eJournals Frühförderung interdisziplinär 38/1

Frühförderung interdisziplinär
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0721-9121
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/fi2019.art04d
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2019
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Was Frühförderung wertvoll macht

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2019
Nadine Friedrich
Derk van Berkum
Derk van Berkum
Begonnen nach der Geburt und begleitet bis zur Einschulung, soll hier die Entwicklung von frühgeborenen Zwillingsbrüdern der 32. Schwangerschaftswoche (SSW) beschrieben werden. Die Brüder wurden 2011 als erste Kinder der Familie geboren. Im Sommer 2018 wurden sie mit 6;10 Jahren nach sechs Jahren Förderung in die Regelgrundschule aufgenommen. Diese lange und intensive Zeit soll hier nicht in einem klassischen Fallbericht, sondern durch einen gemeinsamen Erfahrungsbericht von Eltern und Pädagogin beschrieben werden. Im Landkreis Osnabrück wird die Frühförderung heilpädagogisch basiert durchgeführt. [...]
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30 Frühförderung interdisziplinär, 38.-Jg., S.-30 - 39 (2019) DOI 10.2378/ fi2019.art04d © Ernst Reinhardt Verlag AUS DER PRAXIS Was Frühförderung wertvoll macht. Ein persönliches Resümee von Eltern und Pädagogin nach sechs Jahren Förderung frühgeborener Zwillinge Nadine Friedrich, Michaela van Berkum-Bewarder, Derk van Berkum Einleitung Begonnen nach der Geburt und begleitet bis zur Einschulung, soll hier die Entwicklung von frühgeborenen Zwillingsbrüdern der 32. Schwangerschaftswoche (SSW) beschrieben werden. Die Brüder wurden 2011 als erste Kinder der Familie geboren. Im Sommer 2018 wurden sie mit 6; 10 Jahren nach sechs Jahren Förderung in die Regelgrundschule aufgenommen. Diese lange und intensive Zeit soll hier nicht in einem klassischen Fallbericht, sondern durch einen gemeinsamen Erfahrungsbericht von Eltern und Pädagogin beschrieben werden. Im Landkreis Osnabrück wird die Frühförderung heilpädagogisch basiert durchgeführt. Als Diplom-Pädagogin, aber vor allem wegen des Arbeitsschwerpunktes der Förderung Frühgeborener, kam ich in die Familie, als die Kinder 12 Wochen (korrigiert 8 Wochen) alt waren. Wir begannen im Rahmen einer Hausfrühförderung mit durchschnittlich einem Termin à 45 Minuten pro Woche. Nachfolgend wird im ersten Teil des Artikels die Entwicklung der Kinder anhand der Punkte pränatale Risiken und Geburt, erstes Lebensjahr, Gesamtentwicklung bis zur Einschulung und Beendigung dargestellt. Dabei ist es uns wichtig, die unserer Meinung nach für den Erfolg zentralen Aspekte für diesen Prozess herauszustellen. Dazu gehörte eine sichere Beziehungsgestaltung in dem Dreieck Eltern, Kinder und Pädagogin über einen sehr langen Zeitraum. Darüber hinaus war es elementar wichtig, die zur Verfügung stehenden Ressourcen der Familie zu finden und zu bündeln. Zunächst wird die Sicht der Pädagogin beschrieben und anschließend durch die Erfahrungen der Eltern ergänzt. Dabei stellen sie die für sie wichtigen Erkenntnisse und Erfahrungen anhand diverser Beispiele dar, mit der Intention, neue Ideen und Sichtweisen für Fachkräfte beizutragen. Im zweiten Teil des Artikels werden die entwicklungspsychologische und medizinische Diagnostik sowie die angewandten Methoden und interdisziplinäre Zusammenarbeit dargestellt, bevor die Pädagogin das Ende der Frühförderung beschreibt und ein kurzes Fazit zieht. Pränatale Risiken und Geburt Nach verfrühten Wehen in der 27. SSW musste die Mutter den Rest der Schwangerschaft streng liegen. Dennoch kam es in der 32 + 1 SSW zum vorzeitigen Blasensprung. Die Kinder wurden mit 2430 g (Apgar 10/ 10) und 2360 g (Apgar 8/ 8) Geburtsgewicht per sectio geboren. Nach den Diagnosekriterien der WHO galten die Brüder als Risikokinder durch ein zu niedriges Gestationsalter und zu geringes Geburtsgewicht (ICD P07.12 Neugeborenes mit niedrigem Geburtsgewicht). Postnatal mussten die Kinder auf der Neonatologie umfangreich intensivmedizinisch versorgt wer- 31 FI 1/ 2019 Aus der Praxis den. Hier erhielten sie bereits frühzeitig Physiotherapie nach Bobath und Vojta, jedoch bedauerten und beklagten die Eltern, dass dies auf der Neugeborenenstation nicht weitergeführt wurde. Eltern: Nach der sogenannten Risikoschwangerschaft und dem glücklichen Erreichen der 32. SSW, mit sieben Wochen zum Liegen verordnet, was für eine Leistungssportlerin nicht leicht ist, kommt es zur glücklich erwarteten Geburt. Doch schon hier war alles anders als vorgestellt. Die Kinder wurden sofort im Wärmebett versorgt. Wir als Eltern durften die Kinder noch nicht sehen. Die Mutter noch in Behandlung, der Vater wartete auf dem Flur. Für uns gab es nur die kurze Info: „Alles ist gut.