eJournals Frühförderung interdisziplinär 37/4

Frühförderung interdisziplinär
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0721-9121
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
101
2018
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Rezension: Karoline Teufel, Christian Wilker, Jennifer Valerian, Christine M. Freitag: A-FFIP - Autismusspezifische Therapie im Vorschulalter

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2018
Sabine Ludyga
Karoline Teufel, Christian Wilker, Jennifer Valerian, Christine M. Freitag A-FFIP - Autismusspezifische Therapie im Vorschulalter Springer Verlag, 1. Aufl., 2017, 220 S., € 39,99 In den letzten Jahren kann aufgrund gezielter Forschung und spezialisierter Zentren die Diagnose Autismus immer früher gestellt werden. Es wurden erhebliche Fortschritte bezüglich wirkungsvoller Behandlungsmethoden in den verschiedenen Altersgruppen erzielt. […]
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225 FI 4/ 2018 REZENSION Karoline Teufel, Christian Wilker, Jennifer Valerian, Christine M. Freitag A-FFIP - Autismusspezifische Therapie im Vorschulalter Springer Verlag, 1. Aufl., 2017, 220 S., € 39,99 In den letzten Jahren kann aufgrund gezielter Forschung und spezialisierter Zentren die Diagnose Autismus immer früher gestellt werden. Es wurden erhebliche Fortschritte bezüglich wirkungsvoller Behandlungsmethoden in den verschiedenen Altersgruppen erzielt. Jedoch gab es in Deutschland bisher noch keine randomisiertkontrollierten Studien im Bereich autismusspezifischer Intervention im Kleinkind- und Vorschulalter. Diese Lücke zu schließen hat sich aufgemacht die Forschungsgruppe um C. Freitag am Autismus- Therapie- und Forschungszentrum (ATFZ) der Klinik für Psychiatrie des Kindes- und Jugendalters des Universitätsklinikums der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Sie entwickelte das vorliegende Manual, das auf der Basis eigener jahrelanger praktischer Erfahrungen und entwicklungspsychologischer Grundlagen auch international etablierte Methoden und Forschungsergebnisse systematisch analysiert und einbezogen hat. Der Leitfaden hat die autismusspezifische Frühförderung ab dem Alter von ca. 24 Monaten bis zur Einschulung zum Thema. Das Buch ist übersichtlich gegliedert in vier Teile. Im I. Teil wird zunächst ein Überblick über Diagnostik und Komorbiditäten der Autismus-Spektrum-Störung (ASS) gegeben sowie der typische Entwicklungsverlauf von gesunden Kindern vom späten Säuglingsbis ins Vorschulalter dargestellt. Hierbei wird der Schwerpunkt auf Entwicklungspsychologie und verhaltensbasierte Aspekte gelegt. Die Autoren halten die Diagnosestellung einer ASS ab dem Alter von 24 Monaten für gut möglich, sofern sie an einem spezialisierten Zentrum erfolgt. Hierbei sollen komorbide psychische und körperliche Erkrankungen diagnostiziert und mitbehandelt werden. Im Folgenden werden autismusspezifische Einschränkungen und Besonderheiten der Entwicklung beschrieben, die sich individuell stark unterscheiden können. Die bekannten autismusspezifischen Behandlungsverfahren werden vorgestellt. Es wird beschrieben, dass sich in der Vergangenheit der Schwerpunkt auf die verhaltens- und lerntherapeutischen Methoden bezog und sich die Aufmerksamkeit inzwischen auch auf die Behandlung der zentralen autistischen Symptomatik richtet, d. h. die soziale Interaktion und Kommunikation, einschließlich rezeptive und expressive Sprachfertigkeiten. Die Ansätze, die auch die entwicklungsrelevanten Einschränkungen von Kleinkindern mit ASS einbeziehen, z. B. durch Training von symbolischem Spiel, gemeinsamer Aufmerksamkeit oder Imitation, finden angemessen Erwähnung. Die Autoren heben die zentrale Rolle des gemeinsamen, sprachbegleiteten Spiels der autistischen Kinder mit Erwachsenen und Gleichaltrigen hervor. Sie betonen, dass es wegen der großen Variabilität der Einschränkungen besonders wichtig sei, flexibel zu sein, die Besonderheiten jedes einzelnen Kindes in allen Bereichen wahrzunehmen und die Förderung auf der Grundlage der individuellen Interessen jedes einzelnen Kindes zu gestalten. Es sei laut Studienlage sinnvoll und notwendig, Einzelförderung und Elternanleitung zu kombinieren, um eine Förderung in allen Bereichen zu erreichen. Neben dem intensiven Einbezug der Eltern soll auch mit den Erziehern der jeweiligen Betreuungseinrichtung und anderen Fachtherapeuten zusammengearbeitet werden. 