eJournals mensch & pferd international 3/4

mensch & pferd international
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1867-6456
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2011
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Lateralität beim Pferd

101
2011
Konstanze Krüger
Kate Farmer
Pferde benutzen für die Begutachtung von Objekten und Menschen bevorzugt eine bestimmte Nüster, ein Ohr oder ein Auge. So betrachten die meisten Pferde Objekte und Menschen mit dem linken Auge. Die Lateralitätsforschung erklärt diese sensorische Lateralität mit der Verarbeitung von Informationen unterschiedlicher Qualität in verschiedenen Gehirnhälften und zeigt auf, dass positive und negative emotionale Informationen sowie soziale Sachverhalte mit dem linken Auge aufgenommen und vorwiegend an die rechte Gehirnhälfte weitergegeben werden. In diesem Zusammenhang ermöglicht die visuelle Lateralität, den Gemütszustand des Pferdes im Training und im therapeutischen Fördereinsatz zu erkennen und zu berücksichtigen.
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160 | mup 4|2011|160-167|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378/ mup2011.art11d Konstanze Krüger, Kate Farmer Schlüsselbegriffe: Lateralität, Pferd, Informationsverarbeitung, Training, Wohlbefinden, Mensch-Tier- Interaktion Pferde benutzen für die Begutachtung von Objekten und Menschen bevorzugt eine bestimmte Nüster, ein Ohr oder ein Auge. So betrachten die meisten Pferde Objekte und Menschen mit dem linken Auge. Die Lateralitätsforschung erklärt diese sensorische Lateralität mit der Verarbeitung von Informationen unterschiedlicher Qualität in verschiedenen Gehirnhälften und zeigt auf, dass positive und negative emotionale Informationen sowie soziale Sachverhalte mit dem linken Auge aufgenommen und vorwiegend an die rechte Gehirnhälfte weitergegeben werden. In diesem Zusammenhang ermöglicht die visuelle Lateralität, den Gemütszustand des Pferdes im Training und im therapeutischen Fördereinsatz zu erkennen und zu berücksichtigen. Lateralität beim Pferd Krüger, Farmer - Lateralität beim Pferd mup 4|2011 | 161 Viele Pferde haben eine bestimmte Seite, von der aus sie sich besonders gerne von Menschen handhaben lassen, sich Objekten oder Menschen am liebsten nähern oder sich longieren lassen. Oft zeigen junge Pferde zum Beispiel eine ausgesprochene Abneigung, auf der rechten Hand an der Longe zu laufen (Podhajsky 2006). Diese Abneigung wurde meist einer motorischen Einseitigkeit der Pferde zugeschrieben. Zusätzlich nähern sich Pferde Menschen (Farmer u. a. 2010) und Objekten (Austin / Rogers 2007; Larose u. a. 2006; De Boyer Des Roches u. a. 2008) bevorzugt mit dem linken Auge an und lassen sich meist auch von links am besten handhaben. Traditionell ging man davon aus, die Präferenz für die Handhabung von links beruhe auf einem geschichtlichen, rein praktischen Hintergrund. In der Armee sind alle Pferde von links gehandhabt worden, da der Soldat mit seinem links hängenden Degen nur von links aufsteigen konnte. Auch die moderne Reiterei hat diese Tradition übernommen (Podhajsky 2006). Diese zwei Erklärungsansätze geraten aufgrund aktueller verhaltens- und neurobiologischer Studien zur Lateralität ins Wanken (Austin / Rogers 2007; Larose u. a. 2006; De Boyer Des Roches u. a. 2008; Farmer u. a. 2010). Da es jedoch derzeit keinerlei angewandte Forschung zum Nutzen der Lateralität für das Training der Pferde und ihren Einsatz in der Therapie gibt, werden hierzu nachfolgend einige Studienergebnisse aus der Verhaltensforschung vorgestellt. Im Folgenden werden der Status quo der verhaltens- und neurobiologischen Literatur zur Lateralität beim Menschen, einigen Tieren und dem Pferd dargelegt, ein Bezug für den Therapeuten hergestellt, die Relevanz für die pferdegestützte Therapie aufgezeigt und mögliche Ausblicke für die zukünftige