eJournals Frühförderung interdisziplinär 38/2

Frühförderung interdisziplinär
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0721-9121
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
41
2019
382

Test und Screenings: Testrezension WPPSI-IV Wechsler Preschool And Primary Scale of Intelligence - Fourth Edition

41
2019
Gitta Reuner
Testrezension WPPSI-IV Wechsler Preschool And Primary Scale of Intelligence – Fourth Edition D. Wechsler, Bearbeiter der deutschen Fassung: F. Petermann & M. Daseking, unter Mitarbeit von F. Walter (2018)
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96 Frühförderung interdisziplinär, 38.-Jg., S.-96 - 103 (2019) DOI 10.2378/ fi2019.art13d © Ernst Reinhardt Verlag TESTS UND SCREENINGS Die seit vielen Jahren in der Intelligenzdiagnostik etablierte Wechsler Preschool And Primary Scale of Intelligence WPPSI liegt seit 2018 in einer grundlegend überarbeiteten und neu normierten deutschen Fassung als WPPSI-IV vor (Wechsler 2018). Damit wird die lange Tradition der Wechsler-Intelligenztests für das Vorschulalter fortgesetzt, die auch verschiedene deutsche Fassungen beinhaltet, nämlich HAWIVA (Eggert 1978), HAWIVA-III (Ricken et al. 2007) und WPPSI-III (Petermann et al. 2009). Die Überarbeitung zum WPPSI-IV zielt im Wesentlichen darauf ab, die theoretischen Grundlagen zu aktualisieren, das Verfahren besser an den Entwicklungsstand von Kindern anzupassen, die Anwenderfreundlichkeit sowie die psychometrischen Eigenschaften zu verbessern und schlussendlich die Anwendbarkeit in klinischen Settings zu optimieren. Wie auch die vorangehenden Versionen soll die WPPSI-IV in der klinischen psychologischen und pädagogischen Praxis bei einer Vielzahl von Fragestellungen einsetzbar sein. 1. Theoretischer Hintergrund David Wechsler beschrieb Intelligenz als eine globale, allgemeine Fähigkeit, die sich aus unterschiedlichen, qualitativ voneinander abgrenzbaren Fähigkeiten zusammensetzt. Diese breite theoretische Ausrichtung wird in der Überarbeitung der WPPSI-IV unter Berücksichtigung jüngerer hierarchischer Intelligenzstrukturmodelle und aktueller Befunde aus der neurokognitiven Forschung weiter entwickelt (Technisches Manual S. 45). Ausgehend von der Annahme eines übergeordneten allgemeinen Intelligenzfaktors können demnach darunter liegende breite Fähigkeitsbereiche unterschieden werden, die wiederum auf noch enger gefassten Fähigkeiten einer untersten Ebene basieren. Mit Bezug auf aktuelle Befunde aus der Entwicklungsneurologie bzw. der Hirnreifung werden in der WPPSI-IV die Komponenten Sprachverständnis, Visuell-räumliche Verarbeitung, Fluides Schlussfolgern, Arbeitsgedächtnis und Verarbeitungsgeschwindigkeit berücksichtigt (Technisches Manual S. 46). Die Beurteilung der übergeordneten kognitiven Fähigkeiten erfolgt in der WPPSI-IV mithilfe des Gesamt-IQ. Primäre Indexwerte, die faktorenanalytisch bestätigt wurden, beschreiben die Leistungen in den verschiedenen Funktionsbereichen. Als wesentliche Neuerung bietet die WPPSI-IV dabei die Möglichkeit, Arbeitsgedächtnisleistungen mithilfe von visuellen Merkfähigkeitsaufgaben als primäre kognitive Fähigkeit zu untersuchen (Technisches Manual S. 51). Sekundäre Indexwerte, die theoretisch begründet werden, ermöglichen die Interpretation weiterer Aspekte der kognitiven Fähigkeiten (Technisches Manual S. 15). Der Allgemeine Fähigkeitsindex AFI