mensch & pferd international
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1867-6456
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Praxistipp: Caroline - eine exemplarische Förderplanung für ein Mädchen mit Trisomie 21
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Anne-Katrin Jander
Im vorliegenden Artikel soll exemplarisch darstellt werden, wie durch grundlegende Vorbereitung und individuelle Anpassung der Arbeit eine effektivierte Förderung gestaltet werden kann. Hierzu wird ein Einblick in die Arbeit mit Caroline (C.), einem jetzt sechsjährigen Mädchen mit Trisomie 21, in besonderem Bezug auf das HPV / R (Heilpädagogisches Voltigieren und Reiten) gegeben. Die gewonnenen Erkenntnisse sind teilweise auf andere Kinder mit ähnlichen Krankheitsbildern übertragbar.
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mup 3|2011|139-144|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel | 139 Praxistipp Caroline … eine exemplarische Förderplanung für ein Mädchen mit Trisomie 21 Anne-Katrin Jander Im vorliegenden Artikel soll exemplarisch darstellt werden, wie durch grundlegende Vorbereitung und individuelle Anpassung der Arbeit eine effektivierte Förderung gestaltet werden kann. Hierzu wird ein Einblick in die Arbeit mit Caroline (C.), einem jetzt sechsjährigen Mädchen mit Trisomie 21, in besonderem Bezug auf das HPV / R (Heilpädagogisches Voltigieren und Reiten) gegeben. Die gewonnenen Erkenntnisse sind teilweise auf andere Kinder mit ähnlichen Krankheitsbildern übertragbar. Meines Erachtens bietet das HPV / R mit seinen vielfältigen Möglichkeiten speziell Kindern mit Trisomie 21 eine gute Förderung, welche sie besonders gezielt in allen Bereichen der Entwicklung unterstützt. Um einen guten Einblick in den Verlauf von C.s Entwicklung zu ermöglichen, wird im Folgenden der Entwicklungsstand zu Beginn und zum Ende der Teilnahme am HPV / R beschrieben. Anamnese des Kindes C. ist ein aufgewecktes und der Umwelt positiv zugewandtes Mädchen mit Trisomie 21. Sie zeichnet sich durch hohe Handlungsmotivation, einen starken Eigenwillen und großes Autonomiebestreben aus. Sie wird in der täglichen Förderung in der Integrativen Kindertagesstätte und ebenso während der 14-tägigen Fördereinheiten im HPV / R von mir betreut. C. bewegt sich ausgesprochen gern, ist aber stark übergewichtig. Ihre Motorik ist hypoton, die grobmotorischen Bewegungsabläufe noch undifferenziert. Im Bereich der Feinmotorik gelingt eine vermehrte Feinabstimmung unter erhöhter Konzentrationsanstrengung. Im vestibulären Bereich zeigt C. eine verlangsamte Reiz-Reaktionsfähigkeit. Im Bereich der Sprachentwicklung verfügt C. über ein gutes passives Wortverständnis. Sie spricht unter pragmatischem Druck einzelne Worte. Der Spracherwerb wird durch die Hypotonie im orofacialen Bereich, die vorfallende Zunge und den verminderten Mundschluss erschwert. C. befindet sich in logopädischer und physiotherapeutischer Behandlung. Ihr Gesundheitszustand wird kontinuierlich ärztlich überwacht. Rahmenbedingungen C. besucht, gemeinsam mit drei weiteren Integrations- und elf Regelkindern, die integrative Gruppe einer Kindertagesstätte . Die uns für das HPV / R zur Verfügung stehende Reitanlage ist von den gegebenen Bedingungen her gut auf die Zielgruppe eingestellt. Sie bietet, neben einer 20 x 60 Meter großen Reithalle, großzügige Räumlichkeiten zur Pferdevorbereitung, einen Außenplatz sowie weitläufiges Ausreitgelände und eine ruhige Atmosphäre. Das mit uns arbeitende Pferd ist ein Arabo- Haflinger, welcher sich neben einer soliden Ausbildung durch ein hohes Maß an Verlässlichkeit, Freundlichkeit, sozialer Aktivität, individuellem Einstellungsvermögen auf jedes Kind und große Motivation bei der Arbeit auszeichnet. 