Frühförderung interdisziplinär
1
0721-9121
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/fi2012.art04d
41
2012
312
Zufriedenheit mit familienorientierter Frühförderung
41
2012
Klaus Sarimski
Manfred Hintermair
Markus Lang
Es wird über eine Erhebung zur Zufriedenheit von Eltern von Kindern mit (drohender) geistiger Behinderung, Hörschädigung oder Blindheit/Sehbehinderung mit den erhaltenen Hilfen in der Frühförderung und der erlebten Zusammenarbeit mit den Fachleuten berichtet. Es beteiligten sich 125 Eltern von Kindern im frühen Kindesalter. Die Eltern sind in ihrer globalen Einschätzung überwiegend zufrieden mit der Frühförderung. Die Zufriedenheit mit den erhaltenen Hilfen korreliert negativ mit der Belastung in der Eltern-Kind-Interaktion sowie der alltäglichen Belastung und den Zukunftssorgen. Es finden sich keine Unterschiede in der Zufriedenheit mit den erhaltenen Hilfen zwischen den drei Gruppen von Behinderungen, die hier einbezogen wurden, und keine Zusammenhänge zum Alter der Kinder, zum Alter bei Beginn der Frühförderung, Ort der Förderung oder zur Häufigkeit von Kontakten. Ein relativ großer Anteil der Mütter wünscht sich jedoch mehr Unterstützung bei der Suche nach finanziellen Hilfen, beim Umgang mit schwierigen Verhaltensweisen, Schlaf- oder Essproblemen sowie bei der emotionalen Unterstützung und Berücksichtigung der Bedürfnisse aller Familienmitglieder.
1_031_2012_2_0001
56 Frühförderung interdisziplinär, 31. Jg., S. 56 -70 (2012) DOI 10.2378/ fi2012.art04d © Ernst Reinhardt Verlag ORIgInalaRbEIt Zufriedenheit mit familienorientierter Frühförderung Analysen und Zusammenhänge Klaus Sarimski, Manfred Hintermair, Markus Lang Zusammenfassung: Es wird über eine Erhebung zur Zufriedenheit von Eltern von Kindern mit (drohender) geistiger Behinderung, Hörschädigung oder Blindheit/ Sehbehinderung mit den erhaltenen Hilfen in der Frühförderung und der erlebten Zusammenarbeit mit den Fachleuten berichtet. Es beteiligten sich 125 Eltern von Kindern im frühen Kindesalter. Die Eltern sind in ihrer globalen Einschätzung überwiegend zufrieden mit der Frühförderung. Die Zufriedenheit mit den erhaltenen Hilfen korreliert negativ mit der Belastung in der Eltern-Kind-Interaktion sowie der alltäglichen Belastung und den Zukunftssorgen. Es finden sich keine Unterschiede in der Zufriedenheit mit den erhaltenen Hilfen zwischen den drei Gruppen von Behinderungen, die hier einbezogen wurden, und keine Zusammenhänge zum Alter der Kinder, zum Alter bei Beginn der Frühförderung, Ort der Förderung oder zur Häufigkeit von Kontakten. Ein relativ großer Anteil der Mütter wünscht sich jedoch mehr Unterstützung bei der Suche nach finanziellen Hilfen, beim Umgang mit schwierigen Verhaltensweisen, Schlaf- oder Essproblemen sowie bei der emotionalen Unterstützung und Berücksichtigung der Bedürfnisse aller Familienmitglieder. Schlüsselwörter: Frühförderung, Familienorientierung, elterliche Zufriedenheit Parental satisfaction with family-oriented early intervention - analyses and relationships Summary: 125 parents of young children with developmental disabilities, hearing or visual impairments report on their satisfaction with support and collaboration in early intervention services. The majority of parents report a high level of satisfaction. The analyses reveal a negative correlation between satisfaction with services and parental stress, no inter-group differences and no significant relationships between satisfaction with support and child age, age of initiation of early intervention, homevs. centre-based support or frequency of contacts. However, a considerable minority misses support on searching for financial help, solving behavioral problems or sleeping and eating disorders and emotional support acknowledging the needs of all family members. Keywords: Early intervention, family-orientation, parental satisfaction Familienorientierte Frühförderung G egenüber traditionellen Formen der Frühförderung als kindzentrierter Übungsbehandlung hat sich in den letzten Jahren ein konzeptioneller Wechsel vollzogen. Frühförderung wird heute als individualisiertes, beziehungs- und familienorientiertes Hilfesystem verstanden, bei dem die Förderung auf die individuellen Entwicklungsprobleme und Hilfebedürfnisse des Kindes abgestimmt wird, in den Alltag der Beziehungen zwischen Eltern und Kind integriert ist und die Stärkung der familiären Ressourcen zur Bewältigung der behinderungsbedingten Herausforderungen berücksichtigt wird. Der Erfolg einer Frühförderung wird 57 FI 2 / 2012 Zufriedenheit mit familienorientierter Frühförderung damit nicht (mehr) allein in den Entwicklungsfortschritten - z. B. als Beschleunigung des Entwicklungstempos, gemessen mit einem standardisierten Entwicklungstest - gesehen. Langzeitstudien zeigen, dass der Entwicklungsverlauf behinderter Kinder sowohl von der Schwere des biologischen Risikos eines Kindes (z. B. mit Hirnschädigung oder genetischem Syndrom) wie auch von der Qualität der Eltern-Kind-Interaktion und den familiären Rahmenbedingungen abhängig ist (Shonkoff, Hauser-Cram, Krauss & Upshur, 1992; Hauser-Cram, Warfield, Shonkoff & Krauss, 2001). Für die Evaluation von Maßnahmen der Frühförderung ist es deshalb angemessener, danach zu fragen, inwieweit sie dazu beigetragen haben, dass sich eine Familie auf die besonderen Bedürfnisse des Kindes einzustellen vermag und seine soziale Teilhabe im Alltag fördert. Das Ziel der familienorientierten Arbeit ist die Stärkung der eigenständigen familiären