Frühförderung interdisziplinär
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0721-9121
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Elternerfahrungen zur Integration sinnesgeschädigter Kinder in Kindergärten
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2010
Kathrin Burghart
Anja Graf
Klaus Sarimski
Es wird über zwei explorative Eltern- und teilweise Erzieherbefragungen berichtet zu ihrer Wahrnehmung der sozialen Integration und der sozialen Kontakte ihrer seh- oder hörgeschädigten Kinder in integrativen Kindertagesstätten. Die Ergebnisse weisen auf Risiken der sozialen Isolation in beiden Gruppen hin und belegen die Notwendigkeit, behinderungsspezifische Anpassungen im Gruppengeschehen vorzunehmen und soziale Kontakte systematisch zu fördern.
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Frühförderung interdisziplinär, 29. Jg., S. 124 - 129 (2010) DOI 10.2378/ fi2010.art12d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Elternerfahrungen zur Integration sinnesgeschädigter Kinder in Kindergärten Kathrin Burghart, anja graf, Klaus sarimsKi Zusammenfassung: Es wird über zwei explorative Eltern- und teilweise Erzieherbefragungen berichtet zu ihrer Wahrnehmung der sozialen Integration und der sozialen Kontakte ihrer seh- oder hörgeschädigten Kinder in integrativen Kindertagesstätten. Die Ergebnisse weisen auf Risiken der sozialen Isolation in beiden Gruppen hin und belegen die Notwendigkeit, behinderungsspezifische Anpassungen im Gruppengeschehen vorzunehmen und soziale Kontakte systematisch zu fördern. Schlüsselwörter: Integration, sinnesgeschädigte Kinder, Kindergarten, Eltern Parental Experience with Social Integration of Visually or Hearing Impaired Children in Preschool Summary: Data from two postal surveys concerning the experience of parents (and preschool teachers) with the social integration and social relationships of children with visual or hearing impairment in regular preschools or integrative groups are reported. They point to the risk of social isolation in both sub-groups of handicapped children and support the need for specific adapations in the groups and systematic coaching of social contacts between handicapped and non-handicapped children. Keywords: Inclusion, visual impairment, hearing impairment, preschool, parent experiences Einleitung Die Integration von sinnesgeschädigten (d. h. hochgradig seh- oder hörgeschädigten) Kindern stellt eine besondere Aufgabe für die Mitarbeiterinnen in Kindertagesstätten dar, bei der sie in der Regel eine Zusammenarbeit mit sonderpädagogischen Frühberatungs- und Frühförderstellen suchen. Sie kann als Einzelintegration in einem Regelkindergarten oder in einer integrativen Kindergartengruppe erfolgen. Wissenschaftliche Untersuchungen der Praxis integrativer Förderung mit Bezug auf das Kindergartenalter sind im deutschen Sprachraum eher selten (zusammenfassend: Kreuzer & Ytterhus, 2008; Sarimski, 2010) und beziehen sich überwiegend auf die Auswertung von Erfahrungen bei Modellprojekten, bei denen Kinder mit sehr unterschiedlichen Behinderungsformen einbezogen wurden. Auch eine sehr umfangreiche Erhebung zu Elternerfahrungen bei der gemeinsamen Erziehung behinderter und nicht behinderter Kinder in Form der Einzelintegration differenziert nicht zwischen verschiedenen Behinderungsformen (Kobelt Neuhaus, 2001). Spezifische Analysen zur Integration hörgeschädigter Kinder