mensch & pferd international
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Heilpädagogisches Reiten mit Fibromyalgie-Patienten
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Julia Springer
Vergleicht man die Wirkungsweisen des Therapeutischen Reitens mit den bewegungstherapeutischen Zielsetzungen bei Fibromyalgie, zeigt sich eine hohe Kongruenz. Mittels dieser Studie sollte untersucht werden, ob sich das Heilpädagogische Reiten positiv auf psychische und physische Einschränkungen Fibromyalgie-Betroffener auswirkt. Methodik: Daher unterzogen sich sechs Probanden (5 w, 1 m, 45,8 ± 6,3 Jahre) während zehn Wochen 20 Einheiten Heilpädagogischem Reiten von maximal 30 Minuten Dauer. Vor, während und nach der Therapiephase wurden der Fibromyalgia Impact Questionnaire (FIQ-G), der Short Form-36 (SF-36), die Basler Befindlichkeitsskala (BBS), der Bewegungsfunktionstest (BFT) sowie die Medikamenteneinnahme eingesetzt. Ergebnisse: Signifikante Veränderungen im Prä- / Postvergleich zeigten sich bzgl.: FIQ-G (p < 0,05), SF-36 (p < 0,05), BBS (p < 0,05) und BFT (p < 0,05).
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80 | mup 2|2009|80 - 87|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel mup, 1. Jahrgang, S. 3-7 (2009) © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Julia Springer Vergleicht man die Wirkungsweisen des Therapeutischen Reitens mit den bewegungstherapeutischen Zielsetzungen bei Fibromyalgie, zeigt sich eine hohe Kongruenz. Mittels dieser Studie sollte untersucht werden, ob sich das Heilpädagogische Reiten positiv auf psychische und physische Einschränkungen Fibromyalgie-Betroffener auswirkt. Methodik: Daher unterzogen sich sechs Probanden (5 w, 1 m, 45,8 ± 6,3 Jahre) während zehn Wochen 20 Einheiten Heilpädagogischem Reiten von maximal 30 Minuten Dauer. Vor, während und nach der Therapiephase wurden der Fibromyalgia Impact Questionnaire (FIQ-G), der Short Form-36 (SF-36), die Basler Befindlichkeitsskala (BBS), der Bewegungsfunktionstest (BFT) sowie die Medikamenteneinnahme eingesetzt. Ergebnisse: Signifikante Veränderungen im Prä- / Postvergleich zeigten sich bzgl.: FIQ-G (p < 0,05), SF-36 (p < 0,05), BBS (p < 0,05) und BFT (p < 0,05). Schlüsselbegriffe: Heilpädagogisches Reiten, Therapeutisches Reiten, Fibromyalgie, Bewegung, Pferd Heilpädagogisches Reiten mit Fibromyalgie- Patienten Springer - Heilpädagogisches Reiten mit Fibromyalgie-Patienten mup 2|2009 | 81 Die Primäre Fibromyalgie ist eine chronische Schmerzerkrankung ungeklärter Ätiologie, etwa 2 bis 3 % der Bevölkerung aller Altersstufen (Altersgipfel zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr; Frauen etwa achtmal häufiger als Männer) sind betroffen. Die Hauptsymptome sind Schmerzen in vielen Körperregionen, Steifigkeit, Müdigkeit und Schlafstörungen, Nervosität, Angstzustände und Depressionen. Die Mannigfaltigkeit an Symptomen erfordert umfangreiche therapeutische Maßnahmen. Zurzeit kommen bei Fibromyalgie-Patienten aber zumeist solche Therapiemethoden zur Anwendung, die nur einzelne Symptombereiche ansprechen. Komplexe Maßnahmen, welche eine Vielzahl therapeutischer Ziele in sich vereinen, gibt es bislang kaum. Unter anderem kommen bei Patienten mit Fibromyalgie bewegungstherapeutische Maßnahmen zum Einsatz, die Ziele im motorisch / sensorischen und psychischen Bereich verfolgen (Fürst 2006; Lind-Albrecht 2006; Mucha 1998). Vergleicht man Ziele Fibromyalgie-spezifischer