140 | mup 3|2011 Praxistipp: Jander - Caroline … 140 | mup 3|2011 Praxistipp: Jander - Caroline … Die Kinder der Integrationsgruppe nehmen in Dreiergruppen am HPV / R teil, wobei die Gruppe nach Möglichkeit stabil gehalten wird, um unnötige Unruhe im sozialen Gefüge zu vermeiden. Findet aus organisatorischen Gründen ein Teilnehmerwechsel statt, so wird dieser unter Berücksichtigung der sozialen Ressourcen der Kinder, deren Bedürfnissen und Stärken vorgenommen, um die ausgewogene Teilnahme der Kinder und positive soziale Entwicklungsprozesse zu ermöglichen. Indikation und Kontraindikation Ziel in dem uns vorliegenden Fall ist die Verbesserung des schwachen Muskeltonus, die Förderung des Gleichgewichts, der sozial-emotionalen Entwicklung, der taktil-kinästhetischen Wahrnehmung sowie der kognitiven Fähigkeiten. Die Vielfalt der taktilen und kinästhetischen Stimulation, die hohe Motivation sowie die direkte sozial-emotionale Förderung, welche uns die Arbeit mit dem Pferd bietet, setzt also in optimalem Maße an C.s Förderschwerpunkten an. Die Förderung ist im Sinne der interdisziplinären Vernetzung mit Physiotherapie, Logopädie und allgemeiner heilpädagogischen Förderung in Verbindung zu bringen. Ein häufiger Austausch zwischen Therapeuten und Eltern unterstützen den erfolgreichen Entwicklungsverlauf. Vor Beginn der Arbeit auf dem Pferd ist das Vorliegen einer Kontraindikation zwingend ärztlich abzuklären. In dem uns vorliegenden Fall wurde das Bestehen einer absoluten Kontraindikation, der Atlasdysplasie, von ärztlicher Seite untersucht, ausgeschlossen und attestiert. Die relative Kontraindikation des vorliegenden Herzfehlers ist in der konditionellen Arbeit zu berücksichtigen. Das HPV / R wurde von Arzt und Krankengymnastin mit Nachdruck befürwortet. Verlauf C. zeigte zu Beginn der Förderung sowohl in der sozialen, emotionalen, motorischen als auch in der kognitiven Entwicklung große Rückstände. Sie akzeptierte keinerlei Grenzen und reagierte auf jede Art der einschränkenden Einflussnahme mit unverhältnismäßigen emotionalen Ausbrüchen. Sie war kaum zu gemeinsamen Handlungen zu motivieren, zeigte Aufmerksamkeitsdefizite und brach eine Handlung unverzüglich ab, wenn diese der Anstrengung bedurfte. Sie trug Windeln und bedurfte intensiver Unterstützung in allen Lebensbereichen. Eine direkte 1-zu-1-Betreuung war unerlässlich. Durch große Unsicherheit in der vestibulären Reaktionsfähigkeit, in Verbindung mit einer den gesamten Körper betreffenden Hypotonie, geriet C. häufig aus dem Gleichgewicht. Stabiles Sitzen in aufrechter Haltung kostete viel Mühe und wurde kaum durchgehalten. Durch fehlendes Sprachverständnis war die verbale Vermittlung von Abläufen nur sehr begrenzt möglich. Zielsetzung Tabelle 1-2: Ziele Erste Ziele: Aufbau emotionaler Stabilität Vermittlung von Regeln Aufbau von