Bewältigungskompetenz im Kontext eines differenzierten Unterstützungssystems („Empowerment“). Qualität der Zusammenarbeit und erhaltene Hilfen Im Konzept familienorientierter Frühförderung kann (in Anlehnung an das Merkmal der Prozessqualität im Qualitätsmodell von Donabedian, 1980) unterschieden werden zwischen der Qualität der Zusammenarbeit von Eltern und Fachleuten (dem „Wie? “ der Praxis der Förderung) und dem Erhalt von Hilfen, die die Familien benötigen, um den Bedürfnissen der Kinder und allen Mitgliedern der Familie gerecht werden zu können (dem „Was? “ der Praxis der Förderung). Die Qualität der Zusammenarbeit spiegelt sich als Beziehungsqualität in einer vertrauensvollen Partnerschaft zwischen Eltern und Fachkräften, der Einbeziehung in alle Entscheidungsprozesse der Förderung, dem Respekt vor (auch kulturell geprägten) Werthaltungen der Eltern sowie effektiven Kommunikations- und Problemlöseprozessen zwischen Eltern und Fachleuten wider. Ob eine Familie das von ihr benötigte Maß an familienorientierten Hilfen erhält, hängt dagegen von der Vermittlung von Informationen und praktischen Empfehlungen an die Eltern, von der emotionalen Unterstützung bei der Bewältigung ihrer besonderen Lebenssituation sowie von der flexiblen Abstimmung der Hilfen auf die Bedürfnisse der Eltern und vom Gelingen der interdisziplinären Zusammenarbeit und Koordination von Hilfen ab. Trivette, Dunst & Hamby (2010) veröffentlichten hierzu eine Meta-Analyse von acht Studien, die sich auf 910 Kinder mit und ohne Behinderung und ihre Eltern bezogen, die an Programmen zu frühen Hilfen teilnahmen. Sie konnten mit komplexen Pfadanalysen nachweisen, dass sowohl die Qualität der Zusammenarbeit mit Fachkräften der Frühförderung wie auch die erhaltenen Hilfen direkte Effekte auf das elterliche Zutrauen in die eigene Kompetenz und ihre psychische Stabilität hatten und dass diese beiden Faktoren als Mediatoren indirekte Effekte auf die Qualität der Eltern-Kind-Interaktion und den kindlichen Entwicklungsverlauf hatten. Die Qualität einer familienorientierten Frühförderung kann auf verschiedene Weise beurteilt werden (Mannan, Summers, Turnbull & Poston, 2006; Bailey, Hebbeler, Olmsted, Raspa & Bruder, 2008). Zu den möglichen Kriterien einer erfolgreichen Förderung gehören die Förderung der Lebensqualität von Kind und Familie, die elterliche Zufriedenheit mit der Zusammenarbeit, ihre aktive Beteiligung am Förderprozess, die Stärkung der elterlichen Kompetenz zur Förderung, die Stärkung ihrer Zuversicht in die künftige Entwicklung des Kindes, die Reduzierung ihrer subjektiv erlebten Belastung und die Stabilisierung eines Netzwerkes an sozialer Unterstützung. Wie diese Kriterien zuverlässig und 58 FI 2 / 2012 Klaus Sarimski, Manfred Hintermair, Markus Lang valide beurteilt werden können und welche Zusammenhänge der Kriterien untereinander sowie zwischen ihnen und den Merkmalen des Förderprozesses selbst bestehen, ist bisher unzureichend erforscht. Eine empirische Klärung dieser Zusammenhänge ist von unmittelbarer Bedeutung für die Praxis, um die Fachkräfte für die wesentlichen Aspekte in ihrem Vorgehens zu sensibilisieren, die zu einer erfolgreichen familienorientierten Arbeit beitragen können. Bislang ist zu vermuten, dass zwar viele Fachkräfte der Philosophie einer familienorientierten Förderung grundsätzlich zustimmen, ihre konkrete Umsetzung in die Praxis aber äußerst unterschiedlich geschieht, ohne dass ausreichend gesichert ist, dass es sich auch um „familienorientierte“ Maßnahmen handelt. Zufriedenheit mit der Frühförderung Die Zufriedenheit von Eltern mit der Frühförderung hängt - wie soeben beschrieben - von der Qualität der persönlichen Zusammenarbeit mit den Fachkräften und den fachlichen Hilfen ab, die sie im Sinne zu realisierender Ansprüche an die Prozessqualität der Frühförderung für ihre Bewältigungsanstrengungen erhalten. Die Qualität der Zusammenarbeit umfasst z. B. die Offenheit von Fachleuten für Gespräche über die elterliche Belastung, die kooperative Einbeziehung der Eltern in die Zielplanung und den Förderprozess selbst, die Transparenz der Informationen über die Behinderung und die Förderstrategien sowie die Berücksichtigung der Bedürfnisse aller Familienmitglieder im Alltag. Die fachlichen Hilfen beziehen sich auf die Beratung zum Umgang mit kindlichen Verhaltensproblemen und Belastungen im Alltag, auf die Anleitung zur Förderung in den einzelnen Bereichen der Entwicklung, auf die emotionale Verarbeitung der Diagnosemitteilung sowie auf die Mobilisierung sozialer Ressourcen zur Bewältigung der behinderungsbedingten Belastungen. Die Zufriedenheit mit fachlichen Hilfen lässt sich nicht unabhängig von den familiären Bedürfnissen betrachten. Sie wird mitbestimmt von der Zufriedenheit mit erhaltenen Hilfen in den Fragen, in denen die Eltern Beratungs- und Unterstützungsbedarf für sich gesehen haben. Die vorliegenden Forschungsergebnisse sprechen dafür, dass die überwiegende Mehrzahl der Eltern behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder mit der Zusammenarbeit mit den Fachkräften und den erhaltenen Hilfen in der Frühförderung zufrieden ist. Dies gilt sowohl für Frühförderprogramme, die in den USA evaluiert wurden (Bailey, Hebbeler, Scarborough, Spiker & Mallik, 2004) wie auch für Frühförderangebote, die in verschiedenen europäischen Ländern (Lanners & Mombaerts, 2000) und in Deutschland (Bayern; Peterander, 2000) evaluiert wurden. Erfahrungen bei der Erhebung von elterlicher Zufriedenheit mit der Frühförderung Für die