bewegungstherapeutischer Interventionen mit den Zielen des Heilpädagogischen Reitens (HPR), so lässt sich feststellen, dass sich hier viele Übereinstimmungen finden lassen (Fürst 2006; Lind-Albrecht 2006; Mucha 1998; Kröger 2005; Drees 1992). Zum Beispiel wird bei beiden Methoden im symptomspezifischen Bereich die Senkung des Muskeltonus, die Reduktion einer Schon- oder Fehlhaltung oder die Regulation der lokalen Durchblutung angestrebt. Weiterhin verfolgen beide Methoden auf der Ebene allgemeiner motorischer Ziele z. B. die Verbesserung von Kraft und Ausdauer. Auch bei den Zielen im emotionalen Bereich gibt es Überschneidungen. Hier wird beispielsweise die Minderung depressiver Verstimmungen oder die Linderung von Angstzuständen im symptomspezifischen Bereich als Ziel genannt. Allgemein geht es aber auch um die Steigerung des Selbstwertgefühls. Ein Vorteil des Heilpädagogischen Reitens gegenüber allgemeinen bewegungstherapeutischen Maßnahmen ist vor allem darin zu sehen, dass der Bewegungsaspekt beim Heilpädagogischen Reiten für den Patienten subjektiv in den Hintergrund rückt. Dies ist bei Patienten mit Fibromyalgie von besonderer Bedeutung, weil sie aufgrund der Symptomatik des Krankheitsbildes häufig Bewegungsängste aufweisen. Weiterhin wird beim Heilpädagogischen Reiten durch den Tierkontakt im Allgemeinen und das besondere artspezifische Verhalten des Pferdes im Besonderen die psychische Ebene angesprochen (Klüwer 1997). Eine weitere Stärke liegt vermutlich in der Therapieferne der Situation. Im Kontakt mit dem Pferd wird eine eher natürliche Situation hergestellt, in der der Patient auf eher ursprüngliche Fähigkeiten zurückgreifen kann und muss. Die Gesamtsituation des „zum Reiten Gehens“ hat zusätzlich eine starke Verbindung zum Freizeitverhalten gesunder Personen. Gleichzeitig sind bedingt durch das besondere Bewegungsverhalten des Pferdes im Schritt und Tölt (eine schnelle, stoßarme Gangart im Viertakt ohne Schwebephase), seine Fähigkeit zum Bewegungsdialog und die Körperwärme des Pferdes in Verbindung mit spezifischen Übungen, positive Effekte auf der funktionellen und physiologischen Ebene zu erwarten (Klüwer 1997, 7f). Insofern kann ausgehend von theoretischen Überlegungen erwartet werden, dass sich das Heilpädagogische Reiten in unterschiedlichen Zielbereichen positiv auf Patienten mit Fibromyalgie auswirkt. Um die Effektivität der Maßnahme zu überprüfen, wurde untersucht, inwieweit sich das Heilpädagogische Reiten auf psychische und physische Einschränkungen Fibromyalgie-Betroffener auswirkt. Studienaufbau, Durchführung und Erhebungsinstrumente Zwischen der Ein- und Ausgangsdiagnostik nahmen sechs Probanden (5 Frauen und 1 Mann im Alter zwischen 41 und 56 Jahren; Durchschnittsalter 45,8 Jahre (SD 6,3)) für eine Dauer von zehn Wochen zweimal wö- 82 | mup 2|2009 Springer - Heilpädagogisches Reiten mit Fibromyalgie-Patienten chentlich an insgesamt 20 Therapieeinheiten teil. Die Dauer betrug in der ersten Einheit 10 min, in der zweiten und dritten Einheit jeweils 20 min, ab der 4. Einheit jeweils 30 min. Der Studienaufbau ist in Abbildung 1 dargestellt. Die Probanden wurden auf dem Pferd ohne Sattel sitzend im Schritt an der Longe geführt, dabei führten sie Mobilisations-, Wahrnehmungs- und Entspannungsübungen aus. Während vier Einheiten ritten die Probanden zusätzlich in der Gangart Tölt. Ein schematischer Stundenaufbau mit Zeitvorgaben findet sich in Abbildung 2. Zu Beginn jeder Therapieeinheit