eJournals Frühförderung interdisziplinär 28/3

Frühförderung interdisziplinär
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0721-9121
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
71
2009
283

Möglichkeiten und Grenzen der Gehirnplastizität: Implikationen für ein interdisziplinäres Konzept der Frühförderung

71
2009
Josef Zihl
Katharina Hußlein
Julia A. Zihl
Das Thema Gehirnplastizität spielt mittlerweile auch in der Entwicklungsforschung psychischer Funktionen eine zunehmend wichtigere Rolle. Die Forderung nach Berücksichtigung neurowissenschaftlicher Erkenntnisse über die Entwicklung psychischer Funktionen, insbesondere im Bereich der (frühen) Kindheit, wird auch durch neue Bezeichnungen wie z.B. Neuropädagogik und Neurodidaktik deutlich. Gehirnplastizität wird als Grundlage sowohl für die spontane (Weiter-) Entwicklung von psychischen Funktionen als auch für Verbesserungen dieser Funktionen durch systematische Intervention bei frühkindlichen Entwicklungsstörungen angesehen. Dabei kommt der Wechselwirkung zwischen Umwelt und Übung eine besondere Bedeutung zu (sog. Umwelt- und Übungsabhängige Plastizität). Die Fähigkeit, über individuell angepasste (maßgeschneiderte) Lernprozesse eine Steigerung bzw. Weiterentwicklung beeinträchtigter Funktionen auf der Basis der Funktionsweise des Gehirns zu erreichen, bildet eine entscheidende Grundlage für alle Therapieansätze auch und gerade in der Frühförderung. Positive und negative Einflussfaktoren auf die Entwicklungsplastizität werden anhand von Beispielen für die Bereiche Aufmerksamkeit, Lernen sowie emotionale und soziale Funktionen dargestellt. Den Abschluss dieses Beitrags bilden Überlegungen zur Entwicklung von Vorgehensweisen für eine interdisziplinäre Frühförderung, zu der die klinische Entwicklungsneuropsychologie einen wesentlichen Beitrag leisten kann.
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Frühförderung interdisziplinär, 28. Jg., S. 99 - 114 (2009) © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Möglichkeiten und Grenzen der Gehirnplastizität: Implikationen für ein interdisziplinäres Konzept der Frühförderung Josef Zihl, Katharina husslein, Julia a. Zihl Zusammenfassung: Das Thema Gehirnplastizität spielt mittlerweile auch in der Entwicklungsforschung psychischer Funktionen eine zunehmend wichtigere Rolle. Die Forderung nach Berücksichtigung neurowissenschaftlicher Erkenntnisse über die Entwicklung psychischer Funktionen, insbesondere im Bereich der (frühen) Kindheit, wird auch durch neue Bezeichnungen wie z. B. „Neuropädagogik“ und „Neurodidaktik“ deutlich. Gehirnplastizität wird als Grundlage sowohl für die spontane (Weiter-) Entwicklung von psychischen Funktionen als auch für Verbesserungen dieser Funktionen durch systematische Intervention bei frühkindlichen Entwicklungsstörungen angesehen. Dabei kommt der Wechselwirkung zwischen Umwelt und Übung eine besondere Bedeutung zu (sog. Umwelt- und Übungsabhängige Plastizität). Die Fähigkeit, über individuell angepasste („maßgeschneiderte“) Lernprozesse eine Steigerung bzw. Weiterentwicklung beeinträchtigter Funktionen auf der Basis der Funktionsweise des Gehirns zu erreichen, bildet eine entscheidende Grundlage für alle Therapieansätze auch und gerade in der Frühförderung. Positive und negative Einflussfaktoren auf die Entwicklungsplastizität werden anhand von Beispielen für die Bereiche Aufmerksamkeit, Lernen sowie emotionale und soziale Funktionen dargestellt. Den Abschluss dieses Beitrags bilden Überlegungen zur Entwicklung von Vorgehensweisen für eine interdisziplinäre Frühförderung, zu der die klinische Entwicklungsneuropsychologie einen wesentlichen Beitrag leisten kann. Schlüsselwörter: Gehirnplastizität, Kognition, soziale Funktionen, Entwicklungsneuropsychologie, Frühförderung Prospects and Limits of Brain Plasticity in Developmental Disorders: Implications for an Interdisciplinary Concept of Early Intervention Summary: Brain plasticity plays an increasingly important role in research on the development of mental functions. The novel terms “neuropedagogy” and “neurodidactics” indicate the demand for incorporating neuroscientific findings into developmental research, particularly into research on (early) childhood. Brain plasticity is considered as the basis for spontaneous development and spontaneous progression of mental functions as well as for improving mental functions through systematic interventions in early developmental disorders. The interaction between environment and practice is of particular significance in this regard (so-called environmentand practice-dependent plasticity). The adaptation of learning processes to the individual‘s developmental needs, which are based on the principles of the working brain, are crucial for all treatment approaches, particularly in early intervention. Positive and negative factors influencing developmental plasticity are exemplified for attention, learning, and emotional and social functions. Discussing the significance of interdisciplinary early intervention and the importance of clinical developmental neuropsychology conclude the article. Keywords: Brain plasticity, cognition, social functions, developmental neuropsychology, early intervention Die Neurowissenschaften haben in den letzten Jahren eine führende Rolle in der Erweiterung der wissenschaftlichen Theorienbildung zu Grundlagen, Entwicklung und Wirkungsprinzipien psychischer Funktionen und damit des menschlichen Verhaltens und Erlebens übernommen. Diese Rolle ist nicht neu. Die Neurowissenschaften - im älteren Schrift- Original- und Übersichtsarbeiten 100 Josef Zihl, Katharina Husslein, Julia A. Zihl FI 3/ 2009 tum als Hirnforschung bezeichnet - haben seit dem Beginn der modernen empirischen Forschung über den Menschen, also seit etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts, wesentliche Beiträge für ein vor allem an wissenschaftlich begründeten Fakten orientiertes Menschenbild geschaffen, das trotz des naturwissenschaftlichen Rahmens immer die ganzheitliche Betrachtungsweise pflegte. Das Wissen um das Pathologische, d. h. die psychischen Folgen einer Schädigung des Zentralnervensystems (ZNS), wurden nicht nur zur Entwicklung empirisch fundierter und valider Diagnostikverfahren und Therapiemaßnahmen verwendet, sondern auch als Mittel zu einem besseren Verständnis des „Normalen“ verstanden. In der Folge konnten sich Modelle und Theorien über psychische Funktionen und psychisches Geschehen entwickeln, die durch empirische Befunde sowohl aus der Normalität als auch der Pathologie gestützt wurden. So haben z. B. die bereits vor 1900 entwickelten, aber bis heute noch geltenden Konzepte über die funktionelle Spezialisierung der visuellen Wahrnehmung oder des Sprachsystems und der zugehörigen zentralnervösen Grundlagen hier ihren Ursprung. Das neuerdings zunehmende Interesse mag zum Teil dadurch zu erklären sein, dass nach einer