eJournals Frühförderung interdisziplinär 30/2

Frühförderung interdisziplinär
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0721-9121
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
41
2011
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Berührung, Körperkontakt und Beziehungsgestaltung bei vernachlässigten Kindern

41
2011
Nina Pannhorst
In den letzten Jahren wurden Fachleute der Frühförderung immer häufiger mit dem Phänomen der Vernachlässigung konfrontiert. Im Rahmen der Kinderschutzarbeit gilt es Wege aufzudecken, die sowohl Kinder schützen als auch Familien stärken und damit zur Familienstabilität beitragen. Hierfür ist es entscheidend, die ganze Familie anzusprechen; und das bereits sehr früh, um präventiv wirksam werden zu können. Deshalb wird hier ein mögliches Vorgehen in der Eltern-Kind-Arbeit vorgestellt, das sich grundlegend an den elementaren Bedürfnissen von Kindern orientiert und dazu beitragen will, dass die kindlichen Grundbedürfnisse befriedigt werden. Das Bedürfnis nach Körperkontakt und Berührung wird dabei in den Mittelpunkt der Überlegungen gestellt. Es werden die unterschiedlichen Förderaspekte auf einer beziehungs-, kind- sowie elternorientierten Förderebene dargelegt sowie verschiedene inhaltliche Vorgehensweisen vorgestellt. Diese sollen durch die Darstellung einer selbst entwickelten fiktiven Fördereinheit zum Kinderbuch "Frederick" von Leo Lionni veranschaulicht werden.
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96 Frühförderung interdisziplinär, 30. Jg., S. 96 -104 (2011) DOI 10.2378/ fi2011.art08d © Ernst Reinhardt Verlag ORIGINALARBEIT Berührung, Körperkontakt und Beziehungsgestaltung bei vernachlässigten Kindern Möglichkeiten und Grenzen körpernaher Förderung bei der Eltern-Kind-Arbeit im Kontext des Kinderschutzes Nina Pannhorst Zusammenfassung: In den letzten Jahren wurden Fachleute der Frühförderung immer häufiger mit dem Phänomen der Vernachlässigung konfrontiert. Im Rahmen der Kinderschutzarbeit gilt es Wege aufzudecken, die sowohl Kinder schützen als auch Familien stärken und damit zur Familienstabilität beitragen. Hierfür ist es entscheidend, die ganze Familie anzusprechen; und das bereits sehr früh, um präventiv wirksam werden zu können. Deshalb wird hier ein mögliches Vorgehen in der Eltern-Kind-Arbeit vorgestellt, das sich grundlegend an den elementaren Bedürfnissen von Kindern orientiert und dazu beitragen will, dass die kindlichen Grundbedürfnisse befriedigt werden. Das Bedürfnis nach Körperkontakt und Berührung wird dabei in den Mittelpunkt der Überlegungen gestellt. Es werden die unterschiedlichen Förderaspekte auf einer beziehungs-, kindsowie elternorientierten Förderebene dargelegt sowie verschiedene inhaltliche Vorgehensweisen vorgestellt. Diese sollen durch die Darstellung einer selbst entwickelten fiktiven Fördereinheit zum Kinderbuch „Frederick“ von Leo Lionni veranschaulicht werden. Schlüsselwörter: Vernachlässigung, Kinderschutz, Eltern-Kind-Arbeit, Körperkontakt und Berührung The Role of Body Contact and Touch in Family Relationships of Neglected Children Summary: Regarding the last years experts in early intervention are more and more confronted with childrens’ neglect. It is an important task to expose possibilities to ensure child protection and to recover stability in the whole family system. Therefore it is decisive to address all family members as soon as possible to ensure a preventive effect. I am going to present a potential way in parent-child working which basically considers fundamental childish needs and tries to satisfy them. The need for body contact and touch will be focussed. The text will describe the diverse chances to support relationships within the family, childish development and parental assurance. To illustrate my idea I designed an exemplary series for early intervention lessons based on the famous picture book „Frederick“ written by Leo Lionni. Keywords: Neglect, child protection, parent-child working, body contact and touch D as Phänomen der Vernachlässigung hat durch die Schicksale von Jessica aus Hamburg, Kevin aus Bremen, Lea-Sophie aus Schwerin und vielen weiteren Kindern ein trauriges Gesicht bekommen, sodass Vernachlässigung heutzutage sowohl in den Medien als auch in der breiten Öffentlichkeit eine große Präsenz erlangt hat. Gerade vor dem Hintergrund dieser großen Aktualität gilt es Möglichkeiten aufzudecken, wie Vernachlässigung begegnet werden kann und wie gefährdete Eltern und Kinder bereits frühzeitig angesprochen werden können. 