Beurteilung der elterlichen Zufriedenheit mit familienorientierten Hilfen wurden verschiedene Erhebungsinstrumente in Studien in den USA, England, Irland, Italien, Neuseeland, Schweden, Deutschland und anderen europäischen Ländern erprobt (McNaughton, 1994; Mannan et al., 2006). So entwickelten Mahoney, O’Sullivan & Dennebaum (1990) z. B. einen Fragebogen aus 39 Items, mit dem Mahoney & Filer (1996) 357 Mütter befragten, deren Kinder in 63 amerikanischen Frühförderstellen betreut wurden. Die Fragen richteten sich auf die Hilfen, die sie in fünf Bereichen erhalten haben: Informationen über die Behinderung des Kindes, Anleitung zur Förderung, Unter- 59 FI 2 / 2012 Zufriedenheit mit familienorientierter Frühförderung stützung in der persönlichen Bewältigung und Vermittlung sowie Vernetzung von Hilfen. Es ergaben sich deutliche Unterschiede in der Zahl der Mütter, die berichteten, entsprechende Hilfen erhalten zu haben. So gaben ca. 65 % der Mütter an, Informationen über die Behinderung des Kindes und Anleitung zur Förderung erhalten zu haben, aber nur 35 % sagten, dass ihnen auch weitere Hilfen vermittelt worden seien. Aus diesen Zahlen lässt sich erkennen, dass mit den Frühförderangeboten grundsätzlich versucht wurde, sich auf die familiären Bedürfnisse einzustellen. Dies galt vor allem für die Frühförderangebote, die mobile Arbeitsformen (d. h. Besuche in den Familien) umfassten. In allen Bereichen äußerten jedoch 10 - 20 % der Mütter einen Bedarf, der durch die Frühförderangebote nicht erfüllt wurde. Insbesondere für die Unterstützung in der persönlichen Bewältigung und die Vermittlung von Hilfen ergab sich aus Regressionsanalysen der Eindruck, dass gerade die Familien, die selbst über relativ gute und stabile Ressourcen (z. B. hinsichtlich des familiären Zusammenhalts und der zeitlichen und finanziellen Möglichkeiten) verfügten, diese Hilfen erhielten, nicht aber die Familien, die ihrer am stärksten bedurften. Bailey, Hebbeler, Scarborough, Spiker & Mallik (2004) berichten über eine landesweite Erhebung zu den Erfahrungen mit Frühfördermaßnahmen, die an einer repräsentativen Stichprobe von 3338 Eltern durchgeführt wurde. Etwa 80 % gaben an, dass die Förderziele von ihnen und den Fachkräften gemeinsam festgelegt werden. 98 % äußerten sich insgesamt sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit. Bei der differenzierten Auswertung der Angaben nach unterschiedlichen Familienmerkmalen ergaben sich jedoch einige Unterschiede. So äußerten sich Eltern mit geringerem Bildungsgrad, niedrigerem Familieneinkommen und Eltern aus benachteiligten Bevölkerungsgruppen (schwarz, lateinamerikanische Herkunft) weniger positiv über die Qualität der Zusammenarbeit und ihre Einbeziehung in die Förderung. Peterander (2000) berichtete über die Befragung von 984 Müttern und 115 Vätern von Kindern, die in bayerischen Frühförderstellen betreut wurden. Das mittlere Alter der Kinder lag bei 4; 4 Jahren. Der Bericht stellt die Verteilung der elterlichen Antworten dar und analysiert korrelative Zusammenhänge. So gaben 70 - 80 % der Mütter an, dass sie aktiv in die Förderung des Kindes einbezogen sind und Vorschläge zur Förderung in den Alltag integrieren. 85 % fühlten sich zufriedenstellend einbezogen in die Planung von Fördermaßnahmen, 60 % zufriedenstellend aufgeklärt über die Ursachen der Behinderung und die Prognose des Kindes. Über 70 % fanden es am wichtigsten, in der Zusammenarbeit mit den Fachkräften Informationen zur Förderung des Kindes zu erhalten, einem Drittel der Mütter war es sehr wichtig, auch über ihre eigene emotionale Belastung sprechen zu können. Über 80 % war es sehr wichtig, dass ihnen die Fachkräfte die Vorgehensweisen der Förderung transparent machten. Über 90 % äußerten sich sehr zufrieden mit der Förderung und der Zusammenarbeit mit den Fachkräften. Lanners & Mombaerts (2000) legten die „Europäische Elternzufriedenheitsskala über Frühfördermaßnahmen“ (EZUSÜF) vor. Der Fragebogen wurde in einer internationalen Studie an 584 Eltern behinderter Kinder erprobt, die in zehn verschiedenen Ländern von Frühförderstellen betreut wurden, und mittlerweile auch in anderen Ländern eingesetzt (Ziviani, Cuskelly & Feeney, 2010). Das Verfahren umfasst 57 Items, die sich in acht Faktoren gliedern lassen, mit denen die Zufriedenheit der Eltern mit verschiedenen Aspekten der Förderung erhoben werden können. Dazu gehören die Qualität der Beziehung zwischen Eltern und Fachkräften, die 60 FI 2 / 2012 Klaus Sarimski, Manfred Hintermair, Markus Lang Zufriedenheit mit kind- und elternorientierten Interventionen ebenso wie Interventionen der Frühförderstelle, die sich auf die Vermittlung von sozialen Hilfen, Kontakten zu anderen Eltern oder Unterstützung der Geschwister der behinderten Kinder bezogen. Die letztgenannten Aspekte wurden deutlich weniger zufriedenstellend bewertet. In einer nachfolgenden Studie in der Schweiz, an der sich 344 Mütter und Väter beteiligten und (teilweise retrospektiv) über ihre Erfahrungen mit der Frühförderung ihrer Kinder berichteten, wurden sowohl die Qualität der Zusammenarbeit wie auch Bedürfnisse der Eltern und die Zufriedenheit mit den erhaltenen Hilfen erhoben (Lanners, Carolillo, Cappelli & Lambert, 2003). Eine Pfadanalyse zeigt, dass die Einschätzung der Wirksamkeit von den Bedürfnissen abhängt, die die einzelne Familie hat, und diese wiederum zusammen mit der Qualität der Zusammenarbeit die Gesamtbewertung der Nützlichkeit der Frühförderung als Unterstützung der eigenen Kompetenzen, die