langen Periode einer mehr „geisteswissenschaftlich“ orientierten Konzeption psychischer Funktionen das Interesse an den neurobiologischen und neuropsychologischen Grundlagen wieder zugenommen hat. Eines der seit jeher spannendsten Themen der Neurowissenschaft ist die Frage nach den Prinzipien, die der Entwicklung psychischer Funktionen zugrunde liegen bzw. ob diese Prinzipien auch dann noch Geltung haben, wenn nach einer Schädigung des ZNS veränderte Bedingungen für die (weitere) Entwicklung eingetreten sind. Zahlreiche empirische Befunde (vgl. unten) legen nahe, dass sich bereits entwickelte, aber durch verschiedene pathologisch wirksame Einflussfaktoren betroffene Funktionen spontan oder durch systematisches Üben erholen können; diese Fähigkeit des ZNS wird als „funktionelle Plastizität“ bezeichnet. Die wissenschaftliche Debatte darüber, welche Wirkungsprinzipien dieser Plastizität zugrunde liegen, war und ist teilweise immer noch geprägt von zwei eher extremen Standpunkten über die Fähigkeiten des Gehirns, dem Glauben an eine fast unbegrenzte Regenerationsfähigkeit einerseits und eine nahezu unbegrenzte Lernfähigkeit andererseits. Die Wahrheit dürfte in der Mitte liegen: Ohne Erhalt einer ausreichenden Lernfähigkeit des betroffenen Funktionssystems ist die Rückbildung einer Funktionsstörung kaum vorstellbar; Lernfähigkeit beruht jedoch auf ausreichend intakten neurobiologischen, d. h. morphologischen und physiologischen Grundlagen. Diese Grundlagen schließen aber bereits im Fall der normalen Entwicklung die Wechselwirkung zwischen Umwelt bzw. dem daraus stammenden Informationsangebot, das aufgenommen und verarbeitet werden muss, damit bestimmte Entwicklungsschritte eintreten können, und den vorgegebenen Strukturen des ZNS sowie ihrem jeweiligen funktionellen Entwicklungsstand ein (Paterson et al., 2006). Somit betrifft die Suche nach Erklärungen für die der Funktionsrückkehr zugrunde liegenden Prinzipien mehr die Aufklärung der gegenseitigen Abhängigkeiten und Wechselwirkungen zwischen ZNS und individueller Umwelt als die restriktive Betonung von entweder neurobiologischen Mechanismen oder von Lernen allein. Die Fähigkeit, über Lernprozesse eine Steigerung bzw. Weiterentwicklung beeinträchtigter Funktionen zu erreichen, bildet insbesondere für solche Therapieansätze eine entscheidende Grundlage, die auf systematischem Üben von psychischen Funktionen begründet sind. Die Bedeutung einer neurowissenschaftlichen Betrachtungsweise der Entwicklung der psychischen Funktionen beschränkt sich inzwischen aber nicht nur auf „pathologische“ Bedingungen des ZNS. Die fortlaufende, erfolgreiche „Anpassung“ der sich entwickelnden Funktionssysteme des Gehirns an sich verändernde Umwelt- und damit Aufgabenbe- FI 3/ 2009 Möglichkeiten und Grenzen der Gehirnplastizität 101 dingungen wird ebenfalls als Ausdruck zentralnervöser Plastizität angesehen. Die daraus abgeleitete Forderung nach Berücksichtigung neurowissenschaftlicher Erkenntnisse für die Entwicklung vor allem in der (frühen) Kindheit wird auch durch neue Bezeichnungen wie z. B. „Neuropädagogik“ und „Neurodidaktik“ deutlich. Inwieweit es sich dabei um semantische Anpassungen an den Zeitgeist handelt oder um einen ernst zu nehmenden Paradigmenwechsel, wird sich noch erweisen müssen. Zentralnervöse Plastizität, funktionelle Plastizität, Entwicklungsplastizität Unter zentralnervöser oder neuraler Plastizität werden alle Prozesse verstanden, die der Veränderung von Hirnfunktionen aufgrund von Erfahrung oder von Umweltbedingungen zugrunde liegen; Reifungsprozesse sind davon jedoch ausgenommen (APA Dictionary of Psychology, 2007). Diese Anpassungsprozesse haben morphologische (Strukturen), neurophysiologische (neuronale Reaktionen) und neurochemische (Neurotransmitter, Hormone) Anteile; die zentralnervöse Plastizität bildet somit das Fundament jeder Änderung auf der „höheren“ Ebene psychischer Funktionen. Funktionelle Plastizität bezieht sich auf die Anpassungsfähigkeit des ZNS auf der Ebene der psychischen, motorischen und sprachlichen Funktionssysteme. Die zentralnervöse bzw. neurale und die funktionelle Plastizität stehen in einer synergistischen Beziehung zueinander. Morphologische Veränderungen ermöglichen den Funktionssystemen einen hohen Grad an Anpassung an veränderte Bedingungen; funktionelle Anpassungsprozesse können ihrerseits zu strukturellen Veränderungen führen. Die entscheidende Rolle der Plastizität des Gehirns ist die Anpassung seiner Funktionssysteme an Veränderungen der Umwelt sowie an die Folgen einer Schädigung dieser Funktionssysteme; in beiden Fällen wird Lernprozessen eine kritische Bedeutung zugeschrieben (Hummel & Cohen, 2005). Anpassung an sich verändernde bzw. veränderte Umweltbedingungen meint nicht nur die Entwicklung von geeigneten, d. h. erfolgreichen Strategien für die Bewältigung neuer Herausforderungen; dazu gehört auch die erfolgreiche Anpassung an das sich im Rahmen der Entwicklung zunehmende Angebot an verwertbaren Informationen über die Umwelt in Form von differenziellem und flexiblem Handeln. Die vermutlich entscheidende Anpassung eines Menschen an die Umgebung erfolgt im Rahmen seiner (früh-) kindlichen Entwicklung; daher kommt dem Studium der Möglichkeiten der Entwicklungsplastizität zu Recht eine besondere Bedeutung in der Psychologie und Pädagogik des ersten Lebensabschnitts zu. Der Begriff Entwicklungsplastizität bezieht sich allerdings auch auf Anpassungsprozesse im Rahmen „normaler“Alterungsprozesse, denen auch psychische Funktionen unterworfen sind; dabei werden zumindest für die Kognition ähnliche Mechanismen der Plastizität diskutiert, wie sie für die frühe Entwicklung angenommen werden (de Magalh-es & Sandberg, 2005). Die hohe Kapazität der Anpassungsfähigkeit an veränderte Umweltbedingungen wird durch die intraindividuelle Plastizität erklärt; jedes Ergebnis der entwicklungsabhängigen Anpassung stellt dabei eine von mehreren Alternativen dar (Baltes, Staudinger & Lindenberger, 1999). Daher ist die Aufklärung der (günstigen und ungünstigen) Bedingungen für die ontogenetische Plastizität und ihre Variabilität fundamental für das Verständnis der Entwicklung psychischer Funktionssysteme in der Kindheit und im Alter. Sowohl das Potenzial als auch die Grenzen der Anpassungsfähigkeit des ZNS an normale und pathologische Bedingungen sind kritisch an die zur Verfügung stehenden morphologischen und funktionellen Grundlagen der Plastizität gebunden. Die zentralnervöse Plastizität und das damit verbundene multifunktionelle Anpassungspotenzial treten nicht einfach als Reaktion an aktuelle Anforderungssituationen 102 Josef Zihl, Katharina Husslein, Julia A. Zihl FI 3/ 2009 auf. Sowohl die Entwicklung als auch die Aufrechterhaltung der Plastizität sind vom kontinuierlichen und konsistenten Informationsangebot der Umwelt und der systematischen und regelmäßigen Verwendung dieses Angebots abhängig. Man spricht deshalb