Frühförderung interdisziplinär
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0721-9121
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/fi2013.art03d
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Psychometrische Eigenschaften der "Kaufman-Assessment Battery for Children" (K-ABC) bei 5- und 6-jährigen Kindern II: Faktorielle Validität in zwei unabhängigen Stichproben
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Gerolf Renner
Die faktorielle Validität der „Kaufman-Assessment Battery for Children“ (K-ABC) wurde mittels exploratorischer Faktorenanalysen (Hauptkomponentenanalyse mit anschließender Varimaxrotation; Bestimmung der Faktorenanzahl durch Parallelanalyse nach Horn) an zwei unabhängigen Stichproben mit insgesamt 815 5- und 6-jährigen Kindern untersucht. Die Analysen zeigten in den verschiedenen Stichproben und Altersgruppen inhomogene Ergebnisse. Bei Analyse der Subtests der Skala Intellek-tueller Fertigkeiten ließ sich die Einteilung in Einzelheitliches und Ganzheitliches Denken teilweise bestätigen, wobei die Zuordnung des Subtests Handbewegungen weniger eindeutig ausfiel. Bei Betrachtung aller Untertests ließ sich die Faktorenstruktur der K-ABC in keiner Analyse replizieren, wobei sich je nach Stichprobe und Altersgruppe ein-, zwei und dreifaktorielle Lösungen fanden. Insbesondere die Interpretation der Fertig-keitenskala als eigenständiger Faktor sollte kritisch betrachtet werden.
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35 Frühförderung interdisziplinär, 32. Jg., S. 35 -42 (2013) DOI 10.2378/ fi2013.art03d © Ernst Reinhardt Verlag ORIgInalaRbEIt Psychometrische Eigenschaften der „Kaufman-Assessment Battery for Children“ (K-ABC) bei 5- und 6-jährigen Kindern II: Faktorielle Validität in zwei unabhängigen Stichproben Gerolf Renner Zusammenfassung: Die faktorielle Validität der „Kaufman-Assessment Battery for Children“ (K-ABC) wurde mittels exploratorischer Faktorenanalysen (Hauptkomponentenanalyse mit anschließender Varimaxrotation; Bestimmung der Faktorenanzahl durch Parallelanalyse nach Horn) an zwei unabhängigen Stichproben mit insgesamt 815 5- und 6-jährigen Kindern untersucht. Die Analysen zeigten in den verschiedenen Stichproben und Altersgruppen inhomogene Ergebnisse. Bei Analyse der Subtests der Skala Intellektueller Fertigkeiten ließ sich die Einteilung in Einzelheitliches und Ganzheitliches Denken teilweise bestätigen, wobei die Zuordnung des Subtests Handbewegungen weniger eindeutig ausfiel. Bei Betrachtung aller Untertests ließ sich die Faktorenstruktur der K-ABC in keiner Analyse replizieren, wobei sich je nach Stichprobe und Altersgruppe ein-, zwei und dreifaktorielle Lösungen fanden. Insbesondere die Interpretation der Fertigkeitenskala als eigenständiger Faktor sollte kritisch betrachtet werden. Schlüsselwörter: Entwicklungsdiagnostik, Faktorenanalyse, Frühdiagnostik, Frühförderung, Intelligenzdiagnostik, K-ABC, Sozialpädiatrie, Validität, Vorschulalter Psychometric properties of the “Kaufman-Assessment Battery of Children” (K-ABC) in 5and 6-year old children II: Factorial validity in two independent samples Summary: The factorial validity of the “Kaufman-Assessment Battery for Children” (K-ABC) was examined by exploratory factor analyses in two independent samples with a total of 815 5and 6-year old