Frühförderung interdisziplinär
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0721-9121
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/fi2018.art27d
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2018
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Rezension: Klaus Sarimski: Handbuch interdisziplinäre Frühförderung
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2018
Katja Hegner
Klaus Sarimski Handbuch interdisziplinäre Frühförderung München: Ernst Reinhardt Verlag, 2017, 459 S., € 49,90
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168 FI 3/ 2018 Rezensionen Klaus Sarimski Handbuch interdisziplinäre Frühförderung München: Ernst Reinhardt Verlag, 2017, 459 S., € 49,90 Das umfangreiche Handbuch richtet sich an alle Berufsgruppen, die entweder bereits im Tätigkeitsfeld der Frühförderung aktiv sind oder sich im Rahmen ihrer Ausbildung mit diesem Thema beschäftigen. Das Werk hat den Anspruch, über Entwicklungsbeeinträchtigungen in den ersten Lebensjahren zu informieren, mögliche biologische und soziale Risiken mit ihren Auswirkungen zu beschreiben sowie Therapie- und Fördermöglichkeiten unter Einbeziehung und Stärkung des sozialen Umfeldes und die wissenschaftliche Fundierung und Evaluation dieser Methoden darzustellen. Das Buch ist in vier große Teile gegliedert: Teil 1: Grundlagen und Arbeitsprinzipien der Frühförderung Im ersten Teil schildert der Autor die Entwicklung der Frühförderung vom Beginn in den 70er Jahren bis zum heutigen System, in dem pädagogische und medizinisch-therapeutische Leistungen - je nach Bundesland mit unterschiedlichen Schwerpunkten - von interdisziplinären Frühförderstellen, sozialpädiatrischen Zentren und sonderpädagogischen Beratungsstellen angeboten werden, und gibt einen Ausblick auf mögliche Weiterentwicklungen der Kostenübernahme. Richtigstellung In Ausgabe 2/ 2018 wurde fälschlicherweise Frau Katja Hegner als Autorin der auf Seite 111/ 112 abgedruckten Rezension (Klaus Sarimski: „Handbuch interdisziplinäre Frühförderung“, Reinhardt, München, 2017, 459 Seiten) angegeben. Die Rezension wurde jedoch von Herrn Professor em. Dr. med. Andreas Warnke, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Universität Würzburg, verfasst. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen. Die Rezension von Frau Katja Hegner ist nachfolgend abgedruckt. 169 FI 3/ 2018 Rezensionen Sarimski stellt die Grundprinzipien der Frühförderung dar, die aus Resilienzorientierung, Familienorientierung, Interaktionsorientierung, Interdisziplinarität und Qualitätssicherung bestehen. Daran schließt sich eine umfangreiche Beschreibung des diagnostischen Prozesses mit möglichen diagnostischen Verfahren, Fragebögen und Beobachtungen der sozialen Beziehungen und unter Einbeziehung der ICF-Klassifikation an, der spezifische, alltagsrelevante, messbare und realistische Förder- und Behandlungsziele ergibt. Teil 2: Kernaufgaben der Frühförderung Hier beschreibt der Autor die Förderung und Behandlung von Kindern mit unterschiedlichen Entwicklungsbeeinträchtigungen, die global ausgeprägt sein können oder spezifisch und nur einzelne Bereiche betreffend. In einzelnen Unterkapiteln wird auf Auswirkungen, den Verlauf, die Behandlung und die Förderung bei Defiziten in folgenden Bereichen eingegangen: n Kognition (globale Entwicklungsbeeinträchtigung, z. B. bei genetischen Syndromen, perinatal oder postnatal entstanden oder ohne klare Ursache) n Sprache (z. B. verspäteter Sprechbeginn, spezifische Sprachentwicklungsstörung, phonologische Störung etc., auch unter Berücksichtigung von Mehrsprachigkeit) n Motorik (z. B. Zerebralparese, Entwicklungsdyspraxie) n sozial-emotionale Entwicklung (z. B. Regulationsstörung, impulsives