“ Erst am nächsten Tag hatten wir den ersten Kontakt zu unseren Zwillingen. Dieses war eine Achterbahn der Gefühle. Unsere eigenen Kinder mit Infusion in der Oberkopfader, Sauerstoff an der Nase und anderen Hilfsmitteln so zart und klein zu sehen, war alles andere als einfach und prägte uns als Eltern sehr. Die Eltern fühlten sich seitens des Krankenhauses mit ihrer psychischen Situation allein gelassen. Ihr Bedürfnis, die Erlebnisse, Ängste und Sorgen aus der Zeit nach der Geburt aufzuarbeiten, wurde erstmals in den Gesprächen innerhalb der Frühförderung aufgegriffen. Eltern: Die 100 %-Versorgung auf der Intensivstation war perfekt und genau das Notwendige für alle Beteiligten. Nach kurzem Aufpäppeln in der Klinik erfolgte die Verlegung unserer Kinder ins Kinderhospital. Extremer konnte es für uns und unsere Kinder nicht sein. Mangelnde Zeit zur Versorgung und viele schreiende Kinder in zugiger Unterkunft. Erstmals fühlten wir uns an die Grenzen des Systems gedrängt und beschlossen, die Kinder, trotz Magensonde etc., nach Hause zu holen. Die Eingewöhnungsphase zu Hause verlief positiv und unkompliziert. Die Familie fühlte sich vor allem durch die Hebamme gut unterstützt. Regulationsstörungen traten erfreulicherweise keine auf, jedoch erlitten die Kinder schwere Koliken. Die Beantragung der Frühförderung erfolgte auf Anraten der Physiotherapeutin sehr schnell und wurde mit einem Lebensalter von 3 Monaten (korrigiertes Alter 8 Wochen) begonnen. Auch hier beklagten die Eltern rückwirkend, dass im Krankenhaus keine Aufklärung über Unterstützungsmöglichkeiten stattgefunden habe. Ohne die Physiotherapeutin zu Hause hätten sie von der Möglichkeit der Frühförderung nicht erfahren. Beziehungsdreieck Eltern - Kind - Pädagogin aus Sicht der Eltern Eltern: Die Förderung wurde in der Regel an den Kindern aufgebaut. Trotzdem war für uns der wichtigste Punkt zum Gelingen der Förderung eine gute Beziehung zwischen der Pädagogin und uns Eltern. Ganz bewusst sprechen wir die Väter mit an. Bei unseren Zwillingen konnte die Belastung nicht durch die Mutter allein bewältigt werden. Daher ergab sich für die Pädagogin die Aufgabe, beide Elternteile in den Fokus zu rücken. Die Pädagogin, unsere Kinder und wir bildeten ein fundamentales Beziehungsdreieck, was entscheidend zur guten, erfolgreichen Förderung unserer Zwillingsfrühgeborenen beigetragen hat. Diese Beziehung konnte wachsen, war aber mit dem Beginn und dem Vertrauensaufbau vom ersten Treffen an ausschlaggebend. So war es aus unserer Sicht als Eltern sehr wichtig, dass eine Kommunikation „auf Augenhöhe“ stattfand. Die Pädagogin beachtete und akzeptierte uns und unsere aktuellen Problemlagen. Unsere Ängste, auf was wir uns mit der Frühförderung eingelassen haben und wie umfangreich und intensiv so eine Förderung ist, schwangen mit und wurden berücksichtigt. Die o.g. Erlebnisse und die damit verbundenen Emotionen, auch mit den agierenden Personen, hat- 32 FI 1/ 2019 Aus der Praxis ten bereits Spuren hinterlassen. Nach der ersten Kontaktaufnahme war es entscheidend, unsere Ängste abzubauen, da diese auch eine gewisse Form der Offenlegung von Familienkonstrukt, Lebensformen oder Sorgen beinhalteten. Die Ängste, sich öffnen und erklären zu müssen, Schwächen und Erschöpfungszustände zuzugeben, waren für uns schwierig. Wir mussten schnell Vertrauen zur Pädagogin fassen, die Kinder in vertrauensvolle Hände zu geben, damit sie sie fördern konnte. Die Pädagogin konnte unsere Sorgen schnell abbauen. Dieses frühe Loslassenkönnen, damit ist die kurzzeitige Abgabe der Kinder an die Pädagogin gemeint, war von uns Eltern erst zu erlernen. Wir lernten loszulassen und konnten dadurch selbst einen Ruhepol finden. Diese Haltung übertrug sich auf die Kinder und das Fundament für Vertrauen und gute Förderung war gelegt. Damit konnte unsere Anspannung gemindert werden. Wir konnten uns selbst herausnehmen, um Luft zu holen. Dieses sehen wir im Nachhinein als ausschlaggebenden Garant für den Erfolg der frühen Förderung mit den Kindern an. Auch die Offenheit der Pädagogin