Forschung generiert. Widersprüche zur Traditionstheorie Der Vorzug des Pferdes für die Annäherung an den Menschen mit dem linken Auge wird anscheinend nicht primär von einer Gewöhnung an linksseitiges Training verursacht. Da Pferde Trainingssituationen gut generalisieren können, würde man in diesem Fall ausschließlich von linksseitig trainierten Pferden eine gleichbleibende Präferenz für die linke Seite in allen Trainingssituationen erwarten (Hanggi 1999a; Krueger 2007). Tatsächlich nähern sich sowohl beidseitig als auch von links trainierte Pferde Menschen und Objekten am liebsten mit dem linken Auge an. Die Präferenz für das linke Auge ist bei der Annäherung an unbekannte Menschen stärker als an bekannte Menschen (Farmer u. a. 2010), und sie steigert sich in emotionalen Situationen, zum Beispiel wenn Pferde zusätzlich erschreckt werden (Larose u. a. 2006). Einen weiteren Hinweis gegen die Richtigkeit der Traditionstheorie und für ein angeborenes Verhalten liefern zwei Studien an verwilderten Pferden, welche derzeit durchgeführt und zur Publikation vorbereitet werden. Sowohl gerade erst eingefangene Mustangs in den Vereinigten Staaten von Amerika als auch die verwilderten Pferde Australiens (Brumbies genannt) zeigen zum Teil eine sehr stark ausgeprägte visuelle Lateralität in der Annäherung an Artgenossen und an Menschen. Die starke Lateralität einiger Mustangs schwächt sich bei beidseitigem Training ab. Widersprüche zur motorischen Einseitigkeit Auch der Erklärungsansatz, die Präferenz für die linke Seite sei ausschließlich durch die motorische Einseitigkeit der Pferde verursacht, lässt sich nicht mit der wissenschaftlichen Literatur untermauern. Interessanterweise ist die motorische Einseitigkeit bei vielen Tierarten und auch beim Pferd sehr variabel ausgeprägt (Rogers 2010). Pferde zeigen keineswegs so eindeutige motorische Präferenzen wie für den Gebrauch der Sinnesorgane (92 % Vorzug für das linke Auge bei der Annäherung an Menschen) (Farmer u. a. 2010). 162 | mup 4|2011 Krüger, Farmer - Lateralität beim Pferd Zwei Drittel der Vollblüter bevorzugen den Linksgalopp (Deuel 1987). In anderen Studien mit unterschiedlichen Parametern wie etwa das Wälzen, das Mitgehen mit einem anderen Pferd, das Voranstellen eines Vorderfußes beim Grasen (McGreevy / Rogers 2005), die Wahl des Fußes, der zuerst über eine Stange gesetzt wird (Grizimek 1949) oder mit dem angetrabt bzw. im Schritt losgegangen wird, und die Seite, mit der an Objekten vorbeigegangen wird (Murphy u. a. 2005), wurden kaum eindeutige Seitenpräferenzen auf Populationsebene gefunden. Die konsistentesten Ergebnisse fanden sich für das Voranstellen eines Vorderfußes beim Grasen, wenn das Pferd sein Gewicht gleichmäßig auf den restlichen drei Füßen verteilt. 40,56 % der Pferde bevorzugten das linke Bein, 9,44 % der Pferde das rechte Bein und 50 % hatten keine Präferenz. Die Bevorzugung des linken Vorderbeins stieg mit dem Alter und der Trainingserfahrung (McGreevy / Rogers 2005). Murphy u. a. (2005) fanden heraus, ähnlich wie für Katzen (Wells / Millsopp 2009), dass männliche Pferde signifikant motorisch mehr links lateralisiert und weibliche Pferde signifikant motorisch mehr rechts lateralisiert sind. Studien zur Übereinstimmung von motorischer und sensorischer Einseitigkeit stehen noch aus. Eine Studie verglich den einseitigen Gebrauch der Nase mit der motorischen Einseitigkeit und fand keine Übereinstimmung (Mc- Greevy / Rogers 2005). Einseitige Aufgabenteilung der Gehirnhälften Die aktuelle neurobiologische Literatur kann nun zeigen, dass die Einseitigkeit des Pferdes in vielen Fällen durch eine einseitige Aufgabenteilung der Gehirnhälften bedingt wird, welche sich in sensorischer Einseitigkeit niederschlägt. Menschen, viele Tiere und auch Pferde zeigen eine Präferenz für die Aufnahme von Sinneseindrücken mit einem bestimmten Ohr, einem