eJournals Frühförderung interdisziplinär 35/3

Frühförderung interdisziplinär
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0721-9121
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/fi2016.art23d
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2016
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Aus der Praxis: Implementierung eines ICF-basierten Systems für die Teilhabeplanung in einem Berufsbildungswerk

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2016
Thomas Winkler
Walter Krug
Spätestens seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention durch die Bundesrepublik Deutschland sind rein defizit- und behinderungsorientierte Sichtweisen und Ansätze in den Feldern der Behindertenhilfe fragwürdig und werden entsprechend kritisiert. Stattdessen rücken die Berücksichtigung und Beschreibung von individuellen Stärken und Ressourcen in den Vordergrund der Behandlungs- und Teilhabeplanung.
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174 Frühförderung interdisziplinär, 35.-Jg., S.-174 - 179 (2016) DOI 10.2378/ fi2016.art23d © Ernst Reinhardt Verlag AUS DER PRAXIS Implementierung eines ICF-basierten Systems für die Teilhabeplanung in einem Berufsbildungswerk Thomas Winkler, Walter Krug Einleitung Spätestens seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention durch die Bundesrepublik Deutschland sind rein defizit- und behinderungsorientierte Sichtweisen und Ansätze in den Feldern der Behindertenhilfe fragwürdig und werden entsprechend kritisiert. Stattdessen rücken die Berücksichtigung und Beschreibung von individuellen Stärken und Ressourcen in den Vordergrund der Behandlungs- und Teilhabeplanung. Eine Mitentscheidung über Art und Umfang der Unterstützung durch den behinderten Menschen gewinnt immer stärker an Bedeutung. Zusätzlich wird Behinderung vermehrt als Zusammenwirken von Person- und Umweltfaktoren verstanden. Um diesem Paradigmenwandel hinreichend Rechnung zu tragen, gilt es für die Akteure die daraus resultierenden notwendigen Rahmenbedingungen zu entwickeln und differenziert zu beschreiben. Als ein Instrumentarium hierfür bietet sich die „Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Umwelt“ (ICF) an, da sie nicht nur durch eine Vereinheitlichung der Sprache eine interdisziplinäre Zusammenarbeit erleichtert und Behinderung bzw. ihre Auswirkungen nicht nur als personenimmanentes Problem begreift, sondern auch die beeinflussenden (gesellschaftlichen) Rahmenbedingungen in den Fokus rückt. Die Berufsbildungswerke haben sich in ihren jeweiligen „Leistungsbeschreibungen“ verpflichtet, neben den gesetzlichen Grundlagen, die sich aus den entsprechenden Sozialgesetzbüchern (SGB IX und SGB III) ableiten, auch die Vorgaben, die sich aus der UN-Behindertenrechtskonvention (UN- BRK) ergeben, im Rehabilitationsprozess umzusetzen. Die in diesen Quellen geforderte individualisierte und differenzierte Leistungserbringung jenseits eines „Maßnahmedenkens“ kann besonders gut mithilfe der ICF verwirklicht werden. Über die ICF können nicht nur die interdependenten Abhängigkeiten zwischen „Behinderung“, „Person“ und „Umwelt“ abgebildet werden, sondern es besteht die Möglichkeit, den Teilnehmer aktiv an der Gestaltung seines Rehabilitationsprozesses zu beteiligen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Berufsbildungswerke (BAG BBW) hat durch die Einsetzung eines „Fachausschusses ICF“ im Jahre 2011 bzw. der „Projektgruppe ICF“ im Jahre 2013 auf diese Situation reagiert: Zielsetzung war eine Vereinheitlichung der Prozesssteuerung (vor-)beruflicher Rehabilitationsmaßnahmen von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen, bei zugleich stärkerer Berücksichtigung individueller Faktoren, auf Grundlage der ICF. Einige Berufsbildungswerke, unter ihnen auch das B.B.W. St. Franziskus Abensberg, haben durch die Entwicklung einer sogenannten „Standardliste ICF“ versucht die