mensch & pferd international
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1867-6456
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Recht: Gesetzliche Forderungen an eine tierschutzgerechte Haltung von Pferden
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Ute Prinz
Die artgerechte Haltung von Pferden und der fachkundige Umgang mit ihnen spielt in der pädagogischen und therapeutischen Arbeit mit Pferden eine entscheidende Rolle. Aus rechtlicher Sicht betrachtet gibt es in Deutschland zahlreiche Regelungen, die jedoch eher auf der Entwicklung des Leistungsanspruches an das Tier und den fortgeschrittenen Kenntnissen in der Tierhaltung fußen. Umso erfreulicher ist es, dass es in der Schweiz gelungen ist, einige wenige Tierschutzverordnungen zu entwickeln, die sich dieser Probleme annehmen. Während in Deutschland ein Tier weiterhin rechtlich als „Sache“ behandelt wird, soweit es nicht durch besondere Gesetze geschützt wird, haben die Schweizer mit ihrem Tierschutzgesetz bereits im Jahr 2005 gemäß Art. 1 das Wohlergehen und die Würde des Tieres unter besonderen Schutz gestellt.
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146 | mup 3|2009|146 - 149|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel Ute Prinz Die artgerechte Haltung von Pferden und der fachkundige Umgang mit ihnen spielt in der pädagogischen und therapeutischen Arbeit mit Pferden eine entscheidende Rolle. Aus rechtlicher Sicht betrachtet gibt es in Deutschland zahlreiche Regelungen, die jedoch eher auf der Entwicklung des Leistungsanspruches an das Tier und den fortgeschrittenen Kenntnissen in der Tierhaltung fußen. Umso erfreulicher ist es, dass es in der Schweiz gelungen ist, einige wenige Tierschutzverordnungen zu entwickeln, die sich dieser Probleme annehmen. Während in Deutschland ein Tier weiterhin rechtlich als „Sache“ behandelt wird, soweit es nicht durch besondere Gesetze geschützt wird, haben die Schweizer mit ihrem Tierschutzgesetz bereits im Jahr 2005 gemäß Art. 1 das Wohlergehen und die Würde des Tieres unter besonderen Schutz gestellt. Rechtsgrundlage: Tierschutzgesetz Auch in Deutschland besteht der Grundsatz gemäß § 1 des Tierschutzgesetzes (TierSchG), dass der Mensch das Leben und Wohlergehen des Tieres zu schützen hat. Der Schutz der Würde eines Tieres ist dem deutschen Recht noch weitestgehend fremd. Welche Anforderungen an eine tierschutzgerechte Haltung von Pferden zu stellen sind, wird in § 2 TierSchG nur angerissen. Um diese Anforderungen auszugestalten, sind in Deutschland Leitlinien entwickelt worden, die ihren Ursprung in den „Richtlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten“ der Deutschen Reiterlichen Vereinigung e. V. und der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft e. V. sowie in den „Mindestanforderungen an Sport- und Freizeitpferdehaltung unter Tierschutzgesichtspunkten“ der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e. V. haben. Leitlinien dienen der Konkretisierung des Tierschutzgesetzes Welche Anforderungen an eine tierschutzgerechte Haltung von Pferden zu stellen sind, richtet sich im Wesentlichen nach den „Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten“ und den Leitlinien „Tierschutz im Pferdesport“. Leitlinien werden in Deutschland gegenüber einer Verordnung immer dann eingesetzt, wenn ausführliche Vorgaben oder wichtige Details berücksichtigt werden sollen. Die Leitlinie soll den Tierhaltern als Eigenkontrolle dienen und den zuständigen Behörden die Entscheidung über vorgefundene Sachverhalte erleichtern. Die zuständigen Behörden