eJournals Frühförderung interdisziplinär 39/1

Frühförderung interdisziplinär
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0721-9121
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/fi2020.art05d
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2020
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Rezension: Tanja Jungmann / Katja Koch / Andrea Schulz, Überall stecken Gefühle drin. Alltagsintegrierte Förderung emotionaler und sozialer Kompetenzen für 3- bis 6- jährige Kinder

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2020
Marina Kammermeier
Im Fokus des Praxisbuchs „Überall stecken Gefühle drin“ stehen die Vermittlung von Wissen zur Entwicklung sozialer und emotionaler Fähigkeiten sowie Möglichkeiten der Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen im Alltag von Kindertageseinrichtungen. Es handelt sich um eine weitere Veröffentlichung im Rahmen des KOMPASS-Projektes, aus dem auch die Bücher „Überall steckt Sprache drin“ und „Überall steckt Mathe drin“ hervorgingen. Ziel des Projekts ist es, im Sinne einer Professionalisierung pädagogische Fachkräfte darin zu unterstützen, kindliche Stärken zu erkennen und zu fördern.
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53 FI 1/ 2020 REZENSION Tanja Jungmann, Katja Koch, Andrea Schulz Überall stecken Gefühle drin - Alltagsintegrierte Förderung emotionaler und sozialer Kompetenzen für 3bis 6jährige Kinder Ernst Reinhardt Verlag, 2. Aufl. 2019, 126 S., € 19,90 Im Fokus des Praxisbuchs „Überall stecken Gefühle drin“ stehen die Vermittlung von Wissen zur Entwicklung sozialer und emotionaler Fähigkeiten sowie Möglichkeiten der Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen im Alltag von Kindertageseinrichtungen. Es handelt sich um eine weitere Veröffentlichung im Rahmen des KOMPASS-Projektes, aus dem auch die Bücher „Überall steckt Sprache drin“ und „Überall steckt Mathe drin“ hervorgingen. Ziel des Projekts ist es, im Sinne einer Professionalisierung pädagogische Fachkräfte darin zu unterstützen, kindliche Stärken zu erkennen und zu fördern. Im ersten Kapitel wird den Lesenden grundlegendes Wissen zur Entwicklung sozialer und emotionaler Kompetenzen, zu möglichen Einflussfaktoren und Auffälligkeiten sowie zur Bedeutung dieser Kompetenzen für andere Entwicklungsbereiche vermittelt. Die Autorinnen widmen sich zunächst sogenannten „Meilensteinen“ der sozialemotionalen Entwicklung. Sie gehen dabei auf das Erkennen und Ausdrücken eigener Gefühle, das Erkennen und Verstehen der Gefühle anderer, Empathie sowie die Fähigkeit zur Gefühls- und Verhaltensregulation ein. Jede dieser Komponenten wird definiert, anhand von Beispielen nachvollziehbar illustriert sowie deren Entwicklungsverlauf erläutert. Hierbei wird auch auf Fähigkeiten aus anderen Entwicklungsbereichen verwiesen, die mit der sozialen und emotionalen Entwicklung einhergehen, z. B. die Fähigkeit zur Ich-Andere-Unterscheidung, die Theory-of-Mind-Entwicklung oder die Fähigkeit zur Impulskontrolle. Zudem wird - leider nur in einem Satz - die Kulturabhängigkeit im Ausdruck sekundärer Emotionen, wie z. B. Scham oder Mitleid, angemerkt. Hinsichtlich des steigendenden Anteils an Kindern mit Migrationshintergrund in Kindertageseinrichtungen ist das besonders relevant. Darauf folgend werden mögliche Einflussfaktoren auf die Entwicklung sozial-emotionaler Kompetenzen beschrieben. Die Bedeutung des