Frühförderung interdisziplinär
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0721-9121
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2017
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Tests und Screenings: Komm!-Bogen: Elternfragebogen zur Erfassung des vorsprachlichen Kommunikationsverhaltens bei minimal verbalen Kindern mit Behinderung
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2017
Christina Müller
Brigitte Caroli
Hinweis: Bei diesem Beitrag handelt es sich nicht um den KOMM!-Fragebogen selbst, sondern um einen Beitrag in der Fachzeitschrift "Frühförderung interdisziplinär", in dem der Fragebogen und verschiedene Auswertungsmöglichkeiten vorgestellt werden.
Kinder mit gravierenden sozial-kognitiven Beeinträchtigungen brauchen häufig eine gezielte und kleinschrittige Kommunikationsförderung, um den kommunikativen Gebrauch von non-verbalen und verbalen Signalen zu erlernen. Mit dem „Fragebogen zum kommunikativen Verhalten – ‚Komm!‘ (Komm!-Bogen)“ wird ein neues Elternbefragungsinstrument vorgelegt, das die Qualität des vorsprachlichen Kommunikationsverhaltens bei einem nicht oder kaum sprechenden Kind erfassen und die Ableitung passgenauer Förderziele für die Intervention ermöglichen soll. In diesem Beitrag werden der Aufbau des Bogens und verschiedene Auswertungsmöglichkeiten vorgestellt. Anhand von zwei Kasuistiken (Vorschulkinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung) werden zudem die klinischen Anwendungsmöglichkeiten des Bogens für die Förderplanung und für die Evaluation von Entwicklungsfortschritten demonstriert.
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211 Frühförderung interdisziplinär, 36.-Jg., S.-211 - 223 (2017) DOI 10.2378/ fi2017.art20d © Ernst Reinhardt Verlag TESTS UND SCREENINGS Komm! -Bogen: Elternfragebogen zur Erfassung des vorsprachlichen Kommunikationsverhaltens bei minimal verbalen Kindern mit Behinderung Christina Müller 1 , Brigitte Caroli 2 1 Westfälisches Institut für Entwicklungsförderung, Bielefeld 2 Zentrum für Heilpädagogik Sabine Weber, Halle (Westf.) Zusammenfassung: Kinder mit gravierenden sozial-kognitiven Beeinträchtigungen brauchen häufig eine gezielte und kleinschrittige Kommunikationsförderung, um den kommunikativen Gebrauch von non-verbalen und verbalen Signalen zu erlernen. Mit dem „Fragebogen zum kommunikativen Verhalten - ‚Komm! ‘ (Komm! -Bogen)“ wird ein neues Elternbefragungsinstrument vorgelegt, das die Qualität des vorsprachlichen Kommunikationsverhaltens bei einem nicht oder kaum sprechenden Kind erfassen und die Ableitung passgenauer Förderziele für die Intervention ermöglichen soll. In diesem Beitrag werden der Aufbau des Bogens und verschiedene Auswertungsmöglichkeiten vorgestellt. Anhand von zwei Kasuistiken (Vorschulkinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung) werden zudem die klinischen Anwendungsmöglichkeiten des Bogens für die Förderplanung und für die Evaluation von Entwicklungsfortschritten demonstriert. Schlüsselwörter: Kommunikationsförderung, Entwicklungsdiagnostik, Elternfragebogen, Förderplanung, Autismus-Spektrum-Störung Typisch entwickelten Kindern gelingt es zumeist gegen Ende des ersten Lebensjahres, ihre Wünsche und Bedürfnisse absichtsvoll (intentional) mitzuteilen und dafür ein breites Spektrum an unterschiedlichen Kommunikationsmitteln zu nutzen (vgl. Müller et al. in diesem Heft). Der Aufbau von Kompetenzen im Bereich der intentionalen Kommunikation stellt für viele Kinder mit sozialkognitiven Beeinträchtigungen (z. B. schwere geistige Behinderung, Autismus-Spektrum-Störung auf niedrigem Funktionsniveau) eine große Hürde dar, die sie ohne eine gezielte Förderung nur mit Mühe oder gar nicht bewältigen. Besonders viele Studien liegen hierzu für Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) vor. Es konnte u. a. gezeigt werden, dass Kinder mit ASS im frühen Kindesalter seltener intentional kommunizieren und besondere Schwierigkeiten im Gebrauch deiktischer Gesten haben (Chiang et al. 2008; Shumway/ Wetherby 2009; Stone et al. 1997; Wetherby et al. 2007). Maljaars et al. (2011) konnten diese Schwierigkeiten in der intentionalen Kommunikation auch für ältere, aber kognitiv stark beeinträchtigte Kinder mit ASS bestätigen. Die negativen Folgen einer (über lange