eJournals mensch & pferd international 3/4

mensch & pferd international
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1867-6456
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mup2011.art14d
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Forum: Westernreiter mit Behinderungen in Deutschland

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Elinor Switzer
Reiter mit Behinderungen sind in Deutschland mittlerweile nicht nur im klassischen Reitsport, sondern auch in der Westernreitszene etabliert. In diesem Artikel wird eine Übersicht über die Landschaft des Westernreitens für Menschen mit Behinderungen in Deutschland gegeben.
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mup 4|2011|183-186|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378/ mup2011.art14d | 183 Elinor Switzer Forum Westernreiter mit Behinderungen in Deutschland Reiter mit Behinderungen sind in Deutschland mittlerweile nicht nur im klassischen Reitsport, sondern auch in der Westernreitszene etabliert. In diesem Artikel wird eine Übersicht über die Landschaft des Westernreitens für Menschen mit Behinderungen in Deutschland gegeben. Die Westernreitweise, wie wir sie heute kennen, nahm ihren Ursprung in der Arbeit der Cowboys in Amerika, die auf der weiten Prärie ihre Rinderherden nur mit Unterstützung der Pferde betreuen konnten. Die Pferde mussten in heiklen Situationen ruhig bleiben und nicht hektisch reagieren, deshalb wurde besonderer Wert auf Nervenstärke und ausgewogenes Temperament der Pferde gelegt. Diese wohlerzogenen und disziplinierten Pferde mussten außerdem eine hohe Motivation zur Mitarbeit zeigen. Der Cowboy konnte sich so auf seine Arbeit und nicht auf das Reiten konzentrieren. Daraus entstand eine zweckdienliche Reitweise, bei der die Pferde auf kurze Impulse sicher reagieren. Diese Eigenschaften der Westernpferde werden auch heute in der Zucht und in den Regeln der Westernreitturniere berücksichtigt (Erste Westernreiter Union Deutschland 2011). Besonders für Menschen mit Behinderungen eignen sich die einhändige Reitweise sowie die ruhigen Gänge und das ausgeglichene Temperament der Westernpferde. Neben rasanten Disziplinen wie Reining, Cutting oder Working Cowhorse gibt es auch Disziplinen, in denen Prüfungen im Schritt und Trab durchgeführt werden können. Im Trail, einer Geschicklichkeitsprüfung, müssen die Pferde Hindernisse wie z. B. Slalomreiten um Tonnen, Traben über am Boden liegende Stangen oder Rückwärtsrichten zwischen zwei Hindernissen bewältigen. Dabei sind Nervenstärke sowie ausgesprochenes Vertrauen zwischen Reiter und Pferd gefordert. Bei der Western Horsemanship stehen die Leistungen des Reiters im Vordergrund. Hier werden vor allem die Hilfengebung und die Haltung des Reiters während der einzelnen Lektionen beurteilt. Es sind keine spektakulären, dafür aber penibel nachzureitende Manöver, die eine enorme Kontrolle des Pferdes voraussetzen (Erste Westernreiter Union Deutschland 2011). Bild 1: Junge Reiterin mit Shetlandpony beim Hineintraben in ein Stangenquadrat Fotos: Astrid Berger 184 | mup 4|2011 Forum: Switzer - Westernreiter mit Behinderungen in Deutschland Beide Disziplinen können sehr gut als reine Schritt-Trab-Klassen angeboten werden. Für weniger fortgeschrittene Reiter sind Führzügelklassen ein guter Einstieg. Lange Zeit gab es für Westernreiter mit Behinderungen keine Vereinigung, die ihre Interessen vertrat und sie im Reitsport gefördert hat. Für den klassischen Reitsport gab es schon die Para-Equestrians, die auch international, u. a. seit 1996 bei den Paralympics, sehr erfolgreich sind (DKThR 2011). Vor allem die Integration in den Regelsport im Rahmen von Handicap-Klassen auf Regelturnieren sowie spezielle Trainingsangebote waren den behinderten Westernreitern wichtig. Dabei diente die US-amerikanische AQHA (American Quarter Horse Association) als Vorbild, die schon seit 2005 Klassen für Reiter mit Behinderungen auf Westernreitturnieren ausschreibt. Hier starten sowohl Reiter mit geistiger als auch mit körperlicher Behinderung (AQHA 2011). Vor diesem Hintergrund wurde 2008 von aktiven Westernreitern mit Behinderungen der bundesweite, gemeinnützige Verein Parawesternreiter e. V. gegründet. Die Parawesternreiter entwickelten ein auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenes Regelwerk für Turnierklassen, das sowohl die Behinderung als auch die reiterlichen Fähigkeiten und ggf. notwendige Hilfsmittel