auf der Grundlage von ausführlichen Interviews und videografierten Verhaltensbeobachtungen zu den sozialen Kontakten der Kinder in der Gruppe wurden erst kürzlich von Diller (2009) veröffentlicht. Verlässliche bundesweite Angaben über die Zahl von seh- oder hörgeschädigten Kindern in Regelkindergärten oder integrativen Gruppen liegen nicht vor. Als Schätzwert wird angenommen, das 1 von 1000 Kindern eine Sehschädigung hat, eingerechnet blinde Kinder und solche mit zusätzlichen Behinderungen. Das würde bedeuten, dass mit etwa 2000 Kindern im Alter zwischen drei und sechs Jahren mit dieser Behinderung gerechnet werden muss. Die gleiche Prävalenzschätzung von etwa 1 von 1000 Kindern gilt für eine Hörminderung um > 40 dB (davon weniger als die Hälfte mit schwerer Hörschädigung, d. h. Resthörigkeit oder Gehörlosigkeit). FI 3/ 2010 Integration sinnesgeschädigter Kinder in Kindergärten 125 Schwere Seh- oder Hörschädigungen haben unterschiedliche Auswirkungen auf die Entwicklung der Kinder und damit auf den potenziellen Hilfebedarf bei der sozialen Integration im Kindergarten. Das Spielverhalten von hochgradig sehgeschädigten Kindern unterscheidet sich vom Spiel gut sehender Kinder, ihre Orientierung und Mobilität im Raum ist eingeschränkt. In diesen Bereichen sehen Erzieherinnen einen besonderen Hilfebedarf (Brambring, 2001). Einschränkungen des Sprachverstehens und der Sprachproduktion bei hochgradiger Hörschädigung erschweren die sozialen Kontakte zu anderen Kindern; diese Probleme nehmen aber mit zunehmender Vertrautheit miteinander offenbar ab (Diller, 2009). Für beide Gruppen liegt die Annahme nahe, dass das Gelingen der sozialen Integration durch eine Anpassung der Umgebung an die Bedürfnisse sinnesgeschädigter Kinder und eine gezielte pädagogische Unterstützung seitens der Erzieherinnen zur Förderung sozialer Kontakte wesentlich erleichtert werden kann. Wir sind im Rahmen von zwei wissenschaftlichen Hausarbeiten zum Abschluss des sonderpädagogischen Studiums der Frage nachgegangen, wie Eltern die soziale Integration und die sozialen Kontakte ihrer seh- oder hörgeschädigten Kinder im Kindergarten beurteilen. Dazu wurden zwei schriftliche Befragungen durchgeführt. In beiden Teilgruppen wurde mittels eines selbst zusammengestellten Fragebogens nach den Gründen für die Kindergartenwahl, nach den Entwicklungsfortschritten aus der Sicht der Eltern, den sozialen Kontakten des Kindes sowie den pädagogischen Hilfen gefragt, die das Kind erhält. In der Stichprobe der hörgeschädigten Kinder konnten zusätzlich die Erzieherinnen der gleichen Kinder befragt werden. Integration sehgeschädigter Kinder Für die Erhebung bei sehgeschädigten Kindern wurden 180 Fragebögen über Frühförderstellen in unterschiedlichen Bundesländern an Eltern weitergegeben. Der Rücklauf betrug 24 %, sodass Elternangaben zu 44 sehgeschädigten Kindern (davon 24 in integrativen Gruppen und 20 in Regeleinrichtungen) vorliegen. Bei 45 % der Kinder schätzen die Eltern die Sehschädigung ihres Kindes als schwer ein, etwa ebenso viele als mittelgradig. Bei einem Drittel dieser Kinder besteht eine isolierte Sehschädigung, 66 % weisen aber eine zusätzliche körperliche oder geistige Behinderung auf. Der Anteil der Kinder mit einer schweren Sehschädigung ist unter den einzelintegrierten Kindern niedriger (25 %) als unter den Kindern, die integrative Gruppen besuchen (45 %). Auf die Frage nach den