Frühförderung interdisziplinär
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0721-9121
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Tests und Screenings: ET 6-6-R
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Katja Hegner
Beim Entwicklungstest ET 6-6-R handelt es sich um eine Neukonstruktion und Neunormierung des im Jahr 2000 erschienenen ET 6-6. Er umfasst nunmehr 13 Altersgruppen und ist anwendbar im Altersbereich von 6 bis 72 Monaten.
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177 Frühförderung interdisziplinär, 34. Jg., S. 177 -179 (2015) DOI 10.2378/ fi2015.art22d © Ernst Reinhardt Verlag TESTS UND SCREENINGS ET 6-6-R (Entwicklungstest für Kinder von 6 Monaten bis 6 Jahren - Revision) Katja Hegner Von Franz Petermann und Thorsten Macha. Frankfurt am Main (Pearson), 2013; Gesamtsatz bestehend aus Koffer, Testmaterial, Manual, Protokoll- und Auswertungsbögen plus Handbuch „Hilfe zur Testdurchführung“, € 1316,10, mit Auswertungsprogramm € 1439,15, Begleit-DVD € 60,10 Beim Entwicklungstest ET 6-6-R handelt es sich um eine Neukonstruktion und Neunormierung des im Jahr 2000 erschienenen ET 6-6. Er umfasst nunmehr 13 Altersgruppen und ist anwendbar im Altersbereich von 6 bis 72 Monaten. Entwicklungstests sollen Entwicklungsverzögerungen und -störungen abbilden, wobei Entwicklungsauffälligkeiten häufig nicht nur durch eine verlangsamte, sondern eine qualitativ andere Entwicklung gekennzeichnet sind. Der ET 6-6-R orientiert sich zur Erfassung von Entwicklungsauffälligkeiten am Grenzsteinkonzept. Als Grenzsteine werden Fertigkeiten bezeichnet, die für eine ungestörte Entwicklung zu einem bestimmten Lebensalter erworben werden sollten. Die Grenzsteine geben Zeitpunkte an, zu denen 90 bis 95 % der Kinder die jeweilige Fertigkeit ausführen können. Sie sind gekennzeichnet durch eine hohe inhaltliche Relevanz für die normale Entwicklung, eine präzise Kenntnis des Zeitpunktes, zu dem fast alle Kinder die Fertigkeit erworben haben, sowie eine hohe prognostische Validität für Entwicklungsauffälligkeiten. Durchführung Der ET 6-6-R wird als Individualtest mit dem Kind alleine oder in Anwesenheit einer Bezugsperson, die sich im Hintergrund neutral verhalten soll, durchgeführt. Hinweise zur Alterskorrektur und zur Reihenfolge, in der die Bearbeitung der Aufgaben erfolgt, werden gegeben. Dem Kind werden je nach Altersgruppe zahlreiche verschiedene Materialien vorgelegt und der Umgang damit bewertet. Die Materialien kommen teilweise in allen Altersgruppen zum Einsatz. So wird beispielsweise vom Säugling das Greifen nach einem Würfel verlangt, beim Kleinkind das Aufheben desselben und vom Vorschulkind das Nachbauen einer dreistufigen Treppe. Der Untertest Nachzeichnen wird ab dem Alter von 42 Monaten durchgeführt und mittels einer Schablone ausgewertet. Die sozial-emotionale Entwicklung wird über einen Elternfragebogen erhoben. Empfehlungen zum Einsatz als Erstdiagnostik und zur Verlaufskontrolle liegen vor. 178 FI 3 / 2015 Tests und Screenings Normierung Die Normierungsstichprobe umfasste 1053 Kinder ohne gravierende Entwicklungsauffälligkeiten aus fünf verschiedenen Regionen Deutschlands. Als Testkennwerte wurden berechnet: n die Aufgabenschwierigkeiten in den Altersgruppen n für den Subtest Nachzeichnen die durchschnittlichen Punktwerte und ihre Streuungen n die Entwicklungsquotienten und die dazugehörigen Prozentränge n die kritischen Differenzen der Entwicklungsquotienten. Gütekriterien Objektivität: Durch sehr detaillierte und standardisierte Anweisungen zur Aufgabendurchführung und Auswertung der Lösungen und Ergebnisse ist eine gute Objektivität gegeben. Reliabilität: Die Reliabilität schätzen die Autoren über die innere Konsistenz der Einzelskalen. Sie liegen über die Altersgruppen gemittelt