mensch & pferd international
2
1867-6456
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mup2010.art09d
71
2010
23
Hippotherapie bei Morbus Parkinson: eine Pilotstudie
71
2010
Kerstin Kofler
Lydia Huber
Gusti Tautscher-Basnett
Volker Tomantschger
Ziel dieser Pilotstudie war es, die Therapieeffekte von Hippotherapie auf motorische Fähigkeiten und allgemeines Wohlbefinden bei PatientInnen mit Morbus Parkinson zu untersuchen sowie zu prüfen, ob Verbesserungen auch bei Sprechparametern zu finden sind. Die Veränderungen wurden mit diversen Skalen und Scores dokumentiert (z. B. Motorische Fähigkeiten: Tinetti-Test; Sprechfähigkeit: Analyse diverser Stimmparameter; kognitive Fähigkeiten und Lebensqualität: Parkinson Skalen). In dieser Pilotstudie gab es Hinweise, dass durch Hippotherapie Verbesserungen in den motorischen Fähigkeiten und der Lebensqualität bei Parkinson-Betroffenen erzielt werden können, es wurden aber keine messbaren Veränderungen in den Sprechparametern gefunden.
2_002_2010_3_0004
104 | mup 3|2010|104-112|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378 / mup2010.art09d Schlüsselbegriffe: Hippotherapie, Morbus Parkinson, Motorik, Lebensqualität, Sprechen Ziel dieser Pilotstudie war es, die Therapieeffekte von Hippotherapie auf motorische Fähigkeiten und allgemeines Wohlbefinden bei PatientInnen mit Morbus Parkinson zu untersuchen sowie zu prüfen, ob Verbesserungen auch bei Sprechparametern zu finden sind. Die Veränderungen wurden mit diversen Skalen und Scores dokumentiert (z. B. Motorische Fähigkeiten: Tinetti-Test; Sprechfähigkeit: Analyse diverser Stimmparameter; kognitive Fähigkeiten und Lebensqualität: Parkinson Skalen). In dieser Pilotstudie gab es Hinweise, dass durch Hippotherapie Verbesserungen in den motorischen Fähigkeiten und der Lebensqualität bei Parkinson-Betroffenen erzielt werden können, es wurden aber keine messbaren Veränderungen in den Sprechparametern gefunden. Hippotherapie bei Morbus Parkinson: eine Pilotstudie Kofler, Huber, Tautscher-Basnett, Tomantschger Kofler et al. - Hippotherapie bei Morbus Parkinson: eine Pilotstudie mup 3|2010 | 105 Kofler, Huber, Tautscher-Basnett, Tomantschger Einleitung Morbus Parkinson ist eine neurodegenerative Erkrankung, in deren Verlauf sich neben den motorischen Kardinalsymptomen Bradykinese, Rigor, Tremor und posturale Instabilität auch nichtmotorische Symptome entwickeln (z. B. Thümler 2002). Die Bradykinese ist eine Verlangsamung der Bewegungsabläufe, die nicht nur die Extremitäten und den Rumpf, sondern auch die Gesichts- und Sprechmuskulatur betreffen kann. Im Verlauf der Erkrankung zeigt sich eine zunehmend reduzierte Motorik, wobei die Bewegungen verzögert beginnen und insgesamt verlangsamt sind. Es kommt zu einer verlängerten Reaktions- und Bewegungszeit (Bock u. a. 1999). Das Gangbild ist bei PatientInnen mit einer Parkinson-Erkrankung in typischer Weise verändert. Das Gangtempo ist verlangsamt, die Schrittlänge verkürzt, die Spurbreite vermindert, und die Füße werden nur wenig vom Boden abgehoben. Das Mitschwingen eines oder beider Arme fehlt (Fries/ Liebenstund 1992, 32). Beim Wenden erfolgt eine En-bloc-Bewegung des Rumpfes durch eine fehlende Gegenbewegung von Schulter- und Beckengürtel. Startschwierigkeiten äußern sich in kurzen Trippelschritten, Engpassschwierigkeiten (Bewegungshemmung) können an engen Stellen, wie z. B. beim Passieren von Türen, auftreten (Thümler 2002, 64ff). Eine Verarmung der spontanen Mimik lässt die Gesichtszüge starr und ausdruckslos, wie