eJournals Frühförderung interdisziplinär 31/1

Frühförderung interdisziplinär
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0721-9121
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2012
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Frühförderung mit Kindern psychisch kranker Eltern in der Zusammenarbeit mit der Erwachsenenpsychiatrie

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2012
Susanne Wunderer
Dass Kinder psychisch kranker Eltern einen hohen Unterstützungsbedarf haben, damit sie nicht durch die Maschen des sozialen Netzes in unserer Gesellschaft fallen, ist heute hinlänglich bekannt. 2000, als das Projekt "Kinder psychisch kranker Eltern" als Kooperationsmodell zwischen der Frühförderung und der Erwachsenenpsychiatrie startete, steckte die wissenschaftliche Erforschung dieses Aufgabengebietes jedoch noch ganz in den Anfängen. So fand 1996 zum ersten Mal ein Fachkongress zu diesem Thema im deutschsprachigen Raum statt.
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33 FI 1 / 2012 Aus der PrAxIs Frühförderung mit Kindern psychisch kranker Eltern in der Zusammenarbeit mit der Erwachsenenpsychiatrie Rückblick auf acht Jahre Projektarbeit Susanne Wunderer D ass Kinder psychisch kranker Eltern einen hohen Unterstützungsbedarf haben, damit sie nicht durch die Maschen des sozialen Netzes in unserer Gesellschaft fallen, ist heute hinlänglich bekannt. 2000, als das Projekt „Kinder psychisch kranker Eltern“ als Kooperationsmodell zwischen der Frühförderung und der Erwachsenenpsychiatrie startete, steckte die wissenschaftliche Erforschung dieses Aufgabengebietes jedoch noch ganz in den Anfängen. So fand 1996 zum ersten Mal ein Fachkongress zu diesem Thema im deutschsprachigen Raum statt. Dabei leben 500.000 Kinder in Deutschland in Familien, in denen ein Elternteil an einer psychischen Erkrankung leidet. Das Risiko einer Erkrankung ist bei diesen Kindern gegenüber der Restbevölkerung deutlich erhöht. Nach heutigen Erkenntnissen wissen wir aber auch, dass nicht die Krankheit an sich vererbt wird, sondern die Verletzlichkeit, auf Umweltbelastungen empfindlicher zu reagieren, als Menschen ohne diese genetische Vorbelastung. Somit ist weniger die elterliche Diagnose ausschlaggebend für die kindliche Entwicklung, als vielmehr die Chronizität und Rückfallhäufigkeit der Erkrankung und das gemeinsame Auftreten mehrerer psychosozialer Risikofaktoren wie z. B. Isolation, Armut, Scheidung etc. (Mattejat/ Lisofky, 2008). Aus diesem Grunde ist der Hilfebedarf für die Kinder von psychisch kranken Eltern besonders hoch. Das bestehende Angebot reicht bei Weitem nicht aus, die Kinder frühzeitig, präventiv und unbürokratisch zu unterstützen. 1. Der Blick über den institutionellen Tellerrand hinaus Vor dem Jahre 2000 gab es in Köln nur sehr wenige spezielle Angebote für Kinder psychisch kranker Eltern und keine für Kleinkinder. Eine psychiatrische Fachklinik in Köln (Alteburger Straße) nahm seit Kurzem Mütter gemeinsam mit ihren Kindern auf. Auf einer Vollstation gab und gibt es heute noch drei Mutter-Kind-Betten (Arens/ Görgen, 2006). In anderen Städten (z. B. Hamburg, Heidelberg u. a.) gab es schon unterschiedliche Hilfsangebote, aber Kooperationen zwischen erwachsenenpsychiatrischen Einrichtungen mit der Frühförderung bestanden zu diesem Zeitpunkt noch nirgendwo. Eine Studie aus Münster formulierte 2002 zum ersten Mal die Notwendigkeit einer Vernetzung der Kinder- und Jugendhilfe mit der Erwachsenenpsychiatrie (Schone, Wagenblass, 