children (principal components analysis with subsequent varimax-rotation; number of factors determined by Horn’s parallel analysis). The analyses yielded heterogeneous results in both samples and age groups. A two-factorial structure of the Mental Processing Scale (simultaneous vs. sequential processing) was partially supported by the data, with Hand Movements showing a split loading. In analyses of all subtests the factorial structure of the K-ABC could not be replicated. Depending on sample and age group one-, twoand three-factorial solutions were found. In particular, no factor corresponding to the Achievement Scale emerged. Keywords: Developmental assessment, early intervention, factor analysis, intelligence assessment, K-ABC, preschool age, preschool assessment, validity Einleitung I ntelligenztests werden im Vorschulalter häufig eingesetzt, um im Rahmen der Diagnostik von Entwicklungsstörungen den kognitiven Leistungsstand zuverlässig und differenziert zu beschreiben (s. z. B. Renner/ Irblich, 2009). Zu den in Deutschland weit verbreiteten mehrdimensionalen intelligenzdiagnostischen Verfahren gehört die „Kaufman- Assessment Battery for Children“ (K-ABC; Melchers/ Preuss 1991). Der K-ABC liegt eine dreifaktorielle Struktur zugrunde, die sowohl neuropsychologisch begründete kognitive Verarbeitungsformen (einzelheitlich vs. ganzheitlich) als auch Intelligenz und erworbenes 36 FI 1 / 2013 Gerolf Renner Wissen (Fähigkeiten vs. Fertigkeiten) unterscheidet: Die „Skala einzelheitlichen Denkens“ (SED) dient der Erfassung serieller Kurzzeitgedächtnisleistungen, die „Skala ganzheitlichen Denkens“ (SGD) spricht vorrangig figurale, räumlich-integrative und abstrakt-logische Fähigkeiten an. Diese beiden Skalen werden zu einem Gesamtwert der kognitiven Leistungsfähigkeit, der „Skala intellektueller Fähigkeiten“ zusammengefasst. Die „Fertigkeitenskala“ (FS) dient der ergänzenden Erfassung von Leistungen, die als eher kultur- und bildungsabhängig angesehen werden. Die standardmäßige Auswertung der K-ABC umfasst sowohl die interals auch die intraindividuelle Interpretation dieser Skalen. Aus der Struktur eines Testverfahrens lassen sich Annahmen über die empirischen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Untertests ableiten. Subtests, die gleiche Konstrukte ansprechen und zu einem Gesamtwert zusammengefasst werden, sollten untereinander höher korrelieren als mit konstruktfremden Subtests. Dieser als faktorielle Validität bezeichnete Aspekt der Konstruktvalidität wird empirisch in Faktorenanalysen überprüft, in denen sowohl die Anzahl der Faktoren als auch die Zuordnung der Subtests zu den Faktoren dem theoretischen Modell entsprechen sollten. Die Bedeutung der faktorenanalytischen Validierung wurde auch von den Autoren der K-ABC betont (Melchers/ Preuss, 1991). Allerdings zeigten die empirischen Daten der Normstichprobe bei den hier betrachteten Altersjahrgängen der 5- und 6-Jährigen keine exakte Übereinstimmung mit dem theoretischen Modell. Dies betraf insbesondere den Untertest „Handbewegungen“, der in beiden Altersjahrgängen etwa gleich starke Ladungen auf Faktoren aufwies, die der SED und der SGD entsprachen. Auch für „Rechnen“ und „Bildhaftes Ergänzen“ fanden sich keine eindeutigen Faktorzuordnungen. Trotz der häufigen Anwendung des Verfahrens u. a. in Frühförderstellen (s. Grimm/ Aktaş, 2002) wurden im deutschen Sprachraum kaum empirische Überprüfungen der psychometrischen Eigenschaften der K-ABC vorgenommen. Bei einer Recherche in der psychologischen Datenbank PSYNDEX (Stand: 8. 