Zeit oder dauerhaft) ausbleibenden Kommunikationsentwicklung für die Lebensqualität der Kinder, für die Interaktionen in der Familie und die schulische Integration der Kinder sind immens: Oft gehen die Kommunikationsprobleme mit schweren Verhaltensstörungen einher (Koegel 2000; Goldstein 2002), und die betroffenen Familien sind stark belastet (z. B. Bebko et al. 1987). Der schrittweise Aufbau basaler sozial-kognitiver Fähigkeiten hin zu spontaner intentionaler Kommunikation mit einem breiten Spektrum an non-verbalen und verbalen Kommunikationsmitteln sollte daher in der Frühförderung, Sprachanbahnung und Autismustherapie einen zentralen Schwerpunkt in der Förderung dieser Kinder darstellen. 212 FI 4/ 2017 Tests und Screenings Für eine wirksame Förderung ist es unerlässlich, die Interventionen auf den Entwicklungsstand des Kindes abzustimmen und kleinschrittige Förderziele aus der „Zone der nächsten Entwicklung“ (Wygotski 1987) zu bestimmen (vgl. hierzu die Überlegungen von Aktas et al. 2012 zum entwicklungsorientierten Arbeiten bei Kindern mit geistiger Behinderung). Grundlage einer solchen Förderplanung ist eine differenzierte Erfassung des kommunikativen Entwicklungsstandes des Kindes (Müller 2016). Die vorliegenden diagnostischen Instrumente sind jedoch - aus unterschiedlichen Gründen - für die Anwendung in der Förderpraxis oft nur eingeschränkt geeignet (Überblick bei Müller 2013). In dem vorliegenden Aufsatz wird ein neuer Elternfragebogen vorgestellt, mit dem diese diagnostische Lücke geschlossen werden soll. Der Fragebogen zum kommunikativen Verhalten - „Komm! “ (Komm! -Bogen) (Müller/ Caroli 2008) soll interindividuelle Unterschiede in der Qualität des intentionalen Kommunikationsverhaltens bei minimal verbalen Kindern mit Behinderung erfassen. Ziel ist es, die dem Verhalten zugrunde liegenden Kompetenzen entwicklungspsychologisch einzuordnen und auf dieser Grundlage passgenaue Förderziele für jedes Kind abzuleiten. Dabei soll der Bogen die folgenden Anforderungen erfüllen: n Der Bogen soll die Entwicklungsaufgaben erfassen, die in dem o. g. Konzept der entwicklungsorientierten Sprachdiagnostik und -förderung von Aktas et al. (2012) für die frühe Kommunikationsentwicklung als zentral betrachtet werden. Aktas hat hierfür ein theoretisches Modell entwickelt, das diesen Prozess als Entwicklung vom präintentionalen Handeln zum intentionalen Kommunizieren, von der Kommunikation mit vorsymbolischen zu symbolischen Mitteln und von der Nutzung non-verbaler Symbole zu sprachlichen Mitteln beschreibt (Erweitertes Modell der sprachlichen Repräsentationsveränderungen, Aktas 2004, 2012). n Der Bogen soll differenziert sein, d. h. es sollen auch kleine Veränderungen im Kommunikationsverhalten erfasst werden können, da die Förderung schwer kommunikationsbeeinträchtigter Kinder häufig sehr kleinschrittig erfolgen muss. n Der Bogen soll eine (zumindest grobe) Erfassung der Häufigkeit unterschiedlicher kommunikativer Verhaltensweisen und damit eine quantitative Beschreibung von Fähigkeiten ermöglichen. Dies ist zum einen notwendig, um zu beurteilen, ob ein Verhalten sich erst im Aufbau befindet oder bereits als sicher erworben gelten kann. Zum anderen wird dies benötigt, um den Bogen normieren zu können und damit neben der qualitativtheoriegeleiteten Bewertung der Befunde auch eine quantitativ-normorientierte Auswertung zu ermöglichen. Eine solche zweigleisige Auswertung ist im o. g. Konzept vorgesehen (Aktas 2012). n Der Bogen soll geeignet sein für das ganze Spektrum minimal verbaler Kinder - angefangen von Kindern mit geringen kommunikativen Kompetenzen bis hin zu bereits aktiv kommunizierenden Kindern. n Der Bogen soll ökonomisch in der Durchführung sein, was eine wichtige Voraussetzung für die Anwendung in der Förderpraxis ist. Im Folgenden werden zunächst der Aufbau und die Auswertung des Komm! -Bogens beschrieben. Anschließend werden seine klinischen Anwendungsmöglichkeiten anhand zweier Fallbeispiele veranschaulicht. Eine Piloterprobung des Fragebogens bei typisch entwickelten Kindern im Alter von 12 bis 24 Monaten wird bei Müller (in diesem Heft) vorgestellt. Kurzbeschreibung des Komm! -Bogens Aufbau Mit dem Komm! -Bogen werden die Bezugspersonen (i. d. R. ein Elternteil) zum Kommunikationsverhalten ihres