2002). Die Idee zu einer Zusammenarbeit des Zentrums für Frühförderung und Frühbehandlung mit der Klinik entstand durch einen konkreten Fall: Eine alleinerziehende Mutter, die wegen einer bipolaren Störung in der Kli- 34 FI 1 / 2012 Susanne Wunderer nik in Behandlung war, kam mit ihrer Tochter in die Frühförderung. Der Kontakt zur Frühförderung blieb auch über den Klinikaufenthalt hinaus bestehen. In den stabilen Phasen der Mutter konnte die heilpädagogische Behandlung des Kindes in der Frühförderung stattfinden, wenn es der Mutter schlecht ging, war dies nicht möglich. In diesen Zeiten war der Unterstützungsbedarf für das dreijährige Mädchen jedoch besonders hoch. Dass die Frühförderung viele Monate unterbrochen werden musste, während die Mutter stationär und teilstationär behandelt wurde, war für die Entwicklung des Mädchens äußerst ungünstig. Sie sprach noch nicht und zeigte auch sonst eine deutliche Entwicklungsverzögerung mit starken Trennungsängsten und Schlafstörungen. In gemeinsamen Gesprächen zwischen der Stationsleitung und der Frühförderin wurde der Grundstein für die Zusammenarbeit gelegt, die sowohl von der Klinikleitung als auch von der Leitung der Frühförderung mitgetragen wurde. Die 2000 gestartete Kooperation hat seitdem viele Veränderungen durchlebt und wird von beiden Seiten als großer Gewinn für ihre Arbeit betrachtet. Die Betreuung der Kinder auf Station durch eine Pädagogin aus der Frühförderung ist mittlerweile zu einem festen Bestandteil der stationären Behandlung geworden. 2. Frühförderung in der Erwachsenenpsychiatrie Den Anfang nahm das Projekt, indem ich in vierbis sechswöchigen Abständen zu Gesprächen mit den Müttern in die Klinik kam. Ich informierte die Mütter über die Angebote der Frühförderung, machte mich als Ansprechpartnerin bekannt und versuchte so zu helfen, Schwellenängste zu überwinden. Die Mütter nutzten zwar das Angebot in der Klinik mit großem Interesse und äußerten häufig einen Unterstützungsbedarf in Bezug auf ihre Kinder. Den Weg in die Frühförderung fanden trotzdem nur die Wenigsten. Die Komm-Struktur der Frühförderung mit Rezeptabrechnung über den Kinderarzt erwies sich als zu große Hürde für die Familien. Darüber hinaus entsprach dies auch nicht dem Grundgedanken der präventiven Hilfe, den ich verfolgte. Ich begriff, dass die Angebote der Frühförderung für diese Kinder nicht passend waren und andere Wege der Kontaktaufnahme gefunden werden mussten. Ungünstig erwies sich auch, dass alle stationär aufgenommenen Mütter zum gemeinsamen Gespräch eingeladen wurden und dem individuellen Hilfebedarf dadurch zu wenig Rechnung getragen wurde. Sicherlich spielte auch meine eigene Unsicherheit in der Begegnung mit psychisch erkrankten Müttern und unterschiedlichen Krankheitsbildern eine Rolle, sodass selten ein längerfristiger Kontakt zustande kam. Im gemeinsamen Gespräch mit der Stationsleitung kamen wir überein, dass wir die Mütter und Kinder besser erreichen, wenn sie auf Station durch die Frühförderung betreut werden. So kam ich jetzt alle zwei bis drei Wochen, um Einzelgespräche mit den Müttern und heilpädagogische Förderung mit den Kindern durchzuführen. Durch die regelmäßigen Fallgespräche mit dem Stationsarzt und der Stationsleitung konnte die Frühförderung in das milieutherapeutische Behandlungskonzept der Station eingebunden werden und ich gewann an Sicherheit im Umgang mit den Müttern. Die Mütter nutzten die Beratungsgespräche in erster Linie für Erziehungsfragen. Die Väter und weitere