226 FI 4/ 2018 Rezension Laut Autoren lassen Forschungsergebnisse keine Rückschlüsse auf die optimale Frequenz der wöchentlichen Therapiestunden oder die Dauer der Intervention zu. Die in den USA und Schweden übliche Therapieintensität von 20 - 40 h pro Woche halten die Autoren auf Grundlage einer mangelnden empirischen Belegbarkeit auch im Rahmen eines individualisierten Therapieansatzes sowie des effektiven Einsatzes begrenzter öffentlicher Ressourcen für nicht mehr zu rechtfertigen und plädieren für eine Frequenz von 2 Therapiestunden pro Woche über 3 Jahre hinweg. Die Behandlung soll in einem spezialisierten A-Therapiezentrum stattfinden. Der II. Teil umfasst Aufbau und Behandlungskonzept des FFIP. Als Grundlage für die Behandlung mit dem FFIP werden die humanistischen Werte Wertschätzung, Freiheit, Würde des Individuums genannt, die eine maximal mögliche Autonomie des Kindes erlauben und ein unterstützendes, motivierendes und angstfreies Klima schaffen sollen. Die Therapieziele werden in Grundfertigkeiten, Entwicklungsbereiche und Schwierigkeitsebenen eingeordnet, die für jedes Kind individuell festgelegt werden. Die Rahmenbedingungen, vor allem die Zusammenarbeit mit dem Umfeld des Kindes (Eltern, Betreuungseinrichtung, ggf. Fachtherapeuten) werden erläutert. Es wird auf häufig in Zusammenhang mit Autistischen Störungen auftretende sog. herausfordernde Verhaltensweisen (z. B. stereotypes oder rigides Verhalten) sowie komorbide psychische Störungen eingegangen und Vorschläge zum Umgang mit diesen unterbreitet. Im III. Teil werden nach der Erläuterung der autismusspezifischen verhaltenstherapeutischen Methoden, die idealerweise im Rahmen von Interaktions- und Spielsequenzen zum Einsatz kommen sollen, ausführlich 6 zentrale Grundfertigkeiten/ Kernkompetenzen beschrieben, die angepasst an die individuelle Entwicklung des Kindes über längere Zeit gefördert werden sollen. Veranschaulicht wird die Umsetzung durch konkrete Beispielübungen in 3 Schwierigkeitsgraden. Im Folgenden werden detailliert Therapieziele in Bezug auf verschiedene Entwicklungsbereiche beschrieben, wieder mit praktischen Übungen in 3 Schweregraden. Ein umfangreicher IV. Teil mit Arbeitsmaterialien als Kopiervorlagen, die auch online zur Verfügung stehen, rundet das Buch ab. Der individualisierte Therapieansatz, der entsprechend dem Entwicklungsstand des Kindes die Therapieziele und Interventionsmethoden aussucht, zeichnet dieses Manual in besonders gelungener Weise aus. Die Behandlungsziele können kontinuierlich dem Entwicklungsstand des Kindes angepasst werden, sodass das Entwicklungspotenzial des Kindes optimal ausgeschöpft werden kann. Von Anfang an werden die Eltern und das soziale Umfeld des Kindes intensiv in die Behandlung einbezogen, wodurch einerseits das soziale Lernen begünstigt wird und andererseits flexibel auf das Kind eingegangen werden kann. Das Manual wird sowohl den Anforderungen des Patienten und seiner Familie als auch der aktuellen Forschungslage in vollem Umfang gerecht und ist nicht nur für Verhaltenstherapeuten eine Bereicherung. Die wertschätzende Haltung der Autoren ist durchgehend spürbar. Nicht zuletzt deshalb ist dem Programm eine weite Verbreitung zu wünschen - so könnten viele Kinder und ihre Familien professionell und umsichtig durch die ersten Lebensjahre begleitet werden. Dr. Sabine Ludyga DOI 10.2378/ fi2018.art35d