soll in diesem Kontext kognitive Leistungen abbilden, die weniger durch Arbeitsgedächtnis und Verarbeitungsgeschwindigkeit bedingt sind. Der Kognitive Leis- Testrezension WPPSI-IV Wechsler Preschool And Primary Scale of Intelligence - Fourth Edition D. Wechsler, Bearbeiter der deutschen Fassung: F. Petermann & M. Daseking, unter Mitarbeit von F. Walter (2018) Gitta Reuner 97 FI 2/ 2019 Tests und Screenings tungsindex KLI steht als Maß für die Effizienz der kognitiven Verarbeitungsprozesse als sekundärer Indexwert zur Verfügung. Die Struktur der WPPSI-IV wurde damit insgesamt den Wechsler- Verfahren für ältere Personen angeglichen und bietet damit nun auch die Möglichkeit, relative Stärken und Schwächen entsprechend diesem Intelligenzmodell zu analysieren. 2. Testaufbau, Material und Durchführung Die WPPSI-IV ist für die Individualdiagnostik kognitiver Leistungen bei Kindern im Alter von 2; 6 bis 7; 7 Jahren vorgesehen. Für die Untersuchung von Kindern mit sensorischen, verbalen oder körperlichen Einschränkungen werden im Manual einige Hinweise zur Testfairness und Grenzen der Durchführbarkeit unter diesen Bedingungen gegeben (Manual zur Durchführung und Auswertung S. 27ff). Die Testdurchführung findet in zwei Altersgruppen statt, für die jeweils separate Protokollhefte vorliegen (2; 6 bis 3; 11 Jahre und 4; 0 bis 7; 7 Jahre). Für die Untertests Objekte markieren, Tier-Symbol-Test und Insektensuche müssen jeweils separate Protokollbogen erworben werden. Das Testmaterial wird in einem großen, enorm schweren Koffer geliefert und umfasst neben den für die Durchführung der Untertests erforderlichen Teilen und Stimulusbüchern drei Manuale, in denen die Durchführung und Auswertung, Technische Angaben und Kennwerttabellen separat dargestellt werden. Ebenfalls separat zu erwerben ist eine Auswertesoftware, die in ihrer Funktionalität und Benutzeroberfläche analog zu den Auswerteprogrammen vom WISC-V gestaltet ist. Das Verfahren umfasst 15 Untertests, von denen zehn in modifizierter Form aus der Vorläuferversion übernommen wurden. In beiden Altersgruppen können die Ergebnisse auf drei Ebenen interpretiert werden. Je nach Altersgruppe werden 5 bzw. 6 Untertests zur Bestimmung des Gesamt- IQ zusammengefasst. Zur Untersuchung der primären Indexwerte Sprachverständnis, Visuell-räumliche Verarbeitung und Arbeitsgedächtnis bei den 2; 6 bis 3; 11Jährigen werden 6 Untertests benötigt. Für die 4; 0 bis 7; 7Jährigen werden 10 Untertests zur Berechnung der primären Indexwerte Sprachverständnis, Visuell-räumliche Verarbeitung, Fluides Schlussfolgern, Arbeitsgedächtnis und Verarbeitungsgeschwindigkeit benötigt. Zur erweiterten Untersuchung der sekundären Indexwerte Wortschatzerwerb, Nonverbaler Index, Allgemeiner Fähigkeitsindex AFI und Kognitiver Leistungsindex KLI (nur 4; 0 bis 7; 7Jährige) stehen 1 bzw. 5 ergänzende Untertests zur Verfügung. Nur für die höhere Altersgruppe ab 4 Jahren können die Leistungen in den beiden Teilen des Untertests Objekte markieren (strukturiert und unstrukturiert), die als qualitative, sogenannte Prozesswerte miteinander in Beziehung gesetzt werden (Manual zur Durchführung und Auswertung S. 17). Alle Aufgaben wurden gründlich überarbeitet und wegen der Ausweitung des Altersbereiches um weitere Aufgaben ergänzt. Beibehalten in der jüngeren Altersgruppe wurden die Untertests Allgemeines Wissen, Passiver