und oppositionelles Sozialverhalten, emotionale Störung, Autismus- Spektrum-Störung) n Sinnesschädigung (Hörschädigung, Sehschädigung) n schwere und Mehrfachbehinderung (mit hohem und dauerhaftem Hilfebedarf bei Nahrungsaufnahme, Atmung, Verdauung, Bewegung und Kommunikation) Hierbei stellt der Autor jeweils Möglichkeiten der Diagnostik, Therapieansätze, Förderprogramme und Hilfsmittel unter Bezug auf wissenschaftliche Evaluation vor. Auch die Auswirkungen der Beeinträchtigungen auf die soziale Teilhabe des Kindes werden dargestellt. Die einzelnen Störungen und Defizite und die unterschiedlichen gängigen Therapiemethoden werden ausführlich und übersichtlich erläutert. Mit umstrittenen Verfahren setzt sich Sarimski unter wissenschaftlichem Blickwinkel ebenfalls auseinander. Auch in diesem Kapitel wird die Notwendigkeit der Einbeziehung der Eltern, der Familie und des weiteren sozialen Umfeldes immer wieder betont, um die Teilhabe des Kindes zu unterstützen. Teil 3: Kooperationsaufgaben der Frühförderung bei ausgewählten Entwicklungsstörungen Eine wachsende Bedeutung in den letzten Jahren haben Kooperationsaufgaben bekommen. Hierzu zählt die Unterstützung von Frühgeborenen, von Kindern, die in Armutslagen aufwachsen, Migrationshintergrund oder psychisch kranke bzw. substanzabhängige Eltern haben, sowie die Prävention von Kindeswohlgefährdungen, wobei diese Kooperationsaufgaben in einem Verbund mit anderen Hilfesystemen stattfinden, was eine gute Abstimmung in der Abgrenzung und Koordination der Hilfeangebote erfordert. Eine weitere Aufgabe ist die Beratung von pädagogischen Fachkräften in Kindertagesstätten, um die Inklusion und soziale Teilhabe von Kindern mit besonderen Bedürfnissen zu ermöglichen. Teil 4: Belastungen und Beratung von Familien mit Behinderungen Der vierte Teil beschäftigt sich mit der Unterstützung und Beratung der Familie zur Stärkung der familiären Bewältigungskräfte - beginnend mit der Diagnosevermittlung über den gesamten Förderverlauf hinweg. Wichtig ist hierbei die Stärkung der persönlichen und sozialen Ressourcen der Eltern, die Erhöhung der Erziehungskompetenzen und die Vermittlung von sozialrechtlichen 170 FI 3/ 2018 Rezensionen Hilfen in einer lösungsorientierten Grundhaltung. Auch die besonderen Belastungen und Bedürfnisse von Vätern, Geschwistern und Großeltern behinderter Kinder werden hier besprochen. Diskussion Das Handlungsfeld der Frühförderung wird in diesem Handbuch systematisch, ausführlich, mit großer Sachkenntnis und zahlreichen Verweisen auf wissenschaftliche Studien geschildert. Im Buch werden immer wieder Fallbeispiele geschildert, die typische Ausgangssituationen, Verläufe und familienorientierte Förder- und Therapiemöglichkeiten darstellen. Hilfreich sind auch die zahlreichen Checklisten zur Reflexion der eigenen Arbeits- und Vorgehensweise in typischen Frühförderkonstellationen, in denen die in diesen Situationen am wichtigsten zu beachtenden Punkte noch einmal aufgeführt werden. Optisch abgesetzt finden sich über das gesamte Buch verteilt Darstellungen wissenschaftlicher Untersuchungen, Definitionen und anschauliche Abbildungen. Am Schluss vieler Abschnitte fasst der Autor die wichtigsten Sachverhalte nochmals zusammen. Das vorliegende Handbuch ist sehr gut lesbar, fundiert und ausführlich geschrieben. Es ermöglicht Neueinsteigern einen guten Ein- und Überblick in das Tätigkeitsfeld Frühförderung, bietet aber aufgrund seiner zahlreichen Details und Verweise auch denjenigen Anregungen und Denkanstöße, die schon länger im Bereich der Frühförderung tätig sind. Katja Hegner, Diplom-Psychologin Frühförderstelle Erding Münchener Straße 1, 85435 Erding DOI 10.2378/ fi2018.art27d