war entscheidend, denn alles ansprechen zu können, was wir uns in schwierigen Situationen fragten, z. B. ob unser Verhalten richtig war oder falsch, war der Schlüssel, um effektiv Hilfe zur Selbsthilfe leisten zu können. Wäre dieses nicht vorhanden gewesen, hätten wir die entscheidenden Fragen, die uns belasteten, nicht gestellt und dementsprechend die Hilfe auch nicht annehmen können. Die Kommunikation auf Augenhöhe hieß für uns auch, Sympathie beziehungsweise Akzeptanz der Pädagogin als Hilfeleistung zu akzeptieren. Uns hat diese Hilfe gut getan. Dieses ist über die Jahre sowohl bei positiven Erfolgsschritten aber auch bei den Rückschritten und Schwierigkeiten in den gesellschaftlichen Systemen nicht ganz leicht. Die Pädagogin musste immer wieder praktisch Rat und Hilfe geben, uns motivieren und aufbauen. Ein Rückzug der Pädagogin aus unserer Beziehungsebene hätte zum Bruch des Beziehungsdreiecks geführt. Der viel zitierte Satz: „Wenn es den Eltern gut geht, geht es auch den Kindern gut“ war hier äußerst zutreffend. Hausfrühförderung im ersten Lebensjahr Nachfolgend sollen der Verlauf der Frühförderung und auch die Entwicklung der Kinder aus Sicht der Pädagogin dargestellt werden. Zentrale Themen der Förderung im ersten Lebensjahr waren bei beiden Kindern vor allem ausgeprägte Tonusregulationsstörungen, ausgehend von einem hypotonen Muskeltonus sowie Störungen der sensorischen Integration, vor allem in der vestibulären, taktilen und propriozeptiven Wahrnehmung. Wie häufig bei Frühgeborenen, zeigte sich auch bei diesen Jungen, durch wiederholte Blutentnahmen in den Fußsohlen, eine deutliche taktile Abwehr an den Füßen. In diesem Alter war eine Diagnostik im klassisch entwicklungspsychologischen Sinn noch nicht möglich. Doch da die Kinder Risikokinder waren, musste bereits im ersten Lebensjahr präventiv an den speziellen Förderbedürfnissen von Frühgeborenen gearbeitet werden. Aus diesem Grund boten wir in dieser und in anderen Familien im ersten Lebensjahr der Kinder eine Hausfrühförderung an. Wir betreuten die Familie mit zwei Pädagoginnen, so dass jedes Kind einen engen Kontakt zu „seiner“ Pädagogin aufbauen konnte. Dies beinhaltete auch den Vorteil, dass in Krankheits- oder Urlaubszeiten keine Unterbrechungen entstanden. Für unsere Zusammenarbeit bedeutete dies zunächst einen sicheren Beziehungsaufbau zu den Kindern und Eltern in ihrer gewohnten Umgebung. Es ermöglichte der Familie, in einem ruhigen Setting Kontakt und Vertrauen aufzubauen. Daher stand in den ersten Stunden die Kontaktaufnahme entlang der Möglichkeiten und Ressourcen der Familie nach einem traumatischen Ereignis und wochenlanger Belastung im Fokus. Im Prozess rückte die gezielte Förderung der Kinder in den Vordergrund und wurde unter Einbezug der Eltern angeboten. Es galt, etwaige Entwicklungsauffälligkeiten zu fördern, die regelgerechte Entwicklung anzubahnen und ein sicheres Beugemuster zu erarbeiten. 33 FI 1/ 2019 Aus der Praxis Zwischen den Terminen stellten wir Material und Übungsanregungen für die Eltern zur Verfügung, damit diese durch regelmäßige Wiederholungen die Förderung ergänzen konnten. Die Beratung stellte in dieser Zeit den Raum zur psychologischen Aufarbeitung der Situation dar. Ihre Erlebnisse, Ängste und Sorgen konnten hier kleinschrittig abgebaut werden. In diesen Besuchen zu Hause entwickelten sich Gespräche und die Eltern fanden Zeit und Raum, um Fragen zu besprechen. Beraterische Grundlage bei den Pädagogen war und ist der personenzentrierte Ansatz. Ferner wurden Themen wie die Ernährung und der Schlafrhythmus besprochen, später auch der Umgang mit Wutausbrüchen und Frustrationstoleranz bei den Kindern. Weiterhin war hier die Feinabstimmung zwischen Physiotherapeutin und Frühförderung von Bedeutung. Entwicklungsverlauf bis zur Einschulung Grobmotorik Unter regelmäßiger Förderung konnten beide Kinder zunächst gute Fortschritte erzielen, jedoch weiterhin keinen altersgerechten Entwicklungsstand erreichen. Im weiteren Verlauf der Förderung zeigten sich bei beiden Jungen zwischen dem dritten und vierten Lebensjahr persistierende Auffälligkeiten, besonders durch den eher hypotonen Muskeltonus. Besonders auffällig waren Tonusaufbau, Bewegungsplanung und -qualität sowie die Körperkoordination. Damit einhergehend zeigten sich weiterhin Störungen der sensorischen Integration, die mit ursächlich für eine ausgeprägte Bewegungsunruhe