Wortschatz (WPPSI-IV Passiver Wortschatz-Test), Aktiver Wortschatz (WPPSI-IV Bilder benennen), Mosaik-Test und Figuren legen für die jüngere Altersgruppe. In der höheren Altersgruppe wurden 10 Untertests beibehalten, nämlich Allgemeines Wissen, Gemeinsamkeiten finden, Wortschatz-Test, Allgemeines Verständnis, Passiver Wortschatz (WPPSI-IV Passiver Wortschatz-Test), Aktiver Wortschatz (WPPSI-IV Bilder benennen), Mosaik-Test, Figuren legen, Matrizen-Test und Bildkonzepte. Die fünf neuen Untertests sind: Insektensuche: Das Kind soll in einer definierten Zeitspanne ein Zielbild (Insekt) in einer Suchgruppe wiederfinden und markieren (Altersgruppe 4; 0 bis 7; 7, primärer Index Verarbeitungsgeschwindigkeit). Bilder wiedererkennen: Dem Kind werden für eine definierte Zeit ein oder mehrere Bilder auf einer Stimulusseite präsentiert, die dann auf der Antwortseite aus einer größeren Auswahl herausgesucht werden sollen (alle Altersgruppen, primärer Index Arbeitsgedächtnis). Objekte markieren: Das Kind soll innerhalb einer bestimm- 98 FI 2/ 2019 Tests und Screenings ten Zeitspanne Zielobjekte markieren, einmal in unstrukturierter, einmal in strukturierter Anordnung (Altersgruppe 4; 0 bis 7; 7, primärer Index Verarbeitungsgeschwindigkeit). Tiere platzieren: Das Kind betrachtet für eine bestimmte Zeit Karten mit Tierbildern, die in vorgegebener Anordnung auf einem Plan präsentiert werden. Es soll dann die Karten in der jeweiligen Position auf dem leeren Plan platzieren (alle Altersgruppen, primärer Index Arbeitsgedächtnis). Tier-Symbol- Test: Das Kind soll in einer bestimmten Zeitspanne in einer Zielauswahl diejenigen Symbole markieren, die nach einem Kodierschlüssel zu einem abgebildeten Tier gehören (Altersgruppe 4; 0 bis 7; 7, Ersetzungsuntertest primärer Index Verarbeitungsgeschwindigkeit, Nonverbaler Index und Kognitiver Leistungsindex). Die Durchführung und kindgerechte Gestaltung der Untersuchung sind im Manual zur Durchführung und Auswertung auf 338 Seiten umfangreich beschrieben. Die Durchführungsdauer wird in Abhängigkeit vom Alter für jeden einzelnen Untertest zwischen 3 und 10 Minuten angegeben. Für die Bestimmung des Gesamt-IQ werden Bearbeitungszeiten von 26 bis 34 Minuten geschätzt. Zur Untersuchung der primären Indizes werden 32 bis 60 Minuten erforderlich. Bei Untersuchungen von Kindern mit Entwicklungsund/ oder Verhaltensbesonderheiten weichen die Untersuchungszeiten aus eigener Erfahrung deutlich von diesen Schätzungen ab. Ersetzungsuntertests können nach bestimmten Regeln verwendet werden, wenn z. B. körperliche Einschränkungen die Leistungen in den Standarduntertests beeinträchtigen könnten. Pro Indexwert ist dabei maximal eine Ersetzung erlaubt. Auf keinen Fall dürfen Ersetzungen mit Untertests aus einem anderen primären Indexbereich erfolgen. Des Weiteren kann der Gesamt-IQ hochgerechnet werden, falls nicht genügend Untertests für die Bestimmung durchführbar waren. Jedoch dürfen niemals Ersetzungen und Hochrechnung miteinander kombiniert werden (Manual zur Durchführung und Auswertung S. 47). Die Durchführung der WPPSI-IV erfordert eine gründliche Einarbeitung. Gerade Anwender, die mit der Vorversion sehr vertraut sind, sollten auf wesentliche Unterschiede achten. Startpunkte nach Alter des Kindes, Umkehrregeln bei fehlerhaften Lösungen in den ersten beiden Aufgaben ab Startpunkt und Abbruchregeln sind in