eJournals mensch & pferd international 3/3

mensch & pferd international
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1867-6456
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2011
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Recht & Sicherheit: Haftungsrisiken beim Therapeutischen Reiten

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Sebastian Trautmann
Der Umgang mit Pferden begeistert die Menschen seit jeher. Die Bereitschaft dieser Tiere, dem Menschen zu vertrauen und ihn zu tragen, das erhabene Gefühl, auf dem Pferderücken zu sitzen und sich so fortzubewegen, macht auch das Therapeutische Reiten zu einer ganz besonderen Therapieform. Doch eines darf man beim Umgang mit Pferden nie vergessen. Es handelt sich nicht um Sportgeräte, sondern um Lebewesen. Pferde sind domestizierte Wildtiere. Sie hatten in Freiheit eine Vielzahl von Feinden und verfügen deshalb nach wie vor über einen ausgeprägten Fluchtinstinkt.
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mup 3|2011|133-135|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel | 133 Sebastian Trautmann Der Umgang mit Pferden begeistert die Menschen seit jeher. Die Bereitschaft dieser Tiere, dem Menschen zu vertrauen und ihn zu tragen, das erhabene Gefühl, auf dem Pferderücken zu sitzen und sich so fortzubewegen, macht auch das Therapeutische Reiten zu einer ganz besonderen Therapieform. Doch eines darf man beim Umgang mit Pferden nie vergessen. Es handelt sich nicht um Sportgeräte, sondern um Lebewesen. Pferde sind domestizierte Wildtiere. Sie hatten in Freiheit eine Vielzahl von Feinden und verfügen deshalb nach wie vor über einen ausgeprägten Fluchtinstinkt. Aber auch sonst sind Pferde bisweilen unberechenbar. Die Möglichkeit eines solchen unvorhersehbaren Verhaltens bezeichnet man als typische Tiergefahr. Wer haftet, wenn diese sich verwirklicht und es zu einem Unfall kommt, soll nachfolgend auf Grundlage der in Deutschland geltenden gesetzlichen Regelungen und hierzu ergangener Gerichtsurteile dargestellt werden. Wer haftet, wenn sich die von einem Pferd ausgehende Tiergefahr verwirklicht? Hier kommen der Pferdehalter, der Pferdesportverein, der Reitlehrer oder Therapeut, Dritte, die durch ihr Verhalten einen Unfall schuldhaft (mit-)verursacht haben und letztlich auch der Reitschüler selbst in Betracht. Der Halter eines Pferdes haftet grundsätzlich gemäß § 833 Satz 1 BGB verschuldensunabhängig für Schäden, die durch sein Pferd verursacht werden. Es bedarf danach für die Haftung des Pfer- Recht & Sicherheit Haftungsrisiken beim Therapeutischen Reiten dehalters keines vorwerfbaren Fehlverhaltens. Er hat für den Schaden in jedem Fall aufzukommen. Pferdehalter in diesem Sinne kann auch ein Pferdesportverein sein, der Schulpferde hält. Ein nach § 833 BGB haftender Pferdehalter muss darüber hinaus nicht zwingend Eigentümer des Tieres sein. Auch ein Verein oder Reitlehrer, dem ein Pferd für den Schulbetrieb überlassen wird und der sich auch sonst fast ausschließlich um dieses kümmert, kann als Pferdehalter haften. Die Haftung eines Pferdehalters wird auch grundsätzlich nicht dadurch ausgeschlossen, dass dieser sein Pferd einem Dritten unentgeltlich aus Gefälligkeit überlässt (so OLG München, Urteil vom 16.06.2010, Aktenzeichen 20 U 5105 / 09; BGH Urteil vom 09.06.1992, Aktenzeichen VI ZR 49 / 91). Er haftet auch in diesem Fall regelmäßig, wenn ein Schaden entsteht. Die Haftung des Tierhalters tritt gemäß § 833 Satz 2 BGB jedoch dann nicht ein, wenn er das Pferd zu Erwerbszwecken hält und ihn an einem Schadensfall kein Verschulden trifft. Für einen gemeinnützigen Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, hat die Rechtsprechung eine Entlastungsmöglichkeit nach § 833 Satz 2 BGB mehrfach abgelehnt, wenn sich ein Schadensfall im Rahmen der satzungsgemäßen Aufgaben des Vereins ereignet (zuletzt BGH, Urteil vom 21.12.2010, Aktenzeichen VI ZR 312 / 09). Idealvereine haften demnach als Pferdehalter im Regelfall verschuldensunabhängig. 134 | mup 3|2011 Sicherheit: Trautmann - Haftungsrisiken beim Therapeutischen Reiten 134 | mup 3|2011 Sicherheit: Trautmann - Haftungsrisiken beim Therapeutischen Reiten Reitlehrer und Therapeuten, die gleichzeitig Halter der von ihnen eingesetzten Pferde sind, können eine Haftungsprivilegierung als erwerbstätige Pferdehalter nur dann für sich in Anspruch nehmen, wenn sie den Reitunterricht berufsmäßig erteilen. Dazu reicht eine nur gelegentliche Tätigkeit neben einem sonst ausgeübten Hauptberuf jedoch nicht aus (so OLG Hamm, Urteil vom 22.09.2009, Aktenzeichen 9 U 11 / 09). Darüber hinaus müssen die Einnahmen aus dem Reitunterricht einen erheblichen Beitrag zum Unterhalt darstellen. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 25.11.2005 (Aktenzeichen 24 U 128 / 05) in einem Fall, in dem aus der Erteilung von Reitunterricht monatlich durchschnittlich 340 Euro erwirtschaftet wurden, für nicht gegeben erachtet und demzufolge eine verschuldensunabhängige Haftung des Reitlehrers angenommen. Reitlehrer, Therapeuten und Vereine, die nicht Halter der im Reitunterricht eingesetzten Pferde sind, können bei Unfällen auch nach §§ 823, 834 BGB unter anderem als sogenannte Tieraufseher oder aufgrund eines direkten Vertragsverhältnisses mit dem geschädigten Reitschüler haften. In allen Fällen muss aber ein Verschulden vorliegen, um eine Haftung zu begründen. Es reicht hierfür Der Autor Sebastian Trautmann Rechtsanwalt, Vorsitzender des Reit- und Fahrvereins Reichelsheim / Odenwald e.V. Anschrift: Sebastian Trautmann · Bahnhofstr. 9 64385 Reichelsheim · s.trautmann@dr-trautmann-koll.de Fahrlässigkeit, also das Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt aus. Der gleiche Haftungsmaßstab gilt für ein mögliches Mitverschulden von Dritten, beispielsweise weiteren Reitschülern, wenn deren Verhalten ursächlich oder jedenfalls mitursächlich für einen Schaden war. Trifft die geschädigte Person selbst ein (Mit-) Verschulden an einen Schadensfall, so kann ihr ein Anspruch auf Schadenersatz ganz oder teilweise verwehrt sein. Die Haftung des Pferdehalters, des Reitlehrers, des Therapeuten, des Vereins oder Dritter verringert sich in einem solchen Fall um die Höhe des anzusetzenden Mitverschuldens. Auch hier muss mindestens ein Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt durch die geschädigte Person vorliegen. Die Frage, ob einer Person, die am Therapeutischen Reiten teilnimmt, bereits deshalb ein Mitverschulden anzulasten ist, weil diese trotz ihrer körperlichen Beeinträchtigung überhaupt Reitstunden genommen hat, wurde vom Bundesgerichtshof in einem aktuellen Urteil vom 21.12.2010 (Aktenzeichen VI ZR 312 / 09) ausdrücklich verneint. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass ein Verein, der sich nach seinem Vereinszweck der Reittherapie von Behinderten widmet und dem vor dem Reitunterricht die Behinderung der Teilnehmer bekannt war, alleine aus diesem Umstand keine Haftungserleichterung für sich herleiten kann. Gleiches gilt für einen Therapeuten, dem die Behinderung seiner Reitschüler bekannt ist. Es ist von einem Therapeuten zu erwarten, dass er bei seiner Therapie den Einschränkungen der Teilnehmer besondere Rechnung trägt. Die Annahme, dass sich die Teilnehmer am Therapeutischen Reiten freiwillig in eine besondere Gefahr begeben und damit von vorneherein ein Mitverschulden an möglichen Unfällen tragen, wird deshalb zu Recht abgelehnt. Die Haftungsrisiken beim Umgang mit Pferden im Allgemeinen und beim Therapeutischen Sicherheit: Trautmann - Haftungsrisiken beim Therapeutischen Reiten mup 3|2011 | 135 Reiten im Speziellen sind aufgrund der allgegenwärtigen Tiergefahr vielfältig. Die Vereinbarung eines im Schadensfall wirksamen Haftungsausschlusses ist problematisch. Denn auch ein wirksamer Haftungsausschluss würde regelmäßig nur einen persönlichen Schmerzensgeld- oder Schadensersatzanspruch des Geschädigten betreffen. Der Ausschluss gilt nämlich lediglich zwischen den vereinbarenden Personen und erstreckt sich nicht auf Ansprüche von Krankenkassen und Sozialversicherungsträgern. Diese können die haftenden Personen für die von ihnen aufgrund von Personenschäden erbrachten und noch zu erbringenden Leistungen auch im Falle eines Haftungsausschlusses in Anspruch nehmen. Es empfiehlt sich deshalb für Pferdehalter, Idealvereine, Reitlehrer und Therapeuten in jedem Fall der Abschluss einer auf die speziellen Bedürfnisse angepassten Haftpflichtversicherung. Gerade bei Personenschäden können Behandlungs- und Folgekosten, aber auch die Schmerzensgeldansprüche leicht Größenordnungen erreichen, die bei einer persönlichen Haftung finanziell nicht mehr zu bewältigen sind. Leinen los - mit den Riemann-Sonderausgaben! • bibliophile Ausgabe • verständlich und einfühlsam geschrieben • ideal zum Ver- oder Selberschenken Die klare, verständliche und einsichtsvolle Sprache von Fritz Riemann erhält mit diesen beiden Ausgaben ein passendes Äußeres: „Die Kunst des Alterns“ und „Die Fähigkeit zu lieben“ in Leinen gebunden! 10. Aufl. 2011. 184 Seiten. (978-3-497-02219-9) ln 5. Aufl. 2011. 250 Seiten. 13 Abb. (978-3-497-02226-7) ln