ein Maskengesicht, erscheinen. Das Sprechen kann leiser, rauer, monoton, verwaschen und schwer verständlich, das Sprechtempo entweder verlangsamt oder überhastet werden. Durch die oben genannten Veränderungen kann der Eindruck von Traurigkeit, Teilnahmslosigkeit, Ängstlichkeit oder Einbußen geistiger Leistungsfähigkeiten entstehen (Thümler 2002, 55-58). Zusätzlich kann im Verlauf der Erkrankung eine Verkleinerung des Schriftbildes auffallen. Mit Rigor bezeichnet man Starrheit oder Steifigkeit. Dieser wird durch einen erhöhten Spannungszustand der Muskulatur verursacht, wobei auch in Ruhe keine völlige Entspannung erreicht werden kann (Thümler 2002, 62). Der Rigor wird oft als Muskelverkürzung wahrgenommen. Die Kraft der Beuger überwiegt und zwingt den Körper in die charakteristisch gebeugte Haltung (Thümler 2002, 63). Der Tremor - das Zittern - tritt bei ca. 70 % aller Parkinson-Erkrankten auf. Es zeigt sich eine rhythmische, alternierende Aktivität der Muskulatur mit einer Frequenz von 4-6 Hz / Sekunde. Typisch an den Extremitäten ist der Ruhetremor, wobei auch ein Halte- und Aktionstremor bestehen kann (Fries / Liebenstund 1992, 25 f). Die Posturale Instabilität ist eine Störung der gleichgewichtsregulierenden Reflexe und der Stellreflexe (Thümler 2002, 17), die sich in fehlenden reflektorischen Ausweichbewegungen zeigt. Dies führt zu Stürzen, typischerweise nach vorne (Wenzel u. a. 2000, 17). Nichtmotorische Symptome reichen von sensorischen Störungen (Sehbeeinträchtigung, Schmerz und Sensibilitätsstörungen, Riechstörungen), über Schlafstörungen und neuropsychiatrische Einschränkungen (Depression, Demenz, Verhaltensstörungen, Psychose und Halluzination) bis zu autonomen Störungen (Störungen des Verdauungstraktes inkl. Schluckstörung, Störungen der Blasen- und Sexualfunktion, der kardiovaskulären Regulation sowie der Schweiß- und Thermoregulation). Diese treten im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung zunehmend in den Vordergrund (Tomantschger 2010). Eine Säule der Parkinsontherapie stellt die medikamentöse Behandlung dar, die nichtmedikamentösen Therapieformen, wie Physiotherapie, Logopädie, Ergotherapie, Diätberatung, Psychotherapie, sind eine wichtige Ergänzung (Thümler 2002, 297-308). Eine wachsende Bedeutung in der Behandlung von PatientInnen mit Morbus Parkinson wird der Hippotherapie zugesprochen (Strauß 2007). Wirkungsweise der Hippotherapie Das Pferd wirkt über seine Bewegung (neuromotorischer Ansatz), über seinen Körper 106 | mup 3|2010 Kofler et al. - Hippotherapie bei Morbus Parkinson: eine Pilotstudie (sensomotorischer Ansatz) und über sein Wesen (psychomotorischer und soziomotorischer Ansatz) (Strauß 2007). Insbesondere wird der Hippotherapie eine positive Wirkung für folgende für Parkinson-Betroffene relevante Bereiche zugeschrieben: Gangtypisches Rumpftraining wird durch den mehrdimensionalen Schwingungsrhythmus vom Pferderücken auf den Menschen im Reitsitz erzielt. Gelenksmobilisation findet im Bereich der Wirbelsäule, der Hüftgelenke und des Schultergürtels statt. Dehnung verkürzter Muskulatur wird durch die Bewegung und die Körperwärme des Pferdes (Körpertemperatur ca. um 1° wärmer als beim Menschen) erreicht. Korrektur abnormer Bewegungsmuster: Durch den Reitsitz (Abduktion, Außenrotation und Extension der Hüftgelenke) wird in den unteren Extremitäten eine Tonusregulation erzielt; die Rotationsbewegung reguliert den Spannungszustand der Muskulatur. Koordinationsschulung - sensomotorische Förderung: Beim