eJournals mensch & pferd international 1/4

mensch & pferd international
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2009
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Dabei sein ist alles! Special Olympics und der Pferdesport

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2009
Gabriele Eickmeyer
Nach seinen Erfolgen bei Special Olympics im Voltigieren veränderte sich Rudis Leben sehr, so dass er für eine Weile keinen Kontakt zu Pferden mehr hatte. Er zog um, es gab neue interessante sportliche Herausforderungen, das Geld für den Pferdesport war knapp. Trotzdem pflegte Rudi mit seinem Betreuer aber auch stets „alte Kontakte“. Durch Gespräche, Berichte und Besuche bei den Voltigiergruppen war Rudis Lust aufs Reiten nach vier Jahren wieder so groß geworden, dass er sich vom Weihnachtsgeld eine neue Reitausrüstung kaufte und sein Taschengeld für das Reiten verplante. Mittlerweile erwachsen wollte er wieder zu den Pferden, diesmal aber zum Reiten. Nun nimmt er regelmäßig an einer integrativen Erwachsenenreitgruppe teil, die sehr abwechslungsreich mit den Pferden trainiert. An seine Erfahrungen beim Voltigieren konnte Rudi anknüpfen und ist im Umgang mit dem Pferd sehr selbstständig geworden. Zu seinen Zielen beim Reiten gehört es, an Wettbewerben teilzunehmen.
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mup 4|2009 |185-188|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel | 185 Dabei sein ist alles - Special Olympics und der Pferdesport Teil 3: Reiten Forum Gabriele Eickmeyer Nach seinen Erfolgen bei Special Olympics im Voltigieren veränderte sich Rudis Leben sehr, so dass er für eine Weile keinen Kontakt zu Pferden mehr hatte. Er zog um, es gab neue interessante sportliche Herausforderungen, das Geld für den Pferdesport war knapp. Trotzdem pflegte Rudi mit seinem Betreuer aber auch stets „alte Kontakte“. Durch Gespräche, Berichte und Besuche bei den Voltigiergruppen war Rudis Lust aufs Reiten nach vier Jahren wieder so groß geworden, dass er sich vom Weihnachtsgeld eine neue Reitausrüstung kaufte und sein Taschengeld für das Reiten verplante. Mittlerweile erwachsen wollte er wieder zu den Pferden, diesmal aber zum Reiten. Nun nimmt er regelmäßig an einer integrativen Erwachsenenreitgruppe teil, die sehr abwechslungsreich mit den Pferden trainiert. An seine Erfahrungen beim Voltigieren konnte Rudi anknüpfen und ist im Umgang mit dem Pferd sehr selbstständig geworden. Zu seinen Zielen beim Reiten gehört es, an Wettbewerben teilzunehmen. Im „Internationalen Regelwerk“ von Special Olympics ist in Artikel VII das Reiten geregelt. Diese Regelungen beruhen auf den Bestimmungen der Federation Equestre Internationale (FEI), der American Horse Shows Association (AHSA) und der American Quarter Horse Association (AQAH). Nationale Regelungen für bestimmte Sportarten wie diese werden immer dann verwendet, wenn sie nicht im Widerspruch zu den offiziellen Special Olympics Regeln stehen. Im Regelwerk, das in deutscher Übersetzung über die österreichische Vertretung von Special Olympics (www.specialolympics.at) zu beziehen ist, ist die Ausrüstung von Reiter und Pferd beschrieben. Es existieren Wettkampfregeln für im englischen und im Westernstil gerittene Pferde. Es wird generell zwischen drei Levels unterschieden, in die die Reiter nach ihren Fähigkeiten eingestuft werden. Diese Einstufung wird bei der Anmeldung für eine Veranstaltung angegeben und dann ggf. im Rahmen der Veranstaltung durch die Richter im Rahmen eines Einstufungstests über- 186 | mup 4|2009 Eickmeyer - Dabei sein ist alles - Special