waren. Demzufolge entwickelten sich sowohl das Körperschema als auch die Raum-Lage-Wahrnehmung der Kinder nicht altersentsprechend. Im Alter von 4 Jahren bestand im sensomotorischen Bereich eine leichte Entwicklungsverzögerung. Feinmotorik Feinmotorisch zeigten beide Kinder bereits früh viel Interesse. Bereits vor dem zweiten Geburtstag interessierten sie sich für Stift und Schere. Dennoch erschwerten die unausgewogene Kraftdosierung und eine verzögerte Handreife das Erreichen altersgerechter Meilensteine, insbesondere in der Visuomotorik und erneut durch den herabgesetzten Muskeltonus. Bei dem jüngeren Zwillingsbruder wurden im Alter von 5; 7 Jahren ein Mikrostrabismus und eine Amblyopie diagnostiziert. Diese beiden Faktoren beeinflussten bei ihm die Ausbildung der Auge- Hand-Koordination und das räumliche Sehen. Bei dem älteren Bruder wirkte sich mit etwa 4 Jahren eine komplexere Problematik aus. Trotz eingehender Förderung neigte er immer wieder zum Zehenspitzengang und zu Schwierigkeiten beim gezielten Kraftaufbau. Zusätzlich zeigte sich nur bei ihm eine Ambivalenz bei der Ausbildung seiner Lateralität. Die Entwicklung stagnierte in diesem Bereich, so dass sich unter Betrachtung der Gesamtanamnese des älteren Bruders eine Vorstellung im Sozialpädiatrischen Zentrum empfahl. Durch interdisziplinäre Zusammenarbeit von Orthopädie und Neurologie im SPZ wurde bei ihm im Alter von 4; 7 Jahren eine unilateral-spastische Cerebralparese diagnostiziert, vermutlich durch die Frühgeburt verursacht (G80.8G, GMFC Level 1, MASC Level 1). Mitbefundet wurden bei ihm eine leichte dynamische Tonuserhöhung des OSG links und eine diskret ausgeprägte Supination/ Pronation des linken Arms. Damit erklärten sich der wiederkehrende Zehenspitzengang und seine Schwierigkeiten bei der Lateralitätsbildung und des bimanuellen Arbeitens. Die Förderplanung wurde daraufhin angepasst und er wurde wiederholt durch Physiotherapie unterstützt. Inzwischen hatte der ältere Bruder die Auswirkungen der Cerebralparese weitestgehend integriert. Eine leichte muskuläre Schwäche wird diesbezüglich aber immer bestehen bleiben. 34 FI 1/ 2019 Aus der Praxis Bei dem jüngeren Bruder gab es keine Hinweise auf neurologische Schädigungen, sodass eine Feindiagnostik nicht indiziert war. Die Mutter der Kinder ist ausgebildete Trainerin der Leichtathletik und selber mehrfache Europameisterin im Rasenkraftsport. Sie förderte ihre beiden Kinder während des ganzen Zeitraums und darüber hinaus nicht nur in der Sportgruppe, sondern auch nach ihren individuellen Bedürfnissen. Sie vermag sie gezielt und fundiert zu unterstützen, da sie Bewegungsabläufe und koordinative Prozesse detailliert analysieren kann. Im letzten Jahr vor der Schule zeigten beide Kinder eine gute, altersgerechte Grob- und Feinmotorik. Sprache Die Kinder entwickelten die Sprache altersentsprechend und zeigten eine große Sprechfreude und einen guten, stetig wachsenden, überdurchschnittlichen produktiven und rezeptiven Wortschatz. Durch eine geringe dysgrammatische Schwäche und einen Sigmatismus und Schetismus ergab sich jedoch bei der U9 eine Sprachentwicklungsverzögerung nach Abschluss der Sprachentwicklung mit 5; 3 Jahren. Zur Verbesserung des hypotonen Muskeltonus im orofacialen Bereich wurden in den Förderstunden und von den Eltern zu Hause täglich Übungen zur Verbesserung der Mundmotorik durchgeführt. Die Mundmotorik konnte erfreulicherweise bei beiden Jungen ohne zusätzliche Logopädie reguliert werden. Aktive Sprache und Sprachverständnis waren zur Einschulung vollständig altersgerecht entwickelt. Kognition Im Bereich der Kognition zeigten beide Kinder eine stetige Progression. Es ergaben sich keine gravierenden Einschränkungen der Intelligenzentwicklung, lediglich leichte Verzögerungen in Teilbereichen. Dem entgegen standen aber auch tendenziell überdurchschnittliche Ergebnisse, sodass eine zu starke Differenz vermieden werden musste. Unter 3 Jahren zeigten beide Kinder noch Schwierigkeiten im Bereich von Konzentration, Ausdauer und Fokussierung. Bei dem älteren Zwilling reduzierten sich diese entwicklungsanalog, der jüngere Zwilling baute diese im Rahmen einer Kleingruppenförderung vollständig ab. Insgesamt erreichen beide Kinder im SON-R im Alter von 6 Jahren Ergebnisse im oberen Normbereich. Beide zeigen Stärken durch eine gute Auffassungsgabe und einen enormen Wissensdurst, hohe Motivation und Lernwillen sowie stark