können für erforderliche Anordnungen nach § 16 a TierSchG (z. B. vorübergehende Wegnahme des Tieres oder Nottötung) die Leitlinien zu Grunde legen und sich bei gerichtlichen Auseinandersetzungen, ebenso wie die Tierhalter, auf diese berufen. Gesetzliche Voraussetzungen für Pferdehaltung Die Inhalte dieser Leitlinien sind im Wesentlichen nunmehr auch im Schweizer Recht Gesetzliche Forderungen an eine tierschutzgerechte Haltung von Pferden Ausblick auf das deutsche Tierschutzrecht Recht: Prinz - Gesetzliche Forderungen an eine tierschutzgerechte Haltung von Pferden mup 3|2009 | 147 Ute Prinz Tierschutzrecht wieder zu finden, so dass eine deutliche Annäherung des deutschen und des schweizerischen Rechts festzustellen ist. Allerdings trauen sich die Schweizer eine teilweise detailliertere Ausgestaltung des Rechts zu. So ist es erfreulich zu lesen, dass in der Schweiz ab 2010 die Verwendung von Stacheldraht als Weideeinzäunung verboten sein wird, während die „Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten“ den Einsatz von Stacheldraht als alleinige Begrenzung nur als ungeeignet ansieht. Während in Deutschland die Meldung des Pferdebestandes für Hobbyhalter und gewerbliche Pferdehalter (z. B. Pensionsstallbetreiber, Züchter) nach dem Tierseuchengesetz Pflicht ist, muss nun auch in der Schweiz der Tierbestand ab fünf Pferden bei der kantonalen Fachstelle gemeldet werden. Während in Deutschland allerdings aktuell der Bestand sehr selten kontrolliert wird, muss sich für die Schweiz erst noch erweisen, ob die artgerechte Haltung der Pferde aufgrund der neuen Rechtsgrundlage häufiger geprüft wird. Ebenso muss in der Schweiz von dem Tierhalter mindestens ein Befähigungsnachweis vorgelegt werden. Dieser Nachweis wird auch in Deutschland eingefordert. Nach § 11 TierSchG muss jeder gewerbliche Pferdehalter über Sachkunde im Bereich der Pferdehaltung, -fütterung und -versorgung verfügen. Dieser Sachkundenachweis setzt jedoch in Deutschland keine Ausbildung voraus. Vielmehr wird die Ablegung eines Lehrgangs mit Prüfung gemäß Abschnitt C III der Ausbildungsprüfungsordnung (APO) der FN verlangt. Problem: Feststellung und Ahndung von Verstößen Die Erfahrungen in Deutschland haben gezeigt, dass die Überprüfung der Tierhalter hinsichtlich der Einhaltung der Richtlinien in der Pferdehaltung regional unregelmäßig erfolgt. Insbesondere ist in Einzelfällen zu beobachten, dass eine Kontrolle jahrelang nicht stattfindet. Dies mag auf Seiten der Veterinärämter personelle und wirtschaftliche Gründe haben. Eine effektive Umsetzung der Richtlinien kann dadurch aber in Deutschland nicht gewährleistet werden. Dies hat zur Folge, dass Missstände in der Pferdehaltung teilweise erst durch Meldung aufmerksamer Beobachter beim Veterinäramt erfolgen. Bis zu diesem Zeitpunkt hat aber manches Pferd bereits einen längeren Leidensweg hinter sich. Wie schwierig die Umsetzung der Straf- und Bußgeldvorschriften des Tierschutzgesetzes in Deutschland ist, zeigt die Praxis. Die strafrechtliche Verfolgung einer Tierquälerei setzt deren lückenlosen Nachweis voraus. Soweit die hierfür erforderlichen Beweise nicht durch Fotos oder Inaugenscheinnahme durch den Veterinär gesichert werden können, sind Amtstierärzte in ihrer Beurteilung eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz sehr zurückhaltend. Der ausschließliche Zeugenbeweis wird bei fehlenden Verletzungen des Pferdes häufig nicht als ausreichend erachtet, um ein Verfahren gegen den Pferdehalter oder Eigentümer einzuleiten. Darüber hinaus zeigt die Verhängung einer Geldstrafe bei Ersttätern