Frühförderung interdisziplinär
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0721-9121
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2011
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Gelesen in: Bundesgesetzblatt Gesundheitsforschung / Gesundheitsschutz
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Sabine Höck
Kinderschutz und frühe Hilfen (Thyen): Anhand eines detaillierten Fallberichtes wird die Schnittstellengestaltung sehr praxisbezogen aufgezeigt, analysiert (positiv: vielfältige und umfassende Betreuung; kritisch: unterschiedliche Problemdefinition, weitgehend risiko-orientierter Ansatz, konkurrierende sozialrechtliche Bestimmungen) und verallgemeinernde Schlussfolgerungen gezogen; Teil 2 des Beitrages lesen Sie in Frühförderung interdisziplinär, Heft 1, 2012.
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1 FI Gelesen in … Gelesen In … Bundesgesetzblatt Gesundheitsforschung/ Gesundheitsschutz Bd. 53, H 10; Okt. 2010 Leitthema „Frühe Hilfen zum gesunden Aufwachsen von Kindern - Interdisziplinäre und intersektorale Zusammenarbeit, Teil 1“ Sabine Höck Kinder und Jugendärztliche Aspekte Kinderschutz und frühe Hilfen (Thyen): Anhand eines detaillierten Fallberichtes wird die schnittstellengestaltung sehr praxisbezogen aufgezeigt, analysiert (positiv: vielfältige und umfassende Betreuung; kritisch: unterschiedliche Problemdefinition, weitgehend risikoorientierter Ansatz, konkurrierende sozialrechtliche Bestimmungen) und verallgemeinernde schlussfolgerungen gezogen; Früherkennungsuntersuchungen (Thaiss u. a.): erste kritische Analyse der Auswirkung des verbindlichen einladungs- und Meldeverfahrens zu U-Untersuchungen [keine: Baden-W., Bayern, sachsen, sachsen-A.] sehr differenziert für die einzelnen Bundesländer mit deutlicher steigerung der Inanspruchnahme vor dem 4. lJ und durch Risikoklientel; aber auch Probleme hinsichtlich institutioneller Kommunikation und hin zu den Familien, hinsichtlich technischer, administrativer Organisation, effekte in Hinblick auf Verbesserung der Gesundheitsförderung, erkennen von Risiken für die entwicklung deutlich, aber hinsichtlich schutz vor Vernachlässigung und Misshandlung nur, wenn einbettung in ein angepasstes system früher Hilfen, und als ausschließliches Instrumentarium zur lückenlosen Identifizierung von gravierenden Fällen von Kindeswohl nur sehr bedingt geeignet. Übersichten 13. Kinder und Jugendbericht - Frühe Förderung (Keupp): Der Autor hatte den Vorsitz der multiprofessionellen expertenkommission, die den 13.Kinder- und Jugendbericht (13. KJB)erstellt hat. In diesem Beitrag beschränkt er sich auf Ausschnitte des Berichtes, die sich auf die Frühe Förderung beziehen. Die gesundheitsbezogene Prävention und Gesundheitsförderung wurden vorrangig über den Pfad sekundärer und tertiärer Präventionskonzepte (bekannte Risiken) bearbeitet und ergänzt durch einen zweiten Pfad über primäre Prävention (salutogenetisches Modell) mit dem Ansatz über entwicklungs- und Widerstandsressourcen. seitens der sachverständigenkommission wurden gesundheitsrelevante entwicklungsthemen für fünf Altersgruppen fokussiert - dabei für Kinder unter drei Jahren: Bindung und Autonomie und für Kinder von drei bis sechs Jahren: sprechen, Bewegen und Achtsamkeit - und Daten und Konzepte entsprechend den o. g. Pfaden gewertet. Die leistungen der Kinder- und Jugendhilfe werden unter dem Fokus eltern- und Familienbildung in den ersten drei lebensjahren von Kindern, Präventivmaßnahmen unter dem label „Frühe Hilfen“, § 8 a sGB VIII, Informationsplattform „nationales Zentrum frühe Hilfen“ diskutiert, aufgegriffen wird die Diskussion „Frühe Hilfen“ zu reduziert auf Kindeswohlgefährdung zu verstehen 2 FI Gelesen in … und sachdiskussion angeregt, die von allgemeiner Förderung in der Familie bis schutz mit notwendigkeit spezifischer Intervention bei Gefährdung alles aufgreift und schwellen zwischen Förderung und Hilfe sowie Hilfe und schutz platziert. In den empfehlungen des 13. KJB wird dieses breit gespannte Feld aufgegriffen und die Bezogenheit und Abgestimmheit der unterschiedlichen Konzepte