Frühförderung interdisziplinär
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0721-9121
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/fi2018.art25d
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Aus der Praxis: Alltagsintegrierte tertiäre sprachliche Prävention in Sprachheilkindergärten
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Stephan Sallat
Markus Spreer
Die Therapie / Förderung von Kindern mit Sprachstörungen bewegt sich interdisziplinär im Spannungsfeld von Bildung / Pädagogik, Soziales sowie Gesundheit / Medizin (Sallat / de Langen-Müller 2014, 319) und ist durch Maßnahmen der primären, sekundären und tertiären Prävention gekennzeichnet (Ziegenhain 2008, Hasselhorn / Sallat 2014). Neben der universellen (primären) Prävention als sprachliches Entwicklungs- und Förderangebot für alle Kinder (sprachliche Bildung und Sprachförderung, festgelegt in Bildungs- und Lehrplänen) und Maßnahmen der selektiven (sekundären) Prävention als besonderes Förderangebot für Kinder mit erkennbaren Problemlagen oder Risikofaktoren (z. B. Mehrsprachigkeit, soziales Milieu; Sprachförderinitiativen auf Länder- und Bundesebene) gibt es ebenso Maßnahmen der indizierten (tertiären) Prävention als sprachtherapeutisches oder sonder- und sprachheilpädagogisches Angebot. Diese Maßnahmen unterscheiden sich in ihrer Intensität, ihrer Spezifität sowie durch den individuellen Bezug zur Sprachstörung eines bestimmten Kindes. Um die sprachlichen Präventionsmaßnahmen angemessen ableiten, planen und umsetzen zu können, ist für die sekundären und tertiären Maßnahmen ein zunehmendes Wissen über Spracherwerb, Sprachverarbeitung und Sprachstörungen notwendig (Sallat et al. 2017).
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161 Frühförderung interdisziplinär, 37.-Jg., S.-161 - 166 (2018) DOI 10.2378/ fi2018.art25d © Ernst Reinhardt Verlag AUS DER PRAXIS Alltagsintegrierte tertiäre sprachliche Prävention in Sprachheilkindergärten Stephan Sallat, Markus Spreer Die Therapie/ Förderung von Kindern mit Sprachstörungen bewegt sich interdisziplinär im Spannungsfeld von Bildung/ Pädagogik, Soziales sowie Gesundheit/ Medizin (Sallat/ de Langen-Müller 2014, 319) und ist durch Maßnahmen der primären, sekundären und tertiären Prävention gekennzeichnet (Ziegenhain 2008, Hasselhorn/ Sallat 2014). Neben der universellen (primären) Prävention als sprachliches Entwicklungs- und Förderangebot für alle Kinder (sprachliche Bildung und Sprachförderung, festgelegt in Bildungs- und Lehrplänen) und Maßnahmen der selektiven (sekundären) Prävention als besonderes Förderangebot für Kinder mit erkennbaren Problemlagen oder Risikofaktoren (z. B. Mehrsprachigkeit, soziales Milieu; Sprachförderinitiativen auf Länder- und Bundesebene) gibt es ebenso Maßnahmen der indizierten (tertiären) Prävention als sprachtherapeutisches oder sonder- und sprachheilpädagogisches Angebot. Diese Maßnahmen unterscheiden sich in ihrer Intensität, ihrer Spezifität sowie durch den individuellen Bezug zur Sprachstörung eines bestimmten Kindes. Um die sprachlichen Präventionsmaßnahmen angemessen ableiten, planen und umsetzen zu können, ist für die sekundären und tertiären Maßnahmen ein zunehmendes Wissen über Spracherwerb, Sprachverarbeitung und Sprachstörungen notwendig (Sallat et al. 2017). Der Sprachheilkindergarten (SHK) stellt als heilpädagogische Kindertagesstätte einen spezifischen pädagogischen Förderort für Kinder mit diagnostizierten Sprach(entwicklungs)störungen zwischen drei Jahren