97 FI 2 / 2011 Berührung und Körperkontakt bei vernachlässigten Kindern Familien mit einer Vernachlässigungsproblematik brauchen oftmals Unterstützung, um einen Weg zueinander zu finden, miteinander vertraut zu werden und demzufolge eine sichere Bindungsbeziehung sowie eine stabile Familiensituation aufzubauen. Dies gilt vor allem dann, wenn alltägliche Belastungen den Auf bau einer harmonischen Familienbeziehung erschweren. So wird deutlich, dass im Kontext der Vernachlässigung die Eltern- Kind-Arbeit eine zentrale Rolle spielt. Hier stellt sich nun die Frage, ob und inwieweit eine körpernahe und körperorientierte Förderung zu einer positiven Beziehungsgestaltung einer Familie einen Beitrag leisten kann: Können über körperliche Nähe und positive Erfahrungen des Körperkontakts und der Berührung Vertrautheit, Wertschätzung, Zuwendung und Liebe ausgedrückt werden? Und kann durch eine körperliche Nähe emotionale Nähe entstehen, die beim Phänomen der Vernachlässigung zumeist fehlt? Eine solche familienorientierte Arbeit wird umso wichtiger, wenn man sich noch einmal vor Augen führt, dass deprivierende Lebensbedingungen die kindliche Entwicklung ganz umfassend treffen und negativ beeinflussen, sodass Entwicklungsverzögerungen, Lernschwierigkeiten und Lernbehinderungen sowie vielfältige Verhaltensprobleme auftreten (vgl. Klein 2002, S. 8). Dabei stellen gerade kleine Kinder eine besondere Risikogruppe von Vernachlässigung dar; deshalb sollen bei den folgenden Überlegungen die Kinder im Alter von null bis fünf Jahren im Mittelpunkt stehen. Das Phänomen Vernachlässigung „Vernachlässigung ist die andauernde oder wiederholte Unterlassung fürsorglichen Handelns durch sorgeverantwortliche Personen […], welches zur Sicherheit der seelischen und körperlichen Versorgung des Kindes notwendig wäre“ (Deutscher Kinderschutzbund Landesverband NRW e.V./ Institut für soziale Arbeit e. V. 2006, S. 15). Es handelt sich nach dieser Definition um eine vorwiegend passive Form der Misshandlung und nicht um eine aktive Schädigung (vgl. Hermann 2005, S. 1). Entscheidend dafür, ob eine Vernachlässigung vorliegt, sind zwei zentrale Faktoren, die die Vernachlässigung von anderen Misshandlungsformen gegenüber Kindern abgrenzt. Zum einen müssen über einen längeren Zeitraum Versorgungsleistungen ausfallen. Dies betrifft sowohl materielle, emotionale als auch kognitive Anregungen. Es muss damit von einer chronischen Mangelversorgung gesprochen werden. Zum anderen handelt es sich bei den Personen, durch die eine Vernachlässigung entsteht, um die Sorgeberechtigten des Kindes, also meistens um die Eltern, die zu den Adressaten der Hilfsmaßnahmen werden müssen (vgl. Deutscher Kinderschutzbund Landesverband NRW e.V./ Institut für soziale Arbeit e.V. 2006, S. 16). Es treten verschiedene Arten von Vernachlässigung auf. Zum einen ist die Unterscheidung einer aktiven und einer passiven Form von Vernachlässigung von Bedeutung. Während sich die passive Vernachlässigung durch mangelnde Einsicht, ein Nichterkennen der kindlichen Bedürfnisse im Alltag und ein Fehlen von Handlungsstrategien und Handlungsalternativen vonseiten der Eltern kennzeichnet, liegt bei einer aktiven Form der Vernachlässigung ein absichtliches Verweigern von Handlungen vor, die für die Sicherung des Kindeswohls von Wichtigkeit sind. Diesen Eltern ist also durchaus bewusst, dass entscheidende Fürsorgeleistungen ausbleiben. Beide Vernachlässigungsformen gefährden die gesunde Entwicklung eines Kindes gleichermaßen. Dennoch spielt es im Rahmen der Überlegungen, welche Hilfsmaßnahmen ergriffen werden sollten, eine große Rolle, ob von einer elterlichen Überforderung und fehlendem Wissen oder von einer von den Eltern wis- 98 FI 2 / 2011 Nina Pannhorst sentlich mangelhaft gestalteten Fürsorgesituation oder sogar von bewusstem Herbeiführen von Vernachlässigung ausgegangen werden muss (vgl. Deutscher Kinderschutzbund Landesverband NRW e.V./ Institut für soziale Arbeit e. V. 2006, S. 15f). Zum anderen werden eine körperliche und eine emotionale Vernachlässigung unterschieden. Die körperliche Vernachlässigung kennzeichnet sich dadurch, dass das Kind nicht ausreichend mit Nahrung und Kleidung versorgt, die körperliche Gesundheit des Kindes wenig beachtet, es nicht genügend beaufsichtigt und/ oder vor möglichen Gefahren beschützt wird. Bei der emotionalen Vernachlässigung findet sich ein unbefriedigendes Beziehungsangebot, das möglicherweise komplett fehlt, ständig wechselt oder zumindest nicht ausreichend für eine gesunde emotionale Entwicklung des Kindes ist; diese Kinder erfahren zu wenig Zuwendung und Liebe, Pflege sowie Förderung und Anregung (vgl. Herrmann 2005, S. 1f). Die Grundbedürfnisse von Kindern Die Beschreibung des Phänomens Vernachlässigung deutet bereits an, dass die Grundbedürfnisse vernachlässigter Kinder häufig umfassend unbefriedigt bleiben. Dies lässt sich gut an der Bedürfnispyramide von Maslow aufzeigen, in der die verschiedenen menschlichen Bedürfnisse in Form einer Pyramide angeordnet sind, um deutlich zu machen, dass die Bedürfnisse der unteren Stufen bis zu einem bestimmten Ausmaß erfüllt sein müssen, um Bedürfnisse auf einer der höheren Ebenen der Bedürfnispyramide entwickeln zu können: So kann ein Kind, das Hunger hat, müde ist oder Angst vor etwas hat, sich weniger auf Anregungen, Spiele oder Aufforderungen einlassen (vgl. Deutscher Kinderschutzbund Landesverband NRW e.V./ Institut für soziale Arbeit e.V. 2006, S. 20). Maslow unterscheidet folgende Grundbedürfnisse - beginnend mit der Basis der Pyramide: Physiologische Bedürfnisse, Schutzbedürfnisse, das Bedürfnis nach einfühlendem Verständnis und sozialer Bindung, das Bedürfnis nach Wertschätzung, das Bedürfnis nach Anregung, Spiel und Leistung sowie das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung an der Spitze der Pyramide (vgl. Klein 2002, S. 53). Liegt eine Vernachlässigungssituation vor, werden Bedürfnisse auf einer oder auf mehreren Stufen der Pyramide nicht befriedigt, was negative Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung hat. Es ist anzunehmen, dass die Folgen umso gravierender sind, je tiefer die nicht oder mangelhaft befriedigten Bedürfnisse auf der Bedürfnispyramide zu finden sind. Dies kann für das Kind sogar tödliche Konsequenzen haben. Liegt eine Nichtbefriedigung auf einer höheren Pyramidenstufe vor, wirkt sich das ebenfalls ungünstig auf die Entwicklung des Kindes aus; es wird aber angenommen, dass in einem gewissen Maße ein Aufschub dieser Bedürfnisse möglich ist (vgl. Deutscher Kinderschutzbund Landesverband NRW e.V./ Institut für soziale Arbeit e.V. 2006, S. 20f). Wenn man sich nun vor Augen führt, dass Maslow das Bedürfnis nach Körperkontakt und Berührung auf der niedrigsten Stufe der Pyramide anordnet, wird deutlich, wie gravierend die Folgen sind, wenn Körperkontakt und Berührung fehlen. Das Bedürfnis nach Körperkontakt und Berührung „Hast du dir schon einmal überlegt, wie sehr unsere fünf Sinne zusammengehören? Sind sie nicht alle eine Erweiterung der Haut? Sind sie nicht gleichsam die Fühler des Gehirns, die die äußere Welt erspüren und erforschen? Mit jeder Sinnesqualität öffnet sich eine neue Dimension, erweitert sich das Universum, weit und weiter. Wir riechen noch, was längst 99 FI 2 / 2011 Berührung und Körperkontakt bei vernachlässigten Kindern nicht mehr in Reichweite unserer Hände ist. Das Hören geht noch viel weiter. Und das Sehen … Wenn wir sehen, streicheln wir die Welt mit unseren Augen. Aber alles beginnt mit der Berührung. Die Sprache weiß mehr davon, als uns bewusst ist, und erinnert uns daran. Sagen wir nicht: ‚Ich möchte das begreifen‘ oder auch ‚Es berührt mich‘? “ (Leboyer 2007, S. 17) Dieses Zitat zeigt nachdrücklich, wie groß die Bedeutung von Berührung und Körperkontakt für die menschliche Entwicklung ist. Über die Haut kann der