aus den unterschiedlichen Bereichen als eine der wesentlichen Aufgaben formuliert. Auf und Ausbau des Systems „Frühe Hilfen“ (Sann u. a.): Vorgestellt wird die bundesweite Bestandsaufnahme bei Jugend- und Gesundheitsämtern zum Auf- und Ausbau Früher Hilfen durch das Deutsche Institut für Urbanistik im Auftrag des nationalen Zentrums frühe Hilfen 2008 und 2010. Heterogen beschrieben werden nicht nur das Begriffsverständnis Früher Hilfen von Früher Förderung bis präventiven Kinderschutz, sondern auch die Kooperationsbeziehungen, die immer noch stärker von der systemzugehörigkeit der jw. Behörden geprägt sind. Andererseits verdeutlichen Übersichten [zu Aufgabenfeldern, Kooperationspartnern, bisher umgesetzten Maßnahmen, Auswirkungen der netzwerkarbeit sowie weiteren Unterstützungsbedarfen] aber über alle Bundesländer und Ämter hinweg, dass sich seit start des Aktionsprogrammes „Frühe Hilfen für eltern und Kinder und soziale Frühwarnsysteme“ 2006 schon einiges entwickelt hat. Zugangswege zu Familien(Renner, Makowsky u. a.): Berichtet wird über eine Auswertung von 10 Modellprojekten zu Frühen Hilfen, dabei zu Zugangswegen zu hoch belasteten Familien über ausgewählte Akteure des Gesundheitssystems, hier niedergelassene GynäkologInnen, KinderärztInnen und Hebammen. Die Herstellung eines systematischen und umfassenden Zugangs zu Familien erhoffen sich Fachleute am ehesten über das Gesundheitssystem, wobei die o. g. Gesundheitsakteure den Autoren als Zugangswege für Frühe Hilfen prädestiniert erscheinen - leistungen von mindestens einem der drei werden von fast allen Frauen, auch hoch belasteten, rund um die Geburt in Anspruch genommen; alle werden von jungen eltern hoch akzeptiert und unterstützend und nicht stigmatisierend erlebt, die leistungen werden frühzeitig in Anspruch genommen. Ziel vieler Vernetzungsaktivitäten im Bereich Früher Hilfen waren deshalb systematische Kooperationen. Bereitschaft und Interesse, sich mit Fragen und Möglichkeiten einer erfolgreichen Zusammenarbeit mit Anbietern Früher Hilfen auseinanderzusetzen, wurde von diesen Gruppen geäußert. Die zusammengefassten erfahrungen aus den Modellprojekten verdeutlichen jedoch, dass die Qualität der Zusammenarbeit nicht den Hoffnungen und erwartungen entspricht, am ehesten funktionierte es mit den Hebammen. Mögliche Ursachen und schlussfolgerungen werden diskutiert. Makowski u. a. schildern in einem weiteren Artikel ausführlich die ersten positiven ergebnisse des einsatzes der Familienhebammen aus der sicht der begleiteten Mütter. Standards für Wirksamkeit In allen Artikeln erfolgt eine kritische Bestandsaufnahme vorhandener studien, spezifischen Forschungsansätzen und Beschreibung der Begrenztheit in der Umsetzung im Bereich Früher Hilfen, alle geben aber auch Ansätze, wie die begrenzten Aspekte genutzt werden könnten. Lengning [S.1056 -1060]: widmet sich in seinem Artikel der Auseinandersetzung mit „Goldstandards“ für ein evaluationsdesign, dem nachweis der Wirksamkeit und effektivität einer Prävention/ Intervention im Bereich Früher Hilfen. Internationale Forschungsliteratur zeige, dass Frühe Hilfen wirksam sind und mit ermittelten effektstärken im mittleren bis unteren Bereich liegen, in Deutschland 3 FI Gelesen in … vergleichbare Analysen fehlen. Am Beispiel der internationalen Vorgaben für ein randomisiertes Kontrollgruppendesign beschreibt er deren Anforderungen für Projekte im Bereich Früher Hilfen und kommt zu dem schluss, dass diese standards nicht unter Praxisbedingungen einzuhalten sind, aber das Wissen darum der wissenschaftlichen Planung von evaluationsdesign dient, und fordert standardisierte studien. Ziegler [S.1061 -1066]: setzt sich mit der leistungsfähigkeit von experimentellen Wirkungsforschungen im Bereich Früher Hilfen auseinander und fragt, ob der experimentelle Goldstandard eine evidenzbasierung der Praxis Früher Hilfen ermöglicht. Aus sicht des Autors stellen die Frühen Hilfen ein Handlungsfeld dar, in dem die effektivität und effizienz der leistungen der Kinder- und Jugendhilfe hinterfragt wird, vorliegende studien seien methodisch nicht valide gelöst. nach