung des mütterlichen Verhaltens im Rahmen der Interaktionsdiagnostik. Mutter-Kind-Paar A: Laut eigenen Angaben verfügte Frau A über weniger als E 300,- im Monat (Grobindikatoren der sozialen Lage der Familie) und war alleinerziehend (Indikator: soziale Situation der Familie). Sie litt unter einer behandlungsbedürftigen Depression und beschrieb sich selbst als klinisch auffällig psychisch belastet (Indikator: psychische Gesundheit der Mutter). Die Schwangerschaft war ungeplant. Frau A erfuhr erst in der 34. Woche von der Schwangerschaft und der Erzeuger des Kindes leugnete die Vaterschaft. Während der Schwangerschaft konsumierte Frau A durchschnittlich zehn Zigaretten täglich und nahm aus Unwissenheit keine Vorsorgeuntersuchungen wahr (Indikator: Verhalten während der Schwangerschaft und Haltung gegenüber Schwangerschaft und dem Kind). Nach der Geburt lehnte Frau A das Kind ab, sie wirkte desinteressiert am Kind und verhielt sich passiv und antriebsarm (Indikator: beobachtbares Fürsorgeverhal- Untersuchungsmethode risikoindikatoren Anhaltsbogen für ein vertiefendes Gespräch alle in Tabelle 1 aufgeführten Risikoindikatoren Interaktionsdiagnostik mittels einer Videoaufnahme beim Spielen, Wickeln und/ oder Füttern zu Hause (ausgewertet mithilfe des CARE-Index; Crittenden, 2006) beobachtbares Fürsorgeverhalten der Mutter bzw. des Vaters gegenüber dem Kind Brief Symptom Inventory Fragebogen (Erhebung der subjektiv empfundenen psychischen Belastung der Mutter; Franke, 2000) psychische Gesundheit der Mutter bzw. des Vaters ADS-L Depressionsfragebogen (Hautzinger & Bailer, 1993) Soziodemografischer Fragebogen Grobindikatoren der sozialen Lage der Familie Lebenssituation der Familie persönliche Voraussetzungen von Mutter bzw. Vater für die Bewältigung der Fürsorgeaufgabe Tabelle 2: Untersuchungsmethoden und damit erfassbare Risikoindikatoren für frühe Vernachlässigung und Misshandlung 58 Anne Katrin Künster et al. FI 2/ 2009 ten der Mutter bzw. des Vaters gegenüber dem Kind). Frau A beschrieb starke Zukunftsangst und Überforderung durch das Kind (Indikator: Andere Faktoren). Im Rahmen der Interaktionsdiagnostik bemühte sich Frau A um Kontakt mit ihrem Kind und berührt es beispielsweise sanft. Das Kind reagierte auf diese vorsichtigen Initiativen kaum. Die Mutter wirkte in der Interaktion herabgestimmt und ideenlos, es kam zu keinem gegenseitigen Kontakt zwischen Mutter und Kind. Das Kind war meist unbeteiligt und passiv, d. h. sehr still und schaute häufig weg. Insgesamt wurde die Situation als gefährdend für das Kind im Sinne einer Unfeinfühligkeit der Mutter bewertet, da Frau A die Bedürfnisse des Kindes nicht angemessen befriedigen konnte. Langfristig wurde eine Unterstimulation des Kindes befürchtet (Indikator: beobachtbares Fürsorgeverhalten der Mutter bzw. des Vater gegenüber dem Kind). Auf diese Datenerhebung baute eine Entwicklungspsychologische Beratung mit dem Ziel auf, der Mutter zu helfen, Kontakt zu ihrem Kind herzustellen. Ihre bisherigen Versuche wurden positiv verstärkt. Anhand von Videoaufzeichnungen wurde ihr gespiegelt, auf welche ihrer Angebote ihr Kind positiv reagierte und auf welche nicht. Des Weiteren erhielt sie Informationen zum Entwicklungsstand ihres Kindes und Tipps zum Aufbau eines spielerischen Kontakts. Frau A reagierte angenehm überrascht auf die positiven Rückmeldungen der Beraterin bezüglich ihrer Kontaktversuche und freute sich, als sie sah, dass es bereits Momente gab, in denen ihr Kind positiv auf ihre Angebote reagierte. Anregungen zum Kontaktaufbau nahm sie entgegen und probierte sie