und dem Schuleintritt dar, parallel zur ambulanten Betreuung durch Logopäden und Sprachtherapeuten (Sallat/ de Langen-Müller 2014) und ist in der oben genannten Einteilung den sekundären und tertiären Präventionsangeboten zuzurechnen (Hasselhorn/ Sallat 2014). Die sprachlichen Schwierigkeiten der Kinder in SHK sind sehr heterogen (Störungen von Aussprache, Grammatik, Wortschatz und Sprachverständnis; seltener Redefluss/ Stottern, Mutismus; sowie im Kontext von Autismus-Spektrum- Störungen oder sensorischen Störungen). Die Förderung erfolgt in den SHK auf der Grundlage sprachheilpädagogischer Methoden und Vorgehensweisen durch eine alltagsintegrierte Verknüpfung von pädagogischen und sprachtherapeutischen Maßnahmen im Tagesablauf der Kinder. In einer langjährigen Entwicklung sind mit den SHK Expertisezentren entstanden, die mit vielfältiger fachlicher Expertise in Kooperation mit externen Einrichtungen und Fachkräften die Versorgung von Kindern mit sprachlichem Förderbedarf alltagsintegriert ermöglichen (Sallat et al. 2014). In der retrospektiven Betrachtung der Bildungsbiografien nach dem Besuch von sprachheilpädagogischen Einrichtungen (SHK, Sprachheilschule) konnte in mehreren Studien übereinstimmend gezeigt werden, dass der Besuch nicht zu einer Manifestierung der Betreuung in einem exklusiven (Sonderschul-)System führt (für eine Übersicht siehe Spreer & Sallat 2016). Die SHK stellen damit durchaus einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zu Teilhabe und Partizipation der betroffenen Kinder dar. Im vorliegenden Beitrag werden die Arbeits- und Rahmenbedingungen dieser Einrichtungen fokussiert. Aufgrund der föderalen Struktur in Deutschland, der Zunahme inklusiver Bildungsangebote sowie der Kritik an exklusiven Förderorten sind 162 FI 3/ 2018 Aus der Praxis SHK jedoch nicht (mehr) in allen Bundesländern zu finden (z. B. TH, SH) und die Rahmenbedingungen differieren stark zwischen den Einrichtungen. Daher wurden heilpädagogische Kindergärten mit dem Schwerpunkt Sprache und Kommunikation (Sprachheilkindergarten - SHK) in einem achtseitigen Fragebogen (angelehnt an etablierte Erhebungsinstrumente wie die Kindergarten- Skala KES-R, Tietze 2007; Untersuchungsinstrument NEPS, Blossfeld et al. 2011), zu personellen, materiell-räumlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen sowie zur interdisziplinären Kooperation und Vernetzung befragt. Keine Berücksichtigung fanden Fragen zur pädagogischen Qualität. Aufgrund der oben beschriebenen föderalen Heterogenität war eine bundesweite, repräsentative Befragung nicht möglich. Mithilfe einer Onlinerecherche wurden jedoch 58 Einrichtungen in den restlichen Bundesländern (außer TH, SH) recherchiert. Der Rücklauf von insgesamt 24 Bögen entspricht somit, gemessen an den tatsächlich zugestellten Fragebögen (N = 45; 13 Briefe waren nicht zustellbar), einer Quote von 53 %. Es zeigte sich mit Rückmeldungen aus BY, BW, HH, MV, NI, NRW, RP, SN und ST eine weitgehend aussagekräftige Stichprobe. Für die Darstellung der Ergebnisse werden jedoch, wenn nicht anders angegeben, Rückmeldungen von 18 Einrichtungen einbezogen, die vergleichbar als Sprachheilkindergarten geführt werden. Die übrigen 6 Einrichtungen, die ihre Daten zur Verfügung stellten, arbeiten i. d. R. als schulvorbereitende Einrichtung (SVE) lediglich im letzten Jahr vor der Einschulung als SHK. Sie sind strukturell an eine schulische Einrichtung angegliedert und damit nicht vergleichbar. Darstellung der Ergebnisse Organisatorische