auch von Umwelt- und Übungsabhängiger Plastizität, wobei beide Komponenten interaktiv zu verstehen sind. Die Umwelt sollte ein reichhaltiges, stimulierendes Informationsangebot anbieten („enriched“ bzw. „stimulating environment“); gleichzeitig bedarf es der regelmäßigen (d. h. repetitiven) Übung der flexiblen Verwendung dieser Umweltinformationen als Grundlage für die Bewältigung der mit den jeweiligen Umweltveränderungen verbundenen Herausforderungen (Kolb & Whishaw, 1998; Kramer et al., 2004; Nithianantharajah & Hannan, 2006). Adäquate Umwelt-abhängige Stimulation bezieht sich dabei auf regelmäßig wiederkehrende Anforderungen, die das Individuum „zwingen“, durch die Entwicklung effizienter Coping-Strategien (und ihrer Evaluation) damit umgehen zu lernen. „Übung“ beinhaltet das Lernen der Selektion relevanter Informationen und der Generierung geeigneter Handlungsmuster einschließlich ihrer Optimierung („Routinen“) zur erfolgreichen Bewältigung aktueller Aufgabenanforderungen. Daraus wird auch klar, dass eine ungeeignete oder unzureichende Adaptation an solche Bedingungen die Entwicklung inadäquater Kompensationsstrategien und damit psychischer Funktionsmuster verursachen bzw. begünstigen kann. Eine „negative“ Umwelt bildet z. B. eine niedrige mütterliche Empfänglichkeit für die Entwicklung von Kindern mit kognitiven Entwicklungsstörungen, d. h. das Fehlen einer regelmäßigen und konsistenten Förderung durch geeignete Anregungen, Übungen und Rückmeldungen im Alltag der betroffenen Kinder (Warren & Brady, 2007). Dieser Beitrag handelt von Möglichkeiten und Grenzen der Gehirnplastizität und den daraus ableitbaren Implikationen für ein interdisziplinäres Konzept der Frühförderung von behinderten und entwicklungsauffälligen Kindern unter Einbeziehung neurowissenschaftlicher Erkenntnisse. In den folgenden Abschnitten sollen deshalb die Möglichkeiten und Grenzen der Entwicklungsplastizität in den Bereichen Aufmerksamkeit, Lernen/ Gedächtnis sowie emotionale und soziale Funktionen an Hand ausgewählter Beispiele dargestellt werden. Abschließend werden die aus dieser empirischen Evidenz resultierenden Schlussfolgerungen für die Frühförderung diskutiert und einige allgemeine Orientierungen und Hinweise gegeben. Empirische Evidenz für Möglichkeiten und Grenzen der Entwicklungsplastizität Da die morphologische und damit auch die davon abhängige funktionelle Entwicklung des ZNS beim Menschen erst um das 17. Lebensjahr abgeschlossen ist, besteht über eine sehr lange Zeitperiode hinweg auch eine erhöhte Vulnerabilität für pathologische Einflüsse; möglicherweise bedeutet dies zugleich auch eine Verlängerung der entwicklungsbedingten Plastizität im Sinne einer im Vergleich zum Erwachsenen erhöhten Kompensationsfähigkeit (vgl. Lidzba, 2006). Diese Plastizität des ZNS beruht auf morphologischen und funktionellen Anpassungsprozessen, da nach dem Ende der Teilungsphase der Neuroblasten (~ 26. Schwangerschaftswoche) keine relevanten Nervenzellen mehr gebildet werden und die bereits existierenden Nervenzellen (Neurone) ihre Teilungsfähigkeit verloren haben (Michaelis & Niemann, 1999). Pränatale, d. h. vor der Geburt auftretende Pathologien verursachen typischerweise Fehlbildungen oder Schädigungen des ZNS, die mit einem mehr oder weniger typischen Muster an psychischen Funktionsstörungen assoziiert sind. Dies gilt auch für perinatale und postnatale Schädigungen des ZNS mit Ausnahme eher diffuser Ätiologien, wie z. B. Sauerstoffmangel (Hypoxie). Inwiefern eine früh erlittene FI 3/ 2009 Möglichkeiten und Grenzen der Gehirnplastizität 103 Hirnschädigung „günstiger“ oder „ungünstiger“ für den weiteren Entwicklungsverlauf ist, ist nicht abschließend geklärt. Für beide Annahmen gibt es empirische Unterstützung (Luciana, 2003; Giza & Prins, 2006). Möglicherweise spielt die Ätiologie der Hirnschädigung dafür eine kritische Rolle; in jedem Falle bedarf es einer genauen Beobachtung des individuellen Verlaufs. Ausgeprägte generalisierte Funktionsstörungen scheinen für die weitere Entwicklung ungünstiger zu sein, da mehrere Funktionssysteme betroffen sind, die entweder aufeinander aufbauen oder deren individuelle Funktionstüchtigkeit für die „Partnersysteme“ kritisch ist. Dazu gehören z. B. das Aufmerksamkeitssystem, das Antriebsbzw. Neugierdesystem und das exekutive Funktionssystem; die genannten Systeme spielen unter anderem für die Entwicklung der Lernfähigkeit und damit der Erfahrungsbildung eine wichtige Rolle. Deshalb ist zu erwarten, dass Störungen dieser Funktionssysteme - isoliert oder in Kombination - auch mit einer allgemeinen Verminderung funktioneller Entwicklungsplastizität assoziiert sind. Hinsichtlich der für die kognitive Entwicklung kritischen Entwicklungsphasen scheint die postnatale Gehirnentwicklung eine wichtigere Rolle zu spielen als die pränatale Entwicklungsphase (Gale et al., 2004), da vor allem Vernetzungen zwischen Funktionssystemen postnatal gebildet werden (Uylings, 2006). Aufmerksamkeit Die Aufmerksamkeit gilt als fundamentale Kapazität des Gehirns, ohne die keine kognitive, sprachliche, affektive oder motorische Aktivität möglich ist. Man kann zwei Aufmerksamkeitsdimensionen unterscheiden: die Intensität (Wachsamkeit bzw. Aktivierung, Leistungskapazität, Dauer) und die Selektivität (Konzentration, Aufmerksamkeitsteilung) (vgl. Niemann & Gauggel, 2006). In der frühesten Phase der Entwicklung erfolgt die Steuerung der Aufmerksamkeit vorwiegend durch externe Reize; sowohl die Aufmerksamkeitsintensität als auch die -selektivität entwickeln sich graduell mit der Zunahme der Neugierde, der Wahrnehmungsaktivitäten und der Motorik (Cole & Cole, 2001). Eine beeinträchtigte Wachsamkeit wird somit auch keine normale Entwicklung und (Aufgaben-adäquate) Benützung von ansonsten intakten Funktionssystemen zulassen. Störungen der Daueraufmerksamkeit können die längerfristige Konzentration auf die Umwelt allgemein oder auf einen relevanten Teil der Umwelt beeinträchtigen. Defizite in der geteilten Aufmerksamkeit reduzieren das gleichzeitige Beachten und Verarbeiten mehrerer Informationen (Anderson et al., 2001; Campbell & Dollaghan, 1995). Störungen der Aufmerksamkeit finden sich meist unabhängig von der Ursache der Hirnstörung oder -funktionsstörung; sie können insbesondere nach diffuser (bez. hypoxischer oder traumatischer), aber auch nach fokaler Hirnschädigung (z. B. nach frühkindlichem Hirninfarkt; Max et al., 2004), bei Frühgeburt (Luciana, 2003) und bei Wachstumshormoninsuffizienz (Lijffijt et al., 2003) auftreten und gelten in der Regel als persistierend (Yeates et al., 2002; Steinlin, Roellin & Schroth, 2004). Typische Folgen sind der Verlust der Kohärenz von Wahrnehmung, Handlung und Sprache mit den entsprechenden sekundären Folgen für die Entwicklung auch dieser Funktionssysteme, weil Aufmerksamkeitsressourcen als eine wesentliche Voraussetzung für erfolgreiches Lernen nicht bzw. nur unzureichend zur Verfügung stehen (Spreen, Risser & Edgell, 1995). Da Aufmerksamkeitsstörungen und Lernstörungen häufig gemeinsam vorkommen, stellt jede Störungskombination aus beiden Funktionsbereichen eine besonders ungünstige Konstellation auch für das (nicht-verbale, verbale und prozedurale) Lernen dar (Talib et al., 2008). Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass vor allem diffuse bzw. multilokuläre Hirnschädigungen bzw. -funktionsstörungen mit meist persistierenden Störungen der Aufmerksamkeit assoziiert sind, wobei die (spon- 104 Josef Zihl, Katharina Husslein, Julia A. Zihl FI 3/ 2009 tanen) Kompensationsmöglichkeiten nach bisherigem Kenntnisstand eher begrenzt zu sein scheinen. Zusätzlich sind die möglichen sekundären negativen Folgen für die übrigen Funktionssysteme zu berücksichtigen. Die zuverlässige differenzialdiagnostische Einordnung stellt dabei ein besonderes Problem dar, da Störungen der Aufmerksamkeit primär in den Leistungen anderer Funktionssysteme (z. B. Wahrnehmung, Lernen und Merkfähigkeit, Sprache, Affektivität, Sozialverhalten, Motorik) manifest werden. Lernen und Gedächtnis Lernen ist die Voraussetzung für den Erwerb persönlicher oder durch Vermittlung erworbener Erfahrungen, von Wissen und von Handlungsroutinen. Die kurz- und langfristige Speicherung von Informationen in Form von Wissen über die Welt (semantisches Gedächtnis), über Ereignisse (episodisches Gedächtnis), das eigene Leben (autobiografisches Gedächtnis) und über Handlungen (prozedurales oder Handlungsgedächtnis) erfolgt in unterschiedlichen Gedächtnissystemen. Für die vorübergehende, also zeitbegrenzte Speicherung und Verarbeitung von Information besitzen wir ein eigenes Gedächtnis (Arbeitsgedächtnis oder Arbeitsspeicher). Die Fähigkeit zu lernen existiert bereits in der pränatalen Phase; in den postnatalen Entwicklungsperioden nehmen Lernaktivität und Speicherkapazität unter dem Einfluss der Umwelt und des Antriebs zur Erfahrungsbildung (Neugierde) rasch zu (Spreen, Risser & Edgell, 1995; Anderson et al., 2001). Die Fähigkeit zu lernen und Gelerntes dauerhaft zu speichern gehört zu den fundamentalen Voraussetzungen für die Entwicklung aller Funktionssysteme. Störungen dieser Fähigkeit werden somit, gleichgültig ob angeboren oder erworben, praktisch immer auch die zuverlässige Bildung von Erfahrungen und den Erwerb von Wissen behindern. Störungen der Lern- und Merkfähigkeit treten typischerweise nach einer Schädigung Gedächtnis-relevanter Strukturen im sog. limbischen System und im präfrontalen Cortex auf. Ursachen sind meist zerebrovaskuläre Ereignisse, Tumoren oder persistierende epileptische Herde, aber auch zerebrale Hypoxien (Straßburg, Dacheneder & Kreß, 1997; Lansing et al., 2004; Daseking & Petermann, 2007). Verlaufsuntersuchungen zeigen, dass sich (verbale) Lern- und Gedächtnisstörungen, die ihre Ursache in einer Hirnschädigung in der (frühen) Kindheit haben, zumindest teilweise zurückbilden können, wobei das semantische Gedächtnis eine günstigere Prognose aufzuweisen scheint als das episodische (Vicari et al., 2007). Eine sehr frühe (z. B. perinatale) Hirnschädigung scheint mit größeren Defiziten im verbalen Lernen und der verbalen Merkfähigkeit verbunden zu sein als eine nach dem 1. Lebensjahr auftretende Schädigung. Bezüglich der Auswirkungen einer links- oder rechtsseitigen Hirnschädigung sind bisher keine sicheren Unterschiede bekannt, d. h. auch eine rechtsseitige Schädigung kann mit einer Reduzierung der Lern- und Merkfähigkeit für verbales Material assoziiert sein (Lansing et al., 2004). In einer interessanten Einzelfallstudie berichteten Zotter et al. (2006) visuell-räumliche Defizite und Störungen der verbalen Merkfähigkeit bei einer 17-Jährigen, die wenige Tage nach ihrer Geburt eine zerebrovaskuläre Schädigung in der rechten hinteren Hirnhemisphäre erlitten hatte. Andererseits muss eine entwicklungsbedingte Beeinträchtigung der verbalen Lernfähigkeit nicht unbedingt auch mit einer Sprachentwicklungsstörung assoziiert sein (Zotter et al., 2006). Dieser Befund spricht für eine Dissoziation der beiden Funktionssysteme bezüglich ihrer zentralnervösen Organisation, zumindest aber hinsichtlich des Erwerbs des Wortschatzes und der Sprachverwendung. Die differenziellen Rückbildungsmuster von Gedächtnisfunktionen weisen darauf hin, dass eine globale, d. h. alle Formen und Inhalte umfassende Störung des Lernens selten FI 3/ 2009 Möglichkeiten und Grenzen der Gehirnplastizität 105 vorkommt und von bestimmten Formen der Hirnentwicklungsstörung bzw. -schädigung abhängt (Rourke et al., 2002). Eine besondere Schwierigkeit stellt dabei der (sichere) Nachweis von erhaltener Lernfähigkeit im frühesten Kindesalter dar, da dafür ausreichende Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsfunktionen erforderlich sind. Es ist unklar, ob die verschiedenen Lernformen (z. B. operante Konditionierung, Lernen am Modell, Lernen durch Versuch und Irrtum, Lernen durch Einsicht) auch eine unterschiedliche Plastizität aufweisen; denkbar wäre aber, dass einfachere Formen, wie z. B. die operante Konditionierung, entweder weniger vulnerabel sind oder aber eine höhere Entwicklungsplastizität besitzen. Aus der Ontogenese der Lernformen in den ersten 12 Lebensmonaten ließe sich eine solche Annahme ableiten (Nelson, 1995). Das mögliche Förderpotenzial, das sich daraus ergibt, sollte deshalb sehr viel stärker ausgeschöpft werden. Allerdings ist zu bedenken, dass auch „einfachere“ Lernformen betroffen sein können; dies sollte entsprechend in der Intervention berücksichtigt werden (Vicari et al., 2005). Unter den Begriff „umschriebene Lernstörungen“ fallen eine ganze Reihe von Störungsbildern: die „umschriebene Störung“ des Lesens (Dyslexie), des Schreibens, des Rechnens (Dyskalkulie) sowie „nicht-sprachliche Lernstörungen“ (Nonverbal Learning Disabilities NDL) (Heubrock & Petermann, 2000; Rourke et al., 2002). Dabei sollte die Bezeichnung „nicht-sprachlich“ nicht über auch vorhandene sprachliche Probleme, wie beispielsweise eine beeinträchtigte Pragmatik oder mangelndes Textverständnis, hinwegtäuschen (Rourke & Tsatsanis, 1996). Die Dyskalkulie wird teilweise ebenfalls unter dem Konzept der NDL subsumiert (Heubrock & Petermann, 2000). Dyslexie und Dyskalkulie weisen eine hohe Komorbidität zueinander auf; es handelt sich aber möglicherweise um eigenständige Lernstörungen und nicht um eine bloße Additivität (Hasselhorn & Schuchardt, 2006). Die Einordnung der „umschriebenen Lernstörungen“ ist noch nicht abgeschlossen. In einer allgemein abgefassten Definition von Lernstörungen durch das National Joint Committee on Learning Disabilities (NJCLD, 1998) wird jedoch ein wichtiger neuropsychologischer Aspekt sichtbar, der auch für die Intervention von großer Bedeutung ist: „Die Störungen liegen in der Person selbst begründet und gehen vermutlich auf eine Dysfunktion des zentralen Nervensystems zurück. (…) Zusätzliche