Vorgaben und theoretischen Implikationen, die sich aus der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit ableiten, durch Anpassungen an die jeweiligen strukturellen, personellen und Zielgruppenbedingungen ihrer Organisation handhabbar zu machen. Die „Standardliste ICF“ Über das beschriebene Verfahren wird versucht einerseits behinderungsrelevante Faktoren zu operationalisieren, andererseits durch eine strikte Beschränkung der Anzahl der Faktoren eine Hand- 175 FI 3/ 2016 Aus der Praxis habbarkeit für alltägliche Planungs- und Handlungsprozesse herzustellen. Kernelement des entwickelten Instrumentariums bildet die von den beteiligten Berufsbildungswerken entwickelte sogenannte „ICF-Standardliste“, die in der aktuellen Version 1.1 insgesamt 49 Items (3bzw. 4-stellig) umfasst: 18 Merkmale sind dem Bereich „Körperfunktionen“ zugeordnet, 25 dem Bereich „Aktivitäten und Partizipation“ sowie 6 ausgewählte „Umweltfaktoren“. Im Sinne einer Basisliste sind Erweiterungen dieser Liste durch Berufsbildungswerke vor Ort konzeptionell vorgesehen und wohl auch notwendig. Optionale Ergänzungen umfassen z. B. spezielle behinderungsspezifische Aspekte bei Sinnesbehinderungen oder psychischen Erkrankungen. Für jedes Item wurde zur besseren Verständlichkeit und für die Zusammenarbeit zwischen den Reha-Fachkräften eine Kurzbezeichnung gewählt, die am Reha-Alltag ansetzt und teilweise von der originalen Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zwar geringfügig abweicht, aber prinzipiell eine Rückführung in die Begrifflichkeiten und Logik der ICF erlaubt. Darüber hinaus wurde versucht, mithilfe von sogenannten Leitfragen die Items für die Anwender in arbeitsfeldbezogener Form zu konkretisieren. Getragen wurde diese Herangehensweise von der Überzeugung, dass nur durch ein pragmatisches und vereinfachendes Konzept der Standardliste eine ausreichende Anwenderfreundlichkeit und damit die tatsächliche Nutzung im Rehabilitationsprozess gesichert werden können. Operationalisierungsbedarf ergab sich auch hinsichtlich der in der ICF vorgeschlagenen Skalierung der Items: So wurde im Bereich der Umweltfaktoren auf die sehr differenzierte Unterscheidung Item Bezeichnung WHO Bezeichnung BBW Leitfragen b1300 Ausmaß der psychischen Energie Antrieb / Durchhaltevermögen Hat der Rehabilitand genügend Energie, um seine Aufgaben zu Ende zu bringen? Wirkt der Rehabilitand schwungvoll und energisch? d155 sich Tätigkeiten aneignen Zuwachs an beruflicher Handlungsfähigkeit Lernt der Rehabilitand dazu (Lerninhalte, Tätigkeiten …)? Reicht das individuelle Lerntempo zum Erwerb der Maßnahme relevanten Fertigkeiten aus? d350 Konversation Fähigkeit zur Gesprächsführung Kann der Rehabilitand auf angemessene Weise ein Gespräch beginnen (z. B. Kundenkontakt)? Passt das Gesprächsverhalten zur jeweiligen Situation? Kann er ein Gespräch aufrechterhalten? Rückversichert er sich ggf., ob er verstanden wurde? Ist der Rehabilitand dazu imstande, ein Gespräch auf angemessene Weise zu beenden? d570 auf seine Gesundheit achten Gesundheitskompetenz Werden Regeln und Praktiken zur Beibehaltung und Verbesserung der persönlichen Gesundheit eingehalten? Dazu gehören: n auf eine ausgewogene Ernährung achten n auf genügend Schlaf achten n auf ein angemessenes Maß an körperlicher Bewegung achten, für die notwendigen ärztlichen Untersuchungen sorgen und ärztliche Empfehlungen (z. B. Medikamenteneinnahme, Bettruhe) umsetzen n auf die eigenen Beschränkungen in angemessenem Maß Rücksicht nehmen n sicheren Sex praktizieren Tab. 1: Standardliste mit veränderten Itembezeichnungen und den dazugehörigen Leitfragen (Beispiele für Items) 176 FI 3/ 2016 Aus der Praxis (-4 bis +4) der ICF verzichtet und diese durch die Einteilung „Förderfaktor“ (F), „neutral“ (N) und „Barriere“ (B) ersetzt (vgl. Tab. 2). Weiterhin notwendig war eine Präzisierung und Umwertung der ICF-Skalierungen im Bereich „Körperfunktionen“ bzw. „Aktivitäten und Partizipation“, da die Vorgaben der ICF eine „alltagstaugliche“ Praktikabilität nur begrenzt zulassen. Zudem erscheint es für den Bereich der beruflichen Rehabilitation notwendig zu sein, die Einschätzung eines Merkmals als „Ressource“ (R) zu ermöglichen, um damit besondere Förderfaktoren besonders herausarbeiten zu können (vgl. Tab. 3). Um den Mitarbeitern der unterschiedlichen Professionen die Einschätzungen zu erleichtern bzw. um eine Bezugsgröße für die Einschätzungen bieten zu können, wurde festgelegt, dass sich diese immer auf das Teilhabeziel der entsprechenden Maßnahme zu beziehen haben. Im Bereich „Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme“ kann dieses Teilhabeziel beispielsweise heißen: „Erreichen der Ausbildungsreife im Beruf…“. Ob die Angabe nur eines Teilhabezieles über die ganze Maßnahme hinweg ausreichend ist oder hier weitere Differenzierungen vorzunehmen sind, müssen Evaluierungen zu einem späteren Zeitpunkt zeigen. Diese Forderung der Bezugnahme auf ein konkretes Teilhabeziel ist für Komplexeinrichtungen wie Berufsbildungswerke von entscheidender Wichtigkeit, da die Einschätzungen auf dieser Ebene einen zentralen Steuerungsmechanismus für die Bereitstellung sogenannter „Unterstützungsleistungen“ 1 darstellen. Während bei Bewertungen „0“ oder „1“ keine über das Regelangebot hinausreichenden Hilfsangebote zur Anwendung kommen, sind bei Bewertungen auf Stufe „3“ Unter- Barriere Neutral Förderfaktor ICF Bewertung nach der Standardliste -4 -3 -2 -1 B 0 N +1 +2 +3 +4 F Tab. 2: Vereinfachte Einteilung der Umweltfaktoren in „Förderfaktor“ (F), „neutral“ (N) und „Barriere“ (B) Wert ICF-Terminologie In % Beschreibung Abensberg 1 xxx.R 2 Besondere Ressource xxx.0 Problem nicht vorhanden 0 - 4 Keine Einschränkung, Teilnehmer kann Alltag (beruflich, sozial) bewältigen xxx.1 Problem leicht ausgeprägt 5 - 24 Leichte Einschränkung, kann Alltag (beruflich, sozial) mithilfe der Regelangebote des BBW bewältigen xxx.2 Problem mäßig ausgeprägt 25 - 49 Deutliche Einschränkung, kann Alltag (beruflich, sozial) ohne besondere Hilfen alleine nicht bewältigen xxx.3 Problem stark ausgeprägt 50 - 94 Massive Einschränkung, Risikofaktor für Teilhabeziel, ganz besondere, spezialisierte Hilfen erforderlich xxx.4 Problem erheblich ausgeprägt 95 - 100 Teilhabeziel nicht erreichbar Tab. 3: Präzisierung und Umwertung der ICF-Skalierungen im Bereich „Körperfunktionen“ bzw. „Aktivitäten und Partizipation“ 1 „Unterstützungsleistungen“ sehen wir als von der individuellen Problematik des Teilnehmers ausgehende diagnosegeleitete Fördermaßnahmen, die sich von Regelleistungen, also allen Maßnahmen und Prozessen, die dem Teilnehmer standardmäßig zukommen, qualitativ abheben. 177 FI 3/ 2016 Aus der Praxis stützungsleistungen von internen oder externen Spezialisten dringend geboten, soll das Teilhabeziel erreicht werden. Hierdurch ergeben sich schlussendlich folgende Listen für die entsprechenden Komponenten der ICF, mithilfe derer die Mitarbeiter ihre Einschätzungen praktisch vornehmen (vgl. Tab. 4/ 5). Angemerkt sei an dieser Stelle noch, dass die Mitarbeiter nicht alle 49 Items der „Standardliste ICF“ zu bewerten haben, sondern bestimmte Items wurden festgelegten Mitarbeitergruppen im Rehabilitationsprozess zugeordnet. Auch ist die Anzahl der zu beurteilenden Items abhängig vom Zeitraum, auf den sich die Einschätzung bezieht. Die geschilderten Anpassungsleistungen bzw. -notwendigkeiten waren den Verantwortlichen für den Implementierungsprozess weder von Beginn an klar, noch ergaben sie sich ,a priori‘. Vielmehr stammten sie aus Erfahrungen und Rückmeldungen eines ersten Probelaufes, der im Bereich „Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen“ in den Jahren 2013 und 2014 durchgeführt wurde 2 . Es zeigte sich deutlich, dass die Konzeptionierung der Pilotphase sowohl mitarbeiterbezogene