Rahmenbedingungen Die befragten SHK arbeiten fast ausnahmslos in festen Gruppen mit Kindern über drei Jahre (durchschnittlich 4 altershomogenen Gruppen pro SHK, Wertebereich: 1 - 9). Nur zwei SHK arbeiten (teilweise) nach einem teiloffenen Konzept. Zwei der 18 Einrichtungen haben zusätzlich eine Gruppe mit Kindern unter drei Jahren. Für die Zeit unmittelbar vor dem Schulbesuch zeigt sich kein einheitliches Bild in Bezug auf die Organisation spezieller Angebote/ Kooperationen: spezielle Angebote nur für die Vorschulkinder der Gruppen vs. Bildung von Vorschulgruppen. Die spezifischen schulvorbereitenden Einrichtungen (SVE) für Kinder mit sprachlichem Förderbedarf im Jahr vor der Einschulung wurden in der Ergebnisdarstellung nicht berücksichtigt (s. o.). Die weiteren Ergebnisse zu organisatorischen Rahmenbedingungen der befragten SHK sind in Tabelle 1 im Überblick dargestellt. Item N Mittelwert Min Max Allgemein Wegstrecke für die Kinder des SHK in km 18 32,1 10 50 Öffnungszeiten der SHK pro Tag in h 18 8,4 5,4 12,5 Anzahl zusätzlicher Räume für Förderung/ Therapie 16 4,0 1 9 Kinder Anzahl betreuter Kinder 18 40,9 14 103 Anzahl der Neuaufnahmen in den letzten 12 Monaten 18 19,3 4 40 Eintrittsalter in Monaten 16 52,8 40 60 Tab. 1: Organisatorische Rahmenbedingungen von Sprachheilkindergärten u 163 FI 3/ 2018 Aus der Praxis Zusammensetzung und Qualifikation des Personals In den SHK arbeiten multiprofessionelle Teams mit einer großen Bandbreite vertretener Professionen. Da einzelne Personen auch über mehrere Ausbildungsabschlüsse / Qualifikationen verfügen können, sind hier explizit Mehrfachnennungen einbezogen: Den größten Anteil über alle Einrichtungen hinweg nimmt die Berufsgruppe Erzieher/ -in ein (46,1 %), gefolgt von Personen, die in Bezug auf Sprache qualifiziert sind (36,3 % Sprachheilpädagogen/ -innen, Logopäden/ -innen und/ oder akademische Sprachtherapeuten/ -innen). Des Weiteren sind vertreten Heilpädagogen/ -innen (18,4 %), Dipl.-Heilpädagogen/ -innen (16,3 %), Dipl.-Sozialpädagogen/ -innen (12,5 %), Dipl.-Pädagogen/ -innen (9,6 %), Physiotherapeuten/ -innen (7,5 %), Ergotherapeuten/ -innen (5,5 %), Assistenten/ -innen im Sozialwesen (11,4 %), sowie sonstige Therapeuten/ -innen (10,2 %). Die Multidisziplinarität der Teams zeigt sich auch in den selteneren Qualifikationen, z. B. aus den Bereichen Frühförderung, Erziehungshilfe, Autismus, Motopädie, Musiktherapie oder Psychologie. Umsetzung von Förderung, Förderplanung und Diagnostik Die ganzheitliche und alltagsintegrierte Förderung/ Therapie für die ganze Gruppe, ergänzt durch eine individuell auf das Kind ausgerichtete Förderung/ Therapie ist eines der Wesensmerkmale der Arbeit in SHK als heilpädagogische Einrichtung. Daher wurde die Zeit erfragt, die für spezifische Sprachförderung bzw. Sprachtherapie im Einzelsetting jedem Kind durchschnittlich pro Woche zur Verfügung gestellt wird. Als Mittelwert über alle Einrichtungen hinweg wurden 90 min pro Kind und Woche angegeben (Wertebereich: 35 - 210 min). Der Anteil der Kinder, die zusätzlich noch (externe) Sprachtherapie als Heilmittelverordnung in Anspruch nehmen, wurde mit durchschnittlich ca. 2,4 % beziffert. Dabei gaben 56 % der Einrichtungen an, dass keines der Kinder zusätzlich externe Sprachtherapie außerhalb der Einrichtungen erhält, bei den übrigen SHK sind es zwischen 1 % und max. 10 % der Kinder. Hier ist zu berücksichtigen, dass häufig Sprachtherapeuten und Sprachheilpädagogen als Teil des Teams Einzeltherapie