1. 2012) fanden sich zur faktoriellen Validität zwei einschlägige Untersuchungen von Süss-Burghart (1994, 1995) bei lern- und geistigbehinderten Kindern, in denen sich die Faktorenstruktur des Verfahrens nur teilweise replizieren ließ. Dabei zeigten sich in den verschiedenen Stichproben hinsichtlich Faktorenanzahl und Ladungsmuster heterogene Ergebnisse. Die vorliegende Untersuchung zur faktoriellen Validität der K-ABC erfolgte, um diesem Mangel an unabhängigen Folgestudien abzuhelfen. Dabei sollte überprüft werden, ob sich die zweifaktorielle Einteilung der SIF und die dreifaktorielle Gliederung des Gesamttests bestätigen lassen. Methoden Für die statistischen Analysen standen zwei unabhängige Datensätze zur Verfügung: eine klinisch-sozialpädiatrische Stichprobe 1 und eine Stichprobe, die im Rahmen eines Forschungsprojektes zur Entwicklung von Kindern nach intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) mit der K-ABC getestet wurde 2 (s. Ludwig et al. 2009 a, b). 1 Die Erhebung der sozialpädiatrischen Daten wurde durch ein Forschungsstipendium der Deutschen gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DgSPJ) ermöglicht. 2 Frau Prof. thyen, Universität lübeck, gilt stellvertretend für die Forschergruppe besonderer Dank für die bereitstellung des Datensatzes. 37 FI 1 / 2013 Psychometrische Eigenschaften der „Kaufman-Assessment Battery for Children“ Die Daten der ICSI-Stichprobe wurden im Rahmen einer umfassenden prospektiven Studie zur Entwicklung von nach ICSI geborenen Kindern erhoben, bei der u. a. auch die kognitive Entwicklung im Alter von vier bis sechs Jahren mit der K-ABC untersucht wurde (zu Details s. Ludwig et al. 2009 b). Die nach ICSI geborenen Kinder unterschieden sich in der neurologischen, motorischen, emotionalen und kognitiven Entwicklung nicht von einer Kontrollgruppe, die nach spontaner Empfängnis geboren wurde (Ludwig et al., 2009 a, b, 2010). Die beiden Gruppen konnten daher für die Analysen zusammengefasst und als Normalstichprobe betrachtet werden. In den vorliegenden Analysen wurden 395 5- und 6-jährige Kinder berücksichtigt, bei denen die SIF vollständig durchgeführt worden war (328 5-Jährige, 67 6-Jährige; 196 Jungen, 199 Mädchen). Das mittlere Alter betrug 5; 7 Jahre (SD = 0; 5). Mit einer Ausnahme lagen auch komplette Daten zur FS vor. 88.1 % der Kinder besuchten einen Kindergarten und 2.1 % eine Vorschule, 7.1 % waren bereits eingeschult, 2.0 % wurden ausschließlich zu Hause betreut. Angaben zur Schulbildung der Eltern zeigten einen hohen Anteil Abiturienten (46.9 %), 30.1 % hatten einen mittleren Bildungsabschluss, 9.9 % die Fachhochschulreife. Die sozialpädiatrische Stichprobe umfasste 420 Kinder (144 5-Jährige, 276 6-Jährige; 297 Jungen, 123 Mädchen), die zwischen 1994 und 2008 im SPZ kreuznacher diakonie, Bereichsstellen Idar-Oberstein und Simmern, psychologisch untersucht wurden 3 . Das mittlere Alter betrug 6; 1 Jahre (SD = 0; 6). Die „Fertigkeitenskala“ wurde nur bei einer Teilstichprobe von 78 5-Jährigen und 140 6-Jährigen komplett durchgeführt. Häufigste Hauptdiagnosen nach