einer Beschreibung Randomisierter kontrollierter experimentalstudien (RCT’s) kommt er zu dem schluss, dass insbesondere die Kausalbeschreibungen von RCT’s nur bedingt dafür tauglich sind, die Praxis der Kinder- und Jugendhilfe anzuleiten, und diskutiert Voraussetzungen, die eine evidenzbasierung erfordern. Da sich die Frühen Hilfen in hohem Maße auf partikulare, individual-biografische Problemlagen richten, die sich innerhalb lokaler lebensweltlicher Bedingungskonstellationen ereignen, sei eine Generalisierung schwierig. er verweist auf aktuelle Diskussionen in der sozialwissenschaft, die Wirksamkeitsforschung über Analysen auf Basis von „Kontext -Mechanismus-ergebnis-Konfiguration“ beinhaltet und in deren ergebnis professionelle entscheidungen wirkungsorientiert fundiert getroffen werden könnten. Der Autor diskutiert eine mögliche Übertragung auf die Frühen Hilfen, macht aber deutlich, dass das so gewonnene Wissen nicht zur manualisierten Anleitung taugt (lyssenko u. a.). nach einem Überblick über das Konzept der Resilienz stellen sie fest, dass die forschungsmethodischen Fragen der Resilienzforschung sich nicht von denen der sozialwissenschaftlichen Forschung allgemein unterscheiden. Hinsichtlich vorhandener empirischer studien merken sie an, dass häufig die erfassten Faktoren nicht genau definiert sind, teilweise nicht klar voneinander abgrenzbar und einige als schutz- und ergebnisfaktoren betrachtet werden können. es werden unterschiedliche Ansätze von Interventionsprogrammen, wie Mehrebenenmodelle, Förderung von Resilienz und schutzfaktoren verbunden mit der Abschwächung von Risiken, Indirekte Ansätze über die Bezugspersonen, vorgestellt. Programme für jüngere Kinder im Vorschulalter erscheinen ihnen unterrepräsentiert. Hinsichtlich der evaluation von Interventionsprogrammen werten sie ebenso wie in den vorangegangenen Arbeiten Forschungsansätze und Aussagen als nicht ausreichend. Als Fazit aus den positiven ergebnissen internationaler quantitativer Überblicksarbeiten merken sie aber an, dass Prävention und Gesundheitsförderung nicht abwarten kann, bis alle schutzfaktoren empirisch belegt sind, und listen die erfolgreichen Präventionsstrategien auf. Kindler stellt in seinem Artikel das von ihm aus literaturrecherchen gewonnene und in verschiedenen Modellprojekten genutzte Risikoscreening vor. Der Ansatz, schwellen zu schaffen, die ein Tätigwerden von Professionellen definieren zum einen über das Vorliegen von „gewichtigen Anhaltspunkten für die Möglichkeit einer Kindeswohlgefährdung“ bis hin zu Kindeswohlgefährdung, verlangt jeweils belastbare Vorhersagefaktoren. Der Ansatz, bereits im Vorfeld Früher Hilfen über ein screening aktiv zu werden, wird von ihm mit Vor- und nachteilen diskutiert, erste erfahrungen werden berichtet und nach den bisherigen ergebnissen empfohlen, handhabbare screenings zu entwickeln und eltern mit erhöhtem Unterstützungsbedarf systematisch zu erkennen. 4 FI Gelesen in … Statistiken (Fendrich u. a.): es gibt in der BRD keine verlässliche empirische Dauerbeobachtung zum Ausmaß der Vernachlässigung und Misshandlung von Kindern. lt. Autoren wurde in den vergangenen Kinder- und Jugendberichten des Bundestages neben einzelnen empirischen Untersuchungen auch auf schätzungen zu körperlichen Bestrafungen, Misshandlung/ Vernachlässigung zurückgegriffen, deren Definitionen und Begrifflichkeiten nicht vergleichbar sind, um Hochrechnungen vorzunehmen. Die Autoren nutzen Daten der Kriminal- und Gesundheitsstatistik sowie der amtlichen Kinder- und Jugendhilfe, um eine Annäherung an quantitative Ausmaße herzustellen. sie kommen zu dem schluss, dass auch darüber wenig über das Ausmaß gewonnen werden kann, und regen eine erfassung im Bereich der Gefährdung an nach dem englischen Vorbild eines sogenannten Kinderschutzplanes: ein zentrales Kinderschutzregister einzurichten und eine erweiterung der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik - Gefährdungslagen, erfasst über Aktivierung des AsD - vorzunehmen. Dr. med Sabine Höck Arbeitsstelle Frühförderung Bayern Seidlstr. 18 a 80335 München hoeck@astffby.de
