eJournals Frühförderung interdisziplinär 37/1

Frühförderung interdisziplinär
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0721-9121
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2018
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Rezension: Manfred Pretis, Aleksandra Dimova: Frühförderung mit Kindern psychisch kranker Eltern

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2018
Rita Nicola
Manfred Pretis, Aleksandra Dimova Frühförderung mit Kindern psychisch kranker Eltern 3. Aufl., München, Basel, 2016, Ernst Reinhardt Verlag, 192 S., € 29,90, ISBN: 978-3-497-02592-3
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56 FI 1/ 2018 Rezensionen Manfred Pretis, Aleksandra Dimova Frühförderung mit Kindern psychisch kranker Eltern 3. Aufl., München, Basel, 2016, Ernst Reinhardt Verlag, 192 S., € 29,90, ISBN: 978-3-497-02592-3 Den Autoren geht es in diesem Buch um die Wahrnehmung der Bedürfnisse von Kleinkindern mit einem psychisch kranken Elternteil und um die frühe präventive Förderung dieser Kinder. Dabei heben sie hervor, dass sie in der 3. Auflage ihres Buches besonderes Augenmerk auf die Ressourcen in den Familien, den Kindern selbst und im Umfeld legen. Die Autoren erläutern auch im Vorwort, dass sie den im Titel verwendeten Begriff „Frühförderung“ weit fassen und damit nicht nur die Arbeit in den Frühförderstellen meinen, sondern einrichtungsübergreifend alle frühen präventiven Hilfen einschließen z. B. in den Kindertagesstätten oder im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe. Dabei verwenden die Autoren den Begriff „Kleinkinder“ nicht durchgängig für Kinder von 0 - 3 Jahren, was beim Lesen immer wieder zu Verwirrung führt. Häufig sind auch Kinder bis 6 Jahre damit gemeint. Manche Beispiele, Interventionsvorschläge oder zitierte Untersuchungen beziehen sich auch auf Schulkinder. Unklare oder fehlende Altersangaben erschweren so stellenweise die Einschätzung von Fördervorschlägen. Der inhaltliche Einstieg in das Buch mit der Fallgeschichte des 10 Monate alten Peter und seinen Eltern führt sehr anschaulich in die Thematik des Buches ein. An diesem Beispiel wird auch die von den Autoren entwickelte Resilienzlandkarte vorgestellt. Diese Methode visualisiert den Ausprägungsgrad verschiedener Ressourcen in der Familie. Sie erscheint mir hilfreich, um die Ressourcen nicht aus dem Blick zu verlieren oder manche ganz zu übersehen, was in Familien mit vielfältigen Belastungen leicht passieren kann. Das komplexe Konstrukt der Resilienz wird ausführlich und gut verständlich eingeführt. Gerade in diesem Kapitel (4) finden sich konkrete Anregungen für die Arbeit in den Frühförderstellen bzw. auch eine Bestätigung für das dort praktizierte Einbeziehen von Familie und Umfeld und für die längerfristige Ausrichtung des Angebots. Sehr anschaulich ist auch in einer Tabelle dargestellt, wie mit betroffenen Kindern über die Erkrankung und deren Auswirkung auf das Familienleben gesprochen werden kann. 57 FI 1/ 2018 Rezensionen In gesonderten Kapiteln gehen die Autoren auf die Situation von Kindern mit Eltern ein, die an einer Depression, Schizophrenie oder einer Persönlichkeitsstörung leiden. Dabei schildern die Autoren meinem Eindruck nach eher stark ausgeprägte Krankheitsbilder. In den Frühförderstellen haben wir es häufiger mit Menschen zu tun, die an weniger extremen oder gut behandelten Formen leiden. Hier hätte ich einen Hinweis auf verschiedene Ausprägungsgrade psychischer Erkrankungen hilfreich gefunden, um Missverständnissen vorzubeugen. Das Buch enthält zahlreiche statistische Daten aus dem Themenkreis „psychisch kranke Eltern und deren Kinder“. Die Autoren ersetzen dabei in ihrem Buch ausdrücklich den Begriff „psychisch krank“ durch „psychisch verletzlich“ wegen der höheren Akzeptanz durch die Betroffenen. Ich sehe darin allerdings auch den Nachteil, dass wir Gefahr laufen, dieses Etikett unkritischer auf einen größeren Personenkreis anzuwenden (besonders bei nicht psychiatrisch ausgebildeten Fachkräften, die ja Zielgruppe des Buches sind). Zusammenfassend würde ich sagen, das Buch vermittelt ein breites Basiswissen zum Thema „Kinder psychisch kranker Eltern“, einen Überblick über eine Vielzahl von Untersuchungen zu dem Themenkreis und ein umfangreiches Literaturverzeichnis. Zusätzlich sind Quellen im Internet mit praktischen Hilfen wie Arbeitsmaterialien und Selbsthilfegruppen aufgelistet. Jeder, der sich ausführlicher in das Thema einarbeiten möchte, findet hier eine Fülle von Hinweisen. Das Buch bietet durchaus auch konkrete Anregungen für die praktische Förderarbeit mit den jungen Kindern und ihren Familien in den Frühförderstellen. Diese muss der Leser allerdings unter den vielen Informationen und Anregungen für die Arbeit mit Kindern aller Altersgruppen herausfiltern. Fast finde ich es schade, dass der Titel nicht weiter gefasst ist, denn gerade auch Fachkräfte aus dem Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, sozialpsychiatrischen Diensten, verschiedenen Beratungsstellen oder auch dem Schul- und Hortbereich könnten davon profitieren. Rita Nicola, Kaufbeuren DOI 10.2378/ fi2018.art10d