ICD-10 (Dilling/ Mombour/ Schmidt, 2010) waren Kombinierte Entwicklungsstörungen (F83; 38.4 % der Fälle), Rezeptive Sprachentwicklungsstörungen (F80.2; 8.1 %), Andere Entwicklungsstörungen (F88; 8.1 %), Störungen des Sozialverhaltens (F91.x; 5.7 %), Hyperkinetische Störungen (F90.x; 5.5 %), Motorische Entwicklungsstörungen (F82; 5,2 %) und Artikulationsstörungen (F80.0; 5.0 %). Eine detaillierte Stichprobenbeschreibung findet sich bei Renner/ Schmid/ Irblich/ Krampen (2012). Die Datenauswertung erfolgte mit der Statistiksoftware SPSS 19. Die Eignung der Daten für Faktorenanalysen wurde mittels des Kaiser-Meyer-Olkin-Maßes beurteilt. Getrennt für beide Stichproben und die beiden Altersjahrgänge wurden insgesamt acht Hauptkomponentenanalysen mit anschließender Varimaxrotation durchgeführt. Dabei wurde zum einen die faktorielle Struktur der SIF (7 bzw. 8 Untertests) betrachtet, zum anderen die Struktur des Gesamttests unter Einbeziehung der FS (10 bzw. 11 Untertests). Die Anzahl der zu extrahierenden Faktoren wurde mit der Methode der Parallelanalyse (Horn, 1965) bestimmt, bei der ein empirisch gefundener Eigenwertverlauf mit den Eigenwerten zufällig erzeugter Datensätze verglichen wird. In der Faktorenanalyse werden nur Eigenwerte berücksichtigt, die höher als die korrespondierenden Zufallswerte ausfallen. Zur Erzeugung der Zufallsdaten wurde das Programm Monte Carlo PCA (Watkins, 2006) verwendet. Zur besseren Vergleichbarkeit mit den im Testmanual dargestellten Analysen wird außerdem berichtet, welche Faktorenzahl sich bei Anwendung des Kaiser- Kriteriums (Eigenwert ≥ 1.0) ergeben hätte (zur Problematik dieses Kriteriums s. z. B. Bortz/ Schuster, 2010). 3 Untersuchungsleiter war neben dem autor Dipl.-Psych. Dieter Irblich, leiter der bereichsstelle Simmern des SPZ kreuznacher diakonie. 38 FI 1 / 2013 Gerolf Renner Ergebnisse K-ABC Skalenwerte Die Mittelwerte der K-ABC-Skalen lagen in der sozialpädiatrischen Stichprobe erwartungsgemäß deutlich unter denen der Normstichprobe, in der ICSI-Stichprobe dagegen im Durchschnittsbereich (s. Tabelle 1). T-tests für unabhängige Stichproben zeigten für SIF, SED, SGD und FS jeweils signifikante Gruppenunterschiede(p < .001).InnerhalbderICSI-Stichprobe fanden sich in Übereinstimmung mit den Befunden von Ludwig et al. (2009 b) keine signifikanten Unterschiede zwischen der Kontrollgruppe und den nach ICSI geborenen Kindern. Faktorielle Validität Das Kaiser-Meyer-Olkin-Maß der Stichprobeneignung lag in den durchgeführten Analysen zwischen .63 und .86 und somit im akzeptablen Bereich. Nach der Parallelanalyse ergaben sich in vier Fällen Abweichungen von der im K-ABC-Modell postulierten Faktorenanzahl, bei Anwendung des Kaiser-Kriteriums in drei Fällen (s. Tab. 2). Bei den 5-Jährigen legte die Parallelanalyse in der SPZ-Stichprobe sowohl für die SIF als auch für den Gesamttest eine einfaktorielle Lösung nahe (zu Ladungen und Varianzaufklärung s. Tab. 3 & 4). In der ICSI-Stichprobe fand sich dagegen für die SIF eine zweifaktorielle Lösung, bei der alle Subtests modellkonform der SED oder SGD zugeordnet werden konnten. Bei der dreifaktoriellen Lösung für den Gesamttest wurde Faktor I durch hohe Ladungen von „Dreiecke“, „Räumliches Gedächtnis“ und „Rechnen“ gekennzeichnet. Faktor II entsprach der SED, wobei „Handbewegungen“ nahezu identische Ladungen auf Faktor I und II zeigt. Faktor III wurde von „Gestaltschließen“, „Gesichter & Orte“ und „Rätsel“ markiert. Faktorenanzahl K-ABC Struktur Parallelanalyse Kaiser- Kriterium Datensatz 5-J. 6-J. 5-J. 6.