Sitz auf dem sich bewegenden Pferd werden permanent Gleichgewichtsreaktionen abgerufen. Sensorisches Integrationstraining: positive Wirkung auf Körperwahrnehmung, Raumlagebewusstsein und Tiefensensibilität. Physiologische Wirkung: Durch die aufrechte Haltung und rhythmische Bewegung wird die Atemtätigkeit angeregt, der Kreislauf und die Durchblutung gefördert. Günstige Auswirkungen können auch auf neurogene Blasen- und Darmfunktionsstörungen beobachtet werden. Psychische Wirkung: Patienten erleben Freude und Erfolgserlebnisse und werden so vorübergehend von ihren Problemen abgelenkt (Strauß 2007). Die Pilotstudie an der Gailtal-Klinik: Methode Drei ambulante Patienten (vgl. Abb. 1) mit leichter bis mäßiger Parkinson-Erkrankung erhielten je zehn Einheiten Hippothera- Bild 1: India, unser Therapiepferd, mit Kerstin Kofler und Lydia Huber Tab. 1: Demographische Daten der Patienten Patient Herr RK Frau MP Herr MK Alter 55 55 66 Geschlecht m w m Hoehn & Yahr (Parkinson-Skala, vgl. Tab. 2) Stadium 3 Stadium 1-2 Stadium 2- 3 Kofler et al. - Hippotherapie bei Morbus Parkinson: eine Pilotstudie mup 3|2010 | 107 pie zu je 45 Minuten über einen Zeitraum von vier Wochen. Die Medikation wurde während dieser Zeit nicht verändert. Die jeweils 45 Minuten dauernden Therapieeinheiten fanden drei Mal wöchentlich in einer Reithalle statt. Der Ablauf/ Inhalt der Einheiten gestaltete sich folgendermaßen: Kontaktaufnahme mit India, dem Therapiepferd: Probanden streichelten das Pferd, nahmen unter Aufsicht der Hippotherapeutin Kontakt mit ihm auf. Reiten im Schritt: Das Pferd wurde am Langzügel von der Pferdeführerin geführt. Die Hippotherapeutin erarbeitete gemeinsam mit den PatientInnen eine optimale Sitzposition (z. B. Symmetrie, Aufrichtung). Diverse Maßnahmen, wie z. B. Dehnlagerungen, Variation des Schritttempos, Hufschlagfiguren, unterstützten die Erarbeitung von physiologischen Bewegungsabläufen. Belohnung: Am Ende der Einheit hatten die Patienten die Möglichkeit, India mit einer Karotte zu belohnen und so die Pferd-Mensch-Beziehung zu vertiefen. Folgende Skalen und Scores (vgl. Tab. 2) wurden vor Therapiebeginn, zu Therapieende und ein Monat nach Therapieende bei den Untersuchungen verwendet: a) Motorische Fähigkeiten: Tinetti-Test (TT), Einbeinstand, Abstand Jugulum-Boden und Nabel-Boden, 10-Meter-Gangtest, 2-Minuten- Gangtest, Pro- und Supination der Hand, Fingertapping, Kreise zeichnen. Bild 2: Dehnung der ventralen Kette Bild 3: Rumpftraining 108 | mup 3|2010 Kofler et al. - Hippotherapie bei Morbus Parkinson: eine Pilotstudie Tab. 2: Kurzbeschreibung der verwendeten Messinstrumente Tests / Skalen / Scores Kurzbeschreibung Tinetti-Test (1986) Bei diesem Test werden Sitzbalance, Aufstehen, Stehbalance, Gehen, Gangqualität und Gleichgewicht beurteilt. Das Ergebnis (Anzahl der Punkte) ergibt eine Einschätzung des Sturzrisikos und der Mobilitätseinschränkung (z. B. >20 Punkte = Mobilität kaum eingeschränkt; < 10 Punkte = Mobilität stark eingeschränkt, deutliches Sturzrisiko, Hilfsmittel nötig). Einbeinstand Es wird gemessen (in Sekunden), wie lange Probanden auf einem Bein ohne Anhalten stehen können. Abstand Jugulum-Boden und Nabel-Boden Diese Messung (in cm) gibt Hinweise auf die Aufrichtung bei Betroffenen. Gang-Tests i) 10-Meter-Gangtest: wie lange benötigen Probanden für 10 Meter (gemessen in Sekunden). ii) 2-Minuten-Gangtest: wie weit können Probanden in 2 Minuten gehen (gemessen in Metern). Pro- und Supination Die Anzahl der Pro- und Supinationsbewegungen der