Gründen, die die Wahl des Kindergartens bestimmt haben, geben die Eltern je nach Einrichtung, für die sie sich entschieden haben, etwas unterschiedliche Antworten. Für Eltern, die eine Einzelintegration angestrebt haben, steht die Wohnortnähe ganz im Vordergrund; 75 % stimmen dem in dieser Teilgruppe ausdrücklich zu. Eltern, die eine integrative Gruppe gewählt haben, betonen stärker die günstigen personellen, räumlichen und sachlichen Bedingungen des Kindergartens (79 %) und die Erwartung, dass eine individuelle Förderung des Kindes gewährleistet werden kann (62 %). Auf einer fünfstufigen Skala sollten die Eltern dann die Fortschritte bewerten, die ihr Kind in den einzelnen Bereichen gemacht hat. Sie äußern sich überwiegend positiv. Die Zufriedenheitswerte sind allerdings im Bereich des Sozial- und Spielverhaltens bei Kindern in der Einzelintegration etwas niedriger als im Bereich der geistigen, motorischen und Selbstständigkeitsentwicklung. Der Vergleich zeigt, dass Eltern von Kindern in integrativen Gruppen mit der Selbstständigkeitsentwicklung ihrer Kinder etwas weniger zufrieden sind als Eltern von einzelintegrierten Kindern. Hierbei muss allerdings berücksichtigt werden, dass sich die beiden Teilgruppen im Anteil der Kinder mit schwerer Beeinträchtigung unterscheiden, was dieses Ergebnis beeinflusst haben kann. 126 Kathrin Burghart et al. FI 3/ 2010 Die sozialen Kontakte von einzelintegrierten Kindern werden recht differenziert beurteilt. Fast 40 % der Eltern sind voll und ganz überzeugt, dass ihr Kind feste Spielpartner in der Gruppe hat. Über 60 % sagen aber, dass ihr Kind sich nachmittags nicht mit anderen Kindern der Gruppe trifft, sondern die Kontakte auf den Gruppenkontext beschränkt bleiben. Über 30 % berichten, dass ihr Kind sich ihres Wissens nach sehr an den Erwachsenen in der Gruppe orientiert, 20 %, dass ihr Kind meistens alleine spielt. Eltern von Kindern in integrativen Gruppen sagen zwar nur zu 40 %, dass ihr Kind sich nachmittags nicht mit anderen Kindern aus der Gruppe trifft. 50 % sind aber der Meinung, ihr Kind orientiere sich sehr an den Erwachsenen in der Gruppe, 40 % glauben, dass es meistens alleine spielt. Relativ viele Eltern dieser Gruppe stimmen daher auch der Aussage zu, dass das Kind eher Außenseiter in der Gruppe sei und dass die „stärkeren“ Kinder das Geschehen in der Gruppe bestimmen. Zusätzlich betonen Eltern von Kindern in integrativen Gruppen, das Gruppengeschehen werde durch verhaltensauffällige Kinder z. T. sehr belastet. Diese Daten sprechen dafür, dass die Ausbildung fester sozialer Beziehungen zu Gleichaltrigen im Kindergarten für nicht wenige sehgeschädigte Kinder eine beträchtliche Schwierigkeit darstellt. Eine individuelle Unterstützung durch einen Sonderpädagogen (10 %), einen Heilpädagogen (20 %) oder einen Therapeuten mit anderer beruflicher Ausbildung (25 %) erhält nur knapp die Hälfte der sehgeschädigten Kinder in Einzelintegrationsmaßnahmen. In integrativen Gruppen ist die Situation anders. Hier erhalten 41 % eine Unterstützung durch eine Sonder- oder Heilpädagogin, 35 % durch eine Therapeutin anderer Berufsrichtung, die übrigen 24 % durch eine Praktikantin oder andere Assistenzkraft in der Gruppe. Abb. 1 zeigt die Einschätzungen der Eltern von Kindern in integrativen Gruppen bzw. in Einzelintegration zu verschiedenen Aspekten sehbehinderten-spezifischer Hilfen. Sie sind bei beiden Integrationsformen