Mensch Körperkontakt erleben und Berührungen erspüren. Neben wesentlichen Erkenntnissen, die der Mensch über seine eigene Person sammeln kann, ist die Haut zugleich ein „Kontakt-Organ“ (Gieler 1995, S. 63). Sie ebnet den Weg für eine intensive und unmittelbare Beziehung zwischen zwei Menschen. Es werden also mehrere Formen des Körperkontakts unterschieden, die sowohl auf einer interpersonalen als auch auf einer intrapersonalen Ebene angesiedelt sind und damit entweder eine interaktive oder eine reflexive Rolle einnehmen. Innerhalb der intrapersonalen Berührungsform werden das Berühren des eigenen Körpers und das Berühren von Gegenständen der dinglichen Umwelt unterschieden. Dabei kann ein Kind durch den Kontakt mit dem eigenen Körper Informationen über seine Person und seinen Körper sammeln und sich damit ein Bild von sich selbst machen. Durch den Körperkontakt mit Gegenständen können vielfältige Erfahrungen mit der Umgebung gesammelt werden, sodass ein sicherer und vertrauter Raum entstehen kann (vgl. Anders/ Weddemar 2002, S. 28f). Im Rahmen der interpersonalen Ebene wird in eine unmittelbare und eine mittelbare Form des Körperkontakts unterschieden. Es handelt sich um den Körperkontakt direkt von Mensch zu Mensch und daneben als eine distanziertere Form des Körperkontakts die Berührung über Medien wie beispielsweise Bälle oder Tücher (vgl. Anders/ Weddemar 2002, S. 28ff). Über Berührung und Körperkontakt kann damit eine zwischenmenschliche Beziehung gestaltet werden. Körperkontakt zeichnet sich also dadurch aus, über den Körper in Beziehung zu einer anderen Person treten zu können. Es handelt sich um eine Form der nonverbalen Kommunikation (vgl. Anders/ Weddemar 2002, S. 24f). Zuneigung, Interesse, Sicherheit und Fürsorge können vermittelt werden. Dies alles sind emotionale Botschaften, die sowohl die Eltern an das Kind als auch das Kind an die Eltern senden und dadurch eine besondere Verbundenheit und Vertrautheit signalisieren. Nach Montagu sei dies eine „Kommunikation des Empfindens“ (Montagu 1974, S. 131). Berührungen haben eine große Bedeutung für die gesunde Entwicklung eines Menschen. Körperkontakt, insbesondere interpersonaler Körperkontakt, hat sowohl Auswirkungen auf die körperliche Entwicklung (Unterstützung der neuronalen Vernetzung im Gehirn, der Ausbildung funktionsfähiger Organe, des Körperwachstums, der Motorik etc.) als auch auf das Verhalten (Emotionsregulation, Soziale Kompetenz etc.). Damit wird offensichtlich, dass es die kindliche Entwicklung gefährdet und sich negativ auf diese auswirkt, wenn positive Berührungserfahrungen fehlen. Hier kann eine körperorientierte Eltern-Kind-Arbeit einen wesentlichen Gegenbeitrag leisten. Körperarbeit mit vernachlässigten Kindern Der Körper ist der Erfahrungsspeicher des Menschen. Wenn Kinder Erfahrungen der Gewalt und der Grenzüberschreitung sammeln, können Spuren davon häufig in ihrem Verhalten und ihrem Körper entdeckt werden. Da sich die Lebensgeschichte eines ver- 100 FI 2 / 2011 Nina Pannhorst nachlässigten Kindes also unmittelbar am Körper feststellen lässt, bietet es sich an, auch am Körper des Kindes anzusetzen, um die Entwicklung des Kindes zu stärken und mögliche Auffälligkeiten zu minimieren oder zu verhindern. Dazu kann eine körpernahe und körperorientierte Arbeitsweise einen Beitrag leisten, da sie das Ziel verfolgt, Kindern positive Körpererfahrungen zu ermöglichen. In der frühen Kindheit nehmen Eltern dabei eine wesentliche Funktion ein, sodass es in einer körpernahen und körperorientierten Förderung im Rahmen der Eltern-Kind-Arbeit um ein gemeinsames Körper-Erleben, Körper-Entdecken und Körper-Fühlen von Eltern und Kindern gehen sollte. Bis heute wird der Körper im Arbeitsfeld des Kinderschutzes aber noch relativ wenig beachtet. Es ist zwar klar, dass der Körper des Kindes geschützt werden muss, wenn die Gefahr besteht, dass ein Kind Gewalt erfährt oder Verletzungen erleidet. Es existieren aber auch seelische Verletzungen, die im Rahmen einer solchen Förderung aufgefangen werden können und müssen. So kann es als ein wesentliches Ziel angesehen werden, dass das „Körpererleben, Körpergefühl, durch Achtsamkeit zugänglich werdendes Körperbewusstsein, wie auch Bewegung und Beweglichkeit, nicht zuletzt das (Wieder-) Finden von Freude und Vertrauen in den eigenen Körper […] sehr viel mehr ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit und unserer praktischen Arbeit aufgenommen werden“ (Bundesarbeitsgemeinschaft der Kinderschutz- Zentren e.V. 2007, S. 6). Die vielfältigen Chancen einer solchen Arbeit mit Eltern und Kindern zeigen sich durch das Ansprechen unterschiedlicher Förderebenen. Zunächst bestehen Fördermöglichkeiten auf der beziehungsorientierten Ebene. Ansatzpunkte ergeben sich bei der Förderung der Eltern-Kind-Bindung und der Förderung gemeinsamer Entspannung. Durch körperliche Nähe kann die Bindungsbeziehung zwischen Eltern und Kindern gestärkt werden. Die Eltern können in diesen Momenten die Bedürfnisse ihrer Kinder unmittelbar erspüren, was zum Aufbau und zur Verbesserung elterlicher Feinfühligkeit beiträgt. Gleichzeitig sind diese Momente entspannend und beruhigend und stellen damit einen Gegenpol zu dem häufig doch sehr belasteten Alltag dieser Familien dar. Weitere Fördermöglichkeiten existieren auf der kindorientierten Ebene. Besondere Chancen bestehen in der Förderung der Sinneswahrnehmung und der Förderung des Körperkonzepts. Durch Körperkontakt und (vor allem auch aktives) Berühren werden unsere Sinne stimuliert und neue Handlungsmöglichkeiten erkundet. Ein positives Körpergefühl kann entstehen. Schließlich gilt es Förderaspekte auf einer elternorientierten Ebene zu nennen, da auch Eltern durch Körperkontakt mit ihren Kindern körperlich, aber vor allem emotional berührt werden und so das elterliche Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl gesteigert werden können. Ein Bewusstsein für die eigene Kompetenz kann entstehen. In der praktischen Gestaltung der Eltern- Kind-Arbeit sind unterschiedliche inhaltliche Formen körpernaher Förderung denkbar 1 : Der Schwerpunkt dieser Förderangebote kann dabei eher im Bereich Bewegung, im Bereich Kreative Arbeit und Kunst oder im Bereich Ruhige Spiele und Momente zu zweit liegen. Im Kontext von Bewegung als körpernahe Fördermöglichkeit können Fühlstraßen mit unterschiedlichen Materialien, die von Händen und Füßen erfühlt werden sollen, das 1 Die nun vorgestellten Fördermöglichkeiten habe ich selbst ausgewählt und in Kategorien eingeteilt. Sie stammen nicht aus der Literatur. Ich erhebe keinen Anspruch auf eine vollständige Aufzählung körpernaher und körperorientierter Maßnahmen. 101 FI 2 / 2011 Berührung und Körperkontakt bei vernachlässigten Kindern Bällchenbad, das Bauen von Höhlen oder Schaukeln in Hängematten etc. eingesetzt werden. Dies kann von Kindern und Eltern gemeinsam ausprobiert werden, sodass sie in gegenseitigen Austausch gelangen und die körperliche Nähe des anderen spüren. Ebenso bietet sich die Chance, sich gemeinsam einen Rückzugsort zu schaffen, an dem die ungeteilte Aufmerksamkeit dem Gegenüber geschenkt werden kann. Daneben stellt auch jede Bewegungslandschaft einen Anreiz für Kinder dar, sich in ihrem Können auszuprobieren. Eltern, die sie dabei begleiten, vermitteln Sicherheit und lernen das Kind mit seinen Fähigkeiten kennen. Im Bereich Kreative Arbeit und Kunst können Körper- und Fingerfarben oder Rasierschaum eingesetzt werden, was ganz eigene Berührungserfahrungen bewirkt. In der Arbeit mit Kindern und Eltern können beide direkt ihren eigenen Körper und den des Gegenübers bemalen und damit spüren. Durch bunte Farben oder großflächigen, weichen Schaum erhält der Körper eine andere Präsenz, was im Zusammenhang mit Vernachlässigung besonders wichtig ist: Ein sonst möglicherweise wenig beachteter Körper wird bei diesen Angeboten nicht nur gefühlt, sondern auch als schön und besonders erlebt. Auch können Kinder und Eltern gegenseitig eine Zeichnung ihres Körperumrisses anfertigen und diesen zusammen ausgestalten. Dadurch wird zum einen ein Bewusstsein für den eigenen Körper geschaffen: Ein Gefühl für die eigene Größe und das eigene Aussehen entsteht. Wenn ein Kind sonst wenig Aufmerksamkeit und Beachtung erfährt und dadurch ein