-J. ICSI: SIF 2 2 2 2 3 SPZ: SIF 2 1 2 2 2 ICSI: SIF & FS 3 3 2 3 4 SPZ: SIF & FS 3 1 2 2 3 tab. 2: bestimmung der Faktorenanzahl und Vergleich zur Faktorenstruktur der K-abC Skala Stichprobe SPZ Stichprobe ICSI Mittelwert (SD) Mittelwert (SD) SIF 86.3 (12.1) 103.8 (9.1) SED 84.5 (13.0) 102.4 (12.0) SgD 88.0 (14.9) 105.7 (10.4) FS 82.1 (14.0) 102.5 (11.4) tab. 1: Deskriptive Kennwerte der K-abC Skalen SD = Standardabweichung 39 FI 1 / 2013 Psychometrische Eigenschaften der „Kaufman-Assessment Battery for Children“ Bei den 6-Jährigen bildete die gefundene zweifaktorielle Lösung in beiden Stichproben die Einteilung in SED und SGD gut ab, wobei „Handbewegungen“ bei den SPZ-Kindern nur einen geringen Unterschied in der Ladungshöhe auf den beiden Faktoren zeigte (s. Tab. 5). Die Parallelanalyse sprach in beiden Stichproben auch bei Faktorisierung aller Untertests für zweifaktorielle Modelle, wobei sich Unterschiede in den Ladungsmustern zeigten. In der SPZ-Stichprobe fand sich ein Faktor, der durch alle Untertests der SGD sowie „Handbewegungen“ markiert wurde. Der SPZ ICSI Faktor I I II Handbewegungen .64 .59 .36 Zahlennachsprechen .63 .84 .03 Wortreihe .77 .87 .11 gestaltschließen .57 -.16 .70 Dreiecke .80 .29 .69 bildhaftes Ergänzen .64 .16 .60 Räumliches gedächtnis .75 .24 .66 % Varianzaufklärung a 47.5 28.6 27.1 Stichprobengröße 144 328 tab. 3: Faktorenstruktur der Skala intellektueller Fähigkeiten bei 5-Jährigen bestimmung der Faktorenzahl durch Parallelanalyse Fettdruck für ladungen ≥ .50 a Varianzaufklärung nach Varimaxrotation Stichprobe SPZ ICSI Faktor I I II III Handbewegungen .60 .49 .51 .01 Zahlennachsprechen .74 .06 .81 .22 Wortreihe .82 .22 .83 .12 gestaltschließen .77 .41 -.29 .57 Dreiecke .77 .73 .15 .17 bildhaftes Ergänzen .59 .47 .04 .41 Räumliches gedächtnis .68 .77 .10 .01 gesichter & Orte .65 -.08 .24 .78 Rechnen .78 .63 .46 .14 Rätsel .70 .17 .28 .67 % Varianzaufklärung a 48.6 22.4 20.6 16.7 Stichprobengröße 78 327 tab. 4: Faktorenstruktur der K-abC bei 5-Jährigen bestimmung der Faktorenzahl durch Parallelanalyse Fettdruck für ladungen ≥ .50 a Varianzaufklärung nach Varimaxrotation 40 FI 1 / 2013 Gerolf Renner zweite Faktor wurde gekennzeichnet durch hohe Ladungen von „Zahlennachsprechen“ und „Wortreihe“ sowie allen Untertests der FS. „Rechnen“ zeigte dabei nur geringfügig höhere Ladungen als auf Faktor I. In den IC- SI-Daten wurde der erste Faktor gekennzeichnet durch Ladungen der Untertests „Bildhaftes Ergänzen“, „Fotoserie“, „Gesichter & Orte“ und „Rätsel“. „Rechnen“ lud geringfügig höher auf dem zweiten Faktor, auf dem alle Untertests der SED substanzielle Ladungen zeigten (s. Tab. 6). Stichprobe SPZ ICSI Faktor I II I II Handbewegungen .42 .54 .19 .64 Zahlennachsprechen -.02 .87 -.04 .84 Wortreihe .20 .86 .20 .79 gestaltschließen .62 -.14 .29 .06 Dreiecke .74 .18 .53 .39 bildhaftes Ergänzen .65 .19 .81 .10 Räumliches gedächtnis .76 .21 .45 .34 Fotoserie .71 .33 .86 .01 % Varianzaufklärung a 33.1 25.4 25.5 25.2 Stichprobengröße 276 67 tab. 5: Faktorenstruktur der Skala intellektueller Fähigkeiten bei 6-Jährigen bestimmung der