Auge und einer Nase (Tommasi 2009; Rogers 2010) und verarbeiten diese Informationen in einer bestimmten Gehirnhälfte. Bild 1: Die Stute frisst während eines Verhaltensversuchs aus einem Eimer und behält dabei die Versuchsperson im linken Auge. Krüger, Farmer - Lateralität beim Pferd mup 4|2011 | 163 So werden mit der Nase bzw. Nüster aufgenommene Informationen an die gleichseitige Gehirnhemisphäre weitergeleitet. Die Nervenbahnen von Auge und Ohr sind jedoch zum großen Teil über Kreuz mit den kontralateralen Gehirnhemisphären verbunden. Deshalb werden links gesehene oder gehörte Sinneseindrücke hauptsächlich in der rechten Gehirnhälfte und rechts gesehen und gehörte Sinneseindrücke hauptsächlich in der linken Gehirnhälfte verarbeitet. Lange wurde vermutet, Pferde könnten erlernte Zusammenhänge nicht zwischen den Hirnhälften übertragen, weil sie keinen ausreichenden Corpus callosum, d. h. keine Verbindung zwischen den Gehirnhälften hätten. Das Pferd müsste sozusagen mit jedem Auge die Sachverhalte wieder neu erfahren. Heute weiß man, dass diese Annahme falsch ist. Ein Großteil der visuell aufgenommenen Informationen werden beim Pferd zwar direkt an die gegenüberliegende Hirnhälfte geschickt, denn ca. 80 % der Sehnerven des Pferdes überkreuzen sich im Chiasma optikum (anatomische Bezeichnung für eine Kreuzungsstelle für Sehnerven) und laufen direkt zur kontralateralen Gehirnhälfte. Jedoch verlaufen ca. 20 % der Sehnerven zu einem wohl ausgebildeten Corpus callosum. Erlernen Pferde zum Beispiel, mit einem verdeckten Auge Dreiecke unter anderen Symbolen auszuwählen, so wählen sie Dreiecke auch mit dem zuvor verdeckten Auge aus (Hanggi 1999b). Aufgaben der linken Gehirnhälfte Informationen werden jedoch trotz der Übertragungsmöglichkeit zwischen den Hemisphären je nach ihrer Qualität bevorzugt an bestimmte Gehirnhälften geschickt. Hier bleibt anzumerken, dass manche Funktionen überlappend zwischen den Hirnhälften oder partiell in der linken und rechten Hirnhälfte ausgeführt werden (Rogers 2010). So bevorzugen Hunde und Pferde für die Analyse von Lauten ihrer Artgenossen meist das rechte Ohr bzw. die linke Gehirnhälfte. Sind bei Hunden die Bell-Laute jedoch emotional gefärbt, z. B. aggressiv, oder das Pferd ist emotional erregt (Basile u. a. 2009), horchen die Tiere vermehrt mit dem linken Ohr. Generell kann die linke Gehirnhälfte als die kognitive Hemisphäre bezeichnet werden. Sie ist für die Steuerung von Verhaltensweisen in Routinesituationen zuständig. In ihr werden die menschliche Sprache und tierische Lautäußerungen zum großen Teil (Basile u. a. 2009) gesteuert und verarbeitet. Hier werden beim Menschen rationale Entscheidungen getroffen und kontrolliertes Verhalten, welches auf Lernen beruht, gesteuert. In der linken Gehirnhälfte findet laut Fachsprache das sogenannte „top-down processing“ statt, d. h. die Steuerung von Verhalten, welches an Instruktionen gebunden ist. Bild 2: Zwei verwilderte Hengste der Rasse Pony di Esperia bedrohen sich von links. 164 | mup 4|2011 Krüger, Farmer - Lateralität beim Pferd Aufgaben der rechten Gehirnhälfte Anders sieht es bei der rechten Gehirnhälfte aus. Sie wird meist als die instinktive, reaktive Seite des Gehirns bezeichnet. Die rechte Gehirnhälfte reagiert auf unvorhersehbare Veränderungen, erkennt Details und reagiert auf neue Objekte und Situationen. Hier findet „bottom-up processing“ statt, d. h. die Steuerung von spontanen Reaktionen, ausgelöst von externen Stimuli. Dies ist für Reaktionen in Notfallsituationen besonders wichtig. In der linken Hemsiphäre werden starke Emotionen wie Angst, Aggression und Zuneigung kontrolliert, aber auch endokrine Funktionen und die Herzfrequenz reguliert. Interessanterweise bevorzugen Menschen (Guo u. a. 2009) und viele Säugetiere die rechte Gehirnhälfte zur Erkennung von Artgenossen (Schafe: Pierce u. a. 2000; Affen: Hamilton / Vermeire 1988, Guo u. a. 2009; Hunde: Guo u. a. 2009). Weiterhin benutzen sie die rechte Gehirnhälfte bei aggressiven Auseinandersetzungen und bei sonstigen Interaktionen in der Gruppe. Der Vorzug einseitiger Informationsverarbeitung Mensch und Tier profitieren von der Aufgabenteilung der Gehirnhälften, indem diese ihnen ermöglicht, verschiedene und überlebenswichtige Aufgaben gleichzeitig zu bewältigen und Entscheidungen schneller zu treffen (Rogers 2010). Zum Beispiel können im Sichtfeld des linken Auges und der rechten Gehirnhälfte Artgenossen beobachtet werden, während gleichzeitig Entscheidungen über die Fressbarkeit des im Sichtfeld des rechten Auges präsenten Futtermittels getroffen werden können. Tiere mit ausgeprägter Lateralität sind in vielerlei Hinsicht schneller als solche mit schwacher Lateralität. Katzen mit einer Präferenz für eine Tatze sind schneller darin, einem Lichtpunkt mit der Pfote zu folgen, Schimpansen mit einem Vorzug für eine Hand schneller beim Fangen von Termiten und Papageien mit stark ausgeprägter visueller Lateralität erfolgreicher bei Lerntests (Rogers 2010). Zusätzlich profitiert das gruppenlebende Fluchttier Pferd von einer gleichseitigen Lateralität auf Populationsebene. Wenn alle Gruppenmitglieder Informationen mit der gleichen Seite aufnehmen, sich mit der gleichen Seite zueinander synchronisieren und in die gleiche Richtung flüchten, entkommen sie einem Raubtier einfach schneller (Tommasi 2009; Rogers 2010). Bedeutung der sensorischen Einseitigkeit für die Mensch-Pferd-Beziehung Wird nun noch einmal die Annahme betrachtet, die sensorische Einseitigkeit ist mit der Qualität der Sinneseindrücke verbunden, so gewinnt die Beobachtung der Lateralität Aussagekraft für die Beurteilung des Befindens der Pferde, eines eventuellen Trainingserfolges und der Mensch- Pferd-Interaktion. Einseitigkeit lässt auf das Wohlergehen schließen Beim Menschen löst das Zeigen von Bildern mit emotionalen Inhalten nur bei Gebrauch des linken Auges (rechte Hemisphäre) Unterschiede in der Ausschüttung von Stresshormonen (Cortisol) im Speichel (Wittling / Pfluger 1990) sowie Veränderungen des Blutdrucks (Wittling u. a. 1998) und der Herzfrequenz (Wittling 1990) aus. Generell werden Tiere bei Gebrauch des linken Auges leichter von äußeren Gegebenheiten abgelenkt (Rogers 2010). Auch Pferde zeigen zunächst stärkere Reaktionen, wenn ein Objekt im linken Auge sichtbar ist - vergleichsweise zur Präsentation im rechten Auge (Austin / Rogers 2007). In diesem Sinne empfehlen Austin und Rogers (2007), Pferde zunächst mit dem rechten Auge an neue Objekte oder Menschen heranzuführen. Anderseits wird berichtet, dass Schafe weniger Stress und Angst zeigten, wenn sie Bilder ihrer Artgenossen mit dem linken Auge sahen (da Costa u. a. 2004), aber nicht, wenn sie dem Krüger, Farmer - Lateralität beim Pferd mup 4|2011 | 165 rechten Auge präsentiert wurden. Kühe, denen das Futter immer von der linken Seite angeboten wurde, zeigten eine bessere Milchleistung und besseren Reproduktionserfolg (Rizhova / Kokorina 2005). Es heißt sogar, die linke Hirnhälfte könne die Stressverarbeitung der rechten Gehirnhälfte unterdrücken (Sullivan 2004). In der Tat hat es sich bewährt, Pferden den Gebrauch des linken Auges zu gestatten, denn sie benötigen es, um die Informationen einzuordnen (Farmer u. a. 2010; Rogers 2010). Einseitigkeit im Training und Personenkontakt In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass sich die Lateralität beim Menschen unter Stress bzw. bei Frustration, d. h. wenn eine Aufgabe nicht bewältigt werden kann, verstärkt (Schultheiss u. a. 2009). Nach heutigem Wissensstand weiß man nur, dass zunehmender Stress die Lateralität des Pferdes verstärkt (Larose u. a. 2006). Es gibt keine Studie zur Lateralität bei Überforderung. Da der Gehirnaufbau und die Lateralität des