häufig keine Abschreckung. Mehr Wirkung zeigt das neben einer Geldstrafe zu verhängende Tierumgangs- oder Tierhaltungsverbot. Dieses kann gemäß § 20 TierSchG zeitlich befristet oder dauerhaft ausgesprochen werden. Außerdem kann vorläufig angeordnet werden, dass der Handel oder berufsmäßige Umgang mit Tieren gemäß § 20a TierSchG verboten wird, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass ein Verbot nach § 20 TierSchG gerichtlich angeordnet werden wird. Der Tierhalter ist dann gehalten, für diesen Zeitraum eine Betreuung und Versorgung seines Tieres durch Dritte sicher zu stellen, da ihm sonst die Wegnahme und schlimmstenfalls die Veräußerung der Tiere droht. Außerdem drohen ihm bei einem fortlaufenden Verstoß gegen das Verbot eine weitere Geld- oder Freiheitsstrafe. Wunschvorstellungen für die Zukunft Die derzeitige Rechtslage macht deutlich, dass die tierschutzrechtlichen Bestimmungen auf mehrere Säulen gestellt werden müssen. Der Tierschutz 148 | mup 3|2009 Recht: Prinz - Gesetzliche Forderungen an eine tierschutzgerechte Haltung von Pferden bereits seit Jahren als „Tierschutz-TÜV für Stallbau“ propagiert wird. Die Rechtsgrundlage einer solchen Prüfstelle könnte in § 13 a TierSchG gesehen werden. Dabei sollte es sich nicht um ein freiwilliges, sondern um ein verbindliches Prüfverfahren handeln. Dieses Prüfverfahren soll sicherstellen, dass der Stallbau auf die Bedürfnisse der Tiere abgestimmt wird und sich nicht nur an den ökonomischen Ansprüchen der gewerblichen Pferdehalter und Besitzer orientiert. Dafür müssten jedoch verbindliche Mindestvorschriften für Stallgebäude und die Ausgestaltung der Ställe in den Leitlinien zur Pferdehaltung festgelegt werden. Die Mindestanforderungen müssten bei der Erteilung der Baugenehmigung für das Stallgebäude bereits berücksichtigt worden sein. Um einen Einzelprüfungsaufwand hinsichtlich der Ausgestaltung der Ställe vor Ort zu vermeiden, könnten bspw. Boxenhersteller nach erfolgreicher Funktionsprüfung einen Zulassungsbescheid erhalten, der bundesweit gültig wäre. Auf diesem Weg könnte auch sichergestellt werden, dass im Falle einer Instandhaltungsmaßnahme oder einer Modernisierung von Stalleinrichtungen nur noch diejenigen Einrichtungen angeboten werden, die im Sinne des Tierschutzes auf dem neuesten Stand sind. Ausnahmen sollten nur dann gemacht werden, wenn der Umbau einen unverhältnismäßig hohen Aufwand verlangt. Ebenso sollte eine Verstärkung der Tierschutzkontrollen und eine gezielte Nachkontrolle bei beanstandeten Betrieben erfolgen. Literatur Bundesministerium der Justiz: Tierschutzge- ■ setz in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Mai 2006 (BGBl. I S. 1206, 1313), zuletzt geändert durch g vom 18. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3001; 2008, 47). In: www.bundesrecht.juris.de/ tierschg/ , 10.04.2009 Bundesministerium für Ernährung, Land- ■ wirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV): Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten. Leitlinien der Sachverständigengruppe tierschutzgerechte kann nur dann verbessert werden, wenn sich gewerbliche Pferdehalter der Probleme und ihrer Verantwortung hinsichtlich einer artgerechten Haltung bewusst sind. Die Vorlage des Sachkundenachweises sollte deswegen nicht einmalig erfolgen, sondern die regelmäßige Teilnahme an Schulungsmaßnahmen beinhalten. Gleichermaßen wichtig ist die Information der Besitzer über Fragen des Tierschutzes. Durch die Aufklärung der Besitzer über die verschiedenen Haltungsarten und die mit höheren Tierschutznormen verbundenen Kosten