aus, sodass sich ihr Verhaltensrepertoire gegenüber ihrem Kind mit der Zeit etwas erweiterte. Ihr Kind reagierte auf die zahlreicheren und variantenreicheren Angebote und schaute Frau A vermehrt interessiert an, woraufhin Frau A sich in ihrem Verhalten bestärkt sah. In der Folge ließen sich häufigere und für beide angenehme Interaktionen zwischen Mutter und Kind beobachten. Ergänzend erhielt Frau A psychiatrische Unterstützung zur Behandlung ihrer depressiven Verstimmungen und eine Unterbringung in einer Mutter-Kind- Einrichtung. Mutter-Kind-Paar B: Frau B war verheiratet und lebte mit ihrem Mann und zwei Kindern in einer finanziell unbedenklichen Situation. Die Schwangerschaft war geplant und erwünscht. Das Kind kam 22 Tage zu früh auf die Welt (Indikator: Erhöhte Fürsorgeanforderungen des Kindes). Frau B litt unter einer behandlungsbedürftigen Depression (Indikator: psychische Gesundheit der Mutter) und unter Epilepsie, die seit Jahren medikamentös behandelt werden musste (Indikator: persönliche Voraussetzungen der Mutter für die Bewältigung der Fürsorgeaufgabe). Ihr erstes Kind wurde zum Zeitpunkt der Untersuchung bereits durch eine Tagesgruppe intensiv betreut (Indikator: Fürsorgeanforderung durch Kind oder Geschwister).In der Interaktion mit ihrem Kind zeigte Frau B harsche Verhaltensweisen. Das Kind weinte beim Umziehen, worauf Frau B es grob anfasste und scharf und drohend ansprach. Das Kind schrie daraufhin noch mehr. Beim Spielen versuchte Frau B die Aufmerksamkeit des Kindes sehr intensiv zu erregen. So klapperte sie z. B. mit einer Rassel anhaltend vor dem Gesicht des Kindes. Das Kind reagierte mit Erschöpfung, bekam einen glasigen Blick und starrte. Insgesamt wurde die Situation als gefährdend für das Kind im Sinne einer Unfeinfühligkeit der Mutter bewertet, da Frau B die Signale des Kindes nicht interpretieren und adäquat darauf reagieren konnte. Sie bemühte sich um Kontakt zu ihrem Kind, setzte es aber einer starken Überstimulation aus. Langfristig wurde die Gefahr einer andauernden Überstimulation und eventueller Affektdurchbrüche der Mutter befürchtet (Indikator: beobachtbares Fürsorgeverhalten der Mutter bzw. des Vaters gegenüber dem Kind). Frau B erhielt ebenso wie Frau A Entwicklungspsychologische Beratung. Ansatzpunkte waren hier insbesondere die Sequenzen, in denen Frau B sich in ihren Bemühungen um einen Kontakt zum Kind zurücknahm und dieses darauf positiv reagierte (z. B. mit einem entspannten Blick zur Mutter). Ergänzend erhielt sie Informationen zum Entwicklungsstand ihres Kindes und wurde im Kontaktaufbau zu ihrem Kind dahingehend bestärkt, das Kind und seine Reaktionen genau zu beobachten und seine Feinzeichen richtig zu interpretieren. Frau B erkannte mit der Zeit immer leichter, wann ihr Kind überfordert war und eine Pause brauchte und wann es bereit für Interaktionen war. Es konnten immer häufiger Interaktionen zwischen Mutter und Kind beobachtet werden, bei denen beide entspannt wirkten und Interesse aneinander zeigten. Anhand der dargestellten Fälle zeigt sich, dass schon in den ersten Lebenswochen eines Kindes eine Erhebung von möglichen Risikoindikatoren für eine spätere Kindeswohlgefährdung möglich ist und Eltern für weitere Angebote erreichbar sind. FI 2/ 2009 Je früher umso besser? 