Situation zu meistern und sich die benötigten Hilfen selbst organisieren zu können, bestimmt. Zielsetzung der eigenen Studie Ein Forschungsprojekt an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg soll einen Beitrag zur Analyse der Zusammenhänge leisten, indem die elterliche Zufriedenheit mit der Frühförderung und ihre Einschätzung der Wirkungen von Frühförderung aus Sicht der Eltern differenziert untersucht werden. Es ist dabei die Absicht, möglichst viele potenzielle Einflussfaktoren zu erfassen. Im vorliegenden Beitrag soll die elterliche Zufriedenheit mit der Zusammenarbeit mit den Fachkräften und den erhaltenen Hilfen genauer betrachtet werden. Dabei sollen auch Zusammenhänge zu Merkmalen der Förderung und des Kindes, der subjektiv erlebten elterlichen Belastung sowie den individuellen und sozialen Ressourcen näher beleuchtet werden. Für die Untersuchung wurden Eltern von Kindern mit (drohender) geistiger Behinderung, Hörschädigung und Blindheit bzw. Sehbehinderung um ihre Teilnahme gebeten. Methodik Stichprobe An der Befragung beteiligten sich 125 Eltern (115 Mütter und zehn Väter). Tabelle 1 gibt einen Überblick über demografische Daten der Eltern und der Kinder. Das mittlere Alter der Eltern beträgt 35.4 Jahre (SD = 5.52 Jahre). Eltern mit höheren Bildungsabschlüssen sind in der Stichprobe - wie bei den meisten Studien, die auf schriftlichen Befragungen beruhen - überrepräsentiert. 58 Eltern geben einen Schulabschluss mit Hochschulzugangsberechtigung an, 48 Eltern einen Real- oder Fachschulabschluss, 18 Eltern einen Hauptschulabschluss. 59 Mütter bezeichnen sich derzeit als Hausfrau, 53 sind Angestellte oder Beamte. Die meisten Eltern verfügen über ein mittleres oder höheres Familieneinkommen. In 85 Familien wächst neben einem Kind mit einer Behinderung mindestens ein weiteres Kind auf. Das mittlere Alter der Kinder beträgt 30.9 Monate (SD = 12.55 Monate). 36.9 % der Kinder sind unter zwei Jahre alt; 29.5 % zwischen zwei und drei Jahre, 27.9 % zwischen drei und vier Jahre alt. 66 Kinder (52.8 %) gehören zur Gruppe der Kinder mit kognitiven Entwicklungsverzögerungen und werden in einer Interdisziplinären Frühförderstelle oder einer Sonderpädagogischen Beratungsstelle betreut, die einer Schule für Kinder mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung angeschlossen ist. 37 Kinder (29.6 %) sind Kinder mit einer Hörschädigung und werden an einer entsprechenden Frühförderstelle betreut. 61 FI 2 / 2012 Zufriedenheit mit familienorientierter Frühförderung 22 Kinder (17.6 %) sind blind bzw. sehbehindert und werden an einer Frühförderstelle für blinde und sehbehinderte Kinder betreut. 51 Kinder (41.8 %) haben zusätzlich zu ihrer Grundbehinderung noch irgendeine andere Beeinträchtigung. Der Gesundheitszustand der Kinder wird bei 18 Kindern (14.6 %) von den Eltern als schlecht bzw. wechselhaft be- N % M SD Eltern Mutter füllt Fragebogen aus Vater füllt Fragebogen aus alter (in lebensjahren) 115 10 125 92.0 8.0 35.4 5.5 Schulbildung n Hauptschule n Real-/ Fachschule n Hochschulreife 124 14.4 38.4 46.4 aktuelle tätigkeit n arbeiter n angestellte/ beamte n Hausfrau n sonstige 124 4.8 42.4 47.2 4.8 Familieneinkommen n < 1500 € n 1500 - 3000 € n Mehr als 3000 € 116 9.6 52.8 30.4 Mehr als ein Kind in der Familie 85 Kind alter des Kindes (in Monaten) 122 30.9 12.5 geschlecht des Kindes n Junge n Mädchen 63 61 50.8 49.2 alter bei Diagnosestellung (in Monaten) 96 8.9 10.4 alter bei beginn der Förderung 123 11.2 9.8 behinderung (primäre Diagnose) n Kognitive behinderung n Hörschädigung n blindheit/ Sehschädigung 66 37 22 52.8 29.6 17.6 Zusatzbehinderung n ja n nein 51 71 41.8 58.2 gesundheitszustand des Kindes n gut n schlecht/ wechselhaft 105 18 85.4 14.6 besuch einer Einrichtung n Krippe n Sonderkindergarten n Integrativer Kindergarten n allgemeiner Kindergarten 88 14 11 21 23 70.4 11.2 8.8 16.8 18.4 tab. 1: Merkmale der Eltern und ihrer Kinder 62 FI 2 / 2012 Klaus Sarimski, Manfred Hintermair, Markus Lang urteilt. Das durchschnittliche Alter zu Beginn der Förderung lag bei 11.2 Monaten, etwa zwei Monate nach dem Zeitpunkt der Diagnosestellung. 55 Kinder der Untersuchungsgruppe besuchen einen (allgemeinen, integrativen oder sonderpädagogischen) Kindergarten. Untersuchungsverfahren Bei allen Kindern wurden folgende kindbezogene Grunddaten erhoben: Alter und Geschlecht des Kindes, Grad der Behinderung, Zusatzbehinderungen, Zeitpunkt des Verdachts und der Diagnosestellung einer Behinderung, Zeitpunkt des Beginns der Frühförderung, allgemeiner Gesundheitszustand, Besuch einer Fördereinrichtung. Als elternbezogene Grunddaten wurden Alter und Geschlecht des Erwachsenen, der den Fragebogen ausfüllt, Schulbildung, Berufstätigkeit, Staatsangehörigkeit, Wohnsituation, Familienstatus, Zahl und Alter weiterer Kinder sowie Familieneinkommen erhoben (vgl. Tabelle 1). Als Grunddaten zur Förderung wurden erhoben: Häufigkeit des Kontakts zur Frühförderstelle, Ort der Förderung, beteiligte Berufsgruppen (Tabelle 2). Zufriedenheit mit der Frühförderung Zur Beurteilung der Zufriedenheit mit der Frühförderung wurde ein Fragebogen mit 31 Items zusammengestellt, die sich in „Zufriedenheit mit den erhaltenen Hilfen“ (20 Items) und „Zufriedenheit mit der Zusammenarbeit“ (11 Items) gliedern lassen. Die Zusammenstellung der Fragen orientierte sich an dem „Elternfragebogen zur Evaluation eines Frühförderdienstes“ (Lanners et al., 2003). Die Zufriedenheit mit den erhaltenen Hilfen wird dabei erfragt mit Bezug auf Hilfen zur Bewältigung