Olympics und der Pferdesport A - X Einreiten im Arbeitstempo, Halten, Grüßen, im Arbeitstempo antraben C linke Hand E auf dem Mittelzirkel geritten E ganze Bahn K - A im Arbeitstempo angaloppieren A auf dem Zirkel geritten A ganze Bahn B - M Arbeitstrab C Mittelschritt H X F im „freien Schritt“ durch die ganze Bahn wechseln F Mittelschritt A Arbeitstrab E auf dem Mittelzirkel geritten E ganze Bahn H - C im Arbeitstempo angaloppieren C auf dem Zirkel geritten C ganze Bahn B - F Arbeitstrab A auf die Mittellinie abwenden X halten, grüßen Die Bahn wird im Schritt bei A verlassen. Im Trab ist Leichttraben, Aussitzen oder eine Kombination erlaubt. Level A: Schritt, Trab, Galopp - nur selbstständige Reiter Es wird von den Reitern erwartet, dass sie ohne Einschränkungen nach den Regeln der nationalen Reitsportverbände zu den Wettbewerben antreten können. A = Reiter erfüllt alle Anforderungen einer Klasse Level B: Schritt und Trab B-I = selbstständiger Reiter, der alle Anforderungen seiner Klasse erfüllt. Level C: nur Schritt C-I = selbstständiger Reiter C-S = Reiter wird geführt prüft, dies meist aber nur dann, wenn Leihpferde zum Einsatz kommen. Folgende weitere besondere Regelungen gilt es zu beachten: Wenn das Leichttraben oder das ausgeses- ■ sene Traben aufgrund körperlicher Einschränkungen nicht möglich ist, muss dies im Voraus angegeben werden. Ebenfalls muss im Voraus angegeben werden, ■ wenn die Reiter aufgrund einer Körperbehinderung keine Stiefel mit Absatz tragen dürfen. Die Reiter dürfen in allen Wettbewerben ■ einer Gruppe an den Start gehen, aber nicht in unterschiedlichen Gruppen antreten. Neben der Gruppeneinteilung wird eine ■ zusätzliche Einteilung nach Alter vorgenommen. Sollten weniger als drei Reiter in einer Altersgruppe an den Start gehen, dürfen Altersgruppen zusammengelegt werden, nicht aber unterschiedliche Leistungsstufen. Ausgeschrieben werden können (national und international) Dressurprüfungen im englischen Reitstil (Dressage oder English Equitation), Springreiterwettbewerbe (Prix Caprilli), Geschicklichkeitsparcours (Working Trail) und Westernreitprüfungen. Dabei werden auf regionalen Veranstaltungen die „eigenen“ Pferde vorgestellt, bei nationalen und internationalen Veranstaltungen werden Leihpferde zur Verfügung gestellt. Hierbei dürfen zwei Pferde ausprobiert werden, bevor sich der Reiter für ein Pferd entscheidet, das er die gesamte Veranstaltung über reiten kann. Dressurprüfungen im englischen Reitstil Die einzelnen Dressuraufgaben für die verschiedenen Levels werden im Rahmen der Ausschreibung für die Veranstaltung bekannt gegeben, so dass sie entsprechend trainiert werden können. Eine Dressurprüfung für das Level A (Prüfung 2) sieht z. B. folgendermaßen aus: Eickmeyer - Dabei sein ist alles - Special Olympics und der Pferdesport mup 4|2009 | 187 Rudi Suhr mit Eastwood Bei der Beurteilung der Leistungen werden vier Aspekte mit unterschiedlicher Gewichtung berücksichtigt. Die Freiheit und Regelmäßigkeit der Gangarten (Koeffizient 2), der Schwung des Pferdes im Sinne von Vorwärtsdrang und Elastizität (Koeffizient 2), die Durchlässigkeit des Pferdes im Sinne von Aufmerksamkeit, Harmonie, Losgelassenheit und Anlehnung (Koeffizient 1) und die Haltung und der korrekte Sitz des Reiters sowie die korrekte Hilfengebung (Koeffizient 3). Anhand dieser Kriterien werden Noten vergeben. Geschicklichkeitsparcours Geschicklichkeitsparcours erfreuen sich vor allem bei regionalen Veranstaltungen großer Beliebtheit. Sie bieten viel Abwechslung und bestehen aus Hindernissen, die für die Wettbewerbe unterschiedlich