überwiegend der Meinung, dass die Raumgestaltung und die Zugänglichkeit der Spielsachen sowie eine Kooperation der Gruppenerzieherinnen mit Fachkräften gewährleistet seien. Eltern von einzelintegrierten Kindern geben aber an, dass das Außengelände des Kindergartens weniger auf die Bedürfnisse sehgeschädigter Kinder abgestimmt ist. In beiden Einrichtungsarten scheint - nach Einschätzung der Eltern - die Anpassung der Lichtverhältnisse an die Bedürfnisse sehgeschädigter Kinder eine eher geringe Rolle zu spielen (Abb. 1). Integration hörgeschädigter Kinder Für die Erhebung zur Integration hörgeschädigter Kinder wurden 87 Fragebögen über Frühförderstellen an Eltern oder Erziehe- Vermittlung von Hilfen bei Problemen externe fachliche Kooperation Spielsachen zugänglich Gestaltung des Raums Außengelände Lichtverhältnisse integr. Grup. Einzelintegr. 0 1 2 3 4 5 Abb. 1: Elterneinschätzung zu sehbehinderten-spezifischen Hilfen für ihre Kinder und fachlicher Unterstützung (Skala 1 - 5, „stimme nicht zu“ - „stimme voll zu“) FI 3/ 2010 Integration sinnesgeschädigter Kinder in Kindergärten 127 rinnen versandt. Bei einem Rücklauf von 75 % konnten je 25 Fragebögen von Eltern und Erzieherinnen für eine Vergleichsuntersuchung einbezogen werden; bei den übrigen Fragebögen lag entweder nur der Eltern- oder nur der Erzieherbogen vor. 12 Kinder wurden von ihren Eltern als hochgradig schwerhörig (Hörverlust 60 - 90 dB), fünf Kinder als resthörig (Hörverlust > 90 dB) eingestuft. 22 Kinder besuchten eine Regeleinrichtung (Einzelintegration). Zu den Gründen für die Kindergartenwahl nennen 96 % die Wohnortnähe, 17 Eltern (68 %) betonen zusätzlich, ihnen sei es wichtig oder sehr wichtig, dass ihr Kind gemeinsam mit den Kindern aus der Nachbarschaft einen Kindergarten besucht. Jeweils 21 Eltern (84 %) erwarten, dass ihr Kind sich beim gemeinsamen Alltag mit gut hörenden Kindern behaupten lernt und selbstständiger wird. Immerhin 48 % haben auch die Meinung, ihr Kind bekomme in diesem Kindergarten mehr Anregungen für seine Sprachentwicklung als in einem Kindergarten für hörgeschädigte Kinder. Allerdings berichten vier Eltern, sie hätten beim Versuch der Integration ihres Kindes im Regelkindergarten mit Widerständen zu kämpfen gehabt. Dabei handelt es sich nicht um bürokratische Formalitäten (z. B. Anträge zur Kostenübernahme); diese werden von vielen als „selbstverständlich“ hingenommen. 84 % der Eltern sind mit den Entwicklungsfortschritten ihres Kindes in der integrativen Situation zufrieden oder sehr zufrieden. Für fast alle Eltern trifft dies auch für den Bereich der Kommunikationsfähigkeit zu; neun Eltern stimmen dieser Aussage zu, 15 weitere Eltern stimmen ihr sogar voll und ganz zu. In dieser Hinsicht sind die Einschätzungen der Erzieherinnen nicht ganz so positiv. Fünf Erzieherinnen haben den Eindruck, das hörgeschädigte Kind habe nur teilweise Fortschritte in der Kommunikationsfähigkeit innerhalb der Gruppe gemacht. Auch hinsichtlich des Kontakts zu gut hörenden Kindern im Spiel sind die Erzieherinnen etwas zurückhaltender in ihrer Bewertung als die Eltern. Während 17 Eltern voll und ganz überzeugt sind, dass ihr Kind viel mit hörenden Kindern spielt, bestätigen das nur 14 Erzieherinnen der Kinder. Vier Erzieherinnen stimmen dieser Aussage nur teilweise zu (16 %). Acht Erzieherinnen geben an, das hörgeschädigte Kind spiele oft alleine, sodass sie dies teilweise