Frühförderung interdisziplinär
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0721-9121
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/fi2020.art23d
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2020
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Rezension: Éva Hédervári-Heller (Hrsg.) Eingewöhnung und Bindung. Psychoanalytische und bindungstheoretische Grundlagen für gelungene Eingewöhnungsprozesse in Kindertageseinrichtungen
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2020
Rüdiger Kißgen
In der modernen Kleinkind- und Elementarpädagogik bestehen keine Zweifel daran, dass die frühe außerfamiliäre Kindertagesbetreuung nur bei ausreichend guter Qualität gelingen kann. Eine Qualität, die sich sowohl auf die Interaktionen zwischen Kindern und den pädagogischen Fachkräften als auch auf die organisatorisch-strukturellen Rahmenbedingungen bezieht. Diese Qualitätsansprüche gelten nicht nur für die gesamte Zeitspanne, die ein Kind bis zum Wechsel in die Schule in der Kita verbringen wird. [...]
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228 FI 4/ 2020 REZENSIONEN Éva Hédervári-Heller (Hrsg.) Eingewöhnung und Bindung. Psychoanalytische und bindungstheoretische Grundlagen für gelungene Eingewöhnungsprozesse in Kindertageseinrichtungen Brandes & Apsel, 1. Auflage, 2019, 172 S., € 19,90 In der modernen Kleinkind- und Elementarpädagogik bestehen keine Zweifel daran, dass die frühe außerfamiliäre Kindertagesbetreuung nur bei ausreichend guter Qualität gelingen kann. Eine Qualität, die sich sowohl auf die Interaktionen zwischen Kindern und den pädagogischen Fachkräften als auch auf die organisatorisch-strukturellen Rahmenbedingungen bezieht. Diese Qualitätsansprüche gelten nicht nur für die gesamte Zeitspanne, die ein Kind bis zum Wechsel in die Schule in der Kita verbringen wird. Insbesondere gilt es, diesen Ansprüchen gerecht zu werden, wenn ein Kind in der Kita aufgenommen werden soll. Der Übergang von der Familie in die Kindertagesbetreuung bedeutet für Kinder und Eltern eine besondere emotionale Herausforderung. So machen die meisten Familien zum ersten Mal die neue Erfahrung einer sich täglich wiederholenden Trennung. Das dringendste Anliegen der Eltern in diesem Prozess ist, dass sich ihr Kind in der neuen Umgebung wohl fühlt, keine anhaltende Trennungsangst erlebt und sich der neuen Bezugsperson in der Kindertageseinrichtung mit Freude und Interesse zuwendet. Folglich kommt es darauf an, dass Kitas Bedingungen schaffen, unter denen diesen elterlichen Anliegen entsprochen werden kann. In der Kita-Praxis spielt das „Berliner Eingewöhnungsmodell“ seit Jahrzehnten eine herausragende Rolle. Es basiert auf der Bindungstheorie und berücksichtigt internationale Forschungsdaten zur außerfamiliären Tagesbetreuung von Kindern unter drei Jahren. Die Herausgeberin des hier rezensierten Buches hat dieses Eingewöhnungsmodell gemeinsam mit Laewen und Andres entwickelt und 1990 erstmals publiziert. Mittlerweile liegt dieses Grundlagenwerk seit 2015 in der neunten Auflage vor, was dessen hohe Praxisrelevanz zeigt. Ein Nachweis aus der Forschungsperspektive zur Wirksamkeit des Eingewöhnungsmodells lag bisher noch nicht vor. Diese Lücke schließt das nun vorgelegte Buch, das sich in zwei Teile gliedert. Teil 1 erläutert zunächst äußerst praxisnah die bindungstheoretischen und psychoanalytischen Grundlagen bezogen auf Eingewöhnungsprozesse und erläutert das konkrete Vorgehen im Berliner Eingewöhnungsmodell. Ebenso werden im ersten Teil sehr praxisorientiert die Zielsetzungen und das Vorgehen im Rahmen des Forschungsprojektes beschrieben sowie die Hauptbefunde erläutert. Abschließend erfolgt dann der Transfer dieser Ergebnisse in konkrete, datengestützte Anregungen für die Praxis der Eingewöhnung. In Teil 2 wird die durchgeführte Studie sehr umfangreich und nachvollziehbar dargestellt. Hier finden sich Angaben zur Studienkonzeption, der Rekrutierung der Stichprobe, zum Training der Forschungsmitarbeiterinnen, zu den eingesetzten Inventaren, zur Datenerhebung und zur statistischen Auswertung. Ebenso werden die Ergebnisse dargestellt und deren Relevanz im Vergleich zur vorliegenden Forschungsliteratur diskutiert. Fazit: Das Buch vermittelt zum einen bedeutsame, praxisrelevante Grundlagenkenntnisse zur Eingewöhnungsthematik im Rahmen der Kita-Praxis mit Bezug zum Berliner Eingewöhnungsmodell. Darüber hinaus liefert es durch das skizzierte Forschungsprojekt den Nachweis für die Wirksamkeit des Berliner Modells. Schließlich stellt es auch für forschungsinteressierte Laien nachvollziehbare Informationen zur durchgeführten Studie zur Verfügung. Man kann daher dem Buch nur wünschen, dass es nicht nur im Kontext der Fachkräfteausbildung im Bereich der Elementarpädagogik verwendet werden wird, sondern auch in die Kita- Praxis Einzug halten wird. Univ.-Prof. Dr. phil. Rüdiger Kißgen DOI 10.2378/ fi2020.art23d