ausgeprägte Gedächtnisleistungen. Sozial-emotionale Entwicklung Die sozial-emotionale Entwicklung war frühkindlich, besonders bei dem jüngeren Zwilling, vor allem durch emotionale Regulationsstörungen und starke Wutausbrüche geprägt. Mitbegründet waren diese womöglich durch eine Frustration, die durch seine erschwerte Entwicklung ausgelöst wurde. In diesem Bereich wirkte vor allem konsequentes, aber auch liebevolles Erziehungsverhalten der Eltern reduzierend. Abgelöst durch eine altersgerechte Trotzphase verlief die Entwicklung dieser Wutausbrüche bei ihm dann altersgerecht. Die Aufnahme in den Kindergarten mit drei Jahren erwies sich für beide Kinder zunächst als Auslöser für Schüchternheit, Zurückhaltung und eine Tendenz zur Anpassung. Die aufgebaute Zwillingsbeziehung mit für Mehrlinge typischen eigenen Kommunikationsstrategien bedeutete in der Eingewöhnungszeit Sicherheit für die Brüder. Gleichzeitig stellte diese Zwillingsdynamik auch Themen wie Individualisierung in den Raum. Die Tendenz zu einem eher angepassten Verhalten wurde im Erziehungsalltag, im Kindergarten und in der Frühförderung aufgenommen und aufgearbeitet. Dieses wurde auch in der interdisziplinären Beratung thematisiert. 35 FI 1/ 2019 Aus der Praxis Im weiteren Verlauf, wiederholt geprägt durch eine starke Vorbildfunktion der Eltern sowie gelebter Werte und Normen der gesamten Familie, entwickelten die Kinder ein hohes Maß an Empathie, Fairness und Hilfsbereitschaft. Freundlichkeit und Offenheit sind ihnen zu eigen. Hier soll deutlich betont werden, dass sich die Mischung aus großer intrinsischer Motivation und Entwicklungsbereitschaft seitens der Kinder und der starken Modell- und Leitbildfunktion der Eltern deutlich entwicklungsfördernd ausgewirkt hat. Eltern: Die Kontinuität der Förderung konnte nur über uns Eltern funktionieren. Um diese zu erreichen, benötigten wir Übungen und den Versuch, objektiver auf unsere Kinder zu schauen. Keine Eltern hören oder sprechen gerne über die Defizite der Kinder. Spielplatzgespräche laufen eher: „Mein Kind kann …, hat gemacht… - oh wie toll! “ Wir wollen noch einmal klar die Schwierigkeit benennen, dass Zwillinge in der Regel mit allen Entwicklungsschritten etwas später sind. Sowohl in Krabbelgruppen als auch im Kindergarten strebt unsere Gesellschaft zum Vergleich. Beispiele sind die U-Hefte, die Testungen, die anderen Kinder im gleichen Alter (Geburtsalter, nicht das errechnete Datum). Das unter den zu fördernden Aspekten aushalten zu können, war für uns ein emotionaler und energieraubender Kraftakt. Dieses vor allem nicht unsere Kinder spüren zu lassen, die Förderung als etwas Besonderes darzustellen und mit Überzeugung auch den Aufwand der Eltern zu präsentieren, ist Aufgabe und Herausforderung zugleich. Wir wollen es deutlich benennen: Mehrmals wöchentlich die Kinder zur Frühförderung, zum Reiten und zur Krankengymnastik fahren, ist auch ein Logistikaufwand, der geleistet werden muss. Vor allem, wenn ein Kind Krankengymnastik hat, das andere Kind zur Oma gebracht wird, in der halben Stunde zwischen Hinbringen und Abholen eingekauft wird… Das mit Kinderwagen, Kinderschalen, Kindersitz, Anschnallen - bei jedem Wetter. Hier sei angemerkt, dass dieser Aufwand nur von beiden Eltern geleistet werden kann. In unserem Fall hat die Mutter 80 % und der Vater 20 % des entstandenen Aufwands getragen. Entwicklungspsychologische und medizinische Diagnostik Die Kinder wurden im Verlauf der sechs Jahre durch verschiedene pädagogisch-psychologische Diagnoseverfahren überprüft. Dies diente zum einen der Überprüfung ihrer allgemeinen Entwicklung und zum anderen der Optimierung der Förderplanung. Bis zum dritten Lebensjahr wurde einmal im Jahr die Münchener funktionelle Entwicklungsdiagnostik (MFED) durchgeführt. Später erfassten wir die Entwicklung mittels des Entwicklungstests von 6 Monaten bis 6 Jahren (ET6-6-R) nach Petermann und Macha. Zur Sicherstellung der regelgerechten kognitiven Entwicklung wurde mit 3; 9, 5; 4 und 6; 4 Jahren der SON-R durchgeführt. Die Familie hat alle U-Untersuchungen wahrgenommen, die vor allem die gesundheitliche Entwicklung der Frühgeborenen von ärztlicher Seite absicherten. Die in der Anamnese dargestellte interdisziplinäre Zusammenarbeit aus dem Sozialpädiatrischen Zentrum und des Orthopäden erbrachte für den älteren Bruder die für die weitere Förderung wesentliche Diagnose der Cerebralparese. Obgleich