wurde das Pferd (Island-Pferd, Stute, 7 Jahre alt) begrüßt, indem es gestreichelt und mit einer Möhre gefüttert wurde. Nach einer Eingewöhnungsphase von sechs Minuten wurden Übungen zur Mobilisation durchgeführt. Zielmuskeln waren hierbei der M. trapezius pars descendens, der M. erector spinae, der M. quadratus lumborum, der M. semispinalis, der M. longissimus capitis, der M. splenius capitis, der M. levator scapulae, die Mm. rotatores breves und longi und der M. multifidus. Zielgelenke waren die Gelenke der Halswirbelsäule, Brustwirbelsäule, Lendenwirbelsäule und des Schultergürtels. Anschließend führten die Probanden der Wahrnehmungsförderung dienende Übungen durch. Hierbei war es die Aufgabe der Probanden, die Bewegungen der Pferdebeine zu fühlen und der Studienleiterin mitzuteilen, welches Bein auf den Boden aufsetzt, beziehungsweise nach vorne geführt wird. In den Einheiten 11 und 12 bewegte der Proband seine Arme synchron zu den Pferdebeinen statt der oben beschriebenen Wahrnehmungsübung. In den Einheiten 12 bis 15 ritt jeder Proband je vier mal 35 Meter in der Gangart Tölt. Zum Ende der Einheiten 2 bis 15 und 20 wurden der Entspannung dienende Atemübungen durchgeführt. Hierbei sollte der Proband mit offenen Augen (Einheiten 3-7, 11-14, 20) oder geschlossenen Augen (Einheiten 2, 8-10, 15) eine tiefe Bauchatmung praktizieren. Nach dem Absteigen wurde das Pferd mit Streicheleinheiten und einer Möhre belohnt. Während der Einheiten 1 und 16 bis 19 wurde statt Übungen ein psychologischpädagogisches Beratungsgespräch durchgeführt. Zur Erhebung der Daten kamen der Fibromyalgia Impact Questionnaire, deutsche Versi- Abb. 1: Methodischer Studienaufbau mit diagnostischen Verfahren und durchgeführten Übungen im zeitlichen Verlauf Abb. 2: Schematischer Aufbau der Therapieeinheiten mit Zeitvorgaben Woche Einheit 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 1x 1x 1x 1x 1x 1x 1x 1x 1x 1x 1x Eingangsdiagnostik Reiten in Gangart Tölt, 4x35 Meter Entspannungsübungen (offene Augen „schraffiert“, geschlossene Augen „uni“) Wahrnehmungsübungen Mobilisationssübungen SF-36 = Short form 36, Fragebogen zur Lebensqualität kein Programm, Einheit diente zum Reden; psychologisch-pädagogische Beratung BBS = Basler Befindlichkeitsskala je prä und post Therapieeinheit FIQ-G = Fibromyalgia Impact Questionnaire, deutsche Version Erklärung BFT = Bewegungsfunktionstest Medikamentendokumentation Ausgangsdiagnostik 2x 1x 1x 1x 1x 1x 1x 1x 1x 1x 2x 2x 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Phase Zeit Gang Zügel Beschreibung Begrüßung -5 min Stand vor dem Reiten: 5 min Pferd, begrüßen, streicheln, Möhre füttern, -1 min richtigen, entspannten Sitz einnehmen 0 min Schritt Longe 6 min zum Eingewöhnen 14 min Mobilisationsübungen Intervention 18 min zum Entspannen 23 min Wahrnehmungsübung 24 min Tölt geführt Tölt 30 min Schritt Longe Entspannung Verabschiedung +3 min Stand nach dem Reiten: Verabschiedung, Möhre füttern Springer - Heilpädagogisches Reiten mit Fibromyalgie-Patienten mup 2|2009 | 83 on (FIQ-G; Offenbaecher et al. 2002), der Short form 36 Health survey (SF-36; Bullinger et al. 1995), die Basler Befindlichkeitsskala (BBS; Hobi 1985), der Bewegungsfunktionstest (BFT; Keitel et al. 1971) und die Dokumentation der Medikamenteneinnahme sowohl während der Ein- und Ausgangsdiagnostik als auch der Therapiephase zum Einsatz. Tabelle 1 zeigt die Parameter, welche von den einzelnen Erhebungsinstrumenten