zusammengestellt werden können. Mögliche Hindernisse sind: Durchreiten eines Tors ■ Ritt über mindestens vier Stangen ■ Durchreiten eines Labyrinths aus Stangen ■ Fässer oder Pflanzen in stabilen Töpfen ■ umrunden Transport eines Gegenstandes von A nach B ■ über eine (Holz)Brücke reiten ■ in ein Viereck aus Stangen hineinreiten, ■ darin halten, ggf. rückwärts hinaus Ritt durch Wasser, durch Gesträuch, ■ in einen Graben hinein und heraus Vorhandwendung in einem an drei Seiten ■ geschlossenen Hindernis Die Hindernistypen sind generell vorgegeben, so dass sie im Training geübt werden können. Welche Hindernisse im Wettbewerb im Detail vorkommen werden, ist allerdings vorab nicht bekannt. Die Beurteilung des Ritts erfolgt anhand zweier Kriterien: korrekte Ausführung der Aufgaben und benötigte Zeit. Geschicklichkeitsparcours haben den Vorteil, dass sie Aufgaben beinhalten, die oft in der Reitausbildung der Teilnehmer einen großen Raum einnehmen. Gerade für Personen mit geistiger Behinderung bieten sich Aufgaben mit verschiedenen Materialien und unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten an, um den Sitz und die Hilfengebung in eher spielerischer Form zu trainieren. Bestimmte „Techniken“ werden dabei eher nebenbei erlernt und geübt und es ist möglich, das Training auf diese Weise sehr abwechs- 188 | mup 4|2009 Eickmeyer - Dabei sein ist alles - Special Olympics und der Pferdesport Hans Scholzen Gabriele Eickmeyer Jg. 1950, Heilpädagogin und Motopädin, Trainerin B Reiten und Voltigieren, Zusatzausbildung für Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd (DKThR), Leiterin einer Jugendhilfeeinrichtung, bietet in Kooperation mit einem ländlichen Reitverein für unterschiedliche Zielgruppen therapeutisches Reiten an; dabei liegt der Schwerpunkt auf der Arbeit mit Menschen mit einer geistigen Behinderung Anschrift: Gabriele Eickmeyer · Rundling 4 · 29439 Trebel E-Mail: Gabi.eickmeyer@nexgo.de Die Autorin lungsreich zu gestalten. Ein weiterer Vorteil ist die Orientierung an einer Aufgabenstellung mit einem eindeutigen Handlungsablauf, der leichter behalten werden kann als eine Dressuraufgabe wie oben beschrieben. Weitere Prüfungen Das internationale Reglement beschreibt auch die Anforderungen für das Westernreiten. In Deutschland sind diese Prüfungen bislang noch nicht ausgeschrieben worden. Auch bei den World Games in Dublin 2003 und Shanghai 2007 wurden sie nicht angeboten. Auch Prix Caprilli Prüfungen wurden in Deutschland bislang nur in Form von Schauveranstaltungen dargeboten, nicht aber in Form eines regulären Wettbewerbs. Langfristig werden beide Wettbewerbsformen aber sicherlich ebenfalls bei Special Olympics Veranstaltungen zu finden sein. Schlussbemerkung In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass die Teilnehmerzahlen bei Special Olympics Veranstaltungen kontinuierlich steigen. Insofern kann man davon ausgehen, dass diese Art von Wettbewerben das Interesse und die Bedürfnisse von Menschen mit geistiger Behinderung trifft, die im Pferdesport aktiv sind. In den kommenden beiden Jahren stehen mit den National Games in Bremen (14. - 19.06.2010) und den World Games in Athen (25.06. - 04.07.2011) wieder interessante Veranstaltungen vor der Tür, für die zu trainieren sich sicherlich lohnen wird. Informationen Informationen zu Special Olympics (Reglement, Veranstaltungen etc.) finden Sie auf diesen Internetseiten: International: www.specialolympics.com Deutschland: www.specialolympics.de (Reglement unter der Rubrik Sport/ Reiten) Österreich: www.specialolympics.at Schweiz: www.specialolympics.ch