wichtige Bezugspersonen des jeweiligen Kindes wurden zu den Gesprächen mit eingeladen und nahmen das Angebot meistens gerne an. Nach einer diagnostischen Einschätzung des Kindes wurden gemeinsam 35 FI 1 / 2012 Frühförderung mit Kindern psychisch kranker Eltern mit der Familie Förderziele für das Kind festgelegt. Diese reichten von „Das Kind soll lernen durchzuschlafen“ über „Das Kind soll mehr Selbstvertrauen erlangen und seine Trennungsängste überwinden“ bis hin zu „Wer kann die Versorgung des Kindes übernehmen, wenn die Mutter krankheitsbedingt ausfällt? “. Das Angebot wurde von den Familien sehr positiv aufgenommen. Die Anzahl der Familien, die nach einer Klinikentlassung weiter in der Frühförderung betreut wurden, erhöhte sich daraufhin erheblich, da eine stabile Vertrauensbasis mit der Familie schon in der Klinik aufgebaut werden konnte. Ab 2003 konnte die Frühförderung durch eine Drittmittelfinanzierung nun wöchentlich stattfinden. Zusätzlich stieg eine Kollegin aus der Frühförderung in die Projektarbeit mit ein: Maria Knist, Dipl.-Sozialpädagogin und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, Feldenkrais- und Child’Space Lehrerin. Die Konzeptentwicklung, Planung und Durchführung des Projektes fand von jetzt an zu zweit statt. Eingebunden wurden die Mutter-Kind-Stunden in eine Vorbesprechung und eine Nachbesprechung mit dem Stationsarzt und den Pädagoginnen. Maria Knist übernahm die Behandlung der Säuglinge und Kleinstkinder mit Schwerpunkt auf der Child’Space-Behandlung (nähere Erläuterungen s. u.). Ich führte heilpädagogische Eltern- Kind-Förderbehandlungen und später auch Child`Space Behandlungen mit Kindern bis sechs Jahren durch. Für die Mütter gehörte das Angebot der Frühförderung von jetzt an zum regulären Wochenplan, die Teilnahme war verpflichtend. Die Kinder, die im Projektzeitraum behandelt wurden, waren zwischen wenigen Wochen und 6 Jahren alt. Mit Schuleintritt endet die Frühförderung. Schulkinder wurden bei Bedarf an eine Beratungsstelle für Kinder psychisch kranker Eltern, dem Kinderschutzzentrum oder an niedergelassene Praxen weitervermittelt. Der gemeinsame Austausch und die enge Anbindung an die Station mit regelmäßigen Fallgesprächen führten dazu, dass beide Seiten (Frühförderung und Erwachsenenpsychiatrie) ihren Blick und ihre Kompetenzen erweitern konnten. Wir aus der Frühförderung lernten, die krankheitsbedingten Verhaltensweisen der Mütter besser zu verstehen und die Psychiater und Pflegekräfte erweiterten durch uns ihr Wissen über kindliche Entwicklung und Bindungsverhalten. Der Austausch war von großem gegenseitigem Respekt getragen, was keine Selbstverständlichkeit ist und half dabei, schwierige Situationen gemeinsam zu meistern. Die Mütter nahmen das Therapieangebot sehr gerne an und auch die Väter sowie weitere Angehörige ließen sich meistens mit einbinden. Die Mütter erlebten die Stunden als Entlastung und wichtige Unterstützung. Die Sorge um ihre Kinder war bei allen sehr ausgeprägt und die Hilflosigkeit oft sehr groß. Nur bei wenigen überwog das Misstrauen, meist ein Resultat aus vorangegangenen negativen Erfahrungen mit Unterstützungssystemen und aus der Angst heraus, dass man ihnen das Kind wegnehmen wolle. Zusätzlich zu der Arbeit in der Klinik konnten weitere Kooperationspartner gewonnen werden und der zeitliche und räumliche Umfang des Projektes weitete sich deutlich aus. In einem Mutter-Kind-Haus für psychisch kranke Mütter, einem Mutter-Kind-Haus für minderjährige und junge Mütter, einem Frauennothaus und einer Tagesklinik wurden weitere regelmäßige Beratungs- und Behandlungsangebote vor Ort, ähnlich dem Angebot in der Klinik, installiert. Auch mit den sozialpsychiatrischen Zentren der Stadt, dem Betreuten Wohnen und einem mobilen Beratungsbus (care mobile) wurden Kontakte geknüpft. In regionalen und überregionalen Treffen fanden und finden heute noch regelmäßige interdisziplinäre Arbeitskreise mit FachkollegInnen statt. 