Schwierigkeiten im Bereich der sozialen Wahrnehmung, der sozialen Interaktion und der Verhaltenssteuerung können auftreten, sind jedoch nicht die Ursache der Lernstörung“ (zitiert und modifiziert nach NJCLD, 1998; siehe auch Heubrock & Petermann, 2000). Sog. umschriebene Lernstörungen werden über eine (nicht einheitlich festgelegte) Diskrepanz zwischen intellektuellen Fähigkeiten und tatsächlichen akademischen Leistungen operationalisiert (Semrud-Clikeman, 2005; Heubrock & Petermann, 2000). Unter Berücksichtigung der genannten neurogenen, d. h. zentralnervösen Ursache von Lernstörungen ist die Operationalisierung über eine bloße Differenz aber zu eng gefasst, da Störungen von Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis, Selbstüberwachung und weiteren Funktionen nicht berücksichtigt werden. Zudem ergeben sich aus einer Diskrepanzannahme keine Möglichkeiten zur gezielten Intervention oder zu einer validen Vorhersage von individuellen Verläufen (Semrud-Clikeman, 2005). Es besteht daher zu Recht die Forderung, die Annahme einer gemeinsamen Störungskategorie zugunsten einer spezifischen Phänotypisierung der Lernstörung aufzugeben (Collins & Rourke, 2003; Rourke et al., 2002). Lernstörungen bleiben über die Zeit hinweg sehr stabil - je nach Untersuchung sind 40 bis 90 % der Kinder bzw. Jugendlichen auch bei der Katamnese betroffen (Schulte-Körne et al., 2003; Shalev, Manor & Gross-Tsur, 2005; 106 Josef Zihl, Katharina Husslein, Julia A. Zihl FI 3/ 2009 Hasselhorn & Schuchardt, 2006). Besonders dauerhaft zeigen sich Lernstörungen, wenn noch zusätzliche psychiatrische Auffälligkeiten vorliegen (Strehlow et al., 1992; Mattison, Hooper & Grossberg, 2002). In ihrer Schullaufbahn bleiben viele Betroffene hinter ihren eigentlichen intellektuellen Möglichkeiten zurück, was sich dann häufig auch auf die Berufswahl auswirkt (Strehlow et al., 1992; White, 1992; Esser, Whyschkon & Schmidt, 2002). Kinder aus höheren sozialen Schichten und ohne komorbide Störungen haben hierbei eher Chancen auf adäquate Umsetzung ihrer Fähigkeiten (Strehlow et al., 1992; Schulte-Körne et al., 2003). In einer Zusammenfassung verschiedener Metaanalysen haben sich folgende Prinzipien als am wirkungsvollsten erwiesen: (1) systematischer und schrittweiser Aufbau der Förderung, (2) explizite Vermittlung von Lerninhalten durch die Lehrkraft und sofortige Rückmeldung von Fehlern, (3) Vermittlung von Selbstmanagement- und Mnemotechniken, (4) selbstständiges Üben unter geplanter und systematischerAnleitung (Grünke, 2006); (5) Förderung während der gesamten Schullaufbahn zum Erreichen und Sicherstellen günstiger Langzeiteffekte (Semrud-Clikeman, 2005). Diese Prinzipien können auch aus neuropsychologischer Sicht ohne Einschränkung empfohlen werden, da sie auf störungsspezifische Interventionen abzielen und eine optimal „angereicherte“ Lernumwelt beinhalten, ohne das zu fördernde Kind mit irrelevanten Informationen zu überfrachten. In einer neueren Studie zum zentralnervösen Korrelat systematischer Übung unter Anleitung wurde bei leseschwachen Kindern eine signifikante, dauerhafte Zunahme an Aktivierung in den für die Lesefähigkeit als relevant bekannten Strukturen der linken und rechten Hirnhälften gefunden (Meyler et al., 2007). Dies bedeutet, dass gezieltes systematisches Üben nicht irgendeinen Effekt hat, sondern tatsächlich die Funktion der Hirnregionen verbessert, die für die entsprechende Leistung „verantwortlich“ sind. Emotionale und soziale Funktionen Die Erforschung der Entwicklung und Bedeutung sozialer „Funktionen“ hat in den letzten Jahren in den Neurowissenschaften besonderes Interesse gefunden. Dieses Interesse drückt sich unter anderem auch in der Etablierung einer neuen Spezialdisziplin, der „social neuroscience“ aus (Harris, 2003), die sich dem Studium des „social brain“ und seiner Entwicklung widmet (Grossmann & Johnson, 2007). Ein wesentlicher Grund dafür dürfte darin liegen, dass man erkannt hat, dass für das Verständnis psychischen Geschehens auch Erkenntnisse über die neurobiologischen und funktionellen Grundlagen von Emotionen und sozialen Funktionen einen wichtigen Beitrag leisten können und dass sich wissenschaftliche Erklärungen des Erlebens und Verhaltens insbesondere im sozialen Kontext nicht nur auf Kognition, Sprache und Sensomotorik konzentrieren dürfen. Hinzu kommt, dass „social cognition“ eine - neurowissenschaftlich gesehen - eigenständige Form des Wissens darstellt, für das eigene Hirnstrukturen im sog. limbischen System (unter anderem Amygdala, Hippocampus, orbitaler präfrontaler Cortex) zur Verfügung stehen (Übersicht bei Grossmann & Johnson, 2007). Für den Bereich der Erwachsenen gibt es bereits seit längerer Zeit überzeugende Evidenz dafür, dass soziale Funktionen zu eigenständigen Funktionssystemen des Gehirns gehören (z. B. Adolphs, 2003). Allerdings sollten die beiden Domänen Kognition und Emotionen nicht völlig getrennt voneinander betrachtet werden; beide Bereiche sind anatomisch eng miteinander verbunden und weisen zahlreiche gegenseitige Abhängigkeiten auf (Pessoa, 2008; Storbeck & Glore, 2007). Verschiedene Entwicklungsstudien legen nahe, dass sich soziale Funktionen im Kontext eines eigenständigen neuralen Netzwerks, also eines sozialen Funktionssystems entwickeln, wobei die Wahrnehmung (Mimik und Gestik) und Speicherung von sozialen Infor- FI 3/ 2009 Möglichkeiten und Grenzen der Gehirnplastizität 107 mationen (soziales Wissen) sowie die entsprechende interpersonale, also „soziale“ Aufmerksamkeit („joint attention“) eine essenzielle Rolle spielen (Harris, 2003; Johnson et al., 2005). Entsprechend befasst sich die soziale Neurowissenschaft unter anderem mit sozialer Wahrnehmung, sozialem Wissen und Handeln, Empathie und der frühen Mutter- Kind-Beziehung als dem wesentlichen Kontext der Entwicklung einer prototypischen sozialen Beziehung. Diese verschiedenen Komponenten können unterschiedlichen Modulen im zentralnervösen Netzwerk sozialer Funktionen zugeordnet werden, was bedeutet, dass das Gehirn auch hinsichtlich sozialer Funktionen spezialisiert ist und die verschiedenen Funktionen differenziell von einer Hirnschädigung betroffen sein können (Harris, 2003). Das menschliche Gehirn ist somit grundsätzlich dafür ausgestattet, sich in einem sozialen Kontext zu entwickeln und sich an Änderungen auch der sozialen Bedingungen erfolgreich anzupassen (Williams, 2006; Grossmann & Johnson, 2007). Interessanterweise scheint sich Empathie deutlich früher als kognitive Fähigkeiten zu entwickeln; dies gilt entsprechend auch für die zugrunde liegenden zentralnervösen Strukturen (Singer, 2006). Interpersonale affektive und soziale Funktionen sind somit früher „aktiv“ als die assoziierten kognitiven Funktionen, die später die auf Erfahrung beruhende und an der Erfahrung überprüfte Differenzierung der sozialen Wahrnehmung und des sozialen Wissens sowie affektiver Verhaltensweisen