mensch & pferd international
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Praxistipp: Was ist unter den Hufen? Die besonderen Anforderungen an einen Hallenboden für die Therapie
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Roswitha Zink
Eine alltagsgeprüfte Reittherapeutin macht sich auf die Suche nach einem geeigneten Reithallenboden, informiert sich, spricht mit befreundeten Reithallennutzern und hört sehr unterschiedliche Meinungen, schlägt Artikel im Fundus verschiedener Fachmagazine nach und kommt zu dem Schluss: der Boden ist eine komplizierte Sache. Also muss ein Fachmann her. Zahlreiche Firmen bieten professionell Hallenböden an und zeigen in langen Referenzlisten, dass sie schon viele Böden gebaut haben. Die Angebote von zehn verschiedenen Firmen ergeben viele unterschiedliche Ausführungen, Fachwissen in Bergen und Preise von 4.000–25.000 Euro überwältigen die Suchende. Es lohnt sich vor der Wahl einer Firma in jedem Falle die Mühe, bei einigen Referenzadressen nachzufragen, weil evtl. nicht alle genannten Betriebe tatsächlich mit dem eingebauten Boden glücklich sind oder bereits Zusatztechniken anbringen mussten (z. B. Hallenberegnung).
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Roswitha Zink 150 | mup 3|2009|150 - 153|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel Praxistipp Was ist unter den Hufen? - Die besonderen Anforderungen an einen Hallenboden für die Therapie Ein Erfahrungsbericht zur Suche des richtigen Bodens für eine Therapiereithalle Eine alltagsgeprüfte Reittherapeutin macht sich auf die Suche nach einem geeigneten Reithallenboden, informiert sich, spricht mit befreundeten Reithallennutzern und hört sehr unterschiedliche Meinungen, schlägt Artikel im Fundus verschiedener Fachmagazine nach und kommt zu dem Schluss: der Boden ist eine komplizierte Sache. Also muss ein Fachmann her. Zahlreiche Firmen bieten professionell Hallenböden an und zeigen in langen Referenzlisten, dass sie schon viele Böden gebaut haben. Die Angebote von zehn verschiedenen Firmen ergeben viele unterschiedliche Ausführungen, Fachwissen in Bergen und Preise von 4.000-25.000 Euro überwältigen die Suchende. Es lohnt sich vor der Wahl einer Firma in jedem Falle die Mühe, bei einigen Referenzadressen nachzufragen, weil evtl. nicht alle genannten Betriebe tatsächlich mit dem eingebauten Boden glücklich sind oder bereits Zusatztechniken anbringen mussten (z. B. Hallenberegnung). Was sind die speziellen Probleme des Bodens einer Reithalle für Förderung und Therapie? Neben den „üblichen Schwierigkeiten“ beim Reithallenbau gilt es für eine Reithalle, die für Therapie- und Förderungszwecke genutzt werden soll, einige Besonderheiten zu beachten, die hier von größerer Bedeutung sein können als in regulären Reithallen: Staub: Lungenbelastung für Klient, Pferd und ■ Reittherapeut Feuchtigkeit: bringt Pilze in den Boden, deren ■ Sporen bei vielen Menschen und Pferden Allergien auslösen bzw. die Gesundheit gefährden können Ebenheit: Bildet der Belag eine ebene Fläche, ■ die gleichmäßige Bewegungen des Pferdes ermöglicht und das Stolpern des Pferdes verhindert/ verringert? Dämpfung: Ist der Belag weich genug, um bei ■ einem möglichen Sturz den Klienten zu schützen und dennoch nicht zu weich, damit die Sehnen der Pferde nicht zu stark belastet werden? Härte: Ist der Belag hart genug, damit Roll- ■ stühle ihn gut befahren können? Essbar / Hautverträglich: Habe ich Klienten, ■ die sich auch auf dem Hallenboden bewegen? Ist es wahrscheinlich, dass Kinder im Hallensand spielen? Möchte ich, dass sich die Pferde auch frei in der Halle wälzen und ausspannen können? Dann müssen alle Stoffe ungiftig sein und dürfen die sensible Kinder- und Pferdehaut nicht reizen. Praxistipp: Zink - Was ist unter den Hufen? mup 3|2009 | 151 