59 Die Beratung der Mütter unter Zuhilfenahme von Videoaufzeichnungen von ihnen und ihren Kindern ermöglichte eine ressourcenorientierte Arbeit, die eine Entwicklung feinfühligerer Verhaltensweisen förderte. Neben diesen spezifischen Bedürfnissen der beiden dargestellten Mutter-Kind-Paare zeigt die Praxis, dass Angebote für alle Familien im Frühbereich nötig sind, da die Bedürfnisse von Familien von Information über Beratung bis hin zu spezifischer Intervention reichen. Nur durch eine breite Palette abgestufter Angebote für alle Familien wird präventiver Kinderschutz möglich, da unterschiedlichen Risikoindikatoren auch mit unterschiedlichen Hilfen begegnet werden muss. Dies bezieht sich sowohl auf die Art der Hilfe als auch auf deren Intensität. Braucht ein alleinerziehender Vater beispielsweise lediglich finanzielle Unterstützung, benötigt eine Mutter mit häuslichen Gewalterfahrungen hingegen intensive therapeutische Betreuung. Diskussion und Folgerungen für die Praxis Die frühe Kindheit ist eine besonders gefährdende Zeit für Kinder, da diese in höchstem Maße von der Fürsorge durch ihre Bezugspersonen angewiesen und zugleich hoch vulnerabel sind. Gerade deshalb können jedoch hier ansetzende präventive Maßnahmen die Entwicklung von Kindern nachhaltig positiv beeinflussen. Bereits rund um die Geburt lassen sich standardisiert und zeitökonomisch Risikoindikatoren in Familien feststellen, die eine statistisch signifikante Erhöhung einer späteren Kindeswohlgefährdung voraussagen. Fallbeispiele zeigten zudem, dass es möglich ist, einen Zugang zu jungen Familien herzustellen, Risikoindikatoren bereits in den ersten vier Wochen nach der Geburt des Kindes zu erheben und die Eltern entwicklungspsychologisch zu beraten. Auch Metaanalysen bestätigen, dass ein früher Präventionsbeginn bereits rund um die Geburt sinnvoll und wirksam ist. Dieser Zeitpunkt beinhaltet viele Chancen, um elterliche Beziehungs- und Erziehungskompetenzen zu stärken und den Entwicklungsverlauf von Kindern entscheidend zu fördern. Das heißt auch, dass hier bedeutende Möglichkeiten für Fachkräfte liegen, Kontakte zu Eltern mit Säuglingen und Kleinkindern aufzunehmen und diese durch frühe Hilfen und Angebote zu unterstützen. Zwar lässt sich die prinzipielle Wirksamkeit von frühen Programmen belegen und es können bereits erste Hinweise aus den unterschiedlichen Interventionsansätzen abgeleitet werden. Berkic und Schneewind (2007) sprechen in diesem Zusammenhang von einer positiven Entwicklung auch hinsichtlich der Nachfrage von Frühen Hilfen, obwohl es noch eine gewisse Schwellenangst bei Eltern gibt. Dennoch bedarf es einer weiteren Entwicklung und Evaluation von wissenschaftlich fundierten Programmen für die frühe Kindheit, um kindlichen und familiären Fehlentwicklungen noch gezielter präventiv entgegenzusteuern. Derzeit entstehen frühe Angebote häufig im Rahmen von speziellen Initiativen oder Modellprojekten. Was jedoch bisher in Deutschland fehlt, ist eine systematische und nachhaltige Umsetzung von bestehenden Interventionsansätzen in die Strukturen vorhandener Systeme wie der Jugendhilfe, des Gesundheitswesens (Ziegenhain, 2004, 2008) und weiteren wie beispielsweise Eingliederungshilfen, Polizei und Justiz oder kommunalen Stellen, die Einfluss auf die Gestaltung der Lebensbedingungen von Familien haben (z. B. Bereitstellung von adäquatem Wohnraum oder finanziellen Hilfen). Und nicht zuletzt ist eine stärkere Vernetzung der Angebote regional und auf Landesebene dringend erforderlich. 60 Anne Katrin Künster et al. FI 2/ 2009 Literatur Bakermans-Kranenburg. M. J., van IJzendoorn, M. H. & Juffer, F. (2003). Less is more: Meta-analyses of sensitivity and attachment interventions in early childhood. Psychological Bulletin, 129, 195 - 215 Bauer, U. & Bittlingmayer, U. H. (2005). Wer profitiert von Elternbildung? 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