Kindes im Familienalltag 213 FI 4/ 2017 Tests und Screenings befragt. Es werden 12 typische Kommunikationsanlässe (sog. Situationstypen) vorgegeben und die Eltern gebeten, für jeden Anlass verschiedene kommunikative Verhaltensweisen bei ihrem Kind zu beurteilen. Tabelle 1 listet die 12 Situationstypen des Komm! -Bogens auf (Anmerkung 1); dabei beziehen sich jeweils drei Situationstypen auf eine bestimmte pragmatische Funktion, die für Kleinkinder typisch ist (etwas fordern, gemeinsame Aufmerksamkeit wünschen, eine soziale Interaktion wünschen, protestieren). Für jeden Situationstyp werden verschiedene kommunikative Verhaltensweisen (z. B. zeigt auf den Gegenstand) vorgegeben, aus denen die Eltern auswählen können, welche Mittel ihr Kind bei dieser Art von Kommunikationsanlässen nutzt (s. Tab. 2); Mehrfachnennungen sind dabei möglich. Die 11 abgefragten Verhaltensmöglichkeiten sind unterschiedlich anspruchsvoll und werden vier Kommunikationsstufen zugeordnet (präintentionales Handeln vs. instrumenteller Gebrauch des Erwachsenen vs. vorsymbolische Stufe vs. symbolische Stufe). Aufgabe der Eltern ist es anzukreuzen, ob sie die jeweils vorgegebene Verhaltensmöglichkeit bei diesem Situationstyp bei ihrem Kind „nie“, „ab und zu“ oder „häufig“ beobachten. Das Abfrageformat des Komm! -Bogens wird im Anhang für den Situationstyp 9 ( „Das Kind möchte, dass Sie mit ihm mit einem bestimmten Spielzeug spielen.“) exemplarisch dargestellt. Pragmatische Funktionen Situationstypen Gegenstand oder Hilfe fordern 1. Das Kind möchte einen Gegenstand haben, an den es selber nicht herankommt (z. B. ein Spielzeugauto, das auf dem Schrank steht). 2. Das Kind möchte seine Lieblingsspeise haben und kommt selber nicht daran. 3. Das Kind möchte, dass Sie ihm helfen, z. B. beim An- und Ausziehen, beim Öffnen einer Tür oder einer Dose. Gemeinsame Aufmerksamkeit wünschen 4. Das Kind möchte, dass Sie sich neben das Kind setzen. 5. Das Kind möchte, dass Sie zu ihm schauen oder es beachten. 6. Das Kind möchte Ihre Aufmerksamkeit auf etwas Interessantes lenken (es möchte z. B., dass Sie zu den Fischen im Aquarium schauen, ein bestimmtes Bild in einem Buch anschauen oder dass Sie sehen, wie ein Flugzeug am Himmel vorbeifliegt). Soziale Interaktion wünschen 7. Das Kind möchte, dass Sie mit ihm ein Buch anschauen. 8. Das Kind möchte, dass Sie mit ihm ein Tobe-, Sing- oder Fingerspiel spielen. 9. Das Kind möchte, dass Sie mit ihm mit einem bestimmten Spielzeug spielen (z. B. mit einem Ball, einem Steckturm, Seifenblasen, einer Puppe, einem Auto). Protest 10. Das Kind möchte einen Gegenstand zurück haben, den Sie ihm weggenommen haben (z. B. sein Lieblingsspielzeug). 11. Das Kind möchte eine attraktive Beschäftigung fortsetzen, die Sie gerade beendet haben (z. B. auf der Schaukel schaukeln, auf die Knöpfe der Musikanlage drücken, Seifenblasen anschauen). 12. Das Kind möchte etwas nicht tun, was Sie von ihm verlangen (z. B. Gesicht waschen, anziehen, Zähne putzen). Tab. 1: Aufbau des Komm! -Bogens: Pragmatische Funktionen und Situationstypen 214 FI 4/ 2017 Tests und Screenings Auswertung Auf der Grundlage der elterlichen Angaben im Komm! -Bogen lassen sich die Qualität des Kommunikationsverhaltens und damit der kommunikative Entwicklungsstand des Kindes quantifizieren. Es wird dabei angenommen, dass sich diese Qualität daran ablesen lässt, wie häufig das Kind unterschiedlich anspruchsvolle kommunikative Mittel im Familienalltag - bei ganz unterschiedlichen Kommunikationsanlässen - verwendet. Anders ausgedrückt: Je häufiger ein Kind anspruchsvollere kommunikative Mittel nutzt, desto besser entwickelt sind seine kommunikativen Kompetenzen. Für die quantitative Auswertung wird jede „häufig“ auftretende Verhaltensweise mit 2 Punkten bewertet, jede „ab und zu“ vorkommende Verhaltensweise mit 1 Punkt, und eine Verhaltensweise, die die Eltern noch „nie“ beobachtet haben, mit 0 Punkten. Diese Bewertungen werden anschließend zu verschiedenen Kennwerten zusammengefasst, die unterschiedliche Aspekte des Kommunikationsverhaltens beschreiben. Für die meisten dieser Kennwerte werden die Einzelwerte für eine bestimmte Verhaltensmöglichkeit (z. B. Gebrauch der Zeigegeste) über die Situationstypen hinweg gemittelt. Ein hoher Mittelwert verweist dann auf eine Kompetenz, die