und Vorteile werden sie in die Lage versetzt, sachkundige Entscheidungen zu treffen. Ziel der Aufklärung sollte die Sensibilisierung der Besitzer für die Bedürfnisse ihrer Tiere in Haltung und Umgang sein. Dies gilt insbesondere auch für den Einsatz von Pferden in Förderung und Therapie. Die zeit- und kostenaufwendige Ausbildung eines Therapiepferdes ist an die Erwartungshaltung einer langfristigen Einsetzbarkeit des Pferdes zu Therapiezwecken gekoppelt. Neben dem Gespür des Therapeuten für einen schonenden Einsatz des Pferdes müssen dem Therapiepferd Haltungsbedingungen geboten werden, die ausreichend Möglichkeit zur Entspannung und freien Bewegung gewährleisten. Dabei wäre eine Haltung im Laufstall oder Offenstall und regelmäßiger Weidegang im Rahmen einer Gruppenweidehaltung wünschenswert. Um physische oder psychische Überforderungen des Therapiepferdes zu vermeiden, sollte der tägliche zeitliche Einsatz unter Berücksichtung des Einsatzbereiches begrenzt werden. Der Einsatz von Therapiepferden sowie Art und Dauer des Einsatzes müssten explizit Aufnahme in die bestehenden Leitlinien finden. Diese Grundlagen könnten z. B. als ein Schwerpunkt in der Ausbildung von Fachkräften in Förderung und Therapie mit dem Pferd vermittelt und geprüft werden. Eine Verbesserung der Haltungsbedingungen könnte durch die Einrichtung eines Zulassungs- und Prüfverfahrens für Tierhaltungssysteme erreicht werden, wie es für die klassischen Nutztierarten Recht: Prinz - Gesetzliche Forderungen an eine tierschutzgerechte Haltung von Pferden mup 3|2009 | 149 Pferdehaltung (10. November 1995). In: www. bmelv.de/ cln_045/ nn_753138/ DE/ 07-SchutzderTiere/ Tierschutz/ GutachtenLeitlinien/ TierschutzPferdehaltung.html__nnn=true, 10.04.2009 Bundesministerium für Ernährung, Land- ■ wirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV): Tierschutz im Pferdesport. Leitlinien der Arbeitsgruppe Tierschutz und Pferdesport (1. November 1992). In: www.bmelv.de/ cln_045/ nn_753138/ DE/ 07-SchutzderTiere/ Tierschutz/ Gutachten- Leitlinien/ TierschutzPferdesport.html__nnn=true, 10.04.2009 Bundesministerium der Justiz: Tierseuchen- ■ gesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1260; 3588), zuletzt geändert durch Artikel 1 § 5 Abs. 3 des Gesetzes vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2930). In: www.bundesrecht.juris.de/ viehseuchg/ index.html, 10.04.2009 Ute Prinz Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Pferderecht Wiesenbachstr. 20b · 49080 Osnabrück E-Mail: rainprinz@osnanet.de Kontakt Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) (Hrsg.) ■ (2006): Ausbildungs-Prüfungs-Ordnung (APO). Regelwerk für Ausbildung und Prüfung im deutschen Pferdesport. FN, Warendorf Das Verlagsprogramm bei Reinhardt Schwerpunkt: Erlebnispädagogik mit dem Pferd Erlebnispädagogik ist aus der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen nicht mehr wegzudenken. Dieses Buch regt mit einer Fülle von Projekten und Ideen dazu an, Pferde bei erlebnispädagogischen Maßnahmen einzusetzen. Die Autoren sind ReitpädagogInnen und ReittherapeutInnen. Ihre Projekte sind spannend - mal ernst, mal spielerisch, immer im pädagogischen Rahmen oder mit therapeutischen Zielen. Geklärt werden auch die Voraussetzungen, Ziele, Möglichkeiten und Grenzen der Erlebnispädagogik mit dem Pferd. „Eine Fundgrube für alle, die sich für Pädagogik mit Pferden engagieren und sich für diesbezügliche Anregungen interessieren.“ (BHP-Info) 2., erw. Auflage 2006. 199 Seiten. Mit zahlr. Fotos (978-3-497-01853-6) kt € [D] 19,90 / € [A] 20,50 / SFr 35,90 a w