der WPPSI-IV sowohl im Durchführungsmanual als auch im Protokollbogen kenntlich gemacht und detailliert erläutert. Die Abbruchregeln wurden im Vergleich zur Vorläuferversion überarbeitet und verkürzt (Abbruch nach 2 oder 3 aufeinander folgenden mit 0 bewerteten Aufgaben). Für die Testdurchführung sollte man von Anfang an einen ausreichend großen Tisch vorbereiten, da z. B. der Plan für den Untertest Tiere platzieren im Format DIN-A 3 ausgelegt werden muss und das Durchführungsmanual im aufgeklappten Zustand nochmals ungefähr DIN-A 3-Format hat. Die Aufschlaghilfen im Durchführungsmanual erleichtern das Finden der jeweiligen Testinstruktionen. Zur Bearbeitung der neuen Untertests Insektensuche, Objekte markieren und Tier-Symbol-Test erhält das Kind einen Stempelstift, mit dem es jeweils die Zielreize „stempeln“ soll. Die Materialauswahl wird mit einer kindgerechten Gestaltung begründet (Technisches Manual S. 55). In der Praxis haben sich die beigefügten Stempelstifte in eigener Erfahrung wenig bewährt, da sie bei zu energischem Gebrauch schmieren und spritzen und in der Folge erheblich von der eigentlichen Aufgabenstellung ablenken. Der Protokollbogen ist übersichtlich gestaltet, bietet ausreichend Platz zum Protokollieren und unterstützt die Testdurchführung durch Erinnerungshilfen zu den Testregeln. Die Seiten zur Auswertung und Ergebnisdarstellung lassen sich praktischerweise so ausklappen, dass sie bei Testauswertung immer offen liegen, und bieten eine gute Möglichkeit, das Testergebnis grafisch darzustellen. Die zur Testauswertung erforderlichen Tabellen liegen in einem Ergänzungsmanual separat vor. Es werden Wertpunkte bzw. Wertpunktäquivalente für Prozesswerte (M = 10, SD = 3), Indexwerte (M = 100, SD = 15) mit 90 %bzw. 95 %-Konfidenzintervallen sowie Prozentränge zur Verfügung 99 FI 2/ 2019 Tests und Screenings gestellt. Für Untertests und Prozesswerte können zudem Altersäquivalente abgelesen werden. Zur Analyse des Leistungsprofils können kritische Differenzen zwischen den primären Indexwerten und dem Mittelwert der primären Indexwerte bzw. dem Gesamt-IQ beurteilt werden. Die Differenzen zwischen den primären Indexwerten können auf statistisch bedeutsame Unterschiede hin verglichen werden. Die kumulierten prozentualen Häufigkeiten (Grundraten) der Differenzen zwischen den primären Indexwerten werden nach fünf unterschiedlichen Fähigkeitsstufen dargestellt. Auch für die sekundären Indexwerte liegen Tabellen zu kritischen Differenzen und Grundraten vor. Das separat zu erwerbende Auswertungsprogramm (Windows und MAC) ist gerade erschienen (Stand 13. 12. 2018). Es ist in seiner Bedienung analog zu der Auswertesoftware für WISC-V und stellt sämtliche Indizes und Vergleichsmöglichkeiten auf einem 5-seitigen Report dar. Damit ist es eine wichtige Ergänzung für eine zeitökonomische und zuverlässige Auswertung. Erweiterung des Anwendungsbereiches 2; 6 bis 7; 7 Jahre Altersgruppe 1: 2; 6 bis 3; 11 Jahre; Altersgruppe 2: 4; 0 bis 7; 7 Jahre Aktualisierung der theoretischen Grundlagen/ Neue Teststruktur Gesamt-IQ Faktorenanalytisch bestätigte Primäre Indexwerte Altersgruppe 1: Sprachverständnis, Visuell-räumliche Verarbeitung, Arbeitsgedächtnis Altersgruppe 2: Sprachverständnis, Visuell-räumliche Verarbeitung, Fluides Schlussfolgern, Arbeitsgedächtnis, Verarbeitungsgeschwindigkeit) Theoretisch begründete Sekundäre