Konzentrationsfähigkeit Schulung des vestibulären Systems Verbesserung der Körperspannung Aufbau von Handlungsmotivation Ausbau kommunikativer Möglichkeiten Vermittlung struktureller Abläufe C. soll in der Lage sein: sich im Gruppenrahmen partiell an gemeinsamen Handlungen zu beteiligen grundlegende Grenzen einzuhalten sich im überschaubaren Umfeld eine Zeit lang einer gewählten Aktivität zuzuwenden sich motorisch-koordinativ sicher im Umfeld zu bewegen sich im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten mitzuteilen (deiktisch, lautlich) wiederkehrende Handlungsabläufe zu erfassen und sich in diese einzufinden eine positive Beziehung zu Pferd, Gruppe und Pädagoge aufzubauen Praxistipp: Jander - Caroline … mup 3|2011 | 141 Planung Im Vordergrund der ersten Settings standen die Erschaffung eines Rahmens, in dem C. sich ausprobieren, ihre Umwelt erforschen und ihren Neigungen entsprechend agieren konnte. Durch die konsequente Einhaltung grundlegender Grenzen, in Verbindung mit dem hohen Aufforderungscharakter des Pferdes, sollte ihre Konzentrationsfähigkeit gefördert, Verhaltenskontrolle verbessert und Handlungsmotivation gesteigert werden. Sie sollte sich am HPV / R in Begleitung (FSJler) beteiligen und auch ausreichend Rückzugsmöglichkeiten geboten bekommen, um einer Überforderung vorzubeugen. Ein teilweises Heranführen an die Gruppe, den neuen Partner Pferd und die Auseinandersetzung mit der- / demselben sollten vorläufig wichtigster Hauptbestandteil der Arbeit sein. Durchführung Nachdem C. in der Kindertagesstätte ein Mindestmaß an Selbstregulation erworben und eine stabiler werdende Bindung zu ihren Bezugspersonen aufgebaut hatte, konnte sie nun in Begleitung am HPV / R teilnehmen. In den ersten Settings war sie überwiegend mit der Auseinandersetzung mit dem neuen Umfeld und der Verarbeitung der Umwelteindrücke beschäftigt. Sie zeigte keinerlei Hemmungen dem Pferd gegenüber, nahm sofort Kontakt auf und erwiderte Kontaktaufnahmen durch das Pferd ausschließlich freundlich. Schon hier wurde die Wichtigkeit des Beziehungsdreiecks und dessen gewichtige Veränderung deutlich, in dem der übliche regulierende Pädagogeneinfluss verminderbar wurde. Dieser wurde vielmehr zu einer Begleitung in der sich nun zunehmend eröffnenden Beziehungsarbeit. C. ging zwar angstfrei mit Pferd und Umgebung um, nahm aber am gemeinsamen Handeln der Gruppe, dem Putzen, Reiten und damit verbundenen Handlungen nur bruchstückhaft teil. So wurde auch in den folgenden Settings das Pferd freudig lautierend begrüßt, gestreichelt und eingehend untersucht. C. rollte sich begeistert durchs frische Stroh, betastete und beroch alle neuen Materialien, um dann wieder Kontakt zum Pferd aufzunehmen. Im Anschluss an diese Phasen gelang durch Modellfunktionen und verbale Begleitung die wiederholte Einbindung C.s in das gemeinsame Handeln. In den ersten Einheiten wurde C. im Hinblick auf die vielfältige förderliche Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt genügend Zeit und Raum gegeben, das Umfeld und ihre eigenen Fähigkeiten zu erkunden. In dieser Phase wehrte sie ein Sitzen auf dem Pferderücken noch ab. Dies änderte sich, als C. von sich aus deiktisch mitteilte, aufsteigen zu wollen. Von diesem Zeitpunkt an wurden auch die anderen Kinder als beteiligt