von Schwierigkeiten im Alltag, zum Umgang mit Verhaltensproblemen des Kindes, zur Entwicklungsförderung in den einzelnen Bereichen, zur Klärung von Zukunftsperspektiven sowie zur Mobilisierung von sozialen Ressourcen zur Bewältigung. Die Zufriedenheit mit der Zusammenarbeit umfasst Items wie Offenheit der Fachkraft für Fragen der Eltern, Berücksichtigung der Bedürfnisse aller Familienmitglieder, Aufklärung über die Ursache und die Entwicklungsaussichten des Kindes, emotionale Unterstützung bei der Bewältigung der besonderen Herausforderungen. Bei allen Items sollten die Eltern angeben, ob sie die angesprochene Hilfe bzw. den Aspekt der Zusammenarbeit N Häufigkeit des Kontakts n Weniger als einmal pro Woche n Ein bis zweimal pro Woche n Mehr als zweimal die Woche 32 64 7 Ort der Förderung n ausschließlich zu Hause n Zu Hause und in Frühförderstelle n ausschließlich in Frühförderstelle 55 21 33 Kontakt zu verschiedenen berufsgruppen n Sonder- oder Heilpädagogik n Physiotherapie n Ergotherapie n Sprachtherapie n Psychologie n Sonstige 82 29 16 17 8 11 Kontakt zu therapeuten außerhalb der Frühförderstelle 81 tab. 2: grunddaten zur Förderung 63 FI 2 / 2012 Zufriedenheit mit familienorientierter Frühförderung als „nicht notwendig“, „habe ich nicht erhalten, hätte ich mir aber gewünscht“, „habe ich erhalten, aber es reichte nicht aus“ oder „habe ich erhalten und es war ausreichend“ beurteilten. Abschließend wurden die Eltern gebeten, eine zusammenfassende Einschätzung ihrer Zufriedenheit mit den Hilfen abzugeben, die sie von der Frühförderstelle erhalten haben (auf einer Notenskala von 1 - 6). Eltern-Kind-Belastung Die erlebte Belastung in der Eltern-Kind- Interaktion als mögliche Kovariate für die Einschätzung der Wirkungen und der elterlichen Zufriedenheit wurde mit 12 Items aus dem „Parenting Stress Index - Short Form“ (PSI-SF) gemessen (Abidin, 1995; es wurde die Originalversion zugrundegelegt und ins Deutsche übersetzt). Es handelt sich um eine von drei Skalen eines Fragebogens, der in zahlreichen Studien zur Beurteilung elterlicher Belastung bei nicht behinderten und behinderten Kindern eingesetzt wird. Die Items werden von den Eltern auf einer 5-stufigen Skala (trifft gar nicht zu - trifft sehr zu) beurteilt. Erfragt werden Belastungen in der alltäglichen Interaktion mit dem Kind, z. B. „Es braucht lange und es ist schwierig für mein Kind, sich an neue Dinge zu gewöhnen“ oder „Mein Kind lächelt mich viel seltener an, als ich erwartet habe“. Für die interne Konsistenz des Fragebogens ergab sich in der vorliegenden Stichprobe ein befriedigender Wert (Cronbach’s α = .83). Familienbelastung Beim „Familienbelastungsbogen“ (FaBel) als zweitem Beurteilungsmaß der erlebten Belastung handelt es sich um die deutsche Bearbeitung der „Family Impact Scale“, die Ravens- Sieberer et al. (1999) für die Diagnostik bei Familien chronisch kranker und behinderter Kinder vorgenommen haben (vgl. Sarimski & Steinhausen, 2007). Er enthält 27 Items und bezieht sich auf folgende Themenbereiche: alltägliche Belastungen, Zukunftssorgen, finanzielle Belastungen und Probleme der partnerschaftlichen Bewältigung. Jedes Item wird auf einer vierstufigen Skala zwischen „trifft überhaupt nicht zu“ bis „trifft ganz zu“ bewertet. Für die interne Konsistenz des Fragebogens ergab sich in unserer Stichprobe ein befriedigender Wert (Cronbach’s α = .90). Personale Ressourcen: Personale Ressourcen zur Bewältigung von Belastungen wurden mit einem kurzen Fragebogen zur „Allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung“ (SWE, Schwarzer & Jerusalem, 1999) erhoben. Beim SWE handelt es sich um ein Selbstbeurteilungsverfahren mit zehn Items zur Erfassung von allgemeinen optimistischen Selbstüberzeugungen. Es misst das grundsätzliche Vertrauen darauf, eine schwierige Lage zu meistern, wobei der Erfolg der eigenen Kompetenz zugeschrieben wird. Die Überprüfung der internen Konsistenz des Verfahrens ergab ebenfalls einen zufriedenstellenden Wert (Cronbach’s α = .87). Soziale Ressourcen: Die für die Eltern verfügbaren sozialen Ressourcen wurden mit der Teilskala aus dem SOEBEK (Krause & Petermann, 1997) „Zufriedenheit mit sozialer Unterstützung“ erfasst. Diese Teilskala enthält neun Items zur Messung der Zufriedenheit mit der Unterstützung durch Ehepartner, Verwandte, Freunde und Bekannte sowie Fachleute. Dabei wird jeweils zwischen „greif barer“ (praktischer) Unterstützung und emotionaler Unterstützung unterschieden. Die Zuverlässigkeit der Skala ist auch hier gegeben (Cronbach’s α = .77). Verhaltensmerkmale: Verhaltensmerkmale des Kindes wurden durch einen orientierenden Fragebogen mit 12 Items erhoben, die sich auf die soziale Reaktionsbereitschaft des Kin- 64 FI 2 / 2012 Klaus Sarimski, Manfred Hintermair, Markus Lang des, seine Ausdauer sowie (niedrige) Impulsivität/ Hyperaktivität beziehen. Die Angaben zu den Bereichen wurden in einen Summenscore zusammengefasst (Cronbachs’s α = .74). Kindkompetenzen: Für eine grobe Einschätzung des kindlichen Entwicklungsniveaus wurden einige basale Kompetenzen der motorischen Entwicklung, der Entwicklung von Spielfähigkeiten, von Fähigkeiten zur Selbstversorgung und sprachliche Kompetenzen abgefragt und in einen Summenscore zusammengefasst. Für die interne Konsistenz des Fragebogens ergab sich in unserer Stichprobe ein befriedigender Wert von Cronbach’s α = .94. Durchführung Die Kontaktaufnahme zu den Eltern erfolgte über Frühförderstellen in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen. Die Einrichtungsleiter