eJournals mensch & pferd international 3/4

mensch & pferd international
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1867-6456
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Praxistipp: Die Marte-Meo-Methode in der Praxis der Heilpädagogischen Arbeit mit dem Pferd

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Barbara Ehring-Hüttemann
Das Pferd steht angebunden auf der Stallgasse. Zwei Jungen und die Reitpädagogin bereiten es für das Reiten vor. Die Jungen holen sich eine Bürste und beginnen es zu putzen. Draußen bellt ein Hund. Ein Junge entfernt sich vom Pferd, um nachzusehen. Eine bekannte, sich täglich wiederholende Situation aus unserem Arbeitsalltag, aber doch einzigartig und unverwechselbar. Welche Erkenntnisse lassen sich hier über den Entwicklungsstand und die Entwicklungsbedürfnisse der beiden Jungen gewinnen? Welche Einblicke gewährt sie uns in die Fähigkeiten und Möglichkeiten der Reitpädagogin, die Kinder zu unterstützen? Mit der in Deutschland noch relativ unbekannten Marte-Meo-Methode lassen sich diese Fragen einfach, aber doch sehr präzise beantworten.
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mup 4|2011|199-205|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel | 199 Barbara Ehring-Hüttemann Praxistipp Die Marte-Meo-Methode in der Praxis der Heilpädagogischen Arbeit mit dem Pferd Das Pferd steht angebunden auf der Stallgasse. Zwei Jungen und die Reitpädagogin bereiten es für das Reiten vor. Die Jungen holen sich eine Bürste und beginnen es zu putzen. Draußen bellt ein Hund. Ein Junge entfernt sich vom Pferd, um nachzusehen. Eine bekannte, sich täglich wiederholende Situation aus unserem Arbeitsalltag, aber doch einzigartig und unverwechselbar. Welche Erkenntnisse lassen sich hier über den Entwicklungsstand und die Entwicklungsbedürfnisse der beiden Jungen gewinnen? Welche Einblicke gewährt sie uns in die Fähigkeiten und Möglichkeiten der Reitpädagogin, die Kinder zu unterstützen? Mit der in Deutschland noch relativ unbekannten Marte- Meo-Methode lassen sich diese Fragen einfach, aber doch sehr präzise beantworten. Marte Meo - Was ist das? Marte Meo (lateinisch) wurde in den 80er Jahren von der Niederländerin Maria Aarts entwickelt und bedeutet sinngemäß „etwas aus eigener Kraft“ erreichen. Ziel der Arbeit mit der Marte-Meo-Methode ist, eigene Fähigkeiten zu erkennen, zu nutzen und weiterzuentwickeln. Dabei stellen Videoaufnahmen aus alltäglichen Situationen mit ihren „gelungenen Momenten“ die Basis für die Beratung dar (Aarts 2009). Wie in dem Artikel von Tessa Schleifenbaum schon genauer beschrieben, geht die Marte-Meo-Methode von fünf Basisfähigkeiten für eine entwicklungsfördernde Kommunikation aus. Diese lassen sich auch in der heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd wiederfinden und sollen hier anhand eines Praxisbeispiels verdeutlicht werden. Marte-Meo-Basisfähigkeiten bei der heilpädagogischen Arbeit mit dem Pferd Wo lassen sich die Basisfähigkeiten der Marte- Meo-Methode in der reitpädagogischen Praxis beobachten? Im Folgenden wird die Eingangssituation einer Therapiestunde beschrieben. Dabei werden die Basisfähigkeiten (Marte-Meo- Elemente - MME -) erläutert und weitere Informationen dazu gegeben, welche Wirkung sie haben und warum sie für die kindliche Entwicklung von Bedeutung sind. Lisa kommt in die Reithalle. Die Reitpädagogin und das Pferd Max sind schon da. Die Reitpädagogin geht auf Lisa zu, gibt ihr die Hand und begrüßt sie: „Hallo Lisa, schön, dass du da bist.“ Sie schauen sich freundlich an. - MME: „Anschließen“ - Die Reitpädagogin nimmt Kontakt zu Lisa auf und schafft eine positive emotionale Atmosphäre. Ein freundlicher Gesichtsausdruck bewirkt beim Kind das Gefühl von „angenommen sein“, „mein Gegenüber freut sich, mit mir zusammen zu sein“. Dies stärkt sein Selbstbewusstsein und seine emotionale Beziehung zur Reitpädagogin. Eine gute Atmosphäre ist eine wichtige Voraussetzung für Lernen. Lisa zeigt der Reitpädagogin eine Dose mit Möhren: „Max Möhren