Frühförderung interdisziplinär
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0721-9121
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2019
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Stichwort: Prävention
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2019
Markus Spreer
Der Terminus Prävention (lat. praevenire) ist dem Wortursprung nach gleichbedeutend mit den Bezeichnungen Vorbeugung oder Verhütung. Der Begriff findet auch international Verwendung (engl. prevention). „Prävention versucht, durch gezielte Interventionsmaßnahmen das Auftreten von Krankheiten oder unerwünschten physischen oder psychischen Zuständen weniger wahrscheinlich zu machen bzw. zu verhindern oder zumindest zu verzögern.“ (Leppin 2014, 36) Als multidisziplinäres Arbeitsfeld wurde Prävention von verschiedenen Disziplinen, wie der Medizin, der Psychologie oder der (Heil-)Pädagogik geprägt. [...]
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94 Frühförderung interdisziplinär, 38.-Jg., S.-94 - 95 (2019) DOI 10.2378/ fi2019.art12d © Ernst Reinhardt Verlag STICHWOR T Prävention Markus Spreer Definition Der Terminus Prävention (lat. praevenire) ist dem Wortursprung nach gleichbedeutend mit den Bezeichnungen Vorbeugung oder Verhütung. Der Begriff findet auch international Verwendung (engl. prevention). „Prävention versucht, durch gezielte Interventionsmaßnahmen das Auftreten von Krankheiten oder unerwünschten physischen oder psychischen Zuständen weniger wahrscheinlich zu machen bzw. zu verhindern oder zumindest zu verzögern.“ (Leppin 2014, 36) Als multidisziplinäres Arbeitsfeld wurde Prävention von verschiedenen Disziplinen, wie der Medizin, der Psychologie oder der (Heil-)Pädagogik geprägt. So entstand u. a. eine Vielzahl spezifischer (evaluierter) Konzepte und Forschungsmethoden. Da Prävention von vielen Professionen zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt wird und die unterschiedlichen Herangehensweisen nicht unbedingt aufeinander abgestimmt sind (z. B. pädagogische vs. medizinische Präventionsmaßnahmen), führte dies bisher allerdings häufig zu einem nur wenig trennscharfen Profil (Leppin 2014). Die Schaffung der genuin interdisziplinären Identität von Prävention bleibt somit weiterhin wichtige Aufgabe der Akteure aus den verschiedenen Disziplinen (vgl. ebd.). Klassifikation von Präventionsmaßnahmen Zur Unterscheidung von Angeboten der Prävention greift man häufig auf die Stufen der Prävention nach Caplan (1964) zurück. Diese Einteilung im Sinne eines bündigen Mehrebenenmodells hat sich im Fachdiskurs durchgesetzt (vgl. Tabelle 1). Im Einzelfall ist es jedoch teilweise schwierig, Maßnahmen gezielt diesen Bereichen zuzuordnen, da die Übergänge fließend sind. Primäre Prävention Sekundäre Prävention Tertiäre Prävention n richtet sich an alle Kinder/ Eltern n Zeitpunkt: vor dem Eintreten einer Krankheit/ einer Entwicklungsbeeinträchtigung n Maßnahmen: proaktives Vorgehen, u. a. Information, Aufklärung n Zielstellung: Verhinderung ungünstiger Entwicklungsverläufe/ Minimierung des Risikos des Eintretens einer Erkrankung n z. B. U-Untersuchungen, Impfempfehlungen n richtet sich an ausgewählte Risikogruppen n Zeitpunkt: sobald Indizien eines Risikos für das Auftreten einer Entwicklungsbeeinträchtigung/ Krankheit vorliegen n Maßnahmen der Früherkennung, Früherfassung und frühzeitige Beratung; proaktiv/ reaktiv n Zielstellung: drohende Entwicklungsstörungen/ Erkrankungen verhindern n z. B. Elterntraining mit Eltern von Late Talkern n richtet sich spezifisch an einzelne Kinder mit Entwicklungsstörungen/ Erkrankungen n Zeitpunkt: es liegt bereits eine Erkrankung/ ein Unterstützungsbedarf vor n Maßnahmen: reaktiv; Heil- und Folgebehandlung, „Rehabilitation“ n Zielstellung: Verbesserung der Symptomatik, Verhinderung von Begleit- und Sekundärstörungen n z. B. Physiotherapie für ein Kind mit ICP Tab. 1: Präventionsmaßnahmen im Kindesalter in Anlehnung an die Klassifikation nach Caplan (1964) 95 FI 2/ 2019 Stichwort Unter primärer Prävention werden proaktive, universelle Maßnahmen verstanden, die sich an alle richten und verhindern sollen, dass ungünstige Entwicklungsverläufe/ Krankheiten überhaupt auftreten. Maßnahmen der sekundären Prävention richten sich in diesem Verständnis selektiv an eine umrissene Zielgruppe - i. d. R. Risikogruppen für das Auftreten von Erkankungen/ Entwicklungsstörungen. Hierbei stehen die Früherkennung und die Verringerung von Lern- und Entwicklungsrückständen im Fokus. Werden Maßnahmen der tertiären Prävention eingesetzt, dann sind dies spezifische Unterstützungsangebote bei bereits vorliegenden manifesten Störungen. Diese richten sich spezifisch an einzelne Kinder und haben zum Ziel, vorliegende Symptomatik zu verbessern und mögliche Folge- und Begleitstörungen zu verhindern. Man unterscheidet zudem direkte Maßnahmen der Verhaltensprävention (Veränderung des individuellen Verhaltens - z. B. bei Bewegungsarmut) und Maßnahmen der Verhältnisprävention (Veränderung der sozialen, ökonomischen oder kulturellen Umweltbedingungen), die indirekt Einfluss auf das jeweilige Kind haben. Auf der Basis zunehmender Kenntnisse über die Entwicklungsverläufe von Kindern und möglicher Beeinträchtigungen wurden für unterschiedliche Entwicklungsbereiche und Altersstufen Präventionsprogramme konzipiert (und teilweise auch erfolgreich evaluiert). „Präventionsprogramme wollen Risikofaktoren vermeiden, in ihrer Wirkung entschärfen und kontrollieren“ (Petermann/ Petermann 2011, 197). Entsprechende Programme liegen schwerpunktmäßig für die Bereiche sozialemotionale, sprachliche oder kognitive Entwicklung vor. Durch die Umsetzung dieser sollen, vorwiegend im Sinne sekundärer Prävention, für einzelne Kindergruppen Entwicklungsverläufe unterstützt, Ressourcen der Kinder oder der betreffenden Familien gestärkt werden. Für einen Überblick der inzwischen vielfältig vorliegenden Förderprogramme für den Vorschulbereich, aber auch für die Grundschule sei auf Hasselhorn/ Schneider (2016) verwiesen. Die Frühförderung übernimmt vielfältige und weitreichende Aufgaben der sekundären und tertiären Prävention im Kindesalter (Früherkennung und Frühförderung für Kinder mit Behinderungen/ von Behinderungen bedrohten Kindern) - allerdings häufig ohne diesen Terminus auch explizit zu verwenden. Literatur Caplan, G. (1964): Principles of preventive psychiatry. New York, Basic books Franzkowiak, P. (2018): Prävention und Krankheitsprävention. Leitbegriffe der Gesundheitsförderung. BZGA. Verfügbar unter: https: / / www.leitbegriffe.bzga. de/ alphabetisches-verzeichnis/ praevention-undkrankheitspraevention/ 10.17623/ BZGA: 224-i091-1.0, Zugriff am: 17. 1. 2019 Hasselhorn, M., Schneider, W. (2016): Förderprogramme für Vor-und Grundschule. Göttingen, Hogrefe, https: / / doi.org/ 10.1026/ 02772-000 Leppin, A. (2004): Konzepte und Strategien der Prävention. In: Hurrelmann, K., Klotz, Th., Haisch, J. (Hrsg.): Prävention und Gesundheitsförderung. Hans Huber, Bern, 31 - 40 Petermann, F., Petermann, U. (2011): Prävention. Kindheit und Entwicklung. Kindheit und Entwicklung, 20 (4), 197 - 200, https: / / doi.org/ 10.1026/ 0942-5403/ a000056