Interessenslagen, strukturelle Wechselwirkungen wie auch systemische Zusammenhänge zu sehr vernachlässigte. Insgesamt kann diese erste Herangehensweise selbstkritisch betrachtet als zu ,dogmatisch‘ (i. S. v. zu stark an den Originalbegriffen und Originalvorgaben der ICF haftend) und als zu wenig komplexitätsreduzierend beschrieben werden. Perspektivische Überlegungen Im Allgemeinen und über die konkrete Anwendung hinaus sehen wir durch den Einsatz der ICF als System für eine wirksame und individualisierte Teilhabeplanung folgende Möglichkeiten, Chancen, aber auch Risiken: Möglichkeiten n mehrdimensionale, systemische Perspektive auf den Teilnehmer unter Einbezug von Umwelt- und Kontextfaktoren n individualisierende und differenzierte Sichtweise für die Rehabilitation n einheitliches Diagnose- und Sprachsystem über die verschiedenen Gesetzes- und Hilfesysteme hinweg 2 Beteiligt waren über 100 Mitarbeiter aus den Bereichen „Qualifizierung“, „Wohnen“, „Schule“, „Medizinischer Dienst“, „Psychologischer Dienst“, „Fachdienst Autismus“ und „Fachdienst Lernförderung“. Bezeichnung BBW Leitfragen Bewertung Antrieb / Durchhaltevermögen Hat der Rehabilitand genügend Energie, um seine Aufgaben zu Ende zu bringen? Wirkt der Rehabilitand schwungvoll und energisch? R 0 1 2 3 4 Tab. 4: Beispiel zur Einschätzung der Komponente Antrieb/ Durchhaltevermögen Bezeichnung BBW Leitfragen Bewertung Bildungs- und Ausbildungswesen (BBW ) Ist die Einrichtung bzw. die Maßnahme im Moment das Richtige für den Rehabilitanden? Sind die Rahmenbedingungen (z. B. betreuende Personen, Ausbildungsgruppe, Klassengröße, Örtlichkeiten) oder andere Umstände in der Einrichtung für den Rehabilitanden geeignet? B N F Tab. 5: Beispiel zur Einschätzung der Komponente Bildungs- und Ausbildungswesen 178 FI 3/ 2016 Aus der Praxis n Voraussetzung für standardisierte und objektivierte diagnostische Einschätzungen unabhängig vom Hilfesystem n Berücksichtigung von Barrieren und Förderfaktoren außerhalb der Person des Betroffenen Chancen n durch den Einsatz von bereichsbzw. professionsspezifischen Itemlisten wird die Handhabbarkeit erleichtert bzw. die Komplexität reduziert n durch eine Vereinheitlichung der Sprache werden eine bessere Zielabstimmung, ein leichterer Informationsaustausch und eine klarere Aufgabenverteilung zwischen verschiedenen Hilfesystemen möglich n mehrdimensionale Diagnostik und Verlaufsdiagnostik durch ICF möglich n objektive Bestimmung der Eingangsqualität (= Symptombelastung und Einschränkung) kann über ICF möglich werden und könnte zu differenzierten Kostensätzen in der Rehabilitation führen n die ICF eröffnet die Möglichkeit einer konsequenten Prozesssteuerung Risiken n hoch differenziertes System, das aufgrund der Menge der Items schwer zu handhaben ist n „Technisierung“ der Rehabilitation n durch den hohen Abstraktionsgrad ist die Übersetzung in das praktische Rehabilitationsgeschehen (die Ableitung von Zielen und Maßnahmen erfordert hohen Aufwand und ist nur schwer eindeutig zu vollziehen) erschwert. n Ressourcen und Stärken von Rehabilitanden sind im derzeit gültigen System der ICF nicht hinreichend abbildbar n derzeit unabhängige Entwicklungen praktizierter Systeme gefährden die Einführung eines einheitlichen Systems Unabhängig von dieser eher allgemeinen Perspektive sehen wir für unsere Einrichtung folgende weitere konkrete Fragestellungen und Entwicklungspfade. Sie betreffen die Implementierung der ICF in unserem Berufsbildungswerk und die damit verbundenen „Übersetzungs- und Anpassungsnotwendigkeiten“: n Wie lassen sich die maßnahme- und professionsspezifischen und am jeweiligen Teilhabeziel orientierten Itemlisten in unser elektronisches Teilnehmerverwaltungssystem einbinden? n Sind die Leitfragen, die jedes der 49 Items beschreiben, hinreichend verständlich und präzise? n Sind die Items in der augenblicklich vorliegenden Form der Standardliste zahlenmäßig