Pferdes in vielen Hinsichten Parallelen zum Menschen und anderen Säugetieren aufweist (Rogers 2010), und Überforderung generell Stress auslöst, ist jedoch zu vermuten, dass auch Pferde auf Überforderung mit verstärkter Lateralität reagieren. In diesem Sinne empfiehlt es sich bei starker Einseitigkeit, die Trainingsanforderung an das Pferd zurückzunehmen oder den Kontakt mit Menschen, welche eine starke Lateralität auslösen, zu reduzieren. Bei Wiederholung des Trainings und der beidseitigen Präsentation von Objekten und Menschen in kleinen Schritten schwächt sich die Lateralität parallel zur Erregung bei den meisten Pferden ab. Hier sei noch angemerkt, dass es einige wenige Pferde mit einer starken Präferenz für das rechte Auge gibt (Farmer u. a. 2010). Solche Pferde gelten häufig als besonders schwierig zu handhaben. Ob dies mit einer veränderten Gehirnstruktur oder eher mit der Erfahrung einhergeht, dass für solche Pferde der sich klassisch von links annähernde Mensch immer von der „falschen Seite“ kommt, ist bis dato ungeklärt, da hier ebenfalls wissenschaftliche Studien fehlen. Es ist auch möglich, dass sich rechts lateralisierte Pferd in ihrer Persönlichkeitsstruktur von links lateralisierten Pferden unterscheiden. Bis dato zeigen Studien Korrelationen mit dem Grad der Persönlichkeitsausprägung für die visuelle Lateralität beim Fisch (Andrew u. a. 2009; Reddon / Hurd 2009) und die motorische Lateralität beim Hund (Batt u. a. 2009; Branson / Rogers 2006). Hierzu gibt es beim Pferd jedoch noch keine Erkenntnisse. Eine Studie zum Vergleich von Persönlichkeit und Lateralität bei verwilderten Pferden wird momentan von unserer Arbeitsgruppe durchgeführt. Der Mensch als Sozialpartner? Es ist sehr interessant, dass Pferde Menschen gerne mit dem linken Auge betrachten, denn viele Säugetiere gebrauchen das linke Auge, um ihre Artgenossen zu beobachten. So bevorzugen Menschen (Guo u. a. 2009), Schafe (Pierce u. a. 2000), Affen (Hamilton / Vermeire 1988; Guo u. a. 2009) und Hunde (Guo u. a. 2009) das linke Auge zur Erkennung von Artgenossen. Ausgewachsene Belugawale betrachten ihre Sozialpartner, ebenso wie Belugawal-Babys und Delphin-Babys auch ihre Mütter, mit dem linken Auge (Karenina u. a. 2010). Es kann nur vermutet werden, dass das Pferd den Menschen ebenfalls als Sozialpartner einstuft und ihn deshalb bevorzugt mit dem linken Auge betrachtet. Schwierig ist auch eine Einschätzung, ob die Betrachtung des Menschen nun positive oder negative Emotionen im Pferd auslöst, denn sowohl positiv als auch negativ bewertete Objekte werden mit dem linken Auge und neutral bewertete Objekte mit dem rechten Auge betrachtet (De Boyer Des Roches u. a. 2008). 166 | mup 4|2011 Krüger, Farmer - Lateralität beim Pferd Eine schwache Präferenz für das linke Auge im Kontakt mit Menschen mag für das Pferd demnach als normale Reaktion angesehen werden. Da sich die sensorische Lateralität des Pferdes jedoch mit zunehmendem Stress verstärkt (Larose u. a. 2006) und sich mit beidseitigem Training und mit der Vertrautheit von Menschen abschwächt (Farmer u. a. 2010), sollte eine ausgesprochene starke sensorische Lateralität im Training, im Kontakt mit Menschen oder im therapeutischen Einsatz die Aufmerksamkeit des Therapeuten erregen. Im Zweifelsfall ist es ratsam, die Anforderung an ein stark lateralisiertes Pferd zunächst zurückzunehmen und dann schrittweise im beidseitigen Training wieder anzuheben. Um diese Sachverhalte genauer abzuklären, sind sowohl vergleichende Studien zwischen physiologischen Parametern für die Messung emotionaler Erregung und Stress und der sensorischen Lateralität des Pferdes im Kontakt mit Artgenossen und Menschen als auch beim Einsatz des Pferdes in therapeutischen Fördermaßnahmen dringend notwendig. Literatur ■ Andrew, R. J., Osorio, D., Budaev, S. 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