Körperbewusstsein und Körpergefühl fehlen oder weniger ausgeprägt sind, wird deren Auf bau durch solche Angebote unterstützt. Zum anderen gestalten Eltern und Kinder ein gemeinsames Werk und freuen sich gemeinsam über ihr Ergebnis. Dadurch wird ein Gefühl der Zusammengehörigkeit vermittelt. Schließlich stellen Ruhige Momente und Spiele zu zweit Möglichkeiten einer körpernahen und körperorientierten Förderung dar. Hier ist an Fingerspiele, Klatschspiele, Rückenbilder, Streichelverse oder Massagen zu denken. Sie sind für Eltern und Kinder beruhigend und entspannend. Sie bereichern die Eltern- Kind-Interaktion, da Wechselseitigkeit möglich ist. So können beispielsweise Rückenbilder und -geschichten nicht nur von den Eltern gemalt und erzählt werden, auch die Kinder können die aktive Rolle einnehmen und ihre Eltern berühren. In diesen Momen- Stundenthema Inhalte 1. Stunde: Die Mäusefamilie Gemeinsames Gestalten eines Bildes von den anwesenden Familienmitgliedern durch Anfertigen der überlebensgroßen Körperumrisse und anschließendes gemeinsames Ausmalen 2. Stunde: Vorbereitung auf den Winter Gemeinsames Erfühlen der im Buch benannten Naturmaterialien: wie fühlt es sich an? Materialeigenschaften: hart - weich, leicht - schwer; Berühren mit verschiedenen Körperteilen etc.; gegenseitiges Massieren mit den Materialien 3. Stunde: Warme Sonnenstrahlen Gegenseitige Wettermassage 4. Stunde: Bunte Farben Gegenseitiges Bemalen mit Finger- und Körperfarben ➝ Anfertigen eines gemeinsamen Bildes mit Hand- und Fußabdrücken 5. Stunde: Wörter und Bilder Rückenbilder - gegenseitiges Aufzeichnen von Bildern auf den Rücken des anderen und Erraten 6. Stunde: Vom Sommer träumen Gemeinsames Bauen einer Höhle und Fantasiereise 102 FI 2 / 2011 Nina Pannhorst ten entsteht ebenbürtige Partnerschaft, Eltern und Kinder tun sich gegenseitig etwas Gutes. Der Körper bekommt von dem Gegenüber fürsorgende Aufmerksamkeit, sodass positive Berührungserfahrungen gesammelt werden. Für vernachlässigte Kinder entsteht das Gefühl, dass jemand da ist und sich um sie sorgt. In meiner Diplomarbeit habe ich zu dem Kinderbuch „Frederick“ von Leo Lionni beispielhaft eine Fördereinheit für Eltern und ihre Kinder im Alter von circa drei bis fünf Jahren entwickelt. Sie ist als Ausklang einer psychomotorischen Förderstunde mit Eltern und Kindern gedacht und stellt positive körpernahe Momente zwischen Eltern und Kindern für eine gewisse Zeit in den Mittelpunkt. Einige Ideen, wie Kinder und Eltern gleichermaßen angesprochen werden können, sind in der Tabelle S. 101 dargestellt. Grenzen körpernaher Arbeit Eine körpernahe und körperorientierte Arbeit bietet - wie gerade beschrieben - viele Chancen, aber auch einige Grenzen. Diese Grenzen findet man in jeder Familie individuell. Sie können bei den Eltern und/ oder bei den Kindern vorliegen. Es wird immer Familien geben, die über ein Eltern-Kind-Angebot nicht erreicht werden können, weil Eltern nicht bereit oder in der Lage sind, gemeinsam mit ihren Kindern an einem Förderangebot teilzunehmen. Dies ist zum einen auf eine Schwellenangst vor Institutionen zurückzuführen. Die Angst vor staatlicher Kontrolle hemmt sie, Angebote von gesellschaftlichen Institutionen anzunehmen - zu groß ist die Furcht, dass ihre Kinder in Obhut genommen werden, wenn auffällt, dass sie mit ihrer momentanen Situation überfordert sind. Zum anderen erscheinen einige Eltern in der notwendigen Zusammenarbeit mit Institutionen wenig zuverlässig. Sie kommen möglicherweise entweder unregelmäßig oder brechen laufende Maßnahmen ab (vgl. Klein 2002, S. 49). Aber gerade ein körpernahes Vorgehen benötigt Kontinuität, da es Zeit braucht, sich aufeinander einzulassen oder unter Umständen überhaupt erst einmal körperliche Nähe zuzulassen. Hier stellt sich die Frage, welche Maßnahmen dazu beitragen können, dass Eltern und Kinder ein solches Angebot doch längerfristig und kontinuierlich wahrnehmen. Die Basis dafür ist zuallererst, dass sich die Eltern von den Fachkräften ernstgenommen und in einer Einrichtung gut aufgehoben und informiert fühlen. Wenn man eine Eltern- Kind-Gruppe beginnen möchte, sollten