Roswitha Zink Wartung: Welche Bewässerungsmöglichkei- ■ ten stehen mir zur Verfügung? Welche Geräte stehen mir zum Eggen, bzw. Ebnen der Halle zur Verfügung (Traktor, Auto, Kutschenpferd,…)? Wie viel Zeit kann regelmäßig für die Wartung der Halle investiert werden? Der Aufbau eines Hallenbodens Beim Aufbau eines Hallenbodens gibt es einige Punkte, die bei jeder Therapiereithalle zu beachten sind. Diese betreffen zunächst den Aufbau des Bodens: Tragschicht Jede Halle hat einen Natur- Erdboden. Dieser sollte etwas abgegraben werden und zumindest mit zuerst grobem (bindigem) Bruchschotter dann feinem Schotter (0 / 15 Feinbruch, Ziegelsplitt oder ähnlichem) befestigt werden. Sonst wird die Halle nie ein ebenes Niveau aufweisen. Darüber hinaus können Spurrillen am Hufschlag entstehen und tiefe Spuren von galoppierenden Pferden können zu Stolperfallen werden. Trennschicht Hier werden Vliese, Gitterplatten oder Spezialauflagen angeboten, was unserer Erfahrung nach den Preis (in keiner Relation zum Nutzen) erhöht. Abraten können wir von Vliesstoffen, die in Bahnen ausgelegt werden. Diese kommen, sofern sie nicht tiefer als einen Meter unter dem Endniveau verlegt sind (und dort braucht man sie nicht mehr), immer wieder an die Oberfläche und stellen dabei ein erhebliches Unfallrisiko dar. Bevor die so genannte Tretschicht, also jenes Material, worauf die Pferde und Menschen gehen, aufgetragen wird, sollte eine Schicht kleinkörniges verdichtetes Material (z. B. Gräder, 0 / 15 Feinbruch, Ziegelsplitt oder ähnliches) aufgetragen werden, damit keine großen Steine nach oben kommen können. Tretschicht Die Tretschicht sollte je nach Trennschicht mind. 10 cm, besser aber 12 cm stark sein, damit kein Material vom Pferdehuf heraufgearbeitet wird. Die wirklich schwierige Entscheidung betrifft die Wahl der Materialien, die in der Tretschicht verarbeitet werden sollen. Hier gibt es Lederreste, Kabelreste, Vlies, Sägespäne, „Der Boden einer Therapiereithalle muss für verschiedene Zwecke geeignet sein! “ 152 | mup 3|2009 Praxistipp: Zink - Was ist unter den Hufen? Holzhäcksel und unzählige andere so genannte Zuschlagstoffe, die mit Sand vermengt werden und ihn entweder lockerer oder fester machen sollen. Dabei ist auf die Ausdünstung (Hallen werden im Sommer heiß) und den Abrieb zu achten. Beides darf nicht giftig sein. Dies ist besonders wichtig, wenn Klienten sich selbst auch am Boden der Halle bewegen, diesen anfassen oder gegebenenfalls auch in den Mund stecken und schlucken könnten. Die meisten unserer Therapiekinder lieben es, sich in den Sand zu werfen, Burgen zu bauen und das Gefühl des nassen oder trockenen Sandstrandes zu erleben - es ist ja auch ein besonderes sensorisches Erlebnis. Diese Umstände erfordern besondere Sorgfalt bei der Auswahl der Zuschlagstoffe, da diese fast alle nicht hautfreundlich und schon gar nicht esstauglich sind. Weiterhin ist es wichtig, dass die Zuschlagstoffe hoher Reibung standhalten (Pferdehufe bringen unglaubliches Gewicht und Reibung auf ihren Untergrund) und keine unter 20 µ kleinen Teile entstehen, da diese sonst, von Mensch und Tier inhaliert, in der Lunge hängen bleiben und Beschwerden verursachen können. Nachdem ein Boden mit Kunststoffzuschlägen zwangsläufig Sondermüll ist, sind hier die Kosten für die Entsorgung nach einer ca. vierjährigen Nutzung in die Kalkulation mit einzuberechnen. Als kostengünstiger biologischer Untergrund kommen meist Sand oder Hackschnitzel in Frage. Bei Hackschnitzeln sollte Buchen- oder Eichenholz verwendet werden und das Hackgut sollte möglichst splitterfrei in 1-2 cm 2 Stücken gehäckselt sein. Dies ist härter als andere Holzarten, hat weniger Abrieb und schimmelt nicht so leicht. Sand Bei Sand ist auf Härte und Staubentwicklung zu achten sowie darauf, dass er nicht zu tief ist