akzeptiert. Die routinierten Abläufe verinnerlichte C. zunehmend und begann, in intensiver Begleitung, sich zunehmend aktiv am Handlungsablauf zu beteiligen. Gewünschte Verhaltensweisen wurden durch Erfolge bestätigt, unerwünschte nach Möglichkeit ignoriert und nur bei Gefahr durch den Pädagogen begrenzt. C.s Aktivität auf dem Pferd beschränkte sich auf reines „Tragenlassen“, welches sie sichtlich genoss. Das eigenständige Halten des Gleichgewichtes verlangte C. große Anstrengung und Konzentration ab, so dass bis dahin 8-10- 142 | mup 3|2011 Praxistipp: Jander - Caroline … 142 | mup 3|2011 Praxistipp: Jander - Caroline … minütige Einheiten erfolgten. Mundschluss war zu diesem Zeitpunkt noch nicht, Körperspannung nur schwach vorhanden. Reflexion Die Arbeit mit C. zum damaligen Zeitpunkt verlief positiv. Sie wurde weitestmöglich an C.s Bedürfnisse und Fähigkeiten angepasst und gab ihr genügend Freiräume, um An- und Entspannung zu ermöglichen. C. hatte sich durch das HPV / R einen Bereich erschlossen, der ihren Bedürfnissen entsprach. Es gelang eine positive Verstärkung und zwanglose Einbindung. Die Motivation wurde erhalten und gefördert. Durch die bewusste Zusammensetzung der Gruppe gelang die schrittweise Anbahnung sozialer Bindungen zu Gleichaltrigen, welche zu einem späteren Zeitpunkt als Grundlage sozialer Ressourcen und sozialen Lernens dienen kann. Abschluss der Förderung - Juni 2009 C. konnte in der Förderung durchgängig große Entwicklungsfortschritte machen und ihre Kompetenzen in allen Bereichen verbessern. Besonders positiv war die Entwicklung im kognitiven und emotionalen Bereich. C. zeigt jetzt große Handlungsmotivation, lernt verstärkt am Modell, kann aber auch verbale Erklärungen gut umsetzen und bezieht Bezugspersonen in ihr Explorationsverhalten ein. Sie wehrt Hilfestellung ab und ist bemüht, mit steigender Ausdauer, Aufgaben aus eigener Kraft zu bewältigen. Im Bereich des Gleichgewichts und der Motorik konnte sie ebenfalls Fortschritte machen. Sie zeigt Begeisterung für jede Art von Bewegungsspielen und verbessert ihre Ausdauer zunehmend. Die Koordination hat sich verfeinert, und Bewegungsabläufe sind abrufbarer. Die weiterhin deutliche Hypotonie gleicht C. immer besser aus. Sie verfügt über einen großen passiven Wortschatz. Der aktive Wortschatz beschränkt sich auf ca. vierzig Worte, teils in Zweiwortsätzen kombiniert. Die Anwendung findet weiterhin hauptsächlich unter pragmatischem Druck statt, und die Artikulation ist, aufgrund der Hypotonie im orofacialen Bereich, verwaschen. Im Bereich des HPV / R zeigt sie noch stärkere Motivation als in der alltäglichen Arbeit. Sie führt routinierte Handlungsabläufe spontan, freudig und teils eigenständig aus. Deutlich ist die praktizierte Integration zu erkennen, die im Bereich des HPV / R C. eine ebenso aktive Teilhabe ermöglicht wie den anderen Gruppenmitgliedern. Zielsetzung Planungen C. ist nun in ihrer Entwicklung so weit, dass sie vermehrt eigenständig am HPV / R teilnehmen und ihre Fähigkeiten freier erproben kann. Sie hat gelernt, Situationen einzuschätzen und überwiegend entsprechend zu reagieren. Sie ist nicht mehr auf direkte Be- Weitere Ziele: Minimierung der Handlungssteuerung von außen Ausbau eigenständigen Explorations- und Lernverhaltens Ausbau der erworbenen