Faktorenzahl durch Parallelanalyse Fettdruck für ladungen ≥ .50 a Varianzaufklärung nach Varimaxrotation Stichprobe SPZ ICSI Faktor I II I II Handbewegungen .59 .35 .12 .65 Zahlennachsprechen .07 .75 -.06 .78 Wortreihe .36 .70 .14 .78 gestaltschließen .65 -.17 .27 .06 Dreiecke .70 .25 .32 .52 bildhaftes Ergänzen .59 .22 .76 .20 Räumliches gedächtnis .85 .06 .24 .45 Fotoserie .72 .38 .78 .11 gesichter & Orte -.02 .61 .68 .10 Rechnen .54 .64 .57 .58 Rätsel .19 .67 .75 .15 % Varianzaufklärung a 30.0 24.5 25.5 23.1 Stichprobengröße 141 67 tab. 6: Faktorenstruktur der K-abC bei 6-Jährigen bestimmung der Faktorenzahl durch Parallelanalyse Fettdruck für ladungen ≥ .50 a Varianzaufklärung nach Varimaxrotation 41 FI 1 / 2013 Psychometrische Eigenschaften der „Kaufman-Assessment Battery for Children“ Fazit Die Ergebnisse der Faktorenanalysen zeigten in den verschiedenen Stichproben inhomogene Ergebnisse. Dabei waren Befundmuster, die eindeutig der Skalenbildung der K-ABC entsprechen, keineswegs die Regel. Dies bezieht sich sowohl auf die Bestimmung der Faktorenanzahl als auch auf die Zuordnung der Untertests zu den Faktoren. Die Einteilung der SIF in SED und SGD ließ sich in der ICSI-Stichprobe und bei den 6-jährigen Kindern in der SPZ-Stichprobe bestätigen, wobei die Zuordnung des Subtests „Handbewegungen“ wie in den Daten der Normierungsstichprobe weniger eindeutig ausfiel. Bei den 5-Jährigen SPZ-Kindern war nach der Parallelanalyse eine einfaktorielle Lösung zu bevorzugen. Deutlichere Abweichungen gegenüber dem K-ABC-Modell zeigten sich bei Analyse aller Untertests. Die Parallelanalysen sprachen nur bei den 5-Jährigen der ICSI-Stichprobe für eine dreifaktorielle Lösung, die allerdings von der erwarteten Ladungsstruktur abwich. In den weiteren Analysen waren einbzw. zweifaktorielle Lösungen angemessen. In keiner der Analysen konnte ein Faktor gefunden werden, der eindeutig der „Fertigkeitenskala“ entsprach. Mehrfach den Erwartungen nicht oder nur bedingt entsprechende Ladungsmuster zeigten wiederum „Handbewegungen“, außerdem „Gestaltschließen“ und „Rechnen“, also Untertests, bei denen schon in den Normierungsdaten Diskrepanzen zum K- ABC-Modell zu erkennen waren. In sechs Analysen ließ sich ein Faktor finden, der klar durch „Zahlennachsprechen“ und „Wortreihe“ markiert wurde und auf dem je nach Stichprobe unterschiedliche weitere Subtests luden: „Handbewegungen“ (entsprechend der Bildung der SED im K-ABC-Modell), „Gesichter & Orte“ und „Rätsel“ (wohl am besten als Verbalfaktor zu interpretieren), aber auch - inhaltlich nicht leicht interpretierbar - „Dreiecke“ und „Rechnen“. Insgesamt ließ sich die Teststruktur der K- ABC in den untersuchten Datensätzen nicht stabil replizieren. Insbesondere die Interpretation der FS als eigenständiger Faktor - somit auch die Gegenüberstellung von Fähigkeiten und Fertigkeiten bei der Profilinterpretation des Gesamttests - sollte in der klinischen Praxis kritisch betrachtet werden. Darüber hinaus ließ sich die Zuordnung einiger Subtests zu SED und SGD durch die vorliegenden Daten nicht durchgehend bestätigen. Bei der Bewertung der Befunde sind im Hinblick auf die Generalisierbarkeit einige Einschränkungen zu berücksichtigen. Die stark selegierte sozialpädiatrische Stichprobe ist durch eine eng umschriebene regionale Herkunft und ein eher