wurden zunächst gefragt, ob sie bereit sind, sich durch Weitergabe von Fragebögen an die von ihnen betreuten Eltern zu beteiligen, und wie viele Fragebogensätze sie gegebenenfalls weiterreichen werden. Insgesamt wurden über 200 Fragebögen versendet. Da über die Zahl der tatsächlich weitergegebenen Fragebögen keine Angaben der Einrichtungen vorliegen, kann keine verlässliche Angabe über die Rücklaufquote und über mögliche Unterschiede zwischen Eltern, die sich beteiligt haben, und solchen gemacht werden, die sich nicht zu einer Beantwortung der Fragebögen entschieden haben. Die statistische Analyse erfolgte mit PASW 18.0 (vormals SPSS). Berechnet wurden Häufigkeitsverteilungen, Korrelationsanalysen und Mittelwertvergleiche. Die Auswertungen beziehen sich - soweit nichts Anderes vermerkt ist - jeweils auf die Gesamtgruppe der Kinder mit (drohender) geistiger Behinderung, Hörschädigung oder Blindheit bzw. Sehbehinderung. Ergebnisse Zufriedenheit mit der Frühförderung Abbildung 1 zeigt die Zufriedenheit der Eltern mit den erhaltenen Hilfen und der Zusammenarbeit mit den Frühförderstellen im globalen Urteil der Notenbewertung. Danach beurteilen insgesamt 94 Eltern (77.0 %) ihre Erfahrungen mit der Frühförderung als „sehr gut“ oder „gut“. Es finden sich keine Unterschiede zwischen den drei Teilgruppen (Kinder mit [drohender] geistiger Behinderung, Hörschädigung oder Blindheit/ Sehbehinderung) und keine Zusammenhänge zum Bildungsgrad der Mutter, zum Familieneinkommen, zum Ort der Förderung oder der Häufigkeit der Kontakte mit der Frühförderung. abb. 1: Zufriedenheit mit den erhaltenen Hilfen und der Zusammenarbeit mit der Frühförderung im globalen Urteil 65 FI 2 / 2012 Zufriedenheit mit familienorientierter Frühförderung Nein, das war nicht notwendig N Nein, hätte es aber gebraucht N Ja, aber es reichte nicht aus N Ja, es war ausreichend N 1. Ich erhielt Hilfe beim Verständnis der Schwierigkeiten meines Kindes. 21 8 14 80 2. Ich erhielt Hilfe bei der Versorgung mit Hilfsmitteln. 40 9 14 59 3. Ich erhielt Hilfe bei anpassungen im Haushalt. 80 14 9 19 4. Ich erhielt Hilfe, wie ich mit meinem Kind spielen kann. 14 8 10 91 5. Ich erhielt Hilfe, wie ich die Sprache meines Kindes fördern kann. 22 12 17 66 6. Ich erhielt Hilfe, wie ich die Selbstständigkeit meines Kindes fördern kann. 35 11 17 55 7. Ich erhielt Hilfe, wie ich mit schwierigen Verhaltensweisen im alltag umgehen kann. 47 26 18 29 8. Ich erhielt Hilfe, wie ich Probleme beim Essen lösen kann. 60 18 16 27 9. Ich erhielt Hilfe, wie ich Probleme beim Ein- oder Durchschlafen lösen kann. 74 32 6 8 10. Ich erhielt Hilfe, die passenden Einrichtungen zur Unterstützung meines Kindes in der Region zu finden. 37 17 15 53 11. Ich erhielt Hilfe, um mit der Diagnose fertig zu werden. 45 25 16 37 12. Ich erhielt Hilfe, um anderen die behinderung meines Kindes zu erklären. 75 17 8 20 13. Ich erhielt Hilfe bei der Kontaktaufnahme zu einer Elterngruppe. 51 21 9 42 14. Ich erhielt Hinweise auf bücher oder broschüren, wie andere Familien mit einem Kind ähnlicher behinderung ihr leben gestalten. 37 29 8 48 15. Ich erhielt Hilfe bei unmittelbaren Kontakten zu anderen Eltern, deren Kind eine vergleichbare behinderung hat. 35 26 10 52 16. Ich erhielt Hilfe, um Erwachsene mit einer vergleichbaren behinderung kennenzulernen. 65 30 4 23 17. Ich erhielt Unterstützung bei der Suche nach finanziellen Hilfen, die mir zustehen. 38 34 12 37 18. Ich erhielt Hilfe bei der Suche nach familienentlastenden Diensten. 66 23 6 27 tab. 3: Erhaltene Hilfen in der Frühförderung 66 FI 2 / 2012 Klaus Sarimski, Manfred Hintermair, Markus Lang Auf den ersten Blick ergibt sich somit ein durchaus positiver Eindruck von der elterlichen Zufriedenheit mit der Frühförderung. Es finden sich auch keine Unterschiede in der Zufriedenheit mit den erhaltenen Hilfen zwischen den drei Gruppen von Behinderungen, die hier einbezogen wurden, und keine Zusammenhänge mit dem Alter der Kinder, dem Alter bei Beginn der Frühförderung, mit dem Ort der Förderung oder mit der Häufigkeit von Kontakten. Erfragt man aber über das Globalurteil hinaus konkret einzelne Hilfen in Abhängigkeit von den familiären Bedürfnissen sowie einzelne Aspekte der Zusammenarbeit der Eltern mit den Fachleuten, relativiert sich dieses Bild. Nein, das war nicht notwendig N Nein, hätte es aber gebraucht N Ja, aber es reichte nicht aus N Ja, es war ausreichend N 19. Ich erhielt Hilfe beim Umgang mit behörden und/ oder Krankenkassen. 44 22 19 37 20. Die Fachleute hatten ein offenes Ohr für meine Fragen. 6 9 19 86 21. Die Fachleute gaben mir emotionale Unterstützung bei der bewältigung der besonderen Situation. 22 23 17 60 22. Die Fachleute klärten mich über die Ursache der behinderung auf. 53 17 9 39 23. Die Fachleute klärten mich über die zukünftigen Entwicklungsaussichten meines Kindes auf. 27 22 23 46 24. Die Fachleute trugen dazu bei, dass ich mich der Situation mehr und mehr gewachsen fühlte. 21 20 19 58 25. Die Fachleute fragten nach den bedürfnissen unserer Familie als ganzes. 26 30 18 45 26. Die Fachleute legten Wert darauf, den alltag mit unserem Kind kennenzulernen. 15 16 14 72 27. Ich konnte mich mit Fragen zu Reaktionen der geschwister an die Fachleute wenden. 57 14 6 37 28. Ich fühlte mich durch die Fachleute gut verstanden. 5 14 17 84 29. Ich konnte mich an die Fachleute wenden mit Fragen, die die auswirkungen auf unsere Paarbeziehung betrafen. 81 15 7 17 30. Ich konnte mich an die Fachleute wenden mit Fragen, die die Reaktionen der Familie, Freunde oder nachbarn betrafen. 