kindlichen Temperaments, das Prinzip des Lernens am Modell sowie die Bindung des Kindes an seine Bezugspersonen werden in diesem Zusammenhang hervorgehoben. Die Autorinnen weisen in diesem Abschnitt auch darauf hin, dass das kindliche Temperament zwar einen bedeutenden Einflussfaktor darstellt, Unterschiede in der Selbstregulationsfähigkeit jedoch nicht allein auf Temperamentsunterschiede zurückzuführen sind. Im ersten Kapitel werden zudem Auffälligkeiten in der sozial-emotionalen Entwicklung mit Rückbezug auf die genannten Einflussfaktoren besprochen sowie Zusammenhänge zwischen der sozialemotionalen Entwicklung und weiteren Faktoren (Entwicklung sprachlicher und mathematischer Kompetenzen - späterer Schulerfolg) aufgezeigt. Die Autorinnen verweisen an dieser Stelle auch darauf, dass gute sozial-emotionale Kompetenzen geringere sprachliche und kognitive Kompetenzen ausgleichen können. So wird deutlich, wie wichtig gut entwickelte sozial-emotionale Kompetenzen für andere Entwicklungsbereiche sind. Am Ende des ersten Kapitels wird die Bedeutung systematischer Beobachtungen und Interpretationen des kindlichen Verhaltens herausgestellt. Zudem wird auf standardisierte Verfahren eingegangen, die neben der Erfassung des kindlichen sozial-emotionalen Entwicklungsstandes auch die Identifikation von Kindern mit Risiken in ihrer sozial-emotionalen Entwicklung ermöglichen. 54 FI 1/ 2020 Rezension Der Fokus des zweiten Kapitels liegt auf der alltagsintegrierten Förderung sozialer und emotionaler Kompetenzen. Insbesondere die Rolle der pädagogischen Fachkraft und die lernförderliche Gestaltung der Einrichtungsräume werden diskutiert. Die Autorinnen zeigen zudem auf, wie sich alltagsintegrierte Förderung von strukturierten Förderprogrammen abgrenzt. Laut Autorinnen hat die „zielgerichtete Förderung sozialemotionaler Kompetenzen in Alltagssituationen“ (Jungmann et al. 2018, S. 40) sowohl eine entwicklungsunterstützende als auch eine präventive Funktion. Pädagogische Fachkräfte sollten daher in der Lage sein, potenzielle alltägliche Fördersituationen zu erkennen und diese zielgerichtet zur Förderung bestimmter Kompetenzen zu nutzen. In diesem Zusammenhang wird auch auf die enorme Bedeutung von Spielsituationen verwiesen, in denen sozial-emotionale Kompetenzen eingeübt werden können, wenn die Fachkräfte die Kinder in diesen Situationen gezielt unterstützen. Als Anforderungen an die Rolle der pädagogischen Fachkraft werden neben umfangreichen Kenntnissen über die sozial-emotionale Entwicklung im Kindesalter eine wertschätzende, emotional warme Beziehung zu den Kindern, vorbildhaftes Verhalten und Selbstreflexion im Umgang mit Fehlverhalten (Emotions- und Verhaltensregulation), eine gute Vernetzung mit Kolleginnen und Fachdiensten sowie eine gute Zusammenarbeit mit den Eltern beschrieben. Die Aspekte werden hier allerdings recht knapp und oberflächlich angesprochen. So wären weitere Beispiele zur konkreten Umsetzung der einzelnen Aspekte wünschenswert. Der letzte Teil des Kapitels befasst sich ausführlich mit einer förderlichen Raumgestaltung. Diese leistet zwar sicherlich einen Beitrag zur Alltagsförderung, hätte aber zu zugunsten einer tiefergehenden Erörterung oben genannter Aspekte (z. B. der Fachkraft-Kind-Beziehung) kürzer ausfallen können. Das dritte Kapitel thematisiert unter dem Titel „Ein Tag in der Kita“ konkretere Fördermöglichkeiten im