Indexwerte Altersgruppe 1: Wortschatzerwerb, Nonverbaler Index, Allgemeiner Fähigkeitsindex Altersgruppe 2: Wortschatzerwerb, Nonverbaler Index. Allgemeiner Fähigkeitsindex, Kognitiver Leistungsindex Qualitativ interpretierbare Prozesswerte (Altersgruppe 2: Objekte markieren strukturiert versus unstrukturiert) Modifikation erhaltener Untertests Veränderungen hinsichtlich Durchführung und Bewertung, Hinzufügen neuer Aufgaben zur Verringerung von Boden- und Deckeneffekten und wegen des erweiterten Altersbereiches Neue Untertests Insekten-Suche, Objekte markieren, Tier-Symbol-Test (Verarbeitungsgeschwindigkeit), Bilder wiedererkennen, Tiere platzieren (Arbeitsgedächtnis) Arbeitsgedächtnisleistungen (primärer Indexwert) Zwei neue Untertests zum visuellen Arbeitsgedächtnis (Bilder wiedererkennen, Tiere platzieren) Normierung Altersspezifische Start-, Umkehr- und Abbruchregeln. Verkürzung der Abbruchregeln auf 2 bzw. 3 Items in Folge, die mit 0 bewertet wurden Deutsche Normierung an N = 895 Kindern nach Soll-Stichprobenplan, regional verteilt (Nord, Süd, Ost, West), Stratifizierung nach Alter (9 Altersgruppen), Geschlecht, elterlicher Bildung (4 Level), Formulierung von Ausschlusskriterien (insb. Sprachkompetenzen, erhebliche Einschränkungen der Hand-/ Armmotorik, potenziell leistungsbeeinträchtigende Erkrankungen oder Behandlungen) Einschluss von 30 % Kindern mit Migrationshintergrund Tab. 1: Zusammenfassung der wesentlichen Überarbeitungen/ Veränderungen der WPPSI-IV im Vergleich zur Vorläuferversion WPPSI-III 100 FI 2/ 2019 Tests und Screenings 3. Testgütekriterien und deutsche Normierung Das Manual zur Durchführung und Auswertung sichert durch umfangreiche Angaben die Durchführungsobjektivität. Die Auswerteobjektivität wurde im Vergleich zur Vorversion durch umfangreichere Hinweise zum Umgang mit Antworten in den Untertests zum Sprachverständnis erhöht, wenngleich auch nicht alle denkbaren Antworten in den Untertests zum Sprachverständnis abgedeckt sind. Durch die Normwerte ist die Interpretationsobjektivität gesichert. Das Technische Manual (S. 156ff) enthält umfangreiche Hinweise zu Testgütekriterien und zur Interpretation der Testergebnisse auf den verschiedenen Ebenen (Gesamt-IQ, primäre Indexwerte, sekundäre Indexwerte und Prozesswerte). Die Reliabilität im Sinne der Internen Konsistenz des Verfahrens wurde mit Ausnahme der Untertests Insekten-Suche, Objekte markieren und Tier-Symbol-Test über die Split-Half-Methode berechnet. Für die drei Geschwindigkeitstests wurde die Retest-Reliabilität bestimmt. Im Vergleich zur Vorläuferversion sind die Reliabilitäten ähnlich oder sogar höher und liegen für die gesamte Stichprobe im mittleren bis hohen Bereich (Technisches Manual S. 80ff). Erfreulicherweise finden sich im Technischen Manual auch Angaben zur Retest-Reliabilität für eine Subgruppe von N = 104 mit einem Retest- Intervall von im Durchschnitt 26 Tagen (Technisches Manual S. 89ff). Hier werden niedrigste Übereinstimmung für die Leistungen in der Verarbeitungsgeschwindigkeit (r = .71) und höchste Koeffizienten für die Sprachverarbeitung (r = .90) beschrieben (Technisches Manual S. 91). Lerneffekte (höhere Leistungen bei zweiter Testung) fallen in den Untertests der primären Indexwerte Visuell-räumliches Schlussfolgern, Fluides Schlussfolgern und Verarbeitungsgeschwindigkeit höher aus als in Sprachverarbeitung