das Kind bereits sicher erworben hat (häufig verwendet), während ein niedriger Mittelwert auf Schwächen und somit auf Förderbedarf hinweist. Unter anderem werden für folgende Aspekte des Kommunikationsverhaltens quantitative Werte berechnet: n die Anzahl der kommunikativen Anlässe im Alltag des Kindes (Wunschsituationen, max. 12), n die Anzahl der kommunikativen Anlässe, die im Alltag vorkommen und in denen das Kind bereits kommunikative Mittel nutzt (Kommunikationssituationen, max. 12), n die Häufigkeit der intentionalen Kommunikationsbemühungen insgesamt (max. 2,0), Kommunikationsstufen Kommunikative Mittel Präintentionales Handeln Erfüllt sich den Wunsch autonom Jammert, schreit oder tobt Intentionale Kommunikation … Teilt dem Erwachsenen den Wunsch mit, … … durch instrumentellen Gebrauch des Erwachsenen … indem es den Erwachsenen zum gewünschten Gegenstand zieht oder dessen Hand dorthin führt (Kontaktgeste) … durch vorsymbolische Kommunikationsmittel (vorsymbolische Stufe) … indem es den Erwachsenen anschaut (einfacher Blickkontakt) … indem es zwischen Gegenstand und Erwachsenem hin- und herschaut (pendelnder Blick) … indem es lautiert (unspezifisches Lautieren) … indem es einen passenden Gegenstand bringt (deiktische Geste: Geben oder Vorzeigen von Objekten) … indem es auf den Gegenstand zeigt (deiktische Geste: Zeigegeste) … durch symbolische Kommunikationsmittel (symbolische Stufe) … indem es ein passendes Foto oder Bild bringt oder zeigt (symbolisches Bild) … indem es eine spezielle Geste machte (repräsentationale Geste) … indem es einen wortähnlichen Laut oder ein Wort benutzt (Protowort/ Wort) Tab. 2: Aufbau des Komm! -Bogens: Kommunikationsstufen und kommunikative Mittel 215 FI 4/ 2017 Tests und Screenings n die Häufigkeit des Gebrauchs einzelner kommunikativer Mittel (z. B. einfacher Blickkontakt oder Geben von Objekten oder Zeigegeste, max. 2,0) sowie n das Spektrum der verwendeten Kommunikationsmittel (max. 100 %). Außerdem wird noch ein Gesamtwert berechnet, der die Qualität des Kommunikationsverhaltens insgesamt beschreibt (Kommunikationsniveau) und maximal 5 Punkte betragen kann. Die Berechnung der unterschiedlichen Kennwerte wird bei Müller (2013) ausführlich beschrieben. Die Kennwerte sollen interindividuelle Vergleiche ermöglichen (z. B. zwischen einem Kind mit Beeinträchtigung und einer Vergleichsgruppe typisch entwickelter Kinder), aber auch intraindividuelle Vergleiche bei einem zu fördernden Kind (z. B. zwischen der Verwendung vorsymbolischer und symbolischer Kommunikationsmittel). Klinische Anwendung des Komm! -Bogens: Kasuistiken Der Komm! -Bogen ist im Westfälischen Institut für Entwicklungsförderung in Bielefeld in einem Modellprojekt zur Sprachanbahnung entwickelt (Anmerkung 2) und dort bei 7 minimal verbalen Kindern mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS) eingesetzt worden (Müller 2011, 2013). Die Kinder waren bei Projektbeginn zwischen 2; 11 und 6; 3 Jahre alt. Im Rahmen einer systematischen Einzelfallstudie wurde der Bogen als Diagnoseinstrument genutzt, um den kommunikativsprachlichen Entwicklungsstand der Kinder - in Kombination mit weiteren Verfahren (Tab. 3) - einzuschätzen; auf dieser Grundlage wurden nach dem diagnostischen Leitfaden von Aktas (2004, 2012) individuelle Förderziele für jedes Kind abgeleitet. Des Weiteren diente der Bogen als Evaluationsinstrument, um die Entwicklungsfortschritte der Kinder nach einem Jahr Therapie zu messen (Müller 2013). (Entwicklungs)-Bereich Direkte Untersuchung des Kindes Elternfragebögen Kommunikation und Sprache Komm! -Bogen ELFRA-1 Verstehens-Subtests aus dem SETK-2 (sofern möglich) Kognitiver Entwicklungsstand Cognitive Scale des Bayley-III oder SON-R 2 ½ - 7 Autistische Symptomatik ADOS Verhaltensauffälligkeiten VFE-E Anmerkungen: Komm! -Bogen: Fragebogen zum kommunikativen Verhalten (Müller/ Caroli 2008) / ELFRA-1: Elternfragebögen für die Früherkennung von Risikokindern - Gesten, Sprache, Feinmotorik (Grimm / Doil 2000 / 2006) / SETK-2: Sprachentwicklungstest für 2-jährige Kinder (Grimm 2000) / Bayley-III: Bayley Scales of Infant Development (Bayley 2006) / SON-R 2 ½ - 7: Snijders-Oomen Non-verbaler Intelligenztest für 2 ½ - 7-jährige Kinder (Tellegen et al. 2007) / ADOS: Diagnostische Beobachtungsskala