oder deutlich auffällig finden (32 %). Bei sie- 60 50 40 30 20 10 0 Eltern Erzieherinnen trifft genau zu trifft zu trifft teilweise zu trifft weniger zu trifft nicht zu Abb. 2: Freundschaften (aus Sicht der Eltern) und feste Spielpartner (aus Sicht der Erzieherinnen) bei 25 hörgeschädigten Kindern in Einzelintegration (relative Angaben in %) 128 Kathrin Burghart et al. FI 3/ 2010 ben Kindern (28 %) haben die Erzieherinnen auch nur teilweise den Eindruck, dass es im Spiel von sich aus Kontakt zu anderen Kindern aufnehme. Bei zwei Kindern sehen sie deutliche Verständigungsschwierigkeiten, bei weiteren acht Kindern (insgesamt 40 %) ist ihrer Beobachtung nach die Verständigung mit anderen Kindern zumindest teilweise ein Problem. Nach Aussage der meisten Eltern haben sich in der integrativen Situation Freundschaften entwickelt, die auch außerhalb der Gruppe gepflegt werden. 76 % stimmen diesem Satz (meist voll und ganz) zu. Immerhin 20 % der Eltern können diesen Satz allerdings weniger oder gar nicht bestätigen. Auch aus Sicht der Erzieherinnen hat mehr als ein Viertel der Kinder keine festen Spielpartner in der Gruppe (Abb. 2). Fünf Eltern und vier Erzieherinnen stimmen dem Satz ganz oder teilweise zu, dass das hörgeschädigte Kind in der Gruppe eine Außenseiterrolle einnimmt. Mit der pädagogischen Unterstützung im Kindergarten sind nicht alle Eltern zufrieden. Immerhin 13 Eltern (52 %) können dem Satz „Es sind genügend Erzieherinnen in der Gruppe, um allen Kindern gerecht zu werden“ nur teilweise oder gar nicht zustimmen. 28 % wünschen sich mehr zusätzliche Fördermaßnahmen für ihr Kind, weitere 20 % stimmen dieser Aussage teilweise zu. Zu den äußeren Bedingungen für die Integration des hörgeschädigten Kindes machen 17 Eltern und Erzieherinnen spezifische Angaben. Acht Erzieherinnen berichten von der Benutzung einer FM-Anlage in der Gruppe. Ebenso viele geben an, dass günstige raumakustische Bedingungen geschaffen wurden, z. B. sind im Gruppenraum Vorhänge und Teppichböden zur Schalldämmung vorhanden. Insgesamt kann also nur bei einem Drittel der Kinder eindeutig davon ausgegangen werden, dass hörbehinderten-spezifische Anpassungen der Umgebung vorgenommen worden sind. Die Erzieherinnen selbst haben sich nach ihrer eigenen Einschätzung ausreichend durch Gespräche mit den Eltern auf die Aufnahme des Kindes vorbereitet. 88 % stimmen dieser Aussage zu. Aus Sicht der Eltern trifft dies bei 32 % der Kinder aber nur teilweise oder eher nicht zu. 60 % der Erzieherinnen sagen außerdem, dass sie sich im Vorfeld intensiv mit dem Thema Hörschädigung beschäftigt haben, 72 % fühlten sich der Anforderung insgesamt gewachsen. Anregungen für die pädagogische Praxis Selbstverständlich lassen sich aus Erhebungen mit kleinen Stichproben, über deren Repräsentativität keine Angaben gemacht werden können, keine weitreichenden Schlussfolgerungen ziehen. Aus den Ergebnissen beider Befragungen entsteht jedoch der Eindruck, dass die sozialen Beziehungen zu Gleichaltrigen in der Gruppe nicht in jedem Fall befriedigend sind. So sind z. B. 20 % der Eltern einzelintegrierter sehgeschädigter Kinder der Meinung, dass ihr Kind meistens allein spielt; 40 % der Eltern von Kindern in integrativen Gruppen sind der gleichen Überzeugung. 32 % der Erzieherinnen hörgeschädigter Kinder in Einzelintegration berichten die gleichen Beobachtungen - meist bedingt durch Verständigungsschwierigkeiten mit anderen Kindern. 