Hände und Unterarme innerhalb von 30 Sekunden wird links und rechts separat gemessen. Fingertapping Die Anzahl der Fingertappings (Daumen und Zeigefinger) innerhalb von 30 Sekunden werden links und rechts separat gemessen. Kreise zeichnen Die Zeit, um zehn Kreise zu zeichnen, wird links und rechts separat gemessen. Hoehn und Yahr (1967) Diese Skala unterscheidet fünf klinische Stadien des Krankheitsverlaufs der Parkinson-Krankheit (z. B. Stadium 1: geringe funktionelle Beeinträchtigung, einseitiger Beginn, Betroffene sind selbstständig; Stadium 5: Erkrankte sind auf den Rollstuhl und auf fremde Hilfe angewiesen oder bettlägerig). Unified Parkinson Disease Rating Scale (1987) Die UPDRS besteht aus 42 Bereichen, die jeweils auf einer 5-Punkte-Skala (0 = normal, 4 = starke Beeinträchtigung) bzw. mit ja / nein vom Untersucher bewertet werden. Die diversen Symptome bei Parkinson-Erkrankungen werden in vier Abschnitte gegliedert: I. Kognitive Funktionen, Verhalten und Stimmung (1-4) II. Alltagsaktivitäten (5-17) III. Motorik (18-31) IV. Komplikationen und klinische Schwankungen (32-42) Parkinson’s Disease Quality of Life Questionnaire (1995) Der PDQ39 besteht aus 39 Fragen, die in acht Bereiche untergliedert sind und auf einer 5-Punkte-Skala (0 = niemals; 5 = immer) bewertet werden: I. Mobilität (1-10) II. Alltagsaktivitäten (11-16) III. Emotionales Wohlbefinden (17-22) IV. Stigma (23-26) V. Soziale Unterstützung (27-29) VI. Kognition (30-3-3) VII. Kommunikation (34-36) VIII. Körperliche Beschwerden (37-39) Lee Silverman Voice Treatment (1995) Das LSVT ist eine Therapieform, in der es um die Verbesserung der Alltagskommunikation durch Behandlung der Sprechlautstärke bei Parkinson- Betroffenen geht. Die LSVT-Verständlichkeitsskala ermöglicht eine Einschätzung der Verständlichkeit der Alltagskommunikation von 1-6 (1 = vollkommen unverständlich; 6 = vollkommen verständlich). Computerised Speech Lab Im CSL können diverse Stimmparameter von kurzen Sprechbeispielen analysiert und graphisch dargestellt werden. Kofler et al. - Hippotherapie bei Morbus Parkinson: eine Pilotstudie mup 3|2010 | 109 b) Parkinson-Skalen: Hoehn & Yahr (H & Y), Unified Parkinson Disease Rating Scale (UPDRS), Parkinson Disease Questionnaire (PDQ 39) c) Sprechen: Verständlichkeitsskala aus dem Lee Silverman Voice Treatment (LSVT), Analyse der Sprechparameter mittels Computerised Speech Lab (CSL). Alle Untersuchungen wurden videobzw. audiodokumentiert. Ergebnisse Es konnten Verbesserungen in den motorischen Fähigkeiten (insbesondere Gangtests und Zeitaufwand beim Kreisezeichnen) sowie der Lebensqualität beobachtet werden, aber es wurden keine signifikanten Auswirkungen auf Sprechparameter beobachtet. Subjektive Angaben zur verbesserten Befindlichkeit wurden mit den Skores im UPDRS Teil I und den relevanten PDQ 39 Sub-Scores belegt. Insbesondere Herr RK (H & Y Stadium III) konnte in allen motorischen und emotionalen Bereichen profitieren. a) Motorische Fähigkeiten: a. Tinetti-Test (TT): Es war bei allen Probanden lediglich ein Punkt mehr oder weniger zu den unterschiedlichen Untersuchungszeitpunkten zu verzeichnen; dies stellte keine signifikante Veränderung dar. Die drei Patienten hatten gute Ausgangswerte im TT (26 bzw. 28 Punkte). b. 10-Meter-Gangtest, 2-Minuten-Gangtest: Alle Betroffenen konnten ihre Gehstrecke erweitern bzw. ihre Geschwindigkeit erhöhen und diese Verbesserungen auch einen Monat nach Therapieende halten (Abb. 1 & Abb. 2). c. Einbeinstand: Dieser betrug bei allen Probanden