69 15 9 28 31. Ich erhielt Hilfe bei der Klärung der Ursache der behinderung meines Kindes. 58 23 8 26 67 FI 2 / 2012 Zufriedenheit mit familienorientierter Frühförderung Dazu wird jeweils der Anteil der Eltern betrachtet, die mit Bezug auf eine Hilfe entweder „nein, hätte es aber gebraucht“ oder „ja, aber es reichte nicht aus“ antworten (Tabelle 3). Unzufriedenheit mit den erhaltenen Hilfen Abbildung 2 zeigt die Bereiche, in denen die erhaltenen Hilfen bei mindestens 25 % der Familien nicht dem Bedürfnis entsprachen. Besonders häufig ist dies der Fall bei der Unterstützung zu finanziellen Hilfen, der Unterstützung im Umgang mit schwierigem Verhalten, der Unterstützung beim Umgang mit Behörden, der Unterstützung bei der Diagnoseverarbeitung und der Unterstützung beim Umgang mit Schlafproblemen. Unzufriedenheit mit der Zusammenarbeit Auch hinsichtlich einzelner Aspekte der Zusammenarbeit mit den Fachkräften zeigen sich nicht alle Eltern zufrieden. So hätten sich mehr als 25 % der befragten Mütter mehr Berücksichtigung der Familienbedürfnisse, mehr Aufklärung zu Entwicklungsaussichten der Kinder, mehr Hilfen zur persönlichen Stärkung und emotionalen Unterstützung sowie generell mehr Verständnis der Fachleute und mehr Alltagsbezug der Fördervorschläge gewünscht (Abb. 3). abb. 2: bedürfnisse von Eltern, für die keine ausreichenden Hilfen angeboten wurden (Prozentangaben, n = 125) abb. 3: Wünsche an die Zusammenarbeit mit Fachkräften, die nicht ausreichend erfüllt wurden (Prozentangaben; n = 125) 68 FI 2 / 2012 Klaus Sarimski, Manfred Hintermair, Markus Lang Zusammenhänge der elterlichen Zufriedenheit Die Zufriedenheit mit den erhaltenen Hilfen korreliert positiv mit der Zufriedenheit mit der Unterstützung durch Fachleute (SOEBEK; r = .53; p < . 001) sowie mit der Zuversicht in die eigene Kompetenz (SWE; r = .24; p < .01) und negativ mit der Belastung in der Eltern-Kind-Interaktion (PSI; r = -.28; p < .002) sowie der familiären Belastung (FaBel; r = -.25; p = .006). Sie ist unabhängig von demografischen Merkmalen der Mütter, von der Art der kindlichen Behinderung, vom Ort der Förderung und von der Häufigkeit der Kontakte. Zusammenfassung und Implikationen für die Praxis Es handelt sich um die erste Auswertung einer längsschnittlichen Erhebung zur Zufriedenheit von 125 Eltern von Kindern mit (drohender) geistiger Behinderung, Hörschädigung oder Blindheit/ Sehbehinderung mit den erhaltenen Hilfen in der Frühförderung und der erlebten Zusammenarbeit mit den Fachleuten. Dabei sollten sowohl Kindmerkmale wie auch individuelle und soziale Ressourcen der Eltern und Merkmale des Frühförderangebotes erhoben werden. Die Eltern sind in ihrer globalen Einschätzung überwiegend zufrieden mit der Frühförderung. Mehr als drei Viertel von ihnen äußern sich mit dem Urteil „gut“ oder „sehr gut“. Die Zufriedenheit mit den erhaltenen Hilfen korreliert negativ mit der Belastung in der Eltern-Kind-Interaktion sowie der alltäglichen Belastung und den Zukunftssorgen. D. h. Mütter, die sich als höher belastet empfinden, sind weniger zufrieden mit den erhaltenen Hilfen und umgekehrt. Es finden sich keine Unterschiede in der Zufriedenheit mit den erhaltenen Hilfen zwischen den drei Gruppen von Behinderungen, die hier einbezogen wurden, und keine Zusammenhänge zum Alter der Kinder, zum Alter bei Beginn der Frühförderung, Ort der Förderung oder zur Häufigkeit von Kontakten. Ein weiterer wichtiger Hinweis für die Praxis der Frühförderung ergibt sich aus der Verteilung der Antworten der Eltern auf die einzelnen Fragen, in welchen Aspekten sie mehr Hilfe benötigt hätten, als sie bekommen haben, bzw. mit welchen Aspekten der Zusammenarbeit mit den Fachkräften sie nicht zufrieden waren. Die Unzufriedenheit bezieht sich hier einerseits auf den Wunsch nach mehr Unterstützung bei der Suche nach finanziellen Hilfen und beim Umgang mit Behörden, andererseits auf mehr Unterstützung beim Umgang mit schwierigen Verhaltensweisen, Schlaf- oder Essproblemen. Aus den Fragebogendaten lässt sich nicht ablesen, ob diese Themen in der Zusammenarbeit zu wenig Raum einnehmen oder sich die Fachkräfte der Frühförderung als überfordert erweisen, um den Eltern eine effektive Unterstützung in diesen Fragen zu bieten. Auf jeden Fall weisen die Daten auf einen Verbesserungsbedarf hin, der zum einen sichtbar macht, dass Frühförderung immer auch eine sozialpädagogische Dimension in ihr Arbeitsspektrum zu integrieren hat (vgl. dazu z. B. Engelbert, 1999) und zum anderen, dass mit der Betonung der Notwendigkeit von Hilfen für den Umgang mit schwierigem Verhalten vermehrt spezifisches „Know-how“ der Frühförderung eingefordert wird. Dies gilt auch für den Bereich der emotionalen Unterstützung der Eltern und die Berücksichtigung der Bedürfnisse aller Familienmitglieder. Mindestens ein Drittel der befragten Mütter hätte sich hier in der Zusammenarbeit mit den Fachkräften mehr gewünscht, als sie erfahren haben. Auch hier gilt, dass aus den Fragebogendaten nicht zu erkennen ist, 69 FI 2 / 2012 Zufriedenheit mit familienorientierter Frühförderung ob sich die Fachkräfte einseitig auf die kindorientierte Förderung ausgerichtet und den Fragen zu Belastungen und zu den Bedürfnissen der Familie als Ganzes wenig Raum gegeben haben oder ob sie sich bei diesen Fragen in ihrer Beratungskompetenz überfordert gezeigt haben. Die Angaben der Eltern, in welchen Bereichen sie sich mehr Hilfen gewünscht hätten, unterstützen die Forderung, Frühförderung als Komplexleistung