zunächst die Eltern zu einem gemeinsamen Abend eingeladen werden; hier können sie sich untereinander kennenlernen und miteinander ins Gespräch kommen; auch die Fachkräfte der Frühförderung werden bereits kennengelernt. Gleichzeitig können sie sich die Räumlichkeiten der Einrichtung anschauen, sodass bei Beginn des Angebots die äußeren Bedingungen schon vertraut sind. Ebenso wichtig ist, den typischen Ablauf einer solchen Fördereinheit bereits beim Elternabend zu beschreiben, sodass für Eltern klarer wird, was auch von ihnen erwartet wird. So hilft es Eltern, wenn vorher erklärt wird, dass eine Stunde mit einem gemeinsamen Begrüßungskreis beginnt und dann ein Bewegungsangebot folgt, bei dem die Eltern ihre Kinder aktiv begleiten sollen, um ihnen dadurch ein Gefühl der Sicherheit und des Schutzes vermitteln zu können. Nachdem die Kinder im Sinne der Psychomotorik vielfältige Bewegungs-, Sozial- und Materialerfahrungen sammeln konnten, folgt zum Abschluss ein Angebot, das Körperkontakt und Berührung zwischen Eltern und Kindern in den Mittelpunkt stellt. 103 FI 2 / 2011 Berührung und Körperkontakt bei vernachlässigten Kindern Ein solches körpernahes Vorgehen ist für viele Eltern wenig vertraut. So ist es ebenso entscheidend, Eltern die Methoden der Körperarbeit zu beschreiben und die Wichtigkeit von Berührung und Körperkontakt für alle Kinder zu erklären. Auch dies kann im Rahmen eines Elternabends geschehen, sollte aber immer wieder angesprochen werden, wenn ein solches Angebot gemeinsam durchgeführt wird. Auch genaue Rückmeldungen und Tipps für eine Umsetzung im Alltag können vielen Familien, in denen das Phänomen der Vernachlässigung im Raum steht, Unsicherheiten und Ängste nehmen. Daneben existiert eine Grenze in der Körperarbeit, wenn auffällt, dass eine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Es existiert die grundsätzliche Pflicht von Mitarbeitern im Kinderschutz, über das Kindeswohl zu wachen und einzugreifen, wenn es zu einer tatsächlichen Gefährdung kommt. Dennoch muss an dieser Stelle wiederholt werden, dass sich einige körpernahe und körperorientierte Förderangebote in der Eltern-Kind-Arbeit für eine erste Annäherung von Kindern und Eltern sowie für eine Stabilisierung der familiären Situation durchaus anbieten. Auch gibt es Situationen für Kinder, in denen ein körpernahes Vorgehen nicht angewendet werden sollte. Dies gilt immer dann, wenn Körperkontakt und Berührung auf das Kind traumatische Wirkung haben. Das Wort Trauma (griechisch: Wunde) bezeichnet nach der ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation (WHO) „[…] ein belastendes Ereignis oder eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes (kurz- oder langanhaltend), die bei fast jedem eine tiefe Verstörung hervorrufen würde“ (WHO 1991, zit. n. Weiß 2006, S. 1). Die normalen Anpassungsstrategien, die einem Menschen üblicherweise zur Verfügung stehen, greifen nicht, sodass sowohl das eigene Leben als auch die körperliche Unversehrtheit bedroht sind. Ein Trauma ist mit starker Angst und Gefühlen der Hilflosigkeit und des Kontrollverlusts verbunden (vgl. Weiß 2006, S. 19). Eine solche Grenze liegt vor allem dann vor, wenn Vernachlässigung mit anderen Formen der Misshandlung einhergeht, denn gerade bei körperlicher Misshandlung und sexuellem Missbrauch ist die Traumatisierung besonders eng an den eigenen Körper gebunden. Körperkontakt und Berührung sind für das Kind mit Schmerz und Unbehagen verbunden. „Menschen, die in ihrer Kindheit starke körperliche Grenzverletzungen zu erleiden hatten, […] haben - aus verständlichen Gründen - ein Misstrauen gegen Berührungen in ihrem Körper gespeichert“ (Gamma- Walz/ Maag 1998, S. 24). Dieses Misstrauen wird bereits in der Kindheit entwickelt und kann dazu führen, dass Kinder Körperkontakt und Berührungen kaum aushalten. In solchen Momenten ist es sinnvoll, auf eine körpernahe Förderung zu verzichten. Schlusswort Es ist unverkennbar, dass die Arbeit mit Familien mit einer Vernachlässigungsproblematik eine komplexe Herausforderung darstellt, da neben den Kindern auch die Eltern im Fokus der Aufmerksamkeit stehen