erfasst wurden. Ergebnisse Sämtliche statistischen Auswertungen wurden mittels t-Test für abhängige Stichproben (STATISTICA 6.0) ausgewertet. Tabelle 1: Verwendete Erhebungsinstrumente mit den jeweiligen erhobenen Parametern und dem Erhebungszeitpunkt Erhebungsverfahren und jeweilige Parameter Erhebungsinstrument erfasste Parameter Zeitpunkt der Erhebung BFT (Test bestehend aus 24 Bewegungsaufgaben zur Erfassung der Bewegungseinschränkung der Extremitäten) Einschränkung der Bewegungsfunktion von: oberen Extremitäten unteren Extremitäten - Eingangsdiagnostik (ED), Ausgangsdiagnostik (AD) FIQ-G (Fragebogen zur Einschränkung der Alltagsaktivitäten und Arbeit und Ausprägung der Hauptsymptome) Einschränkung von: Alltagsaktivitäten - Arbeitsfähigkeit - Ausprägung von: Schmerzen - Steifigkeit - Müdigkeit - Ausgeruhtheit nach dem Aufstehen - Nervosität - Depressivität - ED, jeweils vor der 2., 4., 6., 8., 10., 12., 14., 16., 19. Einheit, AD SF-36 (ist ein Fragebogen zur Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität) mittels Fragen zu 8 folgenden Bereichen: Körperliche Funktionsfähigkeit - Körperliche Rollenfunktion - Emotionale Rollenfunktion - Körperliche Schmerzen - Allgemeine Gesundheit - Vitalität - Psychisches Wohlbefinden - Soziale Funktionsfähigkeit - ED, 6., 14., AD BBS (Selbstbeurteilungs-Fragebogen zur Verlaufsmessung der momentanen Befindlichkeit) Fragen zu folgenden 4 Bereichen: Vitalität - Intrapsychischer Gleichgewichtszustand - Soziale Extravertiertheit - Vigilität, kognitive Steuerungs- und - Leistungsfähigkeit 2., 10., 19. je prä und post Medikamenten- Dokumentation Erfassung aller eingenommenen Medikamente mit Dosierung ED, 10., AD 84 | mup 2|2009 Springer - Heilpädagogisches Reiten mit Fibromyalgie-Patienten FIQ-G Die Beeinflussung von „Alltagsaktivitäten“ und „Arbeitsfähigkeit“ durch die Erkrankung und das Ausmaß der Hauptsymptome wurde bei der Eingangsuntersuchung mit einem Mittelwert von 74 % (SD 14) erfasst, bei der Ausgangsuntersuchung mit einem Mittelwert von 45 % (SD 20). Dies bedeutet eine signifikante Verbesserung um 29 % (p < 0,05). Abbildung 3 zeigt die Ergebnisse des FIQ-G zu den 10 vorliegenden Messzeitpunkten. Hoch signifikante Veränderungen ließen sich im Vergleich der Messung 1 mit den Messungen 2 (p = 0,005) und 3 (p = 0,007) nachweisen. Signifikante Veränderungen mit den Messungen 4 (p = 0,03), 5 (p = 0,02), 8 (p = 0,047), 9 (p = 0,03), 10 (p = 0,0101) und 11 (p = 0,02). Nachfolgend werden die Ergebnisse der einzelnen Parameter des FIQ-G beschrieben: Die Beeinträchtigung der Alltagsaktivitäten verbesserte sich signifikant (p < 0,05) von 50 % (SD 10) bei der Eingangsuntersuchung auf 38 % (SD 8) bei der Ausgangsuntersuchung. Die Beeinträchtigung bei der Arbeit wurde bei der Eingangsuntersuchung im Mittel mit 81 % (SD 9) angegeben, bei der Ausgangsuntersuchung mit 56 % (SD 24). Dies bedeutet eine signifikante (p < 0,05) Veränderung von 25 %. Die Ausprägung der Schmerzen wurde bei der Eingangsuntersuchung im Mittel mit 83 % (SD 15) gemessen, bei der Ausgangsuntersuchung lag dieser Wert mit 58 % (SD 30) signifikant (p < 0,05) um 25 % niedriger. Der Mittelwert der Müdigkeitsausprägung lag bei der Eingangsdiagnostik mit 75 % (SD 22) gegenüber der Ausgangsdiagnostik mit 47 % (SD 35) signifikant (p < 0,05) um 28 % niedriger. Der Mittelwert des Parameters Ausgeruhtheit nach dem Aufstehen lag bei der Eingangsuntersuchung mit 83 % (SD 22) gegenüber der