ermöglichen. Im Rahmen von frühen Entwicklungsstörungen des Gehirns, die das genannte soziale Netzwerk direkt oder indirekt betreffen, können zahlreiche soziale Entwicklungsstörungen erklärt und verstanden werden (Ryan, Kuhl & Deci, 1997; Harris, 2003; Johnson et al., 2005; Warschausky et al., 2003). Dazu zählen insbesondere Störungen der sozialen Wahrnehmung und des darauf beruhenden sozialen Wissenserwerbs in der visuellen (Barton et al., 2007) und auditiven Modalität (Flood, Dumas & Haley, 2005), die die Entwicklung und Differenzierung sozialer Expertise nachhaltig beeinträchtigen können. Der Mutter-Kind-Beziehung kommt hinsichtlich der Entwicklung von sozialen Beziehungen und Empathie eine zentrale Rolle zu. Entwicklungsstudien an gesunden Babys legen nahe, dass die Fähigkeiten zur sozialen Wahrnehmung, zum Erwerb sozialen Wissens und Handelns und zur Empathie angeboren sind, da alle dafür relevanten Wahrnehmungsmodalitäten (einschließlich der Geruchswahrnehmung) bereits unmittelbar nach der Geburt ausreichend gut entwickelt sind und sich dann rasch differenzieren (Spreen et al., 1995; Williams, 2006). Dazu passt, dass sich die „joint attention“ (Aufmerksamkeit im sozialen Kontext) bei gesunden Babys bereits im 3. Lebensmonat nachweisen lässt (Grossmann & Johnson, 2007). Um Empathie-fähig zu werden bzw. zu sein, muss ein Kind auch ein Konzept seiner selbst entwickeln, um eine andere Person als selbstständiges Individuum mit Gefühlen wahrnehmen zu können. Dabei spielen Sozialisationserfahrungen zweifellos eine große Rolle. Die kritische Voraussetzung für die Bildung solcher „sozialer“ Erfahrungen, ebenso wie für die Verfügbarkeit, Differenzierung und Steuerung von Empathie, sind die dafür verantwortlichen Hirnstrukturen im sog. limbischen System (Harris, 2003). Für die soziale Entwicklung gelten ähnliche Voraussetzungen wie für die anderen Funktionssysteme. Dazu zählt nicht nur die Verfügbarkeit der erforderlichen sensorischen, kognitiven, sprachlichen und motorischen Funktionen und der zugrunde liegenden zentralnervösen Strukturen, sondern auch neuroendokriner Funktionen, weil sie im pathologischen Fall auch die Lernfähigkeit im sozialen Funktionssystem nachhaltig negativ beeinflussen können. Neurobiologische Untersuchungen lassen keinen Zweifel daran anzunehmen, dass z. B. die Exposition des sich entwickelnden Gehirns an ausgeprägte 108 Josef Zihl, Katharina Husslein, Julia A. Zihl FI 3/ 2009 oder lang andauernde Stressbedingungen zu einer Hyperaktivität bzw. Hyperreaktivität des Stresssystems führt und dadurch die Strukturen des sozialen Funktionssystems (unter anderem Amygdala, Hippocampus, präfrontaler Cortex) und ihre Interaktionen irreversibel geschädigt werden. Bekannte Folgen sind z. B. exzessive Furcht („inhibited child syndrome“), Dysthymie, Depression, Suchtverhalten und pathologisches Vermeidungsverhalten. Der Anteil solcher durch eine morphologische bzw. funktionelle Schädigung des ZNS bedingter sozialer Funktionsstörungen wird auf 60 % geschätzt (Charmandari et al., 2003). Aufgrund der funktionellen Spezialisierung des sozialen Funktionssystems sind durchaus differenzielle Konstellationen affektiver und sozialer Symptome zu erwarten. Als weiterer wichtiger Einflussfaktor für die Pathogenese sozialer Funktionsstörungen werden ungünstige Erfahrungen in der frühen Kindheit angesehen (Übersicht bei Braun & Bogerts, 2001). Die frühe Deprivation von sozialen und emotionalen Reizen und/ oder eine traumatisierende psychosoziale Umwelt können eine erhöhte Vulnerabilität gegenüber ungünstigen Reizeinflüssen und Störungen des emotionalen und sozialen Funktionssystems mit den entsprechenden Auswirkungen auf die emotionale und soziale Erfahrungsbildung zur Folge haben. Als kritischer Umwelt-Faktor dafür gilt insbesondere die fehlende Entwicklung einer stabilen emotionalen Beziehung, wobei diese Einflussgröße vor allem, aber nicht nur in der frühen Kindheit wirksam ist, da soziale und emotionale „sensible“ und damit auch „vulnerable“ Phasen nicht nur auf diesen Zeitraum beschränkt zu sein scheinen. Für die Entwicklung von günstigen Kommunikations- und Beziehungserfahrungen in der frühen Kindheit kommt der wechselseitigen Abstimmung der vorsprachlichen Kommunikation und Beziehung eine führende Rolle zu. Störungen dieser Abstimmung auf der Seite des Babys oder Kleinkindes auf der einen und/ oder der Eltern auf der anderen Seite können nachhaltige (nonverbale und verbale) Kommunikations- und Beziehungsstörungen verursachen, da Kinder in ihrer frühen Entwicklungsphase eine besondere Sensibilität und gleichzeitig Vulnerabilität für das Sozialverhalten und die Affektivität der wichtigsten Bezugspersonen aufzuweisen scheinen (Papousˇek, 2006; Pauli-Pott & Schneider, 2006). Die Bindung zwischen Kind und Bezugsperson entwickelt sich vor allem in der frühen Kindheit. Die angeborene Bindungsbereitschaft, die im ersten Lebensjahr sehr stark zunimmt, nimmt nach dem zweiten Lebensjahr langsam, aber kontinuierlich wieder ab. Daher binden sich Adoptivkinder, je älter sie zum Adoptionszeitpunkt sind, umso weniger (intensiv) an ihre Adoptiveltern. Die Bindung weitet sich im Kleinkindalter zu Personen außerhalb der Kernfamilie aus (z. B. Großeltern, Nachbarn, Spielgefährten etc.). Im Verlauf der Schulzeit spielen Freundschaften vermehrt eine wichtige Rolle. In der Pubertätszeit schwächt sich die Bindung zu den Eltern ab; sie wird zunehmend durch neue Beziehungen und dauerhafte Bindungen außerhalb der engeren Familie ersetzt. Die Ablösung von den Eltern bedeutet somit nicht emotionale Unabhängigkeit; die Bindungsbereitschaft richtet sich nun lediglich vermehrt auf Gleichaltrige. Pathologische Formen sozialer Bindung sind für verschiedene Ätiologien beschrieben worden. So weisen z. B. insbesondere Kinder mit Störungen aus dem autistischen Spektrum neben veränderten emotionalen (affektive Symptome) und sozialen Funktionen (soziale Wahrnehmung, soziale Referenz) häufig auch eine fehlende oder zumindest (deutlich) verzögerte Bindungsbereitschaft auf, als deren neurobiologisches Korrelat Entwicklungsstörungen im limbischen System angesehen werden (Harris, 2003; Yeates et al., 2007; Kleinhans et al., 2008). Eine gestörte Entwicklung sozialer und emotionaler Funktionen sind auch bei Kindern mit ADHD beschrieben worden. Neben einem gehäuften Auftreten von depressiven Symptomen und Angststörungen können FI 3/ 2009 Möglichkeiten und Grenzen der Gehirnplastizität 109 solche Kinder auch Schwierigkeiten haben, den emotionalen Zustand anderer zuverlässig zu erkennen; dies scheint vor allem für soziale Droh- und Bedrohungssignale zu gelten (Übersicht siehe bei Williams et al., 2008). Aber auch Kinder mit angeborenen Herzfehlbildungen (und vermutlich dadurch verursachtem zerebralem Sauerstoffmangel) (Bellinger, 2008) oder Williams Syndrom (Mervis & Klein-Tasman, 2000) können Störungen sozialer Funktionen aufweisen, wobei