Handlungskompetenzen Verstärkung der sozialen Integration Ausbau der kommunikativen Fähigkeiten Erhalt und Stärkung der Handlungsmotivation motorisch-koordinative Förderung Tabelle 3-4: weitere Ziele C. soll in der Lage sein: Situationen eigenständig einzuschätzen und Aufgaben zu erkennen ihre Handlungskompetenzen auszubauen Stärken und Grenzen ihres Handelns zu erfassen ihr Gleichgewicht zu stabilisieren und motorische Koordination zu verbessern komplexere Aufgaben zu bewältigen vermehrt sprachlich zu kommunizieren Selbstbewusstsein aufzubauen und Wünsche zu äußern soziale Bindungen zu vertiefen und Ressourcen aufzubauen Praxistipp: Jander - Caroline … mup 3|2011 | 143 gleitung angewiesen und soll von sich aus dem Handlungsverlauf folgen. Ihre Kontaktaufnahme zum Pferd und Kommunikation mit den anderen Kindern ist weiterhin freundlich, so dass sich der Pädagoge vermehrt zurücknehmen darf. Bei der Arbeit auf dem Pferd können nun komplexere Ansprüche gestellt werden, welche motorischkoordinative, aber auch kognitive, sprachliche und soziale Anforderungen beinhalten. Während der Einheiten treffen die Kinder vermehrt eigenständige Absprachen. Aufgabe ist u. a. das geführte Reiten, wobei C. vom Pferderücken aus die Richtung bestimmt. Durch Bebilderung der Bahnpunkte kann eine verbale Richtungsansage erfolgen. C. kann nun auch im Schritt an der Longe reiten und Ansagen verbal geben, was zu vermehrten Gruppenspielen genutzt werden kann, ihrem Autonomiebestreben entgegenkommt und das Selbstbewusstsein stärkt. Durch die Übungen werden die Koordination gefördert, die Körperspannung erhöht und die sprachliche Motivation angeregt. Beim abschließenden Abgurten und Versorgen des Pferdes kann C., wie auch die anderen Kinder, anstehende Aufgaben eigenständig, wenn nötig durch bewusstes Bereitstellen des erforderlichen Materials (Decke, Trog u. a.) erkennen und mittragen. Durchführung C. ist ausgesprochen motiviert an der Einheit beteiligt. Sie übernimmt routinierte Abläufe, holt das Putzzeug und versucht von sich aus, die Hufe anzuheben. In der Handlungskoordination mit den anderen Kindern ist sie bemüht, zeigt jedoch kurzzeitig Frustration, wenn sie ihr Handeln nicht unmittelbar fortsetzen kann. Immer wieder geht sie freundlich auf das Pferd zu, um diesem ihre Zuneigung zu zeigen, streichelt es und nimmt es spontan in den Arm. Absprachen erfolgen, auch aufgrund der Mithilfe der anderen Kinder, problemlos. Die Ansagen und Absprachen der Kinder während des Reitens gelingen unter deiktischer Verstärkung gut. Regeln werden akzeptiert und Rollenwechsel mitgetragen. Beim Abgurten, Versorgen des Pferdes und Aufräumen übernimmt C. viele Aufgaben und möchte diese gern alleine ausführen. An dieser Stelle ist die Einbindung der anderen Kinder jedoch unerlässlich und wird von C. nach kurzem Widerstand und klarer Aufgabenteilung gut akzeptiert. Reflexion Die geplante Verminderung des regulierenden Eingreifens durch den Pädagogen ließ sich über den Großteil der Einheit durchhalten. In der Kommunikation der Kinder untereinander entwickelte sich die gewünschte Eigendynamik. Das positive Verhältnis C.s zu Pferd und Kindern wurde gestärkt. Auf dieser Grundlage wurden auch regulierende Verhaltensweisen des Pferdes C. gegenüber nicht als feindselig, sondern neutral