und Arbeitsgedächtnis. Die inhaltliche Validität der neu konstruierten Untertests der WPPSI-IV wurde mittels Literaturrecherchen, Expertenbefragungen und empirischen Untersuchungen sichergestellt und wird sich in zukünftigen Untersuchungen weiter nachweisen lassen müssen (Technisches Manual S. 105). Um die Validität der überarbeiteten Teststruktur zu untermauern, wurden verschiedene Analyseschritte durchgeführt. Im Sinne von konvergenter bzw. diskriminanter Validität wurde durch Korrelationsanalysen bestätigt, dass diejenigen Untertests höher miteinander korrelieren, die ähnliche kognitive Leistungen erfassen sollen (Technisches Manual S. 111ff ). Die hierarchische Struktur wurde mithilfe konfirmatorischer Faktorenanalysen überprüft und führte schlussendlich zu den beiden für die Altersgruppen unterschiedlichen Modellen mit 3 bzw. 5 primären Indexwerten. Zur Untersuchung der Konstruktbzw. Kriterienvalidität werden Angaben zur Übereinstimmung mit anderen Entwicklungsbzw. Intelligenztests gemacht (Walter et al. 2018). An einer kleinen Stichprobe (N = 31) von Kindern im Alter von 6; 0 bis 7; 7 Jahren wurden Übereinstimmungen zwischen WPPSI-IV und WISC-V untersucht und mit einem r = .82 für den Gesamt-IQ im guten Bereich gefunden. Außerdem liegen Untersuchungen an Gruppen mit Hoch- und Minderbegabung vor. Diese Angaben basieren auf sehr kleinen Stichproben (N = 13 bzw. 11) und können dementsprechend nur als erste Hinweise auf Validierung in speziellen Gruppen verstanden werden. Weitere Validierungsstudien zur Interpretation der WPPSI-IV mit Hinblick auf Verhaltensauffälligkeiten in exekutiven Funktionen (Fiedler et al. 2018) sowie zu Zusammenhängen zwischen motorischen und kognitiven Leistungen (Jascenoka et al. 2018) sind bereits verfügbar. Die deutsche Adaptation und Normierung basiert auf der umfangreichen Testentwicklung USA und der mehrjährigen Entwicklungs- und Erhebungsarbeit ab 2014 in Deutschland. Im Rahmen der Erprobung in Deutschland wurden die Startpunkte insbesondere für die sprachbezogenen Untertests angepasst. Die Abbruchregeln wurden aus der US-Fassung übernommen (Technisches Manual S. 75). Die Normierungsstichprobe umfasst 895 Kinder, die anhand eines Sollstichproben- 101 FI 2/ 2019 Tests und Screenings plans regional gestreut wurden (Nord, Süd, Ost, West) und nach Alter (9 Altersgruppen), Geschlecht, Migrationshintergrund (30 %) und elterlichem Bildungslevel (4 Level) stratifiziert wurden. Trotz der sehr aufwendigen Planung sind in den untersten und obersten Altersgruppen die höheren elterlichen Bildungslevel leicht überrepräsentiert (siehe Tabelle 3.2, Technisches Manual S. 74). Der Wertebereich der primären Indexwerte und des sekundären Indexwertes Wortschatzerwerb reicht von 45 bis 155. Für den Gesamt-IQ sowie die sekundären Indexwerte Nonverbaler Index, Allgemeiner Fähigkeitsindex und Kognitiver Leistungsindex wird ein Wertebereich von 40 bis 160 erreicht. 