zu verstehen und dabei auch mobile Beratungsangebote vorzuhalten. Ein Angebot von einzelnen Therapien oder Fördermaßnahmen, bei denen die Eltern nicht aktiv einbezogen und ihre lebensweltlichen Erfahrungen nicht hinreichend berücksichtigt werden, wird den Bedürfnissen der Eltern in der Regel nicht gerecht. Auch dann, wenn eine solche Förderung teilstationär - in einer Krippe oder einem Kindergarten - stattfindet, gilt es, die Eltern aktiv einzubeziehen und sie bei der Bewältigung ihrer vielfältigen Aufgaben im Alltag zu unterstützen. Die positive Gesamteinschätzung der Frühförderung durch die Mütter, aber auch die Hinweise auf Problemfelder, in denen die Eltern mehr Hilfen benötigten, sind gut vereinbar mit den Ergebnissen anderer Untersuchungen (Mahoney & Filer, 1996; Peterander, 2000; Lanners & Mombaerts, 2000; Bailey et al., 2004). Ein nicht unbeträchtlicher Anteil der Mütter äußert sich unzufrieden mit der Beratung zur Förderung des Kindes im Alltag, zum Umgang mit schwierigen Verhaltensweisen sowie mit der Vermittlung von weiteren Hilfen sozialrechtlicher und familienentlastender Art. Offenbar besteht sowohl hinsichtlich des Umgangs mit schwierigen Verhaltensweisen als auch hinsichtlich der Berücksichtigung der familiären Belastungen die Notwendigkeit, die Fachkräfte in der Aus- und Fortbildung für diese Aspekte familienorientierten Arbeitens zu sensibilisieren und in ihrer Beratungskompetenz zu stärken, um dem Anspruch familienorientierter Frühförderung in der Praxis umfassend gerecht zu werden. Prof. Dr. Klaus Sarimski Prof. Dr. Manfred Hintermair Dr. Markus Lang Institut für Sonderpädagogik Pädagogische Hochschule Heidelberg Keplerstraße 87 D-69120 Heidelberg sarimski@ph-heidelberg.de hintermair@ph-heidelberg.de lang@ph-heidelberg.de Literatur Abidin, R. (1999). Parenting Stress Index. Short-Form. 3 rd ed. Odessa: Psychological assessment Resources Bailey, D., Hebbeler, K., Scarborough, A., Spiker, D. & Malik, S. (2004). First experiences with early intervention: a national perspective. Pediatrics, 113, 887 -896 Bailey, D., Hebbeler, K., Olmsted, M., Raspa, M. & Bruder, M. (2008). Measuring family outcomes. Considerations in large-scale data collection in early intervention. Infants & Young Children, 23, 194 -206 Donabedian, A. (1980). Explorations in quality assessment and monitoring (Vol. 1): the definition of quality and approaches to its assessment. ann arbor, MI: Health administration Press Engelbert, A. (1999). Familien im Hilfenetz: bedingungen und Folgen der nutzung von Hilfen für behinderte Kinder. Weinheim: Juventa Hauser-Cram, P., Warfield, M., Shonkoff, J. & Krauss, M. (2001). Children with disabilities: a longitudinal study of child development and parent well-being. Monographs of the Society for the Research in Child Development, 66 Krause, M. & Petermann, F. (1997). Soziale Orientierungen von Eltern behinderter Kinder (SOEbEK). göttingen: Hogrefe. 70 FI 2 / 2012 Klaus Sarimski, Manfred Hintermair, Markus Lang Lanners, R. & Mombaerts, D. (2000). Evaluation of parents’ satisfaction with early intervention services within and among European countries: Construction and application of a new parent satisfaction scale. Infants & Young Children 12, 61 -70 Lanners, R., Carolillo, C., Cappelli, M. & Lambert, J.-L. (2003). Die Wirksamkeit der Heilpädagogischen Früherziehung aus Sicht der Eltern. Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre nachbargebiete, 72, 311 -324 Mahoney, G. & Filer, J. (1996). How responsive is early intervention to the priorities and needs of families? topics in Early Childhood Special Education, 16, 437 -457 Mahoney, G., O’Sullivan, P., & Dennebaum, J. (1990). a national study of mothers’ perceptions of family-focused early intervention. Journal of Early Intervention, 14, 133 -146 Mannan, H., Summers, J., Turnbull, A. & Poston, D. (2006). a review of outcome measures in early childhood programs. Journal of Policy and Practice in Intellectual Disabilities, 3, 219 -228 McNaughton, D. (1994). Measuring parent satisfaction with early childhood intervention programs: Current practice, problems, and future perspectives. topics in Early Childhood Special Education 14, 26 -48 Peterander, F. (2000). the best quality cooperation between parents and experts in early intervention. Infants & Young Children, 12, 32 -45 Ravens-Sieberer, U., Morfeld, M., Stein R.E.K., Jessop, D. J., Bullinger, M. & Thyen, U. (2001). Der Familien-belastungs-Fragebogen (Fabel-Fragebogen).testung und Validierung der deutschen Version der „Impact on Family Scale” bei Familien mit behinderten Kindern. Psychotherapie, Psychosomatik, Medizin, 51, 384 -393 Sarimski, K. & Steinhausen, H.-C. (2007). KIDS 2. geistige behinderung und schwere Entwicklungsstörung. göttingen: Hogrefe Schwarzer, R. & Jerusalem. (1999). allgemeine Selbstwirksamkeitserwartung (SWE). Online verfügbar unter: userpage.fu-berlin.de/ ~health/ germscal.htm. [9. 2. 09] Shonkoff, J., Hauser-Cram, P., Krauss, M. & Upshur, C. (1992). Development of infants with disabilities and their families. Monographs of the Society for Research in Child Development, 57 Trivette, C., Dunst, C. & Hamby, D. (2010). Influences of family systems intervention practices on parent-child interactions and child development. topics in Early Childhood Special Education, 30, 3 -19 Ziviani, J., Cuskelly, M. & Feeney, R. (2010). Parent satisfaction with early intervention services for children with physical disabilities. Infants and Young Children, 23, 184 -194
