eJournals Frühförderung interdisziplinär 33/3

Frühförderung interdisziplinär
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0721-9121
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/fi2014.art22d
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2014
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Rezension: Kinderorientierte Familientherapie

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2014
Lothar Unzner
Die Kinderorientierte Familientherapie (KOF) wurde in den achtziger und neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts von dem norwegischen Psychologen und Kinderpsychotherapeuten Martin Soltvedt entwickelt. Sie will die spielerische Kommunikation in der Familie nutzen, um familiäre Interaktionen und die kindlichen Bedürfnisse zu verstehen und zu verändern.
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184 FI 3 / 2014 REZENSIONEN Kinderorientierte Familientherapie Von Bernd Reiners, Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht, 2013, 272 S., ISBN 978-3-525-46268-3, € 24,99 Die Kinderorientierte Familientherapie (KOF) wurde in den achtziger und neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts von dem norwegischen Psychologen und Kinderpsychotherapeuten Martin Soltvedt entwickelt. Sie will die spielerische Kommunikation in der Familie nutzen, um familiäre Interaktionen und die kindlichen Bedürfnisse zu verstehen und zu verändern. Zentrale Begriffe sind gemeinschaftliche Handlung/ Zusammenspiel (der schwedische Begriff des „samhandling“ wird immer wieder verwendet), Bindung und Entwicklung des Selbstwertgefühls. Die KOF ist geeignet für Familien mit Kindern zwischen drei bis vier und zehn bis zwölf Jahren. Im ersten Teil wird die Praxis dargestellt und an einem ausführlichen Fallbeispiel erläutert. Kern der Therapie sind Spielsequenzen von ca. 15 Minuten Dauer, die wenn möglich auf Video aufgezeichnet werden, und die Nachbesprechung mit den Eltern. Das erste Spiel der Therapeutin mit dem Kind im Beisein der Eltern dient dem Kennenlernen, die weiteren umfassen idealerweise die gesamte Familie. Das Spiel ist meist ein Figurenrollenspiel im Sandkasten, bei dem den Alter-Ego-Figuren der Beteiligten eine wichtige Rolle zukommt. Ziel ist es, das Zusammenspiel zwischen Eltern und Kind zu fördern. Im Nachgespräch sollen die Beteiligten ihr eigenes Verhalten reflektieren und auch Parallelen zur Alltagswelt finden. Abschließend werden in diesem Teil die notwendigen Materialien besprochen. Im zweiten Teil des Buches werden die theoretischen Grundlagen herausgearbeitet. Die KFO ist für vielfältige Indikationen geeignet; Eckpfeiler sind Kindertherapie, systemische Therapie und Verhaltenstherapie. Das Menschenbild, das Verständnis von Symptomen, die therapeutische Haltung und die Haltung gegenüber den Eltern werden besprochen. Einen prominenten Platz in den theoretischen Ausführungen nimmt natürlich das kindliche Spiel ein, vor allem der therapeutische Einsatz des Spiels allgemein und in der KFO im Besonderen sowie die Kennzeichen eines entwicklungsfördernden Spiels. In einem eigenen Kapitel wird die Wirksamkeit der KFO diskutiert und skandinavische Untersuchungen dazu vorgestellt. Die KFO beeinflusst sowohl die interne mentale Repräsentation wie das Verhalten, die Interaktion miteinander. Im dritten Teil geht es um Besonderheiten. Obwohl das Sandspiel die bevorzugte Methode darstellt, werden Alternativen zum Sandspiel vorgestellt, in einem längeren Kapitel das themenzentrierte Spielgespräch. Besonderheiten aufseiten des Kindes oder der Eltern (z. B. wenn beide nicht spielen wollen, Aggressivität oder ungünstiges Elternverhalten, bei getrennt lebenden Eltern