je nach Skala zwischen a = .66 bis a = .77. Validität: Bezüglich der inhaltlichen Validität verweisen die Autoren darauf, dass die Skalen relevante Bereiche der kindlichen Entwicklung mit typischerweise zu erwartenden Leistungen und Fertigkeiten abbilden, wie sie in entwicklungspsychologischer Literatur und Forschung auftreten. In Bezug auf die Konstruktvalidität werden moderate Skaleninterkorrelationen und mit dem Alter kontinuierlich steigende Lösungswahrscheinlichkeiten der Aufgaben berichtet. Die Autoren verweisen bezüglich der kriterienbezogenen Validität auf Korrelationen der Vorgängerversion ET 6-6 mit ähnlichen Testverfahren und Untersuchungen an klinischen Stichproben. Umfassende empirische Untersuchungen zur Validierung der aktuellen Fassung stehen noch aus und sind in Planung. Veränderungen gegenüber der Vorgängerversion Die revidierte Fassung ist gekennzeichnet durch eine erweiterte Aufgabenauswahl, einen erhöhten Standardisierungsgrad der Aufgaben und eine verbesserte Auswertung. Zudem werden die Ergebnisse in nunmehr nur noch fünf elementaren Entwicklungsbereichen dargestellt (Körpermotorik, Handmotorik, kognitive Entwicklung, Sprachentwicklung und sozial-emotionale Entwicklung) sowie ab dem Alter von 42 Monaten zusätzlich im Subtest Nachzeichnen. Die Altersgruppe 6 -9 Monate wurde in der Neufassung nochmals geteilt. Das Entwicklungsprofil liefert nun für alle Altersgruppen und getesteten Bereiche einheitliche Entwicklungsquotienten und standardisierte Abweichungsmaße. Die Leistungen in den Einzelbereichen werden einheitlich in die Kategorien „unauffällig“, „Risikobereich“ und „gravierende Entwicklungsdefizite“ eingeteilt. Mithilfe der gelösten bzw. nicht gelösten Aufgaben lässt sich überprüfen, ob die Grenzsteine der Entwicklung erreicht wurden. Auch die grafische Darstellung der Ergebnisse wurde verbessert. Bewertung Die Zuordnung mancher Items zu bestimmten Einzelskalen kann kritisch hinterfragt werden: So werden beispielsweise die korrekte Benennung von Farben und Kategorien der Sprachskala zugeordnet. In die Sprachskala fließt da- 179 FI 3 / 2015 Tests und Screenings gegen das Vorliegen von Dyslalien nicht ein. Es liegt keine Anweisung vor, wie bei der Aufgabe „Silben nachsprechen“ mit Wiedergabefehlern aufgrund von Dyslalien zu verfahren ist. In der Skala Handmotorik ist zudem eine nicht festgelegte Händigkeit ohne Belang. Bei der Durchführungsdauer, die von den Autoren mit maximal 50 Minuten angegeben wird, ist ein zusätzlicher Zeitbedarf einzurechnen, um Bezugspersonen in der Bearbeitung des Fragebogens zu unterstützen, die nicht über ausreichende Deutschkenntnisse und Lesefertigkeiten verfügen (Elternfragebögen in türkischer Sprache sind bestellbar). Positiv sind die ansonsten klaren Durchführungs- und Auswertungshinweise sowie die diesbezügliche Begleit-DVD. Die Durchführungshilfe mit einer übersichtlichen Kurzfassung der Aufgaben ist sehr praktisch. Das Auswerteprogramm ist gut handhabbar, zeigt nicht erreichte Grenzsteine und signifikante Differenzen zwischen den einzelnen Entwicklungsbereichen auf und ist aufgrund der übersichtlichen farbigen Darstellung des Entwicklungsprofils Eltern gut erklärbar. Der ET 6-6-R ist ein Verfahren, das einen guten ersten Überblick über die Fähigkeiten eines Kindes vermittelt und Bereiche aufzeigt, in denen eine weiterführende Diagnostik mit spezielleren Testverfahren stattfinden sollte. Durch das sehr ansprechende, qualitativ hochwertige Material und die abwechslungsreichen Aufgaben lassen sich Kinder aller Altersgruppen gerne auf die Testsituation ein. Insbesondere für die Altersgruppe der dreibis vierjährigen Kinder ist der Test gut geeignet. Katja Hegner, Dipl.-Psychologin Interdisziplinäre Frühförderstelle Erding Münchener Straße 1 85435 Erding