für Autistische Störungen (Rühl et al. 2004) / VFE-E: Verhaltensfragebogen bei Entwicklungsstörungen - Elternversion (Einfeld et al. 2007) Tab. 3: Überblick über die im Modellprojekt verwendeten entwicklungsdiagnostischen Verfahren zur Förderplanung und Evaluation von Entwicklungsfortschritten 216 FI 4/ 2017 Tests und Screenings Im Folgenden werden die Ergebnisse des Komm! - Bogens für zwei minimal verbale Kinder mit ASS, die am Modellprojekt teilgenommen haben, präsentiert. Die Befragung der Eltern mit dem Komm! -Bogen sollte Antworten auf folgende Fragestellungen liefern: n Wie ist die Qualität des Kommunikationsverhaltens im Vergleich zu typisch entwickelten Kindern im Alter zwischen 12 und 24 Monaten zu beurteilen (kommunikativer Entwicklungsstand)? n Wie verhält sich das Kind, wenn es einen Wunsch oder ein Bedürfnis hat? Handelt es dann eher autonom (versucht, den Wunsch selbstständig umzusetzen), jammert, schreit oder tobt es oder wendet es sich an seine Bezugsperson, um den Wunsch mitzuteilen (intentionale Kommunikation)? n Welche Mittel nutzt das Kind, um zu kommunizieren? Handelt es sich eher um einfache vorsymbolische Kommunikationsmittel (instrumenteller Gebrauch des Erwachsenen, Blickkontakt, unspezifisches Lautieren)? Oder kann das Kind bereits auf deiktische Gesten zurückgreifen (Geben von Objekten, Zeigegeste)? Oder ist es schon in der Lage, mit symbolischen Mitteln zu kommunizieren (Bilder, repräsentationale Gesten, Protowörter/ Wörter)? Karsten (4; 4 Jahre) Die Eltern haben begonnen, sich Sorgen um Karstens Entwicklung zu machen, als er ca. 1 ½ Jahre alt war. Es sei ihnen aufgefallen, dass er wenig auf Ansprache oder soziale Spielangebote reagiert, Blickkontakt gemieden und kaum lautiert habe. Mit ungefähr 3 Jahren sei Karsten in einem Sozialpädiatrischen Zentrum vorgestellt worden. Dort sei ein Frühkindlicher Autismus in Verbindung mit einer schweren allgemeinen Entwicklungsverzögerung diagnostiziert worden. Im ELFRA-1 erreicht Karsten auf der Subskala „Sprachproduktion“ 15 Punkte, was in etwa mit dem Sprachentwicklungsstand 1-jähriger Kinder zu vergleichen ist. Komm! -Bogen: Vergleich mit typisch entwickelten Kindern: Tabelle 4 zeigt die quantitativen Ergebnisse im Komm! -Bogen für Karsten; die Ergebnisse können mit den Werten verglichen werden, die im Rahmen einer Längsschnittstudie bei 22 typisch entwickelten Kindern im Alter von 12, 16, 20 und 24 Monaten ermittelt worden sind (Müller 2013). Es zeigt sich, dass Karstens kommunikative Kompetenzen noch nicht dem Entwicklungsstand 12 Monate alter Kinder entsprechen. Er teilt seine Wünsche und Bedürfnisse erst in 5 der abgefragten 12 Kommunikationssituationen mit; mit 0,42 (von max. 2) Punkten ist auch die über alle Situationen gemittelte Häufigkeit der intentionalen Kommunikationsbemühungen noch sehr niedrig. Auch das Spektrum der unterschiedlichen Kommunikationsmittel, die Karsten nutzt, ist mit 16,67 % sehr klein und entspricht noch nicht dem Entwicklungsstand der typisch entwickelten Vergleichskinder im Alter von 12 Monaten. In den Situationen, in denen der Junge seine Wünsche bereits mitteilt, ist sein Kommunikationsniveau (Gesamtwert) mit 2,50 Punkten annähernd vergleichbar mit dem Niveau einjähriger typisch entwickelter Kinder. Komm! -Bogen: Intraindividueller Vergleich: In Abbildung 1 wird die Häufigkeit von Karstens intentionalen Kommunikationsbemühungen mit der Häufigkeit präintentionaler Verhaltensweisen (autonomes Erfüllen von Wünschen sowie Jammern/ Schreien/ Toben) verglichen. Die grafische Darstellung zeigt, dass der Junge wesentlich häufiger versucht, sein Ziel autonom zu verfolgen, als sich an eine andere Person zu wenden. Abbildung 2 veranschaulicht Karstens Verhalten in Situationen, in denen er intentional kommuniziert: Ein Vergleich der Häufigkeiten für jedes abgefragte Kommunikationsmittel in diesen Situationen macht deutlich, dass Karsten alle Mittel bislang nur sehr vereinzelt nutzt (Häufigkeiten von unter 0,27). Schlussfolgerungen für die Förderung: Die Ergebnisse des Komm! -Bogens zeigen, dass Karsten seine Wünsche und Bedürfnisse meistens selbstständig umsetzt und nur selten intentional 217 FI 4/ 2017 Tests und Screenings kommuniziert. Auch einfache Mittel wie den instrumentellen Gebrauch des Erwachsenen oder