Ausgangsuntersuchung mit 57 % (SD 39) signifikant (p < 0,05) um 26 % niedriger. Die erhobenen Werte des Parameters Ausprägung der Steifigkeit lagen bei der Eingangsuntersuchung im Mittel bei 74 % (SD 20), bei der Ausgangsuntersuchung mit 48 % (SD 40) um 26 % niedriger (p < 0,05). Der Mittelwert der Nervositätsausprägung lag bei der Eingangsuntersuchung bei 69 % (SD 25), bei der Ausgangsuntersuchung mit 35 % (SD 36) um 34 % niedriger (p < 0,05). Bei der Erfassung der Depressionen lag der Mittelwert der Eingangsdiagnostik bei 64 % (SD 27), bei der Ausgangsdiagnostik mit 31 % (SD 28) um 33 % niedriger (p < 0,05). SF-36 Der SF-36 ist in acht Bereiche unterteilt, welche einzeln ausgewertet wurden. Die körperliche Funktionsfähigkeit zeigte hoch signifikante Veränderungen bei der dritten und vierten Messung (p < 0,01) im Vergleich zur ersten Messung. Der Mittelwert betrug bei der Eingangsuntersuchung 36,4 Punkte (SD 20,4), bei Erhebung drei 60,8 (SD 20,4). Dies entspricht einer Differenz von 24,4 Punkten (p < 0,01). Bei der Messung der körperlichen Schmerzen ließ sich keine signifikante Veränderung (25 (SD 11,7) prä vs. 35,7 (SD 9,8) post) im Vergleich zur Eingangsuntersuchung feststellen, allerdings veränderten sich die Werte im Vergleich zwischen zweiter (26,3; SD 8,2) und vierter Messung (35,7; SD 9,8) signifikant (p < 0,05). Die erhobenen Werte des psychischen Wohlbefindens zeigten signifikante Veränderungen bezogen auf die Eingangsdiagnostik (33,3; SD 11,8) bei Messzeitpunkt drei (56,7; SD 10,6; p < 0,05) und vier (66; SD 11,5; p < 0,01). Die Ergebnisse der fünf weiteren Bereiche emotio- Gesamtbeeinträchtigung FIQ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Messzeitpunkt 0 20 40 60 80 100 Gesamtbeeinträchtigung (%) ** ** * * * * * * Abb. 3: Ergebnisse des FIQ-G zu den verschiedenen Messzeitpunkten Springer - Heilpädagogisches Reiten mit Fibromyalgie-Patienten mup 2|2009 | 85 nale Rollenfunktion , soziale Funktionsfähigkeit , Vitalität , allgemeine Gesundheit und körperliche Rollenfunktion zeigten keine signifikanten Veränderungen (p < 0,05). BBS Bei der Messung der unmittelbaren Beeinflussung der Befindlichkeit durch das Heilpädagogische Reiten ließen sich signifikante Veränderungen (p < 0,05) innerhalb der zweiten Einheit (Messung 1: 63,8; SD 16,5 vor der Therapieeinheit vs. 83,75; SD 13,8 nach der Einheit) und hoch signifikante Veränderungen (p < 0,01) innerhalb der 10. Einheit (Messung 2: 62,4; SD 12,9 vs. 75,7; SD 10,8) nachweisen. Innerhalb der 19. Einheit (Messung 3: 76,5; SD 12 vs. 79,3; SD 30,3) war die Veränderung nicht signifikant (p > 0,05). Die Ergebnisse finden sich in Abbildung 4. Nachfolgend werden die Ergebnisse der vier Teilbereiche der Befindlichkeitserhebung beschrieben: Die Vitalität veränderte sich lediglich während der 19. Einheit (Messung 3) signifikant (p < 0,05) von 15,3 (SD 4,3) Punkten um 5,5 Punkte auf 20,8 (SD 3,1). Innerhalb der zweiten Einheit (Messung 1) und der zehnten Einheit (Messung 2) war die Veränderung nicht signifikant. Die Veränderung des intrapsychischen Gleichgewichtes durch das Heilpädagogische Reiten veränderte sich signifikant (p < 0,05) bei der zweiten Messung (16,8; SD 5,7 vs. 22,7; SD 3,5) und der dritten Messung (21,3; SD 4,1 vs. 23,8; SD 3,8). Bei Messung eins (18,4; SD 5,9 vs. 22,7; SD 3,5) ließen sich keine signifikanten Veränderungen nachweisen (p > 0,05). Bezüglich der Vigilität / kognitiven Steuerungs- und Leistungsfähigkeit