vor und nach der Therapie über 10 Sekunden; es konnten keine relevanten Veränderungen aufgezeigt werden. d. Abstand Jugulum-Boden und Nabel-Boden: Die Veränderungen in der Aufrichtung waren bei diesen noch relativ gering beeinträchtigten Betroffenen nicht signifikant. e. Pro- und Supination der Hand, Fingertapping: Die Veränderungen waren nicht signifikant. f. Kreise zeichnen: Die drei Probanden konnten die Geschwindigkeit, mit der sie mit der rechten und der linken Hand jeweils zehn große Kreise zeichneten, in allen Fällen beidseits nach Therapieende verdoppeln und dies auch einen Monat danach noch halten. Tests / Skalen / Scores Kurzbeschreibung Tinetti-Test (1986) Bei diesem Test werden Sitzbalance, Aufstehen, Stehbalance, Gehen, Gangqualität und Gleichgewicht beurteilt. Das Ergebnis (Anzahl der Punkte) ergibt eine Einschätzung des Sturzrisikos und der Mobilitätseinschränkung (z. B. >20 Punkte = Mobilität kaum eingeschränkt; < 10 Punkte = Mobilität stark eingeschränkt, deutliches Sturzrisiko, Hilfsmittel nötig). Einbeinstand Es wird gemessen (in Sekunden), wie lange Probanden auf einem Bein ohne Anhalten stehen können. Abstand Jugulum-Boden und Nabel-Boden Diese Messung (in cm) gibt Hinweise auf die Aufrichtung bei Betroffenen. Gang-Tests i) 10-Meter-Gangtest: wie lange benötigen Probanden für 10 Meter (gemessen in Sekunden). ii) 2-Minuten-Gangtest: wie weit können Probanden in 2 Minuten gehen (gemessen in Metern). Pro- und Supination Die Anzahl der Pro- und Supinationsbewegungen der Hände und Unterarme innerhalb von 30 Sekunden wird links und rechts separat gemessen. Fingertapping Die Anzahl der Fingertappings (Daumen und Zeigefinger) innerhalb von 30 Sekunden werden links und rechts separat gemessen. Kreise zeichnen Die Zeit, um zehn Kreise zu zeichnen, wird links und rechts separat gemessen. Hoehn und Yahr (1967) Diese Skala unterscheidet fünf klinische Stadien des Krankheitsverlaufs der Parkinson-Krankheit (z. B. Stadium 1: geringe funktionelle Beeinträchtigung, einseitiger Beginn, Betroffene sind selbstständig; Stadium 5: Erkrankte sind auf den Rollstuhl und auf fremde Hilfe angewiesen oder bettlägerig). Unified Parkinson Disease Rating Scale (1987) Die UPDRS besteht aus 42 Bereichen, die jeweils auf einer 5-Punkte-Skala (0 = normal, 4 = starke Beeinträchtigung) bzw. mit ja / nein vom Untersucher bewertet werden. Die diversen Symptome bei Parkinson-Erkrankungen werden in vier Abschnitte gegliedert: I. Kognitive Funktionen, Verhalten und Stimmung (1-4) II. Alltagsaktivitäten (5-17) III. Motorik (18-31) IV. Komplikationen und klinische Schwankungen (32-42) Parkinson’s Disease Quality of Life Questionnaire (1995) Der PDQ39 besteht aus 39 Fragen, die in acht Bereiche untergliedert sind und auf einer 5-Punkte-Skala (0 = niemals; 5 = immer) bewertet werden: I. Mobilität (1-10) II. Alltagsaktivitäten (11-16) III. Emotionales Wohlbefinden (17-22) IV. Stigma (23-26) V. Soziale Unterstützung (27-29) VI. Kognition (30-3-3) VII. Kommunikation (34-36) VIII. Körperliche Beschwerden (37-39) Lee Silverman Voice Treatment (1995) Das LSVT ist eine Therapieform, in der es um die Verbesserung der Alltagskommunikation durch Behandlung der Sprechlautstärke bei Parkinson- Betroffenen geht. Die LSVT-Verständlichkeitsskala ermöglicht eine Einschätzung der Verständlichkeit der Alltagskommunikation von 1-6 (1 = vollkommen unverständlich; 6 = vollkommen verständlich). Computerised Speech Lab Im CSL können diverse Stimmparameter von kurzen Sprechbeispielen analysiert und