für beide Gruppen das fehlende Überprüfen der sozialen Signale des anderen im Vordergrund steht, d. h. die sozialen Signale werden vorwiegend konkretistisch interpretiert, was zu einer pathologischen Abhängigkeit von der sozialen Umwelt führen kann. Andererseits können Erwachsene Schwierigkeiten haben, faciale und vokale (prosodische) Informationen als soziale Signale der Kinder richtig (d. h. valide) zu erkennen und zu deuten. Diese Schwierigkeiten sind z. B. bei Eltern von Kindern mit Down-Syndrom bekannt (Carvajal & Iglesias, 2006). Es ist deshalb von großer Bedeutung, dass Erwachsene lernen, die in der Mimik, Gestik und Prosodie von Kindern mit sozialen (und anderen psychischen) Entwicklungsstörungen enthaltenen „cues“ richtig zu interpretieren, um den Kindern in der Face-to-face-Interaktion ein adäquates Feedback geben zu können und so ihre soziale Entwicklung adäquat und systematisch zu fördern. Auch wenn über die Entwicklungsplastizität sozialer Funktionen weniger bekannt ist als über die in anderen psychischen Funktionssystemen, so darf doch angenommen werden, dass auch für dieses Funktionssystem ähnliche Regeln gelten, d. h. es sind sowohl geeignete neurobiologische Netzwerke als auch eine adäquate soziale Umgebung und Übung erforderlich. Es ist wiederum die systematische und wiederholte Wechselwirkung zwischen diesen Komponenten, die eine günstige soziale Entwicklung ermöglichen. Der Erwerb sozialer Fertigkeiten und Kompetenzen setzt dafür spezialisierte Hirnstrukturen und die zugehörige Lernfähigkeit ebenso wie einen „geeigneten“ sozialen Kontext, also ein „enriched social environment“ voraus. Allerdings zeigt die Rolle der Entwicklungsplastizität gerade im sozialen Funktionssystem die Zweideutigkeit der Anpassung an die Umwelt auf. Plastizität als Grundlage für Lernen und Anpassungsfähigkeit entscheidet nicht, welche Richtung die Entwicklung nehmen wird. Das Ergebnis kann in Abhängigkeit von der „Qualität“ der Umwelt positiv oder negativ sein; eine ungünstige oder emotional bzw. sozial traumatisierende Umwelt führt entsprechend zur Entwicklung ungünstiger bzw. psychopathologischer Wahrnehmungen, Einstellungen und Handlungen insbesondere im sozialen Kontext (Braun & Bogerts, 2001; Nithianantharajah & Hannan, 2006). Bedeutung der Möglichkeiten und Grenzen der Entwicklungsplastizität für die Frühförderung Die ausgewählten Beispiele aus den verschiedenen kognitiven Bereichen zeigen, dass prä-, peri- und postnatale Einflüsse auf das ZNS die Entwicklung psychischer Funktionen nachhaltig negativ beeinflussen können. Unabhängig von der Ätiologie der wirksamen Faktoren (genetisch, morphologisch, funktionell) können die psychischen Funktionssysteme entweder isoliert oder gemeinsam betroffen sein; dies gilt ebenso für das emotionale und soziale Funktionssystem. Aufgrund der engen, meist reziproken Vernetzung der Gehirnstrukturen ist ein Funktionssystem selten isoliert betroffen. Funktionssysteme bauen häufig aufeinander auf, sind also voneinander abhängig; zudem bildet die Kooperativität zwischen Funktionssystemen eine entscheidende Grundlage für die Entwicklung und Ausführung komplexer Aktivitäten des ZNS. Daher findet sich in der Regel ein assoziiertes Störungsmuster, wobei es differenzialdiagnostisch durchaus schwierig sein kann, primäre Störungen und sekundäre Folgen zuver- 110 Josef Zihl, Katharina Husslein, Julia A. Zihl FI 3/ 2009 lässig zu unterscheiden. Aufgrund der vorliegenden neurowissenschaftlichen Evidenz lässt sich jedoch feststellen, dass das ZNS aufgrund der ihm innewohnenden Plastizität, also flexiblen Anpassungsfähigkeit auf der morphologischen, physiologischen und funktionellen Ebene in der Lage ist, sich an die durch negative Einflüsse verursachten frühen Entwicklungsstörungen auf vielfältige Weise anzupassen, d. h. sie durch geeignete Lernprozesse erfolgreich zu kompensieren. Für diese Anpassung ist eine intensive, regelmäßige und systematische (d. h. konsistente) Aktivität in einer adäquaten, d. h. dafür geeigneten Umgebung erforderlich; dies gilt für kognitive, sprachliche, motorische, affektive und soziale Verhaltensweisen in gleicher Weise. Welchen Zugewinn an Wissen, Verstehen und Handlungsanleitungen für die frühe Förderung behinderter und entwicklungsauffälliger Kinder kann man von der zusätzlichen Berücksichtigung und Verwendung neurowissenschaftlicher Erkenntnisse über Möglichkeiten und Grenzen der Entwicklungsplastizität erwarten? Nachfolgend sollen dazu einige Überlegungen formuliert werden. (1) Die Hinzunahme neurowissenschaftlicher Erkenntnisse ermöglicht die Entwicklung eines ganzheitlichen Konzepts für das Verständnis der Entstehung von zentralnervösen Funktionsstörungen, weil die psychischen Funktionen im Kontext der kritischen Anlage- und Umweltvariablen und in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit interpretiert und eingeordnet werden. Daraus ergeben sich störungsspezifische Ansätze für die Optimierung bzw. Neuentwicklung von Verfahren zur Diagnostik und Behandlung entwicklungsbedingter psychischer Funktionsstörungen unter besonderer Berücksichtigung der zentralnervösen Organisation psychischer Funktionssysteme und ihrer vielfältigen Interaktionen. (2) Das Wissen um die Möglichkeiten der Entwicklungsplastizität kann einen hilfreichen Rahmen für die Frühförderung bilden. Die schwierige und manchmal als „unmöglich“ eingestufte Behandlung gerade komplexer kognitiver Störungen bedarf - ähnlich wie im Erwachsenenbereich - nicht immer neuer Erklärungen, sondern einer dringenden Innovation in Diagnostik und Therapie, die die zentralnervösen Organisationsprinzipien psychischer Funktionen berücksichtigt. Es gilt, neue Regeln für die Entwicklung diagnostischer und therapeutischer Mittel in der „Sprache“ des Gehirns zu entwickeln, um so einen treffenderen Zugang zu seinen Funktionssystemen zu finden. Die Suche nach der optimalen Form der Übung, d. h. der adäquaten Lernform, und der optimalen Reiz- und Lernumgebung im Sinne eines „enriched environment“, stellen dabei zwei wesentliche Herausforderungen dar. Dabei gilt die Regel, dass weniger oft mehr ist, d. h. dass sogenannte „einfache“ (implizite) Lernformen, wie z. B. die operante Konditionierung oder das Modelllernen, effizienter sind als explizites Lernen, und dass „enriched“ nicht möglichst viel Information bedeutet, sondern möglichst viel an adäquater, d. h. für das betreffende Funktionssystem „passender“ und eindeutiger Information. Das Wissen um die Grundlagen der Entwicklungsplastizität des Gehirns auf funktioneller Grundlage kann somit als Rahmen für die Frühförderung dienen. (3) Das Wissen um die Grenzen der Entwicklungsplastizität hilft auch die Grenzen der Kompensationsfähigkeit des ZNS und damit die Grenzen der Frühförderung zu erkennen, zu verstehen und zu akzeptieren, ohne dass daraus ein unkritischer Therapiepessimismus abgeleitet wird (Michaelis & Niemann, 1999; S. 