ließen sich bei allen drei Messungen signifikante Veränderungen (Messung 1: 17,1; SD 5,3 vs. 20,5; SD 4,3; p < 0,05, Messung 2: 18; SD 5,1 vs. 20,8; SD 4,3 und 3: 18,8; SD 3,8 vs. 23,3; SD 3,1; p < 0,01)) nachweisen. Die Ergebnisse der sozialen Extravertiertheit zeigten signifikante Veränderungen lediglich bei der dritten Messung (21,3; SD 4,7 vs. 23,6; SD 3,4; p < 0,05). BFT Es zeigte sich eine signifikante Veränderung (p < 0,05) des Ergebnisses des BFT um 9,83 % (84,2 %; SD 7,7 vor der Interventionsphase auf 94 %; SD 4,4 nach der Interventionsphase; ein höherer Wert bedeutet eine geringere Einschränkung). Die Einschränkungen der Bewegungsfunktion der oberen Extremitäten lagen dabei vor der Intervention von maximal 52 erreichbaren Punkten im Mittel bei 42 (SD 5,7) Punkten, was 80,8 % entspricht, nach der Intervention bei 48 (SD 3,4) Punkten (92,3 %). Dies bedeutet eine Differenz von 11,5 % (p<0,05). Bei den unteren Extremitäten lag die Einschränkung vor der Intervention von maximal 48 erreichbaren Punkten bei 42,17; (SD 2,3), nach der Intervention bei 46 (SD 1,3). Dies bedeutet einen prozentualen Anstieg um 7,9 % (p < 0,01). Die Ergebnisse des BFT finden sich in Abbildung 5. Medikamentendokumentation Die eingenommen Medikamente waren Analgetika, Antidepressiva, Hypnotika, Antihistamin-Präparate, Schilddrüsenhormone und Parkinson- Medikamente. Die eingesetzten Analgetika wurden aufgrund der unterschiedlichen Wirkstärken anhand des Stufenschematas der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Schmerztherapie in drei Stufen eingeteilt. Stufe 1 wurden alle „peripher wirkenden Analgetika“ Gesamt- Antrieb 2. prä 2. post 10. prä 10. post Messzeitpunkt 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 Veränderung des Gesamt- Antriebs * ** 19. prä 19. post Abb. 4: Veränderung des Gesamt- Antriebs vor und nach der Therapieeinheit 86 | mup 2|2009 Springer - Heilpädagogisches Reiten mit Fibromyalgie-Patienten zugeteilt, Stufe 2 die „leichteren Opioide“. Medikamente der Stufe 3 „stärkere Opioide“ wurden nicht eingenommen. Die Antidepressiva wurden in zwei Gruppen eingeteilt. Zum einen in trizyklische Antidepressiva, zum anderen in SNRI (Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer). Veränderungen (p > 0,05) gab es bezüglich der Einnahme von Analgetika und Antidepressiva. Während zwei Probanden zu keinem Zeitpunkt der Erhebung Analgetika benötigten und bei einem Probanden keine Änderungen verzeichnet werden konnten, wechselte ein Proband auf ein schwächer wirkendes Präparat der gleichen WHO-Stufe (eins). Ein anderer Proband konnte sein Präparat der WHO-Stufe zwei ersetzen durch ein Präparat der Stufe eins; ein Proband konnte die Dosis halbieren. Während ein Proband keine Antidepressiva benötigte, konnten zwei Probanden das Medikament absetzen, die Dosis der restlichen 3 Probanden blieb gleich. Ebenfalls unverändert blieb die Einnahme von Muskelrelaxanzien, Antirheumatika, Antihistamin-Präparaten, Schilddrüsenhormonen und des Parkinson-Medikamentes. Diskussion Die Tatsache, dass keiner der sechs Probanden das Programm vorzeitig abbrach, spricht für die Durchführbarkeit der Therapie. Des Weiteren traten bei einer Vielzahl der gemessenen Parameter positive Effekte ein, welche die Aussage bekräftigen, dass sich das Heilpädagogische Reiten positiv auf die Symptome Fibromyalgie-Betroffener auswirkt: Die Beeinträchtigung der Alltagsaktivitäten und das Ausmaß der Hauptsymptome