oder psychisch kranken Eltern) werden thematisiert wie auch spezielle Anwendungsfelder, z. T. durch Gastautoren: Autismus (de Haen) und aufsuchende Familientherapie (Epple und Hau-Belscher), Adoption und Pflegeverhältnisse, Kindeswohlgefährdung. In diesem Buch wird die KOF als ein Ergänzungsverfahren für systemische Therapeuten, die mit Kindern arbeiten, oder Kinderthe- 185 FI 3 / 2014 Rezensionen rapeuten, die die Eltern mit einbeziehen möchten, vorgestellt. Die KOF wird vor allem in Norwegen und Schweden eingesetzt; als Anwendungsbereich wird die Frühförderung ausdrücklich erwähnt. Reiners hebt heraus, dass die KOF auf therapeutischer Seite die Fähigkeit und die Bereitschaft erfordert, sich einer Familie aus dem Blickwinkel des Kindes zu nähern. Die Anregungen, die das Buch gibt, sind gut in die Arbeitsweise der Frühförderung integrierbar. Da es verständlich geschrieben ist und die Begeisterung des Autors miterleben lässt, wünsche ich dem Buch eine weite Verbreitung. Lothar Unzner DOI 10.2378/ fi2014.art22d Ratgeber Sprech- und Sprachstörungen Informationen für Betroffene, Eltern, Lehrer und Erzieher Waldemar von Suchodoletz, Göttingen, Hogrefe Verlag, 2013, 55 S., € 8,95 (Auch als E-Book für € 7,99 erhältlich) Mit diesem 55-seitigen Buch liefert Waldemar von Suchodoletz einen sehr empfehlenswerten Ratgeber zum Thema Spracherwerb und dessen möglichen Störungen. Inhaltlich werden zunächst allgemeine Fragen zum Spracherwerb beantwortet wie etwa: Warum wird eine Sprache erworben? Wann beginnt der Spracherwerb? Welche Fehler darf die Kindersprache aufweisen? Der besonderen Spracherwerbssituation der Mehrsprachigkeit ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Hier wird durch sehr konkrete Aussagen mit bestehenden Mythen rund um das Thema Mehrsprachigkeit aufgeräumt, was sicherlich nicht nur dazu beiträgt, bestehende Unsicherheiten seitens der Eltern, sondern auch seitens des pädagogischen Fachpersonals zu beseitigen. Besonders positiv fällt auf, dass hier gesondert auf das in Ratgebern meist vernachlässigte Thema der Dialekte eingegangen wird. Dialekte stellen jedoch für viele Eltern, v. a. bei bestehenden Sprachentwicklungsstörungen ihrer Kinder, oftmals eine starke Verunsicherung dar. Auch hier gelingt es dem Autor in Kürze wichtige Aspekte zum Umgang mit Dialekten zusammenzufassen. Nach einer Darstellung des ungestörten Ein- und Mehrspracherwerbs geht von Suchodoletz auf die Frage ein: Ab wann ist der Spracherwerbsverlauf (m)eines Kindes als auffällig zu bewerten? Die Klärung dieser scheinbar einfachen Frage ist sowohl für Eltern als auch für pädagogische Fachkräfte äußerst bedeutsam. So können in beiden Gruppen Unsicherheiten bei der Einschätzung der sprachlichen Fähigkeiten eines Kindes bestehen. Diese Unsicherheiten resultieren meist aus dem Vergleich eines Kindes mit Gleichaltrigen. Um die Gefahr, die aus diesen Vergleichen resultiert, wissend, weist der Autor auf einen wesentlichen Aspekt des Spracherwerbsprozesses hin, nämlich darauf, dass „die Reihenfolge des Erwerbs der einzelnen Schritte der Sprachentwicklung (…) zu Beginn bei allen Kindern relativ gleich (ist), nicht aber die Zeitpunkte, zu denen diese bewältigt werden“ (vgl. S. 17). Damit gelingt es ihm zwar wahrscheinlich nicht, die Vergleiche mit Gleichaltrigen zu beenden. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass vorschnelle Einschätzungen damit relativiert werden können. Im Anschluss daran werden Sprach- und Sprechstörungen vorgestellt (Umschriebene und sekundäre Sprachentwicklungsstörungen, Aphasien, Mutismus, Stottern, Poltern, Artikulationsstörungen und Stimmstörungen), wobei der Autor jeweils Informationen zu Präva-