und inhaltlich ausreichend oder sind diese durch maßnahme-, störungs- oder berufsspezifische Aspekte zu ergänzen? n Inwieweit und auf welche Weise können personenbezogene Faktoren (z. B. individuelle Neigungen, Interessen), die in der aktuell gültigen Fassung der ICF noch nicht klassifiziert werden, in die Standardliste Einzug finden? n Reicht eine ,abstrakte‘ Formulierung von Teilhabezielen (z. B. im Rahmen von Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen: „Erreichen von Arbeitsbzw. Ausbildungsreife“) als Grundlage für die Einschätzungen aus oder sind hier stärkere Differenzierungen vorzunehmen? n Welche Auswirkungen ergeben sich durch die Anwendung der Standardliste auf interne Rehabilitations-/ Förderprozesse? n Wird durch die Standardliste eine Maßnahme unabhängige Standardisierung des Berichtswesens möglich? n Können spezifische Testkataloge als Grundlage für die Einschätzung der einzelnen Items bzw. Validierung dieser Einschätzungen entwickelt werden? n Wie gelingt die Beteiligung des und die Einflussnahme auf die Planung durch den jeweiligen Teilnehmer? Da ein gelingender Rehabilitationsprozess nicht nur die individuellen Voraussetzungen und Bedarfe abbilden muss, sondern auch die Möglichkeit der aktiven Beteiligung des Teilnehmers zu sichern hat, ist ein verständlicher, barrierefreier Teilnehmer- 179 FI 3/ 2016 Aus der Praxis fragebogen i. S. einer eigenen Bewertung seiner Potenziale, Ressourcen, Schwächen, aber auch Erwartungen an den Rehabilitationsverlauf zu entwickeln. Diese Betrachtungen dürfen vom Leser nicht als abschließend bewertet werden, da dies statische Zustände der Inhalte und der Rahmenbedingungen von Rehabilitationsprozessen unterstellen bzw. weiterführenden Erfahrungen einen zu geringen Stellenwert einräumen würde. Vielmehr stellt der Beitrag eine aktuelle Bestandsaufnahme in einem nachhaltigen Entwicklungsprozess dar, der noch über mehrere Jahre laufen wird. Bisherige Ergebnisse bei der Implementierung und Umsetzung einer ICF-basierten Teilhabeplanung - nicht nur unseres Hauses, sondern auch anderer Berufsbildungswerke - deuten aber darauf hin, dass sich n die Reha-Vorgeschichte, der Reha-Verlauf sowie die spätere Integration in Arbeit durch die Systematik der ICF besser als bisher über alle Phasen hinweg abbilden lassen n die Reha-Planung stärker als in der Vergangenheit auf das jeweilige konkrete Teilhabeziel bezieht n durch die Berücksichtigung der Kontextfaktoren der Blick auf mögliche Ressourcen erweitert und n die Kommunikation und Zusammenarbeit der Reha-Fachkräfte durch eine gemeinsame „Sprache“ verbessert und der Reha-Verlauf somit transparenter abgebildet werden kann. Fazit Soll der gesamte Implementierungsprozess eines ICF-basierten Systems, beginnend mit den Vorüberlegungen bis hin zur flächendeckenden Einführung, in das Blickfeld genommen werden, muss den vorliegenden Erfahrungen nach ein erfolgreicher Prozess von folgenden Überzeugungen getragen werden: Zum einen können nur durch eine relativ pragmatische und vereinfachende Konzeptionierung eine breite Akzeptanz und ein hohes Ausmaß an Anwenderfreundlichkeit und damit die tatsächliche Nutzung im Rehabilitationsprozess gesichert werden. Zum anderen wird nur durch eine ausgeprägte Flexibilität der einrichtungsimmanenten Strukturen der entstehenden Dynamik hinreichend Entfaltungsraum gegeben. Die Erfahrung zeigt auch, dass die Art und Weise der Einführung, die inhaltlichen Vorgaben oder das ,Einführungstempo‘ nicht von einer Organisation auf eine andere problemlos übertragbar sind. Die Implementation muss bezogen auf die Zielgruppen, die Organisation, die vorhandenen Strukturen und die Mitarbeiter bewusst gestaltet werden. Aber dann lohnt sich der Aufwand, die ICF für Rehabilitationsprozesse zu zähmen. Thomas Winkler & Walter Krug BBW St. Franziskus Abensberg Regensburgerstraße 60 93326 Abensberg thomas.winkler@bbw-abensberg.de