müssen, wenn Vernachlässigung verhindert werden soll. Gerade vor dem Hintergrund, dass Vernachlässigung die häufigste Gefährdung für das Kindeswohl in Deutschland darstellt, ist es wichtig, Strategien zu entwickeln, um diesem Phänomen kompetent sowie präventiv begegnen zu können. Eine körpernahe und körperorientierte Förderung gemeinsam mit Kindern und Eltern kann eine mögliche Strategie sein, um diese Familien wirklich zu erreichen. Dafür sprechen mehrere Gründe: Eine körpernahe und körperorientierte Förderung setzt am grundlegenden Problem der 104 FI 2 / 2011 Nina Pannhorst Vernachlässigung an: der Nichtbefriedigung kindlicher Grundbedürfnisse. Durch die Nichtwahrnehmung des Kindes durch die sorgeberechtigten Eltern fehlen Versorgungsleistungen, sodass kindliche Grundbedürfnisse nicht befriedigt werden. Zu diesen zählt auch das Bedürfnis nach Körperkontakt und Berührung, dem im Rahmen einer körperorientierten Förderung besondere Beachtung geschenkt wird. Für eine gesunde körperliche und psychische Entwicklung sind Körperkontakt und Berührung allerdings unverzichtbare Elemente. Eine solche Körperarbeit setzt damit an den Fundamenten des Vernachlässigungsproblems an, sodass auf bauend darauf weitere Maßnahmen ergriffen werden können und müssen. Besonders gilt zu beachten, dass durch die unmittelbare Arbeit zusammen mit den Eltern diese in ihrer Bedeutung für die kindliche Entwicklung wertgeschätzt werden und damit eine körpernahe und körperorientierte Förderung mit Kindern und Eltern stabilisierend auf die ganze Familie wirkt. Die Eltern fühlen sich angenommen, was auch die Beziehungsgefüge innerhalb der Familie nachhaltig stärkt. Eine körpernahe und körperorientierte Förderung ermöglicht dann ein Aufeinander-Einspielen, Entspannen und einen Raum intensiver Begegnung mit sich selbst, mit seinem unmittelbaren Gegenüber und seiner Umwelt. Damit ist ein Förderkonzept für vernachlässigte Kinder und ihre Eltern entstanden, das auf die Erkenntnisse, was alles eine Vernachlässigung entstehen lässt und wie sie sich auf die kindliche Entwicklung auswirkt, auf baut und Strategien zum Umgang mit diesen Familien aufzeigt. Eine körpernahe und körperorientierte Förderung tut dies mit einem klaren Ziel: eine Familie mit ihren eigenen Ressourcen zu aktivieren und die Familie als Ganzheit zu stärken, weil Kinder immer zuallererst ihre Eltern brauchen. Nina Pannhorst Bultkamp 94 D-33611 Bielefeld Literatur Anders, W./ Weddemar, S. (2002): Häute scho(e)n berührt? - Körperkontakt in Entwicklung und Erziehung. 2. Auflage, Dortmund, borgmann publishing Bundesarbeitsgemeinschaft der Kinderschutz- Zentren e.V. (Hrsg.) (2007): Kinder - Körper - Kinderschutz: Das Verständnis des Körpererlebens von Kindern für die Arbeit im Kinderschutz. Köln (ohne Verlag) Deutscher Kinderschutzbund Landesverband NRW e.V./ Institut für soziale Arbeit e.V. (2006): Kindesvernachlässigung: Erkennen - Beurteilen - Handeln. 2. Auflage, Münster/ Wuppertal, Fuldaer Verlagsanstalt Gamma-Walz, B./ Maag, A. (1998): Durch die Haut die Seele berühren: Ein Massagehandbuch für die Begegnung mit behinderten Kindern. Luzern, Edition SZH/ SPC Gieler, U. (1995): Haut und Körpererleben. In: Brähler, E. (Hrsg.) (1995): Körperleben - Ein subjektiver Ausdruck von Körper und Seele - Beiträge zur psychosomatischen Medizin. 2. Auflage, Gießen, Psychosozial-Verlag Herrmann, B. (2005): Vernachlässigung und emotionale Misshandlung von Kindern und Jugendlichen. In: Kinder- und Jugendarzt. 36, 6, S. 1 -7 Klein, G. (2002): Frühförderung für Kinder mit psychosozialen Risiken. Stuttgart, Kohlhammer Leboyer, F. (2007): Sanfte Hände - Die traditionelle Kunst der indischen Baby-Massage. Mit authentischen Anleitungen auf DVD. München, Kösel-Verlag Montagu, A. (1974): Körperkontakt - Die Bedeutung der Haut für die Entwicklung des Menschen. Stuttgart, Ernst KlettVerlag Weiß, W. (2006): Philipp sucht sein Ich - Zum pädagogischen Umgang mit Traumata in den Erziehungshilfen. 3. aktualisierte Auflage, Weinheim, Juventa Verlag Weltgesundheitsorganisation (WHO) (1991): Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD-10. Bern, Huber