Schmerzen, Müdigkeit, Depressionen, Nervosität und Steifigkeit (gemessen mittels FIQ-G) zeigten signifikante Veränderungen (p < 0,05). Die signifikante Verbesserung der Befindlichkeit (mittels BBS) unmittelbar nach dem Reiten im Vergleich zu den Werten vor der Einheit verdeutlichte die hohe Wirksamkeit auf psychologische Parameter. Dass Teilnehmer Medikamente reduzieren oder gar absetzen konnten, weist auf die physiologische Wirksamkeit der Therapie hin, auch wenn keine physiologischen Daten erhoben wurden. Alle Einzelfaktoren „Körperliche Funktionsfähigkeit“, „Medikation“, „Beweglichkeit“, „Psychisches Wohlbefinden“ und „soziale Extravertiertheit“ beeinflussen unmittelbar die Lebensqualität des Probanden und sind als essentiell für die Beurteilung eines Therapieerfolges von Fibromyalgie-Betroffenen zu betrachten. Ein Nachweis dafür, dass das Heilpädagogische Reiten nicht bei allen Probanden eine gleiche Wirkung erzielte, zeigt die im The- Veränderung der Gesamt- Beweglichkeit prä post Messzeitpunkt 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 100 Ausprägung der Beweglichkeit * Abb. 5: Veränderung der Gesamtbeweglichkeit Julia Springer Dipl.-Sportwissenschaftlerin, im Therapeutischen Reiten tätig. Anschrift: Julia Springer · WSS Systems · Gleueler Str. 373 a 50935 Köln · E-Mail: j.springer@staps-online.com Die Autorin Springer - Heilpädagogisches Reiten mit Fibromyalgie-Patienten mup 2|2009 | 87 rapieverlauf steigende Standardabweichung (SD) in den Ergebnissen des FIQ-G. Dies war der Fall, nachdem die ersten Effekte auftraten und spricht somit für eine zeitlich unterschiedliche Wirkung bei den Probanden. Eine große Streuung in den Ergebnissen ist jedoch auch ein generelles Problem der Probandengruppe aufgrund schwankender Symptomstärken. Der positive Trend der erhobenen Messwerte lässt eine weitere Verbesserung der Parameter bei längerem Therapieverlauf vermuten. Zukünftige Studien sollten mit mehr Probanden durchgeführt werden, um eine höhere statistische Aussagekraft der Ergebnisse zu gewährleisten. Die Therapie sollte in Kleingruppen durchgeführt werden, um den Aufbau sozialer Kontakte zu ermöglichen. Literatur Bullinger, M., Kirchberger, I., Ware, J. (1995): Der deutsche SF-36 Health Survey, Übersetzung und psychometrische Testung eines krankheitsübergreifenden Instrumentes zur Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Zeitschrift für Gesundheitswissenschaften 1, 21-36 Drees, J. (1992): Befunderhebung und Therapiekontrolle in der Hippotherapie. Diss., Frankfurt am Main Fürst, G. (2006): Physikalische Therapie bei Fibromyalgie-Syndromen. Orthopädische Praxis 3, 177-180 Hobi, V. (1985): Basler Befindlichkeitsskala. Ein Self-Rating zur Verlaufsmessung der Befindlichkeit. Manual. Beltz, Weinheim Keitel, W., Hoffmann, H., Weber, G., Krieger, U. (1971): Ermittlung der prozentualen Funktionsminderung der Gelenke durch einen Bewegungsfunktionstest in der Rheumatologie. Deutsches Gesundheitswesen 26, 1901-1903 Klüwer, C. (1997): Die spezifischen Wirkungen des Pferdes in den Bereichen des therapeutischen Reitens. In: DKThR (Hrsg.): Heilpädagogisches Voltigieren und Reiten. Sonderheft 1995. 2. Aufl. o. V., Warendorf, 5-11 Kröger, A. (2005): Partnerschaftlich miteinander umgehen. FN Verlag, Warendorf Lind-Albrecht, G. (2006): Patientenschulung in der Rehabilitationsbehandlung bei Fibromyalgie. Orthopädische Praxis 3, 181-186 Mucha, C. 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