bewertet. Das Beziehungsgeflecht zwischen Kind, Pferd, Pädagoge und der Gruppe war somit stabil und in fließend wechselnder Gewichtung aktiv. Die angebotenen Übungen waren dem Entwicklungsstand des Kindes / der Gruppe angemessen und wurden, unter leichter Variation in der Aufgabenverteilung, beibehalten. Die Selbstständigkeit C.s wurde gestärkt und die Eigenmotivation durch Erfolgserlebnisse erhöht. Ihre Konzentrationsfähigkeit hat sich durch Wechsel zwischen An- und Entspannung über den 144 | mup 3|2011 Praxistipp: Jander - Caroline … 144 | mup 3|2011 Praxistipp: Jander - Caroline … Ruth Schulte Mesum, Stefanie Siepmann Verlauf der Einheit halten lassen. Die motorischkoordinativen und vestibulären Anforderungen wurden langsam gehoben und ließen sich durch Variationsmöglichkeiten anpassen. Der fördernde Aspekt im Bereich der Sprache ließ sich durch angemessene Anforderungen und pragmatische Notwendigkeit umsetzen. Durch die gleichmäßig erforderliche Hebung des Gesamttonus zum Erhalt des Gleichgewichtes und der Umsetzung der gestellten Aufgaben wurde ebenfalls der Tonus im orofacialen Bereich erhöht. Perspektiven C. hat zum 31. Juli 2009 die Kindertagesstätte verlassen und ist auf eine Schule für Kinder mit geistiger Beeinträchtigung gewechselt. Durch das Ausscheiden aus der Einrichtung war eine weitere Teilnahme am HPV / R im bisherigen Rahmen nicht möglich. Da sich diese Art der Förderung im Falle von C. jedoch als sehr geeignet erwiesen hat, war diesbezüglich eine weiterführende Förderung in dieser oder einer ähnlicher Form wünschenswert. Resümee Betrachtet man C.s Entwicklung im Verlauf der zwei Jahre, so kann man sagen, dass sie, unter Berücksichtigung der Gesamtsituation, eine fortschreitend positive Entwicklung vollzogen hat. Die sorgfältige Anamneseerhebung, Festsetzung von Förderzielen, Planung und Reflexion der Settings war hierbei unerlässliche Grundlage einer effektiven Arbeit. Die Förderung durch das HPV / R kam in jeder Entwicklungsphase C.s Förderschwerpunkten, Bedürfnissen und Interessen entgegen. Für sie bot das Medium Pferd in seiner Direktheit und Vorbehaltlosigkeit den perfekten Rahmen, Vertrauen aufzubauen, Kompetenzen zu erweitern und emotionale Bindung eingehen zu können. Die Basis des positiven Verhältnisses der Kinder untereinander erstreckte sich auch über den Rahmen des HPV / R hinaus. Hier sind also tragfähige soziale Ressourcen geschaffen worden. Durch die Tatsache, dass C. von mir als durchführende Kraft nicht nur in der Arbeit mit dem Pferd, sondern im Weiteren in der täglichen Arbeit in der Kindertagesstätte betreut wurde, ergab sich eine maximale Einbindung der Arbeit in den alltäglichen Förderkontext. Durch die Hospitation der behandelnden Logopädin gelang eine gute bereichsübergreifende Zusammenarbeit, an die im logopädischen Bereich angeknüpft werden konnte. Im Kontakt mit dem Pferd konnte sie ihre Handlungsmotivation erhöhen und Bestätigung finden. Die Frustrationstoleranz wurde erhöht, die Entwicklung angemessener Problemlösestrategien angeregt. Durch die vielfältige Bandbreite der Sinneseindrücke wurde eine vielschichtige Förderung möglich. Die Autorin Anne-Katrin Jander Heilpädagogin, Reitpädagogin DKThR Anschrift Anne-Katrin Jander · Kopperpahler Allee 26 24119 Kronshagen · a.k.jander@freenet.de