und dadurch die Pferdesehnen unnötig belastet. Flusssand ist günstiger als andere Sandsorten, da er schneller absinkt bzw. schwerer ist. Er hat jedoch den Nachteil, dass er nach kürzester Zeit durch die Zerreibung zu stauben beginnt. Quarzsand zerreibt sich nicht so leicht (da er ca. um das 10-20fache härter bzw. abriebfester ist) und ist trotzdem in einer feinen Körnung zu haben, die nicht zu tief wird. „Halleneinweihung“ Praxistipp: Zink - Was ist unter den Hufen? mup 3|2009 | 153 Neben dem Aufbau des Bodens sind einige weitere wichtige Punkte zu beachten. Wasser Unseren derzeitigen Erfahrungen nach ist es in jedem Fall nötig, sehr regelmäßig (an warmen Tagen täglich) gründlich zu spritzen, um die Tretschicht dadurch noch besser zu stabilisieren und das Zerreiben bestmöglich zu unterbinden. Insgesamt erhöht sich damit die Lebensdauer des Belags. Der Wasserverbrauch ist bei sehr feinen Quarzsandqualitäten bedeutend geringer als bei Flusssandarten und kann durch Zisternen aus dem Regenwasser des Hallendachs gut abgedeckt werden. Der Arbeitsaufwand des Spritzens ist speziell an heißen Tagen nicht zu unterschätzen und auch schwer zu koordinieren, da zu diesen Zeiten die Halle nicht genutzt werden kann. Im Winter stellt sich ein ähnliches Problem. An kalten Tagen friert der Boden und staubt sehr. Dann ist es sinnvoll, über chemische Hilfsmittel wie z. B. Magnesiumchlorid oder Salz nachzudenken, wobei die gesundheitlichen Nebenwirkungen von keinem Anbieter beschrieben oder erforscht sind. Ein für Haut und Horn weniger aggressives Mittel ist Magnesiumchlorid. Eine sinnvolle Beregnungstechnik zu besprechen, sprengt den hier zur Verfügung stehenden Rahmen. Jedenfalls wären für eine professionelle Anlage Kosten zwischen 6.000-12.000 Euro (je nach Hallengröße und System) anzusetzen. Kosten Natürlich sind die Kosten gerade für rein therapeutisch genutzte Reithallen ein schwieriges Thema, da Gelder knapp und kostenintensive Lösungen meist schwer realisierbar sind. Trotzdem wird ein vernünftiger Hallenboden eine unumgängliche Investition sein, um regelmäßige und gute therapeutische Arbeit (bei jedem Wetter) bieten zu können. Fazit Therapiehallen brauchen einen staubfreien biologischen Untergrund, der kostengünstig, langlebig und gesundheitlich unbe- Mag. Roswitha Zink Irreguläres Studium der Sonder- und Heilpädagogik / Biologie / Psychologie, Ausbildung zur Therapeutin für heilpädagogisches Voltigieren und Reiten, Centered Riding Instructorin, Wanderreitführerin, Voltigierwartin, Westernreitwartin, Ausbildung für „Pferdesport und Spiel“ und Outdoortrainerin Verein e.motion, Therapie mit Pferden Otto Wagner Spital · Baumgartner Höhe 1 · A-1145 Wien E-Mail: info@pferd-emotion.at Internet: www.pferd-emotion.at Kontakt denklich für Mensch und Pferd ist. Nach unserer Erfahrung führt kein Weg an einer Fachfirma vorbei; weitere Informationen sind z. B. über www. pro-equus.com erhältlich. Man sollte genau wissen was man will, denn der Boden ist maßgeblich für das Gelingen der Therapieeinheiten mitverantwortlich . Selbstverständlich sind eigene Erfahrungen unabdingbar, aber einige Anregungen aus unserer Praxis bieten wir gerne an, die im Gespräch mit einem Fachmann als Fragen oder Vorschlag nützlich sein können und so vielleicht Fehler und Kosten bei der Anschaffung eines Hallenbelags vermeiden helfen. Literatur Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) (Hrsg.) ■ (2003): Orientierungshilfen Reitanlagen- und Stallbau: Planung, Ställe, Reithallen, Reitplätze, Auslauf, Weide und Reitwege. FN-Verlag, Warendorf Forschungsgesellschaft Landschaftsentwick- ■ lung Landschaftsbau e. V. (Hrsg.) (2007): Reitplatzbau im Freien. Empfehlungen für Planung, Bau und Instandhaltung von Reitplätzen im Freien. o. V., o. O. (zu beziehen über: www.f-l-l.de)