36 FI 1 / 2012 Susanne Wunderer Im Jahr 2007 änderte sich die Struktur des Projektes erneut. Wurde es bislang durch Spenden bezahlt, erhielt es mit einer Stiftungsfinanzierung nun ein sicheres finanzielles Fundament. 3. Die heilpädagogische Förderung Die Inhalte der heilpädagogischen Eltern- Kind-Förderbehandlung sind in erster Linie die Stärkung der Eltern-Kind-Bindung und der Auf bau eines positiven Erziehungsverhaltens. Unter systemischen Gesichtspunkten gehören hier immer auch der Vater oder andere für das Kind wichtige Bezugspersonen zum Behandlungssetting dazu. Zu Beginn jeder Behandlung informiere ich über die Inhalte der heilpädagogischen Arbeit. Die Fragen, Wünsche und Sorgen der Eltern bzgl. ihrer Kinder bekommen ausreichend Raum. Eine Beurteilung des Entwicklungsstandes des Kindes erfolgt über freie und gezielte Spiel- und Interaktionsbeobachtungen. Im Anschluss lege ich gemeinsam mit den Eltern die Ziele für die Behandlung fest. Nach Aufbau eines stabilen Vertrauensverhältnisses kläre ich das Kind über die Erkrankung der Mutter kindgemäß auf. Dies geschieht nach Absprache und im Beisein der Eltern, häufig eingebettet in ein Rollenspiel, an dem die Eltern aktiv teilnehmen. Manchmal wird das Gespräch mit dem Kind durch eine gemeinsame Bilderbuchbetrachtung eingeleitet. Die Aufklärung auch der Allerkleinsten führt immer zu einer deutlichen emotionalen Entlastung des Kindes und ist ein zentraler Bestandteil der heilpädagogischen Arbeit. Dass zu diesem Zeitpunkt kein passendes Bilderbuch zu diesem Thema auf dem Markt war, führte zu der Idee, ein eigenes Bilderbuch zu gestalten, welches den Bedürfnissen der Allerkleinsten gerecht wird und gleichzeitig mit einem Ratgeberteil den Eltern und Angehörigen auf leicht verständliche Art erklärt, wie man mit Kindern über dieses schwierige Thema sprechen kann. Dieses Bilderbuch ist mittlerweile im Handel erhältlich („Warum ist Mama traurig? “ Mabuse, 2010). Ich setze in den Stunden Impulse zum gemeinsamen Spiel der Eltern mit dem Kind und gebe positives Feedback über gelungene Interaktionen. Die Eltern lernen so die Signale des Kindes feinfühlig wahrzunehmen und angemessen darauf zu reagieren. Der Kontakt zwischen Mutter und Kind wird durch das gemeinsame Spielen gestärkt. Die Eltern bekommen Anregungen und Spielideen für den Alltag und werden angeleitet, diese in regelmäßigen Spielzeiten anzuwenden. Wichtig ist es auch, Alltagsrituale gründlich zu besprechen, um dem Kind und der Mutter im täglichen Handeln Sicherheit zu geben. Alle Fragen, die auch gesunde Eltern beschäftigen, haben Platz in der Stunde. Dazu kommen krankheitsbezogene Sorgen, wie diese, keine gute Mutter zu sein, Ängste, das Kind zu verletzen oder von diesem abgelehnt zu werden. In den Stunden finden auch spieltherapeutische und pädagogische Ansätze ihre Anwendung (Pretis/ Dimova, 2004). Die Kinder erhalten hierbei vielfältige Anregungen, die ihre Neugier und ihre Explorationslust wecken. Ihre Handlungen und Gefühle werden verbalisiert, gespiegelt und verstärkt. Sie erleben in den