Blickkontakt nutzt er nur vereinzelt. Karsten hat die Entwicklungsaufgabe „spontane intentionale Kommunikation“ somit noch nicht sicher bewältigt. Um seine kommunikativen Kompetenzen zu verbessern, wird daher in der Autismustherapie daran gearbeitet, Situationen zu entwickeln, in denen er etwas mitteilen möchte; es wird dabei versucht, sowohl funktionale als auch sozial motivierte Kommunikationsanlässe aufzubauen. Im Rahmen dieser Kommunikationssituationen werden dann Mittel eingeübt, mit denen Karsten seine Wünsche kommunizieren kann. Der Schwerpunkt liegt auf dem Training einfacher Mittel (instrumenteller Gebrauch des Erwachsenen, Blickverhalten, Geben von Objekten). Ergebnisse im Komm! -Bogen Vergleichswerte typisch entwickelter Kinder im Alter von 1 bis 2 Jahren* Rohwerte Mittelwerte Häufigkeit intentionaler Kommunikation Anzahl der Kommunikationssituationen (max. 12 Situationstypen) 5 mit 12 Mon.: 7,41 mit 16 Mon.: 10,95 mit 20 Mon.: 11,45 mit 24 Mon.: 11,82 Häufigkeit intentionaler Kommunikation (max. 2,00 Punkte) 0,42 mit 12 Mon.: 0,90 mit 16 Mon.: 1,50 mit 20 Mon.: 1,70 mit 24 Mon.: 1,86 Kommunikationsniveau (Qualität) Gesamtwert (max. 5,00 Punkte) 2,50 mit 12 Mon.: 2,81 mit 16 Mon.: 3,73 mit 20 Mon.: 4,55 mit 24 Mon.: 4,95 Kommunikationsspektrum (max. 100 Prozent) 16,67 mit 12 Mon.: 30,15 mit 16 Mon.: 57,83 mit 20 Mon.: 65,56 mit 24 Mon.: 64,60 Tab. 4: Ergebnisse des Komm! -Bogens bei Karsten: Quantitative Ergebnisse im Vergleich zu einer Gruppe typisch entwickelter Kinder * Mittelwerte aus einer Piloterprobung des Komm! -Bogens bei 22 typisch entwickelten Kindern (Müller 2013) Versucht sich den Wunsch selbst zu erfüllen Jammert, schreit oder tobt Teilt der Bezugsperson den Wunsch mit Kommunikationsmittel Häufigkeit nie sehr häufig 0 0,5 1,0 1,5 2 Abb. 1: Ergebnisse des Komm! -Bogens bei Karsten: Häufigkeiten für präintentionale Verhaltensweisen im Vergleich zu intentionaler Kommunikation (intraindividueller Vergleich) 218 FI 4/ 2017 Tests und Screenings Evaluation: Ein Jahr nach Beginn der Förderung füllt der Vater den Komm! -Bogen erneut aus. Es zeigt sich, dass sich das Kommunikationsverhalten des Jungen im Familienalltag schon deutlich verbessert hat: Karsten nutzt nun alle 12 im Komm! -Bogen abgefragten Situationstypen (vorher 5), um zu kommunizieren. Die Häufigkeit intentionaler Kommunikationsbemühungen hat sich von 0,42 auf 1,00 Punkte verbessert. Karsten greift nun deutlich zuverlässiger auf bestimmte vorsymbolische Kommunikationsmittel zurück, insbesondere auf den instrumentellen Gebrauch des Erwachsenen, auf unspezifische Laute und auf das Geben von Objekten (Häufigkeiten: 1,27, 0,83 und 1,5). In seinem Kommunikationsniveau hat sich Karsten von 2,50 auf 3,05 Punkte verbessert. Vanessa (4; 2 Jahre) Die Eltern haben sich ab dem Alter von ca. 1 Jahr Sorgen um Vanessas Entwicklung gemacht. Mit 2 Jahren habe das Mädchen wenig lautiert und auf Kontaktangebote und soziale Spiele recht gleichgültig reagiert. Bei einer Vorstellung in einem Sozialpädiatrischen Zentrum sei dann eine deutliche Entwicklungsverzögerung mit autistischen Zügen diagnostiziert worden. Im ELFRA-1 erreicht Vanessa auf der Subskala „Sprachproduktion“ 14 Punkte, was in etwa mit dem Sprachentwicklungsstand 1-jähriger Kinder zu vergleichen ist. Komm! -Bogen: Vergleich mit typisch entwickelten Kindern: Tabelle 5 zeigt die quantitativen Ergebnisse im Komm! -Bogen für Vanessa - im Vergleich zu einer Gruppe typisch entwickelter Kinder. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Vanessa - anders als Karsten - bereits häufig intentional kommuniziert: Sie nutzt alle 12 abgefragten Kommunikationssituationen, um Wünsche und Bedürfnisse intentional mitzuteilen. Die Häufigkeit ihrer Kommunikationsbemühungen (1,67 Punkte) ist in etwa mit der Kommunikationshäufigkeit typisch entwickelter Kinder im Alter von 20 Monaten zu vergleichen. Vanessa nutzt in diesen Kommunikationssituationen ein breites Spektrum (63,33 %) an Mitteln - so wie dies bei typisch entwickelten Kindern zum Ende des zweiten Lebensjahres der Fall ist. Ihr Kommunikationsniveau ist mit 3,88 Punkten in etwa mit den Kompetenzen typisch entwickelter Kinder im Alter von 16 Monaten zu vergleichen. Instrumenteller Gebrauch des Erwachsenen Einfacher Blickkontakt Pendelnder Blick