39). Kritische Größen für die Begrenztheit der Plastizität sind z. B. eine diffuse oder multilokuläre Hirnschädigung oder -funktionsstörung mit den unausweichlichen Folgen für mehrere Funktionssysteme oder eine ungünstige „Lernumgebung“ FI 3/ 2009 Möglichkeiten und Grenzen der Gehirnplastizität 111 außerhalb der Fördersituation, die den Transfer von Funktionsverbesserungen nur begrenzt zulässt. Das Ende einer systematischen Frühförderung, d. h. wenn trotz intensiven Bemühens kein Funktionszuwachs (mehr) zu erwarten ist, muss nicht auch das Ende von rehabilitativen Maßnahmen sein. Die weitere Förderung kompensatorischer Funktionssysteme oder die Anpassung der physikalischen, kognitiven und sozialen Umwelt an die (bleibende) Behinderung stellen wichtige Alternativbzw. Ergänzungsmaßnahmen dar, die dem betroffenen Kind und seiner Familie die Lebensqualität gewinnen und sichern helfen, die allen Kindern und ihren Familien zusteht. Auch diese Fördermaßnahmen sollten unter Berücksichtigung der Funktionsweise des Gehirns und seiner Plastizität ausgewählt und durchgeführt werden. (4) Entwicklungsplastizität ermöglicht nicht nur eine positive Anpassung an Veränderungen des ZNS (z. B. nach einer Hirnschädigung oder -funktionsstörung). Eine ungünstige Umwelt oder ungünstige Lernbedingungen können auch einen negativen Einfluss auf die Entwicklung psychischer Funktionen haben und damit eine negative Anpassung bewirken oder zumindest begünstigen. Das ZNS entscheidet nicht über die „Sinnhaftigkeit“ der Umwelt oder der Lernform, es versucht sich an jede Umgebung und damit an jede Lernbedingung anzupassen und eine „optimale“ Anpassungsbzw. Bewältigungsstrategie zu entwickeln. „Effiziente“ Anpassung bezieht sich somit vor allem auf die Entwicklung von Routinen in den verschiedenen psychischen Funktionssystemen, die es dem Kind erlauben, mit der individuellen Umgebung (ausreichend) gut zurechtzukommen und selbst regulierende Autonomie zu erwerben (Ryan et al., 1997). Dazu sind grundlegende Kompetenzen der Selektion, Optimierung und Kompensation erforderlich (Baltes, 1997; Lerner et al., 2001). Wenn Umwelt und soziales Modell ungünstig oder einseitig sind, wird es ziemlich unwahrscheinlich sein, dass sich unter diesen Bedingungen kognitive und soziale Kompetenzen entwickeln können, die auch in anderen Umweltbedingungen effizient und erfolgreich sind. Dieses „doppelte Gesicht“ der Entwicklungsplastizität erlegt Eltern, Bezugspersonen und Therapeuten eine große Verantwortung auf, weil sie alle „Umwelt“ repräsentieren, für die das Gehirn Anpassungsprozesse entwickelt. Es gilt somit, eine Umwelt zu schaffen bzw. zu repräsentieren, die für die individuelle Entwicklung eines Kindes günstig ist und die die Anpassungsprozesse fördert und verstärkt, die eine erfolgreiche Bewältigung der vielfältigen Herausforderungen in den frühen und späteren Lebensabschnitten ermöglichen. Diese Überlegungen gelten für Kinder mit normaler Entwicklung, in besonderer Weise aber für Kinder mit Entwicklungsauffälligkeiten oder mit Behinderung. (5) Das ZNS kennt mehrere verschiedene Wege, dasselbe Ziel zu erreichen, da seine Entwicklungsplastizität offensichtlich an den Regeln der Equifinalität orientiert ist (Gottlieb, 2001). Unter Equifinalität wird die Fähigkeit des Gehirns verstanden, eine bestimmte Funktion auch auf andere Weise zu entwickeln und zu optimieren, als dies im „Normalfall“ vorgesehen ist. Voraussetzung dafür ist eine enge Vernetzung innerhalb von und zwischen Funktionssystemen, sodass Synergieeffekte entstehen und damit eine Art funktioneller Subsidiarität wirksam werden kann. Das Prinzip der Equifinalität hilft auch zu erklären und verstehen, warum Kinder mit Behinderung oder mit Entwicklungsschwierigkeiten (aber auch durch eine Hirnschädigung behinderte Erwachsene) oft erstaunliche Behandlungserfolge sowie Bewältigungsstrategien zeigen, und gibt ein Denkwerkzeug an die Hand, Be- 112 Josef Zihl, Katharina Husslein, Julia A. Zihl FI 3/ 2009 handlungsmethoden zu verbessern bzw. neue Interventionsmethoden zu entwickeln. Voraussetzung dafür ist jedoch die Aufklärung und Kenntnis der genannten synergistischen bzw. subsidiären Funktionen und Prozesse und ihre Operationalisierung im Kontext von Diagnostik und Behandlung. Das Anliegen dieses Beitrags ist es, deutlich zu machen, dass die bereits interdisziplinär etablierte Frühförderung durch die Mitarbeit einer weiteren Disziplin, der klinischen (Entwicklungs-) Neuropsychologie, profitieren kann, da sie über die Konzepte und Methoden verfügt, die eine neurowissenschaftlich begründete bzw. orientierte Diagnostik und Behandlung realisieren und bereits erfolgreiche Methoden und Konzepte sinnvoll ergänzen lassen. Die wesentliche Rolle der Entwicklungsneuropsychologie im Rahmen von Störungen psychischer Funktionen besteht in der frühzeitigen Erkennung (Diagnostik) und Behandlung von Funktionsstörungen, die die weitere Entwicklung oder den Einsatz von bereits erworbenen Funktionen behindern können. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit auch einer entwicklungsneuropsychologischen Untersuchung, um unterschiedliche kognitive, emotionale und soziale Entwicklungsverläufe im Sinne eines positiven und negativen Leistungsbildes zuverlässig und möglichst vollständig erfassen und in der Behandlung angemessen berücksichtigen zu können. Eine auf das individuelle Störungsbild abgestimmte, „maßgeschneiderte“ Behandlung setzt die dif-ferenzielle Erfassung von psychischen Funktionseinbußen und deren zuverlässige diagnostische Einordnung voraus. Die Bewertung der diagnostischen Ergebnisse, die Planung von Behandlungsmaßnahmen sowie die Integration aller psychischen Funktionssysteme, einschließlich der sozialen, motivationalen und emotionalen Bereiche, und die Verlaufsprognose sollten dabei unter Berücksichtigung der individuellen Entwicklungsplastizität erfolgen. Die optimale Nutzung des individuellen Entwicklungspotenzials und die passende Gestaltung von Reiz- und Aufgabenbedingungen unter Berücksichtigung der übungs- und umweltabhängigen Plastizität können dann flexibel an den individuellen Entwicklungsverlauf angepasst werden. Dabei gilt es, dem betroffenen Kind die zentrale Rolle im Gesamtprozess der Förderung in adäquater Form zuzuweisen, seine Eigenaktivitäten zu stärken und zu lenken und wichtige Indikatoren für die individuelle Entwicklung möglichst früh richtig zu deuten. Dieser Beitrag soll daher auch für eine enge fachliche Zusammenarbeit zwischen Frühförderung und Entwicklungsneuropsychologie werben. Die oft komplexen interdisziplinären Probleme in der Frühförderung von Kindern mit Behinderung bzw. Entwicklungsauffälligkeiten lassen sich sicherlich aus unterschiedlicher fachlicher Perspektive, aber mit einem gemeinsamen Ziel, effizienter und damit für die betroffenen Kinder erfolgreicher lösen. Literatur Adolphs, R. 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