berücksichtigt. Zum Start in diesen Turnierklassen sind Reiter bei Vorlage einer vom Verein ausgestellten Turnierkarte oder eines Sportgesundheitspasses des DKThR (Parawesternreiter e. V. 2011) berechtigt. Die Parawesternreiter blicken auf einige Erfolge seit Gründung des Vereins zurück. Es wurden in den letzten Jahren sowohl in Niedersachsen als auch in Baden-Württemberg Prüfungen in Trail und Horsemanship nach dem Regelwerk des Parawesternreiter e. V. auf Regelturnieren verschiedener Westernreitverbände (EWU = Erste Westernreiter Union, NPHC = Northern Paint Horse Club) ausgetragen. Im Herbst 2010 starteten erstmals Westernreiter mit geistigen und körperlichen Behinderungen zusammen auf der Aachener Soers beim Q10 internationalen Turnier der DQHA (Deutsche Quarter Horse Association), die im vergangenen Jahr das Regelwerk der AQHA für Reiter mit Behinderung aufgenommen hat (DQHA 2011). Insgesamt haben Angebote für Westernreiter mit Behinderungen in den vergangenen Jahren in Bild 2: Reiterin mit Hemiplegie bei 360 ° Drehung ihres Quarterhorses im Stangenquadrat Bild 3: Reiterin mit Hemiplegie beim Durchreiten eines Tores Forum: Switzer - Westernreiter mit Behinderungen in Deutschland mup 4|2011 | 185 Deutschland deutlich zugenommen. Neben den Verbänden, die das Regelwerk der Parawesternreiter anerkennen, werden in Deutschland auch von einzelnen Veranstaltern sowie vom VWB (Verband der Westernreiter Bayerns) Klassen für Westernreiter mit Behinderungen ausgetragen. Allerdings werden diese ohne entsprechendes Regelwerk oder Sicherheitsvorschriften (Helm, Helfer, Teilnehmerpass) durchgeführt. Auch das Regelwerk der Special Olympics für Deutschland enthält Regeln zur Durchführung von Westernreitklassen (Special Olympics Deutschland 2006). Jedoch sind nach Kenntnis der Autorin bisher keine entsprechenden Klassen in Deutschland ausgetragen worden. Im Rahmen der National Games in Karlsruhe 2008 fand im Abendprogramm eine Vorführung der Westernreiter mit Behinderungen aus der Reittherapie der Diakonie Stetten statt. Neben der Diakonie Stetten gibt es in Deutschland eine wachsende Anzahl von Therapieställen, die westerngerittene Pferde einsetzen. Dazu zählen z. B. der Therapiestall Gummersbach in Nordrhein- Westfalen oder der Anders-Hof in Sachsen. Auch etliche Westerntrainer arbeiten mit Hippotherapeuten oder Reittherapeuten zusammen, die in diesen Westerntrainingsställen Reittherapie anbieten. Die Autorin hat auch Kontakt zu Westerntrainingsställen mit angeschlossener Reittherapie in der Schweiz sowie zu einzelnen behinderten Westernreitern in Österreich und Spanien. Jedoch scheint derzeit Parawesternreiter e. V. die einzige Vereinigung behinderter Westernreiter weltweit zu sein. Über Hinweise zu entsprechenden Aktivitäten in anderen Ländern und Kontaktmöglichkeiten wäre sie dankbar. Fazit Der Westernreitsport für Menschen mit Behinderung hat in Deutschland in den vergangenen drei Jahren eine rasante Entwicklung durchgemacht, steht jedoch im Vergleich zu den Para-Equestrians noch sehr am Anfang. Bild 4: In der Western Horsemanship werden Hilfengebung und Sitz des Reiters beurteilt. Bild 5: Der Trailparcours erfordert viel Vertrauen zwischen Pferd und Reiter. 186 | mup 4|2011 Forum: Switzer - Westernreiter mit Behinderungen in Deutschland Literatur ■ AQHA (2011): www.aqha.com / en / Foundation / Content-Pages / Therapeutic-Riding / Therapeutic-Riding.aspx, 15.06.2011 ■ DKThR (2011): www.dkthr.de / sport. php? n2=dressur, 15.06.2011 ■ DQHA (2011): www.dqha.de / Turniersport. 14.0.html, 15.06.2011 ■ Erste Westernreiter Union Deutschland (2011): www.westernreiter.com / westernreiten / pferderassen / , 15.06.2011 ■ Parawesternreiter e. V. (2011): www.parawesternreiter.de / html / regelwerk.html, 15.06.2011 ■ Special Olympics Deutschland (2011): www.specialolympics.de / sport/ reiten.html, 15.06.2011 Die Autorin Dr. Elinor Switzer Tierärztin, 1. Vorsitzende des Parawesternreiter e. V. Anschrift: Dr. Elinor Switzer · Parawesternreiter e. V. Postfach 140146 · D-70071 Stuttgart elinor@parawesternreiter.de Tel.: 0179-4348956 Wissen. Theorie. Praxis. Weiterbildungen in den Bereichen Reittherapie und Reitpädagogik Wir bieten qualitativ hochwertige Weiterbildungen mit professionellen Dozenten in entspannter Atmosphäre in Konstanz und Düsseldorf für Personen aus sozialen, pädagogischen und therapeutischen Berufsfeldern. Weitere Informationen unter: info@ipth.de oder +49 7531 / 3620491 Anzeige