Stunden Verlässlichkeit, Regelmäßigkeit und lernen Dinge vorzuplanen, durchzuführen und abzuschließen. Dies geschieht unter Anleitung der Pädagogin aber immer im gemeinsamen Tun mit den Eltern. So wird das Selbstvertrauen der Kinder gestärkt und ihnen werden positive Bindungserfahrungen ermöglicht. Wenn eine Parentifizierung (Verantwortungsübernahme des Kindes für die Eltern) beobachtet wird, greife ich das im Gespräch auf und suche gemeinsam mit der Familie nach einer Lösung, um das Kind zu entlasten. Nicht zuletzt hat auch der Spaß und Humor Platz in den Stunden. 37 FI 1 / 2012 Frühförderung mit Kindern psychisch kranker Eltern Manch eine Mutter hat in den gemeinsamen Stunden die Leidenschaft für das Malen und Basteln mit dem Kind entdeckt, alte Kinderlieder ausgegraben oder überraschend kreative Ideen im Rollenspiel entwickelt. Die Erfahrungen aus dem Projekt zeigten, wie bedeutsam es in der Arbeit mit psychisch kranken Müttern ist, dass ich mich in meinem eigenen Handeln zurücknehme und der Mutter den Raum gebe, neue Handlungsmöglichkeiten zu erproben. Die Pädagogin muss zwar auf der einen Seite als positives Rollenmodell fungieren, darf aber andererseits der Mutter nie das Gefühl geben, dass diese eine schlechte Mutter sei. Der Aspekt der Eifersucht in der Arbeit mit psychisch kranken Müttern ist ein wichtiges Thema, das bei Nichtbeachtung die Vertrauensbasis empfindlich verletzen kann. Gerade am Anfang meiner Tätigkeit auf Station tappte ich in die Falle, dem Impuls nachzugeben, z. B. selbst tröstend auf das Kind einzuwirken, ohne die Mutter einzubeziehen oder sie anzuleiten, wie sie ihr Kind selbst beruhigen kann. Die Fallbesprechungen halfen mir dabei, eigene Verhaltensmuster zu reflektieren und zu verändern. Viele Familien kamen jetzt zur Nachbetreuung in die Frühförderung. Oft reichten dann ein bis zwei Gespräche aus, um den Fokus wieder auf die Kinder zu lenken. Manchmal ging die eigentliche Arbeit aber dann auch erst richtig los. Jetzt wo die akute Krise überstanden war und der Alltag neue Herausforderungen stellte, war der Unterstützungsbedarf oft besonders groß. 4. Die Child’Space Behandlung Die Child’Space Methode ist ein ganzheitlicher Ansatz in der entwicklungsfördernden Begleitung und Behandlung von Säuglingen und Kleinkindern, die von Dr. Chava auf der Grundlage der Feldenkrais-Methode entwickelt wurde. Dr. Shelhav war langjährige Mitarbeiterin von Dr. Moshe Feldenkrais. Sie entwickelte seine Methode in der Arbeit mit Säuglingen und Kleinkindern weiter und erforscht die Zusammenhänge von Bewegung, Lernen und Entwicklung (Shelhav 1999). Maria Knist bezog die Child’ Space Methode auf die Arbeit mit psychisch kranken Eltern und integrierte diese Methode in ein Behandlungskonzept der stationären Mutter-Kind- Behandlung im Rahmen einer „Frühen- Mutter-Kind-Psychotherapie“. Die Arbeit mit dem Säugling und der Mutter nach der Child’Space Methode beinhaltet sowohl die über Bewegung und Berührung angeregte Entwicklungsförderung des Kindes als auch die Unterstützung und Anleitung der Mutter in Richtung einer positiven Interaktion mit ihrem Kind. Über Berührung und gezielte, den Entwicklungsphasen des Kindes entsprechende Bewegungen erfährt das Kind Anregung und Unterstützung in allen Entwicklungsbereichen. Die Stimulation über Bewegung bewirkt eine auf Integration ausgerichtete Reaktion des Kindes. Durch nahen Blickkontakt, Sprechen mit dem Kind und gezielte Spielangebote wird der Säugling schon früh angeregt, in Kontakt und