diese als niedriggradig festgelegt wurde, löste diese Diagnose in der Familie zunächst große Sorge aus und wurde Gegenstand der Beratung. Kurz vor dem dritten Lebensjahr wurden beide Kinder halbtags im Regelkindergarten aufgenommen. Auch hier wurde in regelmäßigen Abständen im Rahmen der Entwicklungsdokumentation die Entwicklung beobachtet und festgehalten. Die Kinder waren als Regelkinder in einer Integrativgruppe untergebracht. Das brachte den Vorteil mit sich, dass die Kinder von einer Erzieherin und zwei Heilpädagogen begleitet werden konnten. Eltern: Wir haben den Kindergarten und auch die Gruppe sehr bewusst für unsere Zwillinge ausgesucht. Daher mussten die Erzieherinnen und Heilpädagogen sich mit uns als fordernden Eltern auseinandersetzen. Oft kamen die Schwierigkeiten in den jährli- 36 FI 1/ 2019 Aus der Praxis chen Entwicklungsgesprächen zutage. Anforderungen der „Norm“ waren nicht stimmig. Es bestand der Wunsch nach Individualisierung, der auch im Kindergarten nur schwer umgesetzt werden konnte. Zwillinge und auch noch Frühgeborene sind eine besondere Einheit. Dieses ist dem Kindergarten zwar nicht neu, muss aber immer wieder neu gedacht werden. Dazu kam noch der Anspruch von uns Eltern, eine große Runde einzurichten, um die Förderung der einzelnen Ebenen zu vernetzen und an gleichen Zielsetzungen zu arbeiten. Nicht immer stimmten die Förderziele der Fachkräfte mit unseren aktuellen Zielen überein. Da es von uns zu leisten sein musste, war diese Runde, nachdem sich alle darauf eingelassen hatten, sehr erfolgreich. Pädagogin, Erzieherin, Heilpädagogen und Eltern bildeten dann eine Einheit. Angewandte Methoden und interdisziplinäre Zusammenarbeit Im gesamten Prozess kamen unterschiedliche methodische Verfahren zum Einsatz. Heilpädagogische Spiel- und Bewegungsangebote waren vor allem in der Zeit unter 3 Jahren von großer Bedeutung. Dafür wurde die Förderung in die Räume der Einrichtung verlegt. Die Kinder waren inzwischen mobil, konnten sicher frei laufen und zeigten einen großen Bewegungsdrang. Dazu wurden verschiedene Bewegungsbaustellen zusammengestellt, die den Kindern Impulse unterschiedlicher motorischer Bereiche sicherten. In Kombination mit Spielen aus dem sprachlichen oder kognitiven Bereich lernten die Kinder sowohl eine vorbereitete Umgebung zu erkunden als auch schon Konzentration für kurze, angeleitete Phasen aufzubauen. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Förderung ohne die Eltern angebahnt, damit die Beziehung zwischen Pädagogin und Kind wachsen konnte und auch erste Anforderungen gestellt werden konnten. Fand die Förderung ohne die Eltern statt, war ein kurzer Austausch vor und nach der Förderstunde für weiterführende Übungen im häuslichen Umfeld unerlässlich. Für umfangreichere Fragen und auch die Abstimmung der weiteren Förderplanung standen die Entwicklungsgespräche zur Verfügung. Diese Gespräche fanden in regelmäßigen Intervallen mit beiden Eltern und der Pädagogin statt. Sie wurden genutzt, um den fortlaufenden Prozess in der Förderung und zu Hause zu konkludieren und gemeinsam die weitere Förderplanung abzustimmen. Dabei waren die Beobachtungen der Eltern, auch durch die weiterführenden Übungen zu Hause, unerlässlich und mit den Hinweisen der Pädagogin zusammenzuführen. Eine erfolgreiche Förderplanung konnte nur von uns gemeinsam entwickelt werden. Für die erfolgreiche Förderung war es außerdem unerlässlich, dass die Eltern die Inhalte der Förderung nachvollziehen konnten. Denn mit diesem Wissen konnten sie im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe auch zu Hause weiter fördern und rückten dadurch mit ins Zentrum der Förderung. Nach Eintritt in den Kindergarten erweiterte sich das Spektrum noch durch den Faktor der sozialemotionalen Entwicklung in der Gruppe und das bereits dargestellte Thema der Individualisierung. Methodisch kamen nun mehrere Veränderungen in der Förderung hinzu. Die Förderstunden wurden in den Kindergarten verlegt. Dies beinhaltete zwei wesentliche Vorteile. Zum einen ermöglichte dies die Entlastung der Eltern, besonders nach Wiederaufnahme der Berufstätigkeit der Mutter. Nach nun mehr als drei Jahren Frühförderung und wiederkehrende Physiotherapie stellte sich auch eine Form von Therapiemüdigkeit bei den Eltern ein. Die engagierten Eltern auf diese Weise terminlich zu entlasten, erhöhte den Wert der Förderung. Zum anderen war somit ein