60 % der Eltern sehgeschädigter Kinder in Einzelintegration geben an, ihr Kind habe außerhalb des Kindergartens keinen Kontakt zu den anderen Kindern der Gruppe; bei 40 % der sehgeschädigten Kinder aus integrativen Gruppen trifft dies ebenfalls zu. In der Gruppe der einzelintegrierten hörgeschädigten Kinder sind es immerhin 20 % der Eltern, die sagen, aus der Gruppenteilnahme seien keine Freundschaften entstanden, die auch außerhalb gepflegt werden. Zweitens lässt sich erkennen, dass Anpassungen der Umgebung an die spezifischen Bedürfnisse eines Kindes mit einer Sinnesbehinderung nur bedingt vorgenommen werden, zumindest wenn es sich um eine Einzelintegration in den Regelkindergarten handelt. So FI 3/ 2010 Integration sinnesgeschädigter Kinder in Kindergärten 129 gibt z. B. nur ein Drittel der Erzieherinnen hörgeschädigter Kinder an, unterstützende Hilfen zum Sprachverstehen (z. B. durch eine FM-Anlage) zu nutzen. Das Bedürfnis nach günstigen Lichtverhältnissen und Orientierungshilfen im Außenbereich des Kindergartens scheint bei sehgeschädigten Kindern eher selten beachtet zu werden. Allerdings sind diese Zahlen mit besonderer Vorsicht zu interpretieren, da der Bedarf solcher Anpassungen natürlich vom Grad der individuellen Hör- oder Sehbehinderung abhängt. Eine weitere Aufschlüsselung der Daten nach unterschiedlichen Schweregraden war aber angesichts der geringen Stichprobengröße hier nicht möglich. Mit Blick auf die Rolle der sonderpädagogischen Frühberatungs- und Frühförderstellen, die an Schulen für hörgeschädigte, sehbehinderte oder blinde Kinder angeschlossen sind, lässt sich aus diesen Eindrücken festhalten: Jedes hör- oder sehgeschädigte Kind, das eine integrative Gruppe oder den Regelkindergarten besucht, sollte regelmäßig von einer Fachkraft mit entsprechendem sonderpädagogischen Fachwissen mitbetreut werden. Die Kooperation zwischen Elementar- und Sonderpädagogen sollte sich dabei sowohl auf die Beratung zu behinderungsspezifischen Hilfen und Anpassungen der Umgebung in der Gruppe beziehen wie auch auf gezielte Maßnahmen zur Unterstützung sozialer Kontakte im gemeinsamen Spiel. Es ist zu wünschen, dass es in dieser Zusammenarbeit gelingt, die Erzieherinnen der Gruppe für die Schwierigkeiten und den Hilfebedarf zu sensibilisieren, den Kinder mit einer Seh- oder Hörschädigung in der Beziehungsgestaltung zu gut sehenden oder gut hörenden Kinder der Gruppe haben (können), sodass sie alle im Alltag entstehenden Gelegenheiten nutzen, um die Kontaktbereitschaft und die sozialen Kompetenzen der behinderten, aber auch der nicht behinderten Kinder der Gruppe zu fördern. Literatur Brambring, M. (2001): Integration of children with visual impairment in regular preschools. Child: Care, Health and Development, 27, 425 - 438 Diller, S. (2009): Integration hörgeschädigter Kinder in allgemeinen und integrativen Kindergärten. Hamburg: Kovac Kobelt Neuhaus, D. (2001): Qualität aus Elternsicht. Seelze: Kallmeyer’sche Verlagsbuchhandlung Kreuzer, M. & Ytterhus, B. (2008): „Dabeisein ist nicht alles“. Inklusion und Zusammenleben im Kindergarten. Reinhardt, München Sarimski, K. (2010, im Druck): Integration behinderter Kinder in Regeleinrichtungen. Kohlhammer, Stuttgart Korrespondenzanschrift Prof. Dr. Klaus sarimski, Dipl.-Psych. Pädagogische Hochschule Heidelberg Postf. 10 42 40 D-69032 Heidelberg E-Mail: sarimski@ph-heidelberg.de