niedriges Bildungsniveau der Eltern gekennzeichnet. Es konnten nur Kinder berücksichtigt werden, die zu einer sozialpädiatrischen Abklärung überwiesen wurden und bei denen im SPZ eine einzelfallbezogene Entscheidung für den Einsatz der K-ABC fiel. Auch die ICSI-Stichprobe kann nicht als repräsentativ bezeichnet werden, z. B. im Hinblick auf das hohe Bildungsniveau der Eltern und mögliche Selektionseffekte bei der Stichprobenrekrutierung (s. Ludwig et al., 2009 b). Ziel der Untersuchung war allerdings nicht die Ermittlung populationsrepräsentativer Daten, sondern die Frage, ob sich die im Testmanual publizierten Befunde zur Faktorenstruktur der K-ABC in verschiedenen Stichproben replizieren lassen. Zusätzliche methodische Einschränkungen ergeben sich teilweise hinsichtlich der Stichprobengröße. Das Verhältnis von Versuchspersonen zu Variablen betrug zwar mindestens 6: 1, dennoch basieren einzelne Befunde auf relativ geringen Fallzahlen. Eine Verallgemeinerung auf andere als die hier untersuch- 42 FI 1 / 2013 Gerolf Renner ten Altersjahrgänge ist nicht möglich. Allerdings bestätigt auch eine Metaanalyse von internationalen Untersuchungen bei 10-jährigen Kindern (Ochieng, 2003) die Zweifel an der dreifaktoriellen Struktur unter Einbeziehung der FS. Prof. Dr. Gerolf Renner Pädagogische Hochschule Ludwigsburg Fakultät für Sonderpädagogik Pestalozzistr. 53 72762 Reutlingen Literatur Bortz, J. & Schuster, C. (2010): Statistik für Human- und Sozialwissenschaftler. berlin: Springer Dilling, H., Mombour, W. & Schmidt, M. H. (2010): Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10 Kapitel V (F). Klinisch-diagnostische leitlinien (7., überarbeitete auflage). bern: Huber Grimm, H. & Aktas˛, M. (2002): Entwicklungstests im Vorschulalter: beurteilung ihrer nützlichkeit durch praktisch tätige Psychologen. Frühförderung interdisziplinär, 21, 163 -177 Horn, J. L. (1965): a rationale and test for the number of factors in factor analysis. Psychometrika, 30, 179 -185 Ludwig, A., Hansen, A., Katalinic, A., Sutcliffe, A., Diedrich, K., Ludwig, M. et al. (2010): assessment of vision and hearing in children conceived spontaneously and by ICSI: a prospective controlled, single-blinded follow-up study. 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(2009): Intelligenzdiagnostik. In D. Irblich & g. Renner (Hrsg)., Diagnostik in der klinischen Kinderpsychologie. Die ersten sieben lebensjahre (S. 136 -151). göttingen: Hogrefe Renner, G., Schmid, S., Irblich, D. & Krampen, G. (2012): Psychometrische Eigenschaften der „Kaufman-assessment battery for Children“ (K-abC) bei 5- und 6-jährigen Kindern I: Reliabilität und Validität in einer klinischen Stichprobe. Frühförderung interdisziplinär, 31, 197 -206 Süss-Burghart, Heinz (1994): Die „Kaufman assessment battery for Children (K-abC)“ und der „Hamburg-Wechsler Intelligenztest für Kinder (HaWIK-R)“ in der Diagnostik klinischer Populationen. Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische Psychologie, 15, 41 -47 Süss-Burghart, H. (1995): Die Kaufman assessment battery for Children (K-abC): testergebnisse, Validität und Retestreliabilität bei mental retardierten Kindern. Frühförderung interdisziplinär, 14, 72 -77 Watkins, M. W. (2006): Determining parallel analysis criteria. 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