wöchentlicher Kurzaustausch zwischen den Erzieherinnen und der Pädagogin möglich. Der Dank gilt an dieser Stelle auch dem Kindergarten, der das ermöglicht hat. Im Abstand von ca. sechs Monaten wurden auf Wunsch der Eltern zusätzlich „runde Tische“ terminiert. Hierbei konnten erfolgreich alle Lebensbe- 37 FI 1/ 2019 Aus der Praxis reiche der Kinder fokussiert und diskutiert werden - mitunter auch kontrovers. Diese Kontroversen beinhalteten den Vorteil, dass Perspektivwechsel vollzogen werden mussten. Wichtig war den Eltern immer, einen Konsens aller am Förderprozess beteiligten Fachkräfte und der Familie herbeizuführen. Die interdisziplinäre Kooperation war grundlegend für eine ganzheitliche Förderung. Das Streben nach dem Austausch muss bei allen Beteiligten vorhanden sein. Gerade bei diesen Kontroversen haben wir die Erfahrung gemacht, dass manchmal auch die Fachkräfte dem Weg der Eltern vertrauen müssen, wo doch die Eltern sonst immer dem Weg der Pädagogen vertrauen. Vor allem durch Rückmeldungen des Kindergartens entstand der Gedanke, die Kinder zukünftig im Einzelkontakt zu fördern. Dies bedeutete eine Umstellung für die Kinder und auch eine erhöhte Anforderung, denn die Förderung von Feinmotorik, Kognition und Konzentration brachte ab etwa 4; 5 Jahren die Tischsituation ins Spiel. Dazu wurde methodisch gezieltes Graphomotoriktraining durchgeführt. Als Transfer in das häusliche Umfeld erhielten die Kinder eine „Hausaufgabenmappe“ mit einer kleinen Malaufgabe pro Woche. Dies ermöglichte auch den Eltern, die Entwicklung entlang des gezielten Materials genauer zu beobachten. Zur Förderung der Grobmotorik und der Wahrnehmung kamen vor allem zwei Methoden zum Einsatz: die sensorische Integrationsbehandlung und die heilpädagogische Förderung mit dem Pferd. Letztere wurde bis zur Einschulung immer in Phasen hinzugenommen. Beide Kinder haben diese Methode sehr genossen. Sie haben verschiedene Pferde kennengelernt und durften innerhalb der Reittherapie verschiedene Impulse erfahren. Die dargestellte Therapiemüdigkeit trat nicht nur bei den Eltern, sondern auch bei den Kindern auf, besonders bei dem jüngeren der zwei Brüder. Für ihn wurde über eine längere Zeit eine andere Pädagogin hinzugezogen. Diese bildete eine Kleinstgruppe mit einem neuen Spielpartner in den Räumen der Frühförderung. Dieser Settingwechsel erwies sich als geeigneter Weg für das Kind. Er genoss die Förderstunden sehr und hat in dieser Zeit seine Konzentration und Ausdauer stark erweitert. Er schätzte seine zweite Pädagogin und sie hatten eine gute Beziehung zueinander. Langfristig gesehen bleibt festzustellen, dass dieser Junge am meisten Schwierigkeiten mit der Therapiemüdigkeit hatte. Zum Ende der Förderung war er trotz einer guten Zeit sehr erleichtert. Hierdurch wurde deutlich, dass trotz spielerischer und kindgerechter Förderung sehr viel Druck auf den Brüdern lastete. Diesen Prozess haben wir sensibel beobachtet und berücksichtigt. Im Zweifel hätte vor allem der jüngere Bruder eine Unterbrechung der Förderung benötigt, denn der Anspruch war und ist, ganzheitlich zu fördern. Eltern: Ab einem gewissen Zeitpunkt wurden für den jüngeren Zwilling die Angebote zu langweilig. Auch wir Eltern hatten alle Motivationsangebote ausgereizt. Daher fanden wir es super, wie flexibel die Pädagogin der Frühförderung reagiert hat. Die Angebote in die Kindergartenzeit zu legen, die Pädagogin für einen Zeitraum zu wechseln und nochmals die Angebote zu verändern, waren aus unserer Sicht der Schlüssel, diese Therapiemüdigkeit aufzufangen. Natürlich haben wir als Eltern dies in Gesprächen thematisiert und die Lösungsansätze voll unterstützt. Unser älterer Zwilling hatte diese Schwierigkeit nie. Er sah dieses Angebot als so besonders an, dass er oft sehr begeistert zum Termin aufbrach. Beendigung der Frühförderung Die Kinder erreichten zwischen dem fünften und sechsten Lebensjahr weitestgehend einen altersentsprechenden Entwicklungsstand. Im Zentrum der Förderung standen in dieser Zeit die Festigung des erreichten Entwicklungsstandes sowie die Erarbeitung der Vorläuferfähigkeiten zur Einschulung. Auch die Untersuchung durch die Schulärztin ergab keine förderbedürftigen Auffälligkeiten mehr, im Gegenteil, sie war mit der 38 FI 1/ 2019 Aus der Praxis Gesamtentwicklung äußerst zufrieden. Beide Kinder konnten mit 6; 10 Jahren eingeschult werden und haben im Rahmen der Frühförderung