4. Plus und Minus in der Zusammenschau Die WPPSI-IV ermöglichen eine differenzierte Untersuchung kognitiver Fähigkeiten ab dem Alter von 2; 6 Jahren bis ins Grundschulalter (7; 7 Jahre) und wird trotz der hohen Kosten für Anschaffung und Verbrauchsmaterial im psychologischen diagnostischen Repertoire nicht fehlen dürfen, v. a. wenn ein diagnostischer Schwerpunkt im Kleinkind- und Vorschulalter besteht. Die wesentlichen Neuerungen mit erweitertem Altersbereich und Angleichung der Teststruktur an die anderen Wechsler-Verfahren sind in ihrer theoretischen Ableitung schlüssig und klinisch nützlich. Insbesondere die Ausdehnung des Altersbereichs nach oben erlaubt nun auch bei Kindern, die vom Schulbesuch zurückgestellt wurden, die Verwendung einer Testversion für Vorschulkinder. Die Ausweitung des Altersbereichs nach unten kann bei der Untersuchung von Dreijährigen mit Entwicklungsauffälligkeiten in der klinischen Anwendung hilfreich sein. Günstig erweist sich bei der Anwendung die Verkürzung der Abbruchregel auf 3 Aufgaben in Folge, die mit 0 bewertet wurden. Die relativ großen Stimuli der Untertests Objekte markieren, Insekten-Suche und Tier-Symbol-Test sowie der dafür bereitgestellte Stempelstift werden auf den ersten Blick dem Anspruch einer kindgerechten Materialgestaltung gerecht, erweisen sich in der Routine- Anwendung aus Einschätzung der Rezensentin als eher ungünstig. Auch der große Plan für den Untertest Tiere platzieren zusammen mit der komplexen, raumgreifenden Instruktion im Manual lassen die Balance zwischen motivierender Materialgestaltung und Anwenderfreundlichkeit nicht wirklich erkennen. Die Protokollbögen zum Untertest Objekte markieren fordern vom Anwender zudem vorbereitende Eigenleistung (Zusammenlegen der Bogen in der richtigen Reihenfolge). Dies erscheint auch angesichts der enormen Kosten für die Verbrauchsmaterialien nicht ausgewogen (10 € bei kompletter Testdurchführung für Protokollheft und 3 separate Protokollbogen). Hinsichtlich der Gütekriterien bietet das Technische Material der WPPSI-IV umfangreiche Kennwerte, insbesondere mit Hinblick auf die Reliabilität. Leider fehlen Angaben zur Stabilität der Kennwerte bei Wechsel der Altersgruppe. Diese Informationen wären besonders für Kliniker von Interesse, die longitudinale Untersuchungen durchführen, und sollten deshalb durch zukünftige Untersuchungen ergänzt werden. Die auf sehr kleinen Stichproben basierenden Validierungsuntersuchungen wurden bereits ergänzt (Daseking/ Petermann 2018), auch hier sollten weitere Befunde zu besonderen Gruppen folgen. Für Verlaufsuntersuchungen besonders wichtig ist eine hohe Übereinstimmung der Untertests zwischen den Altersgruppen. Hierbei ist einschränkend festzuhalten, dass die primären Indexwerte Fluides Schlussfolgern und Verarbeitungsgeschwindigkeit nur in der höheren Altersgruppe erhoben werden. Für die Berechnung des Gesamt-IQ werden nur 3 Untertests in beiden Altersgruppen gleichermaßen einbezogen (Allgemeines Wissen, Mosaik-Test und Bilder wiedererkennen). Leider finden sich zur Re-Testreliabilität bei Wechsel der Altersgruppe keine Angaben im Technischen Manual. Entsprechende Untersuchungen sollten erfolgen, um den Anwendern Interpretationshilfen zu geben. 102 FI 2/ 2019 Tests und Screenings Die grundlegende Überarbeitung der Teststruktur kompensiert somit einige Probleme der Vorläuferversion WPPSI-III (Renner 2010) und erleichtert zudem bei längsschnittlichen Untersuchungen einen Übergang zum WISC-V. Das Arbeitsgedächtnis wird in der WPPSI-IV als primärer Indexwert erfasst, was gerade für die Intelligenzdiagnostik bei Vorschulkindern von hoher Relevanz ist. Die Autoren argumentieren zwar ausführlich, dass in der Altersgruppe der WPPSI-IV das visuelle Arbeitsgedächtnis entscheidend sei, und begründen darüber die neu konstruierten