graphisch dargestellt werden. Abb.1: Der 2-Minuten-Gangtest misst die Distanz (in Metern), die in 2 Minuten zurückgelegt wird Abb. 2: Der 10-Meter-Gangtest misst die Zeit (in Sekunden), die für 10 Meter benötigt wird 110 | mup 3|2010 Kofler et al. - Hippotherapie bei Morbus Parkinson: eine Pilotstudie b) Parkinson-Skalen: a. H & Y: Die Zuordnung zum Krankheitsstadium blieb konstant. b. UPDRS und PDQ39: Bei Herrn RK zeigten die UPDRS und PDQ39 eindeutige Verbesserungen im Bereich der Lebensqualität und der Motorik, die auch nach Therapieende gehalten werden konnten. Bei Frau MP zeigten sich keine Veränderungen mit Therapieende, sondern erst einen Monat später (im emotionalen Bereich); bei Herrn MK konnten geringe Verbesserungen im Bereich Lebensqualität/ Befindlichkeit mit beiden Skalen gezeigt werden. Herr RK, im H&Y Stadium III, fühlte sich vor Therapiebeginn am stärksten beeinträchtigt und konnte somit auch die größten Verbesserungen verzeichnen. c) Sprechen: die Beurteilung mittels Verständlichkeitsskala aus dem Lee Silverman Voice Treatment (LSVT) sowie die Analyse der Sprechparameter mittels Computerised Speech Lab (CSL) zeigten keine signifikanten Veränderungen der Sprechparameter auf. Es sei hierbei erwähnt, dass die drei Probanden alle im Alltag sehr gut verständlich waren (LSVT-Verständlichkeitsskala 5-6). Diskussion In unserer Pilotstudie fanden wir Hinweise, dass Hippotherapie bei Betroffenen mit leichtem bis mittelgradigem Morbus Parkinson positive Effekte auf motorische Fähigkeiten sowie das allgemeine Wohlbefinden, aber keine wesentlichen Auswirkungen auf Sprechparameter, hat. Ob diese positiven Effekte der hippotherapeutischen Behandlung im Speziellen, den Gruppeneffekten oder der verstärkten Zuwendung im Allgemeinen zuzuschreiben sind, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Fakt ist, dass unsere Patienten vom „Gehen mit fremden Beinen“ profitiert haben, dass sie diese Therapie sowie die Interaktion mit dem Pferd sehr genossen haben. Des Weiteren wäre zu erwähnen, dass der Großteil der durchgeführten Tests für eine Dokumentation des Behandlungsverlaufes zu empfehlen ist. Bei den Untersuchungsinstrumenten für die motorischen Fähigkeiten würden wir die Abstandsmessung Jugulum-Boden und Nabel-Boden in Zukunft nicht durchführen, da diese Messung sehr situationsabhängig ist. Der Einsatz der verwendeten Parkinson-Skalen wäre auch für künftige Untersuchungen unerlässlich. Bei den Sprechparametern würden wir eine Analyse durch das CLS von Veränderungen in der Verständlichkeitsskala abhängig machen, da solche Analysen sehr aufwändig sind und, auch wenn sich einige Stimmparameter leicht verändern, dies Abb. 3: PDQ39 zeigt die Veränderung der Lebensqualität (je weniger Punkte, desto höher die Lebensqualität) Abb. 4: UPDRS zeigt Veränderungen in unterschiedlichen Bereichen auf, die für Parkinson-Erkrankte relevant sind (je weniger Punkte, desto geringer die Beeinträchtigung im Alltag) Die Autoren Kerstin Kofler Dipl.-Krankenpflegerin und Dipl.-Physiotherapeutin mit Zusatzausbildung Hippotherapie (OKTR), seit 2004 an der Gailtal-Klinik als Physiotherapeutin und als Mitarbeiterin in der Hippotherapie beschäftigt Lydia Huber Dipl.