Kommunikation sowie Interaktion mit seinem Körper, mit seinen Bezugspersonen und mit der ihm umgebenden Umwelt zu kommen. Die Mutter wird darin angeleitet, den momentanen Zustand des Kindes wahrzunehmen und die körperlichen Signale und Reaktionen des Säuglings in ihm angemessener Weise zu begreifen und zu beantworten. Alltägliche Handlungen, wie das Tragen, Beruhigen, Wickeln und Füttern, werden ganz praktisch mit den Müttern eingeübt und sie werden in dem Prozess unterstützt, den Zusammenhang zwischen ihrem eigenen Verhalten und den Auswirkungen auf das Ver- 38 FI 1 / 2012 Susanne Wunderer halten des Kindes zu erkennen. Die Mutter erlebt und lernt schrittweise und wiederholt, dass sie durch eine Modifikation ihres Verhaltens und durch eine veränderte Art und Weise, körperlich in Beziehung zu ihrem Kind zu sein, besser mit ihm zurechtkommt. Sie findet mehr für sie befriedigende und den Bedürfnissen des Kindes angemessene Handlungsweisen. Dies gibt ihr die Erfahrung, Kontrolle und Einfluss auf den Interaktionsprozess zu haben, und unterstützt sie, sich zunehmend als kompetente Mutter zu erleben. Das Kind bekommt vielfältige Anregungen in allen Entwicklungsbereichen und wird in seinen Bedürfnissen wahr- und ernst genommen. Die Mutter-Kind-Beziehung stabilisiert sich, Schuldgefühle gegenüber dem Kind können reduziert und die mütterlichen Kompetenzen unterstützt und gefördert werden. So kann mithilfe dieser Methode der Auf bau von Bindung mit all den damit verbundenen positiven Wirkfaktoren für Mutter und Kind gefördert werden. 5. Projektende und Ausblick Nach acht Jahren intensiver Projektarbeit waren wir an einem Wendepunkt angelangt. Trotz hoher Akzeptanz unserer Arbeit gelang es uns nicht, das Angebot in eine Regelfinanzierung zu überführen. In den vergangenen Jahren hat sich zugunsten der betroffenen Kinder viel bewegt. Die Kinder psychisch kranker Eltern werden nun von der Fachöffentlichkeit wahrgenommen. Zunehmend wird zu diesem Thema geforscht (z. B. Lenz, 2005) und auch die Notwendigkeit präventiver Hilfsmaßnahmen gesehen und akzeptiert. In vielen Städten werden mittlerweile Projekte von unterschiedlichen Trägern initiiert. Dennoch ist bundesweit die Versorgungslücke für diese Kinder sehr groß. Noch immer ist die Betreuung der Kinder abhängig von Projektgeldern und engagierten Einzelpersonen. Mit zunehmender Sensibilisierung der Öffentlichkeit und Fachöffentlichkeit für das Thema sind nun die Leistungsträger des Gesundheits- und Sozialwesens gefordert, einen geeigneten Weg zu finden, diese wichtige Arbeit fortzusetzen. Dipl.-Päd. Susanne Wunderer Child’Space Lehrerin, Kinderbuchautorin Hansaring 25 -27 50670 Köln E-Mail: Susanne.Wunderer@gmx.de Literatur Arens, D./ Görgen, E. (2006). eltern-Kind-Behandlung in der Psychiatrie. ein Konzept für die stationäre Pflege. Psychiatrie-Verlag, Bonn Lenz, A. (2005). Kinder psychisch kranker eltern. Hogrefe, Göttingen Mattejat, F./ Lisofsky, B. (Hrsg.) (2008). Nicht von schlechten eltern. Kinder psychisch Kranker. Balance Buch und Medien, Neuauflage Bonn Pretis, M./ Dimova, A. (2004). Frühförderung mit Kindern psychisch kranker eltern. ernst reinhardt, München/ Basel Schone, R./ Wagenblass S. (2002). Wenn eltern psychisch krank sind … Kindliche Lebenswelten und institutionelle Handlungsmuster. Votum, Münster Shelhav-Silberbusch, Ch. (1999). Bewegung und Lernen. die Feldenkraismethode als Lernmodell. Verlag modernes Lernen, dortmund Wunderer, S. (2010). Warum ist Mama traurig? Mabuse, Frankfurt am Main