im SHK durchführen. Des Weiteren erfolgt eine spezifische Sprach- und Entwicklungsförderung/ -the- Item N Mittelwert Min Max Anzahl der Abgänger in den letzten 12 Monaten 16 17,1 3 38 Anteil Jungen in % 17 70,5 48 85 Mehrsprachig aufwachsende Kinder in % 18 26,8 0 80 Kinder, die gemäß § 39, 40 BSHG oder § 35 a KJHg behindert sind oder von Behinderung bedroht sind in % 16 79,7 0 100 Anteil der Kinder, die durch Fahrdienste gebracht/ geholt werden in % 18 82,2 1 100 Fachkräfte/ Budget Anzahl an Personen, die direkt mit Kindern arbeiten 16 14,1 3 31 Fachkräfte-Kind-Schlüssel 12 1 : 3,7 1 : 2,5 1 : 7 Gruppengröße im Ü3-Bereich (Anzahl der Kinder) 18 11 8 16 Jährl. Budget für Fördermaterialien in € pro Kind 12 54,9 3,6 125,0 Jährl. Budget für Diagnostikmaterialien in € pro Kind 7 26,4 0,0 46,9 u 164 FI 3/ 2018 Aus der Praxis rapie (z. B. Förderprogramme zur Phonologischen Bewusstheit, Aussprache und Grammatik) implementiert in den Gruppenalltag, die aufgrund der geringen Gruppengrößen und der Qualifikation der Mitarbeiter gut umsetzbar ist. In den SHK werden bis zu 5 Stunden für diese spezifische Gruppentherapie/ Gruppenförderung aufgewendet. Die Fortschreibung der Entwicklungsberichte und Förderpläne geschieht in 55,6 % der Einrichtungen halbjährlich, in einer Einrichtung vierteljährlich (5,6 %). Drei Einrichtungen geben an, dies in Abhängigkeit vom Entwicklungsfortschritt zu tun (16,7 %), drei Einrichtungen aktualisieren diese Dokumente jährlich. Eine fundierte, spezifische Diagnostik ist die grundlegende Voraussetzung für eine individuelle Förderung. Die Diagnostik sprachspezifischer Leistungen erfolgt in der Eingangsdiagnostik und prozessbegleitend fast ausnahmslos (88,2 % - 94,1 %) durch spezifisch ausgebildete Fachkräfte (Sprachheilpädagogen, Sprachtherapeuten, Logopäden), die aufgrund der Organisation der SHK in der Regel Teil der Teams sind. Für die Diagnostik in den anderen Entwicklungsbereichen (u. a. Kognition, Motorik, Wahrnehmung) sowie für Differentialdiagnostik wird die Expertise externer Fachpersonen in Anspruch genommen (z. B. Audiometrie, Intelligenzdiagnostik). Die Einschätzung des Verhaltens des Kindes erfolgt i. d. R. interdisziplinär im Team durch Erzieher/ -in, Psychologe/ -in und/ oder Sprachfachkraft. Umfang und Qualität von interner und externer Zusammenarbeit Die interne Zusammenarbeit erfolgt in Teamsitzungen, Treffen der Therapeuten, Fallbesprechungen mit Therapeuten und Pädagogen sowie Supervisionen (vgl. Tabelle 2). Dabei geht es um Fragen der Qualitätssicherung sowie der Zusammenarbeit und Förderplanung in den multidisziplinären Teams der SHK. In Bezug auf externe Kooperationen wurde der Umfang sowie die wahrgenommene Qualität der Zusammenarbeit erfragt. Die Quantität (Häufigkeit, Regelmäßigkeit) und Qualität (fünfstufige Likert-Skala von 1 = sehr gut bis 5 = schlecht) dieser Kooperationen unterscheidet sich dabei zum Teil stark (vgl. Abb. 1). Die Qualität der Zusammenarbeit scheint dabei abhängig von der Häufigkeit zu sein. So wird die häufige Kooperation mit therapeutischen und sonder-/ heilpädagogischen Institutionen als qualitativ gut bewertet (1,6 - 2,2) und die eher seltene Zusammenarbeit mit dem medizinischen Bereich (Ärzte) sowie der Regelschule und den Regelkindergärten (zukünftige Lehrer, Regelkita) als befriedigend eingeschätzt (2,6 - 3,3). Wie häufig gibt es in Ihrer Einrichtung: Sitzungen der päd. Fachkräfte Gesamtteamsitzungen Treffen der Therapeuten Fallbespr. mit Therapeuten und Pädagogen Supervision