Kita-Alltag. Die Autorinnen gehen zunächst auf situationsübergreifende Förderaspekte ein. Neben der Bedeutung von Gleichaltrigen und verschiedenen Spielformen steht die Lösung von Konfliktsituationen im Vordergrund. Wenn Kinder einen Konflikt nicht selbstständig untereinander lösen können, kann die Fachkraft vermitteln oder den Konflikt lösen. Im richtigen Moment kann das (Nicht-) Eingreifen der Fachkraft die sozial-emotionalen Kompetenzen der Kinder stärken. Nachfolgend stellen die Autorinnen heraus, inwiefern spezifische Alltagssituationen (z. B. Morgenkreis oder Mahlzeiten) Förderpotenziale für die Komponenten der sozialemotionalen Entwicklung bieten. Sie illustrieren anhand von Beispielen, wie diese Förderung in der Praxis umgesetzt werden kann. Reflexionsfragen am Ende jeder beschriebenen Situation regen den Lesenden dazu an, sich mit der eigenen Haltung, eigenen Kompetenzen und Verhaltensweisen auseinanderzusetzen. In diesem Kapitel wird deutlich, dass das gezielte Gestalten von Situationen im Alltag eine Fülle an Möglichkeiten zur Förderung sozialer und emotionaler Kompetenzen bietet. Das vierte Kapitel umfasst eine Sammlung von 60 Spielen, die nach den im ersten Kapitel genannten Kompetenzbereichen (Gefühle ausdrücken und erkennen, Empathie, Gefühle und Verhalten regulieren) gegliedert sind. Die Spiele beschreiben Förderziele, Durchführung, benötigtes Material und Zeitaufwand sowie die empfohlene Gruppengröße. Für einige der Spiele werden Differenzierungsmöglichkeiten in Form unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade aufgezeigt, wobei auffällt, dass in der einfachsten Stufe weniger Spiele als in den zwei höheren Schwierigkeitsstufen vorhanden sind. Hervorzuheben ist, dass im Sinne der alltagsintegrierten Förderung für den Großteil der Spiele kein zusätzliches Material benötigt wird bzw. auf alltägliches Material zurückgegriffen werden kann. Zudem steht für ausgewählte Spiele zusätzliches Online-Material (z. B. Bildkarten) auf der Homepage des Verlages zur Verfügung. Dies ermöglicht eine einfache Vorbereitung und Durchführung der Förderspiele im Kita-Alltag. 55 FI 1/ 2020 Rezension Die Autorinnen geben in ihrem Buch „Überall stecken Gefühle drin“ auf übersichtliche und verständliche Weise Basiswissen zu Meilensteinen in der Entwicklung sozial-emotionaler Kompetenzen, Entwicklungsauffälligkeiten, potenziellen Einflussfaktoren und Zusammenhängen mit anderen Entwicklungsbereichen. An manchen Stellen wären tiefer gehendes Wissen und zusätzliche Beispiele hilfreich. Die zusätzlichen Literaturhinweise am Ende jeden Kapitels bieten dem Leser jedoch die Möglichkeit, sich bei Interesse selbstständig weitere Kenntnisse zu bestimmten Themenbereichen anzueignen. Die anschauliche Darstellung der Anforderungen und Möglichkeiten alltagsintegrierter Förderung macht dem Leser bewusst, welches enorme Förderpotenzial auch in Alltagssituationen liegt. Die umfangreiche Spielesammlung gibt zusätzlich vielfältige Anregungen, wie eine spielerische Förderung ohne großen Aufwand umgesetzt werden kann. Mit dem im Buch vermittelten Basiswissen ist es möglich, diese Anregungen aufzugreifen und im Kita-Alltag angemessen zur Förderung der sozial-emotionalen Kompetenzen der Kinder anzuwenden. Den Autorinnen ist mit „Überall stecken Gefühle drin“ ein praxisrelevantes und alltagstaugliches Buch gelungen. Marina Kammermeier DOI 10.2378/ fi2020.art05d