Untertests für diesen Faktor. Da das Verfahren jedoch voraussichtlich sehr häufig im Bereich der Einschulungsberatung zum Einsatz kommen wird, ist erneut kritisch anzumerken, dass das auditive Arbeitsgedächtnis außen vor bleibt. Auch die Beobachtung des rechnerischen Denkens bzw. des Umgangs mit Zahlen, der in der frühen Version des HAWIVA möglich war, ist in der WPPSI-IV nicht enthalten. In der klinisch-psychologischen Diagnostik werden häufig exekutive Funktionen untersucht, die wesentliche Grundvoraussetzungen für Lernprozesse darstellen. Arbeitsgedächtnisleistungen spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Die geringe Überschneidung des primären Indexwertes Arbeitsgedächtnis der WPPI-IV mit der Skala Arbeitsgedächtnis in einem Fragebogen zu exekutiven Funktionen (Fiedler et al. 2018) verweist darauf, dass dieser primäre Indexwert nicht vorschnell als Indikator für andere als visuelle Arbeitsgedächtnisleistungen interpretiert werden darf. Erste Kasuistiken der Rezensentin zeigten hierzu passend geringe Übereinstimmungen zwischen dem primären Index Arbeitsgedächtnis WPPSI-IV und der Skala Sequentiell/ Gsm aus der K-ABC-II (Melchers/ Melchers 2015), in welche vorwiegend auditive Arbeitsgedächtnisleistungen eingehen. In der Anwendung ist dementsprechend der Einsatz ergänzender Verfahren dringend angeraten, gerade wenn es um Fragen der Einschulung bzw. Risikofaktoren für Schulleistungsstörungen gehen sollte. Die Interpretation des primären Indexwertes Arbeitsgedächtnis muss dementsprechend sorgfältig erfolgen. Zusammenfassend überzeugt die WPPSI-IV durch eine gründliche Überarbeitung des etablierten Verfahrens, bietet im Vergleich zur Vorgängerversion mehrere gut überlegte Veränderungen und erscheint bereits nach kurzer Erprobung - trotz der genannten Kritikpunkte - zur Untersuchung kognitiver Funktionen bei Vorschulkindern gut geeignet, sofern das Verfahren durch qualifizierte und verantwortungsvolle Anwender zum Einsatz gelangt. Apl.-Prof. Dr. sc. hum. Gitta Reuner, Dipl.-Psych. Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Institut für Bildungswissenschaft Akademiestr. 3, 69117 Heidelberg E-Mail: reuner@ibw.uni-heidelberg.de Tel.: +49-62 21 54 74 23 Literatur Daseking, M., Petermann, F. (2018): Current Versions of the Wechsler: WPPSI-IV and WISC-V. Kindheit und Entwicklung, 27 (3), 127 - 132, https: / / doi.org/ 10. 1026/ 0942-5403/ a000252 Eggert, D. (1978): Hannover Wechsler Intelligenztest für das Vorschulalter (HAWIVA). Huber, Bern Fiedler, S., Walter, F., Petermann, F., Daseking, M. 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Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische 103 FI 2/ 2019 Tests und Screenings Psychologie, 42 (3), 177 - 182, https: / / doi.org/ 10.10 26/ 0049-8637/ a000018 Ricken, G., Fritz, A., Schuck, K.D., Preuß, U. (2007): HAWIVA-III. Hannover-Wechsler-Intelligenztest für das Vorschulalter - III. Huber, Bern Walter, F., Petermann, F., Daseking, M. (2018): The Prediction of Cognitive Ability in the WPPSI-IV by the ET 6-6-R. Kindheit und Entwicklung, 27 (3), 133 - 141, https: / / doi.org/ 10.1026/ 0942-5403/ a000253 Wechsler, D. (2018): WPPSI-IV Wechsler Preschool and Primary Scale of Intelligence - Fourth Edition. Bearbeiter der deutschen Fassung: F. Petermann & Monika Daseking, unter Mitarbeit von F. Walter. Pearson Deutschland GmbH, Frankfurt a. M.