wöchentlich monatlich 1 - 2mal im Halbjahr 1 - 2mal im Jahr seltener 70,6 29,4 0,0 0,0 0,0 33,3 55,6 11,1 0,0 0,0 20,0 40,0 40,0 0,0 0,0 52,9 23,5 17,6 0,0 5,9 7,1 14,3 0,0 21,4 57,1 weitere berichtete Arbeits- und Kooperationsformen: Interdisziplinäre Arbeitskreise (mit Jugendamt, Frühförderstellen, niedergelassenen Praxen, Schulpsychologen, HNO-Arzt, Beratungsstellen, Leiterinnen integrativer Kitas, Logopäden); Kinderfreie Zeit; Kooperationsverträge mit SPZ und Sprachheilschule; Morgenkreis-Team; Kleinteam- Gruppe; Helferkonferenzen; Förderplanbesprechung. Tab. 2: Häufigkeit von Sitzungen und Fallbesprechungen in den SHK (Angaben in gültigen Prozent) 165 FI 3/ 2018 Aus der Praxis Schulische Anschlussperspektive der Abgänger Im erfragten Zeitraum (letzte 2 Jahre) verließen 304 Kinder die 18 befragten SHK im Übergang zur Schule. Der größte Teil (121 Kinder) ging im Anschluss auf eine Schule mit dem Förderschwerpunkt Sprache (39,8 %). Weitere 96 Kinder (31,6 %) wurden ohne Förderbedarf an einer Regelgrundschule eingeschult, weitere 32 Kinder (10,5 %) besuchen die Regelgrundschule integrativ. 15 Kinder (4,9 %) besuchen eine Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen und 24 Kinder (7,9 %) eine Förderschule mit einem anderen Förderschwerpunkt, z. B. sozial-emotionale, geistige oder körperlich-motorische Entwicklung. Für die übrigen 16 Kinder (5,3 %) sind z. B. DaZ-Klassen angegeben oder nicht weiter spezifizierbare Formulierungen, vereinzelt wurden auch Rückstellungen benannt. Diskussion In der vorliegenden Befragung wurden organisatorische und personell-professionelle Rahmenbedingungen von SHKs ebenso erfragt wie Informationen zu interner/ externer Kooperation. Es ist deutlich geworden, dass SHKs als heilpädagogische Spezialeinrichtungen dem sprachlichen Förderbedarf der Kinder auf vielfältige Weise Rechnung tragen. Die Einrichtungen sind sehr gut in Bezug auf Förder- und Diagnostikmaterialien ausgestattet und durchschnittlich stehen 4 separate Räume für Sprach- und Entwicklungsförderung zur Verfügung. Die interdisziplinären Teams richten ihren Fokus nicht nur auf den sprachlichen Förderbedarf, sondern ebenso auf weitere Entwicklungsbereiche (z. B. Motorik, Verhalten, Wahrnehmung, Kognition) und den Übergang in die Schule. In engen und häufigen Absprachen wird so eine ganzheitliche individuell ausgerichtete Förderung sichergestellt (Umsetzung von Diagnostik, Förderplanung und Förderung). Die sekundären und tertiären sprachlichen Präventionsmaßnahmen erfolgen im SHK dabei implementiert in den Gruppenalltag (alltagsintegriert), wodurch eine hohe Intensität erreicht und zusätzlich den individuellen Störungsspezifika in der Kombination von Einzel-, Gruppen- und alltagsintegrierter Förderung/ Therapie Rechnung getragen wird. Neben der fachlichen Expertise Kinderärzte Phoniatrie/ HNO Frühförderstellen SPZ weitere Therapeuten (Physiotherapie …) Ergotherapie Sprachtherapie zukünftige Lehrer der Schulanfänger schulische Kooperationspartner Regelkita Einschätzung der jeweiligen Qualität der Kooperation (Mittelwert aller Einrichtungen) (Skalierung: 1 = sehr gut bis 5 = schlecht) 3,2 3,3 1,6 2,3 2,0 1,8 2,2 2,6 2,0 2,7 0 20 40 60 80 100 wöchentlich seltener monatlich 1 - 2 mal im Halbjahr 1 - 2 mal im Jahr 35 6 18 41 15 8 38 38 18 12 47 12 12 44 38 6 13 14 29 7 36 14 7 50 29 14 8 31 31 23 8 33 6 28 33 13 20 33 33 18 12 35 24 12 Abb. 1: Umfang und Qualität von Kooperationen der SHK mit externen Kooperationspartnern (Angaben in Prozent) 