alle Entwicklungsrückstände aufgearbeitet und auch eine nachhaltig stabile Entwicklung gezeigt. Die für Frühgeborene typischen Risikofaktoren, die sich im Laufe der vorschulischen Entwicklung ausbilden können, waren zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu erkennen. Eltern: Am Ende ist alles gut. Vieles ist vergessen oder verdrängt, allerdings stand ein großer Schritt für die Zwillinge und uns Eltern bevor: der Eintritt in die Schule. Beim ersten Übergang, von der häuslichen Betreuung in den Kindergarten, den wir meistern mussten, fanden wir es sehr positiv, von Fachkräften begleitet und unterstützt zu werden. Vermutlich war der Übergang auch leichter, weil unsere Zwillinge früh gelernt haben, auch andere Betreuungspersonen im Kontakt zu haben. Oma, die Paten und ein Netzwerk aus Freunden, die immer wieder eingesprungen sind. Dieses war auch in der Kindergartenzeit sehr wichtig, da wir in den ersten Kindergartenjahren jede Krankheit erst mit einem, kurz darauf mit dem zweiten Kind mitgenommen haben. Somit war individuelle Betreuung immer wieder ein Thema. Im Verhältnis zur Schule ist dieses ein eher kleiner Übergang gewesen. Daher hätten wir es sehr begrüßt, wenn wir im ersten Schulhalbjahr weiter durch die Frühförderung unterstützt worden wären. Dies hätte unserer Meinung nach den Wert, dass Rückschritte vermieden werden könnten und wir als Eltern eine Hilfestellung für die anstehenden Aufgaben bekommen könnten. Abschließend bleibt zu bemerken, dass es unserer Meinung nach wichtig ist, dass das vom Kostenträger zur Verfügung gestellte Förderbudget sinnvoll und effektiv zu verwenden ist. Dies bedeutet, dass die Förderung an den Kindern sowie die Kooperations- und Elterngespräche ständig und wiederkehrend auf den funktionellen und wirkungsvollen Einsatz hin geprüft werden. Weiterhin möchten wir darauf hinweisen, dass die Beendigung der Frühförderung spätestens kurz vor der Einschulung aus pädagogischer Sicht kritisch zu betrachten ist. Wie die Familie treffend formuliert hat, könnte an dieser Stelle die Verlängerung für ein halbes Jahr den Schuleintritt erleichtern. Die Eltern hätten die Sicherheit, bei diesem Übergang noch Hilfe in Anspruch nehmen zu können und dadurch Rückschritte zu vermeiden. Zusammenfassung und Fazit Für mich als Pädagogin ist die Förderung von Säuglingen, dazu frühgeborenen, immer etwas Besonderes und äußerst Sensibles. Aspekte, die die Förderung dieser Zwillingsbrüder erfolgreich gemacht haben, waren engagierte, reflektierte und flexible Eltern, die für Förderung offen waren. Die wechselseitige, wertschätzende Beziehung zwischen Eltern und Pädagogin ermöglichte einen stabilen und nachhaltigen Beziehungsaufbau. Ein weiterer Grund lag vor allem bei den motivierten Zwillingsbrüdern mit ihrem sehr guten Entwicklungspotenzial. Als letzte Aspekte trugen auch die kontinuierliche Einbindung aller Fachkräfte sowie ein variantenreicher Einsatz pädagogischer Methoden zum Erfolg der Förderung bei. Nach diesen sechs Jahren Förderung ist meine bereits früh entstandene Beziehung zu den Kindern bis heute spürbar. Mir wurde bewusst, frühgeborene Zwillinge von der Geburt bis zur Einschulung zu begleiten, sie über so eine lange Zeit einzeln fördern zu dürfen, erlebe ich in meiner beruflichen Laufbahn wohl nur ein einziges Mal. Dies allein hielt ich schon für etwas Besonderes. Dazu kam für mich, dass die Beziehung zu den Eltern und Kindern über die sechs Jahre auffallend sympathisch, stimmig und auch vertrauensvoll war und stetig gewachsen ist. Unser Weg beinhaltete Höhen und Tiefen, aber die Kinder erreichten am Ende eine altersgerechte und nachhaltig stabile Entwicklung. Der Prozess enthielt durchaus eine positive, wechselseitige Bereicherung, also auch für mich als Pädagogin. Ich habe in diesem Prozess viel gelernt. Doch mir war sehr schnell klar, dass das Besondere an diesem Prozess nur durch ein gemeinsa- 39 FI 1/ 2019 Aus der Praxis mes Fazit zu verschriftlichen war. Und ich konnte mir gut vorstellen, sicher ein ganzes Jahr lang mit der Familie einen solchen Beitrag zu entwickeln. Erfreulicherweise konnten die Eltern sich das auch gut vorstellen, so dass nun die Ergebnisse aus diesen sechs Jahren Frühförderung vorgestellt werden konnten. Nadine Friedrich Dipl.-Pädagogin Heilpädagogische Frühförderung Kleeblatt Große Str. 23 49201 Dissen E-Mail: n.friedrich@kleeblatt-dissen.de Web: www.kleeblatt-dissen.de