-Physiotherapeutin mit Zusatzausbildung Hippotherapie (OKTR), seit 1994 an der Gailtal-Klinik als Physiotherapeutin tätig und ab 1996 an der Einführung und dem Aufbau der Hippotherapie an der Gailtal-Klinik beteiligt MSc Gusti Tautscher-Basnett Bachelor in Language and Linguistics und Master of Science in Human Communication (Schwerpunkt: Pathologische Kommunikation), seit 2001 als Linguistin an der Gailtal-Klinik tätig, seit 2003 als Klinische Linguistin, unter anderem befasst mit der Entwicklung von Konzepten und Studiendesigns sowie der Erstellung von Postern und Artikeln Dr. med. Volker Tomantschger Seit 1991 im Spezialgebiet Parkinson tätig und seit 1996 Facharzt für Neurologie, seit 1997 an der Gailtal- Klinik tätig, auch im Bereich Forschung mit diversen Studien und zahlreichen Artikeln über die Parkinson- Erkrankung Anschrift: Mag. Gusti Tautscher-Basnett · Gailtal-Klinik, Radniger Straße 12 · A-9620 Hermagor E-Mail: gusti.tautscherbasnett@gailtal-klinik.at · Internet: www.gailtal-klinik.at Kofler et al. - Hippotherapie bei Morbus Parkinson: eine Pilotstudie mup 3|2010 | 111 noch nicht unbedingt eine Auswirkung auf die Alltagskommunikation hat. Ausblick Die positiven Behandlungsergebnisse dieser Pilotstudie mit drei Patienten nach Kurzzeit-Hippotherapie lassen Besserungstendenzen bei Betroffenen mit der chronischen Parkinson-Erkrankung durch Langzeitbehandlung oder Intervalltherapie erwarten. Es stellt sich allerdings die Frage, welche Patientengruppe (leicht - mittel - schwer beeinträchtigt) am meisten von dieser Therapieform profitieren würde und wie lange sich solche Effekte halten können. Die Hippotherapie ist ein fester Bestandteil des Neurorehabilitationsprogrammes an der Gailtal- Klinik in Hermagor (Österreich) und wird von 112 | mup 3|2010 Kofler et al. - Hippotherapie bei Morbus Parkinson: eine Pilotstudie Bruno Six Patienten mit neurologischen Erkrankungen, insbesondere auch von Parkinson-Betroffenen, sehr gerne angenommen. Da diese Patienten in der Regel im Rahmen des Aufenthaltes auch eine Optimierung der medikamentösen Therapie sowie weitere neurorehabilitative Maßnahmen erhalten, wird es allerdings auch in Zukunft schwierig sein, Verbesserungen einem oder mehreren Faktor / en zuzuordnen. Die Möglichkeiten, kontrollierte Therapiestudien im Rahmen einer Neurorehabilitation durchzuführen, sind im klinischen Alltag allerdings begrenzt, da zu viele unterschiedliche Faktoren die Ergebnisse beeinflussen können. Dennoch sei an dieser Stelle auch das subjektive Empfinden der Betroffenen erwähnt: Wir beobachten im Alltag immer wieder, dass unsere neurologischen Patienten die Hippotherapie sehr aufbauend erleben und positive Auswirkungen auf Motorik, Sensorik und Psyche von ihnen und ihren Angehörigen beschrieben werden. Literatur Bock, K., Nittner, K., Rösner, I., Berger, E., ■ (1999): M. Parkinson. Leben mit einer Krankheit, Deutsche Parkinson Vereinigung, Peter Pfeiffer Verlag, o. O. Fries, W., Liebenstund, I. (1992): Kranken- ■ gymnastik beim Parkinson-Syndrom. Pflaum, München Strauß, I. (2007): Hippotherapie: Physiothera- ■ pie mit und auf dem Pferd. Thieme, Stuttgart Thümler, R. (2002): Morbus Parkinson. Ein Leit- ■ faden für Klinik und Praxis. Springer, Berlin Tomantschger, V. (2010): Nichtmotorische ■ Symptome bei Morbus Parkinson - ein Überblick. Mediziner H. 5, 20-22 Wenzel, K., Ott, E., Homann, C. N., Bukalo, N., ■ Dresler, K. & Holl, A. (2000): Morbus Parkinson - Klinik, Diagnostik und medikamentöse Therapie. Forum Dr. med. 2000 Zu den verwendeten Diagnostikinstrumenten: Die verwendeten Diagnostikinstrumente werden in der Parkinson-Forschung regelmäßig eingesetzt und gelten als allgemein bekannt. Daher sind sie nicht einzeln im Literaturverzeichnis aufgeführt. Bei Fragen zu einzelnen Instrumenten wenden Sie sich bitte an die Autoren!