166 FI 3/ 2018 Aus der Praxis ermöglicht das günstige Fachkraft-Kind-Verhältnis diese Angebote (3,7 Kinder pro Mitarbeiter). Möglicherweise kann aus der Analyse der Arbeit dieser spezialisierten Einrichtungen eine Orientierung für inklusive Angebote im Elementarbereich abgeleitet werden. Für inklusive Kindergärten ist die Verknüpfung der eigenen pädagogischen Angebote mit Maßnahmen der sekundären und tertiären sprachlichen Prävention eine aktuelle Herausforderung (Sallat et al. 2017). Notwendig ist eine Qualifizierung der Pädagogischen Fachkräfte zu Sprachentwicklung/ -störungen sowie die Absicherung interdisziplinärer Expertise durch die Zusammensetzung des Teams oder externe Kooperationen (ebd., DJI 2016). Als Limitationen für diese Fragebogenstudie muss angeführt werden, dass keine Aussage zur Qualität und konkreten Umsetzung der Förderung gemacht werden können und die bundesweite Repräsentativität nicht sichergestellt werden kann. Ebenso fehlen Vergleichswerte anderer, z. B. inklusiv arbeitender, Einrichtungen. Prof. Dr. Stephan Sallat Pädagogik bei Sprach- und Kommunikationsstörungen Universität Halle-Wittenberg Institut für Rehabilitationspädagogik Franckeplatz 1 06110 Halle E-Mail: stephan.sallat@paedagogik.uni-halle.de Jun.-Prof. Dr. Markus Spreer Pädagogische Prävention von Entwicklungsbeeinträchtigungen und Frühförderung Universität Leipzig Erz.wiss. Fakultät, Institut für Förderpädagogik Jahnallee 59 04109 Leipzig E-Mail: markus.spreer@uni-leipzig.de Literatur Blossfeld, H.-P., Roßbach, H.-G., von Maurice, J. (Hrsg.) (2011): Education as a Lifelong Process - The German National Educational Panel Study (NEPS). Zeitschrift für Erziehungswissenschaft: Sonderheft 14, https: / / doi.org/ 10.1007/ s11618-011-0198-z DJI (Hrsg.) (2016): Inklusive Sprachliche Bildung. Grundlagen für die kompetenzorientierte Weiterbildung. WiFF Wegweiser Weiterbildung, Band 11. München Hasselhorn, M., Sallat, S. (2014): Sprachförderung zur Prävention von Bildungsmisserfolg. In: Sallat, S., Spreer, M., Glück, C. W. (Hrsg.): Sprache professionell fördern. kompetent-vernetzt-innovativ. Idstein, 28 - 39 Sallat, S., Hofbauer, C., Jurleta, R. (2017): Inklusion an den Schnittstellen von sprachlicher Bildung, Sprachförderung und Sprachtherapie. Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte, WiFF Expertisen, Band 50. München. Sallat, S., de Langen-Müller, U. (2014): Interdisziplinäre Versorgung sprachauffälliger und sprachentwicklungsgestörter Kinder. Kinder- und Jugendmedizin, 14, (5), 319 - 330 Sallat, S., Spreer, M., Glück, C. W. (2014): Sprache professionell fördern. kompetent-vernetzt-innovativ. In: Sallat, S., Spreer, M., Glück, C. W. (Hrsg.): Sprache professionell fördern. kompetent-vernetzt-innovativ. Idstein, 14 - 27 Spreer, M., Sallat, S. (2015): Gesellschaftliche Teilhabe ehemaliger Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf Sprache: Bildungs- und Berufsbiographien im Fokus. In: Grohnfeldt, M. (Hrsg.): Inklusion im Förderschwerpunkt Sprache. Stuttgart, 179 - 191 Tietze, W. (2007): Kindergarten-Skala (KES-R). Feststellung und Unterstützung pädagogischer Qualität in Kindergärten; deutsche Fassung der Early childhood environment rating scale-revised edition. Cornelsen Scriptor Ziegenhain, U. (2008): Erziehungs-und Entwicklungsberatung für die frühe Kindheit. In: Petermann, F., Schneider, W. (Hrsg.): Angewandte Entwicklungspsychologie (Enzyklopädie der Psychologie, Serie Entwicklungspsychologie, Bd. 7). Göttingen: Hogrefe, 163 - 204