Unspezifisches Lautieren Zeigegeste Geben von Objekten Symbolisches Bild Symbolische Geste Protowort/ Wort Kommunikationsmittel Häufigkeit nie sehr häufig 0 0,5 1,0 1,5 2 Abb. 2: Ergebnisse des Komm! -Bogens bei Karsten: Häufigkeit des Gebrauchs einzelner kommunikativer Mittel (intraindividueller Vergleich) 219 FI 4/ 2017 Tests und Screenings Komm! -Bogen: Intraindividueller Vergleich: Ähnlich wie Karsten handelt Vanessa häufig autonom, um sich Wünsche zu erfüllen. Etwa genauso häufig versucht sie aber auch, sich mit ihren Bedürfnissen gezielt an eine andere Person zu wenden (Abb. 3). Abbildung 4 zeigt, dass Vanessa ihre Wünsche in erster Linie mitteilt, indem sie den Erwachsenen führt oder vorsymbolische Kommunikationsmittel nutzt (v. a. die deiktischen Gesten „Geben von Objekten“ und „Zeigegeste“). Sie verwendet jedoch auch schon symbolische Mittel wie „Bilder“ und „repräsentationale Gesten“; Protowörter oder Wörter kommen im Alltag erst selten vor. Schlussfolgerungen für die Förderung: Die Ergebnisse des Komm! -Bogens zeigen, dass Vanessa ihre Wünsche und Bedürfnisse bereits kompetent intentional mitteilt. Sie greift dabei überwiegend Ergebnisse im Komm! -Bogen Vergleichswerte typisch entwickelter Kinder im Alter von 1 bis 2 Jahren* Rohwerte Mittelwerte Häufigkeit intentionaler Kommunikation Anzahl der Kommunikationssituationen (max. 12 Situationstypen) 12 mit 12 Mon.: 7,41 mit 16 Mon.: 10,95 mit 20 Mon.: 11,45 mit 24 Mon.: 11,82 Häufigkeit intentionaler Kommunikation (max. 2,00 Punkte) 1,67 mit 12 Mon.: 0,90 mit 16 Mon.: 1,50 mit 20 Mon.: 1,70 mit 24 Mon.: 1,86 Kommunikationsniveau (Qualität) Gesamtwert (max. 5,00 Punkte) 3,88 mit 12 Mon.: 2,81 mit 16 Mon.: 3,73 mit 20 Mon.: 4,55 mit 24 Mon.: 4,95 Kommunikationsspektrum (max. 100 Prozent) 63,33 mit 12 Mon.: 30,15 mit 16 Mon.: 57,83 mit 20 Mon.: 65,56 mit 24 Mon.: 64,60 Tab. 5: Ergebnisse des Komm! -Bogens bei Vanessa: Quantitative Ergebnisse im Vergleich zu einer Gruppe typisch entwickelter Kinder * Mittelwerte aus einer Piloterprobung des Komm! -Bogens bei 22 typisch entwickelten Kindern (Müller 2013) Versucht sich den Wunsch selbst zu erfüllen Jammert, schreit oder tobt Teilt der Bezugsperson den Wunsch mit Kommunikationsmittel Häufigkeit nie sehr häufig 0 0,5 1,0 1,5 2 Abb. 3: Ergebnisse des Komm! -Bogens bei Vanessa: Häufigkeiten für präintentionale Verhaltensweisen im Vergleich zu intentionaler Kommunikation (intraindividueller Vergleich) 220 FI 4/ 2017 Tests und Screenings auf vorsymbolische Mittel zurück, hat aber auch schon begonnen, symbolische Mittel zu verwenden, sofern diese non-verbal sind. Vanessa hat somit die Entwicklungsaufgabe „spontane intentionale Kommunikation“ erfolgreich bewältigt; die sozial-kommunikativen Vorausläuferfähigkeiten für den Einstieg in den produktiven Spracherwerb sind bei ihr gut entwickelt. Die Auswertung der weiteren diagnostischen Erhebungen zeigt jedoch, dass Vanessa noch erhebliche Probleme im Bereich der Lautbildung hat; ihr Lautrepertoire umfasst nur wenige Einzellaute und Silben. In der Logopädie kooperiert das Mädchen noch nicht. In der Autismustherapie wird daher der Schwerpunkt darauf gelegt, Vanessas Motivation zu verbessern, spontan mit Lauten zu experimentieren und diese gezielt nachzuahmen, sowie eine erste Arbeitshaltung aufzubauen, die eine logopädische Lautanbahnung ermöglicht. In kommunikativer Hinsicht wird mit dem Mädchen daran gearbeitet, vermehrt visuelle, symbolische Kommunikationsmittel einzusetzen, um effektiver non-verbal kommunizieren zu können (z. B. etwas zu erzählen). Evaluation: Ein Jahr nach Beginn der Autismustherapie füllt die Mutter den Komm! -Bogen erneut aus. Vanessa hat sich nach Einschätzung ihrer Mutter in der Häufigkeit ihrer intentionalen Kommunikationsbemühungen noch weiter steigern können (Verbesserung von 1,67 auf 1,92 Punkte). Dabei greift sie nun häufiger auf symbolische Mittel zurück, insbesondere auf Gesten (Verbesserung von 0,92 auf 1,50) und einzelne (Proto-) Wörter (Verbesserung von 0,33 auf 1,58). Vanessas Kommunikationsniveau hat sich von 3,88 auf 4,71 Punkte verbessert. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Die kommunikativen Fähigkeiten sind bei den beiden hier vorgestellten Kindern mit Behinderung - trotz ähnlicher Diagnose (ASS in Verbindung mit einer Entwicklungsverzögerung, kaum Lautsprache) - ganz unterschiedlich entwickelt. Der Komm! -Bogen hat sich als geeignet erwiesen, um diese Unterschiede differenziert und mit relativ geringem Aufwand (Ökonomie) beschreiben und quantifizieren zu können. Auf dieser Grundlage konnten unterschiedliche Ziele für die Kommunikationsförderung der Kinder abgeleitet werden. Beide Kinder haben im Verlauf der Therapie Fortschritte in ihrem Kommunikationsverhalten Instrumenteller Gebrauch des Erwachsenen Einfacher Blickkontakt Pendelnder Blick Unspezifisches Lautieren Zeigegeste Geben von Objekten Symbolisches Bild Symbolische Geste Protowort/ Wort Kommunikationsmittel Häufigkeit nie sehr häufig 0 0,5 1,0 1,5 2 Abb. 4: Ergebnisse des Komm! -Bogens bei Vanessa: Häufigkeit des Gebrauchs einzelner kommunikativer Mittel (intraindividueller Vergleich) 221 FI 4/ 2017 Tests und Screenings gemacht, die sich ebenfalls gut mit dem Bogen abbilden ließen. Ähnlich positive Erfahrungen mit der Nutzung des Komm! -Bogens zur Förderplanung sowie zur Evaluation von Entwicklungsfortschritten sind im Rahmen des o. g. Modellprojektes mit 5 weiteren minimal verbalen Kindern mit ASS gemacht worden. Es erscheint daher vielversprechend zu sein, die klinischen Anwendungsmöglichkeiten des Bogens bei minimal verbalen Kindern (mit und ohne ASS) weiter zu erproben. Anmerkungen 1) Bei der Auswahl der Situationstypen wurden v. a. Situationen verwendet, die sich in gängigen direkten Beobachtungsverfahren (z. B. Early Social Communication Scales von Mundy et al. 2003 oder Beobachtungsverfahren zur Diagnose der Kommunikationsentwicklung von Rotter et al. 1992 und Kane 2002) sowie in einem italienischen Elternfragebogen (Camaioni et al. 1991) zur Erfassung von kommunikativen Fähigkeiten bewährt haben. Des Weiteren lieferte ein Interviewleitfaden von Sarimski (2001) Anregungen für die Formulierung der 12 Situationstypen. 2) Wir danken der ARD-Fernsehlotterie „Ein Platz an der Sonne“, der Software-AG-Stiftung und dem Verein PRO entwicklung e. V. für die großzügige finanzielle Förderung des Modellprojekts „Kommunikationsförderung und Sprachanbahnung bei Kindern mit Tiefgreifender Entwicklungsstörung“, das im Westfälischen Institut für Entwicklungsförderung in Bielefeld durchgeführt worden ist. Korrespondierende Autorin: Dr. Christina Müller (Diplom-Psychologin) Westfälisches Institut für Entwicklungsförderung Königsweg 9 33617 Bielefeld E-Mail: c.mueller@wie-bielefeld.de Literatur Aktas, M. (2004): Sprachentwicklungsdiagnostik bei Kindern mit Down-Syndrom. Entwicklung eines diagnostischen Leitfadens zum theoriegeleiteten Einsatz standardisierter Verfahren. Universität Bielefeld: Dissertation im Fachbereich Psychologie. In: https: / / pub.uni-bielefeld.de/ publication/ 2302157, 27. 12. 2016 Aktas, M. (2012): Leitfaden für eine theoriegeleitete Diagnostik. In M. Aktas (Hrsg.), Entwicklungsorientierte Sprachdiagnostik und -förderung bei Kindern mit geistiger Behinderung. Theorie und Praxis (48 - 80). München: Elsevier. 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(Bitte gehen Sie zur nächsten Situation weiter.) nie ab und zu häufig n Das Kind jammert, schreit oder tobt. n n n n Das Kind teilt mir diesen Wunsch mit. n n n Falls das Kind Ihnen diesen Wunsch nie gezielt mitteilt, gehen Sie einfach zur nächsten Situation weiter. Ansonsten bearbeiten Sie bitte noch den folgenden Kasten. Das Kind teilt mir diesen Wunsch mit, nie ab und zu häufig n indem es mich zum Spielzeug zieht. n n n n indem es mich anschaut. n n n n indem es zwischen mir und dem Spielzeug hin und her schaut. n n n n indem es auf das Spielzeug zeigt. n n n n indem es mir das Spielzeug bringt. n n n n indem es mir ein Foto oder ein Bild von dem Spielzeug bringt oder auf das Foto/ das Bild zeigt. n n n n indem es eine spezielle Geste macht (z. B. eine Handbewegung für „Ball“, eine Pustebewegung mit den Lippen für „Seifenblasen machen“). n n n n indem es lautiert (z. B. „ä-ä“, „dada“, „gaba“). n n n n indem es einen wortähnlichen Laut oder ein Wort sagt (z. B. „pus“, „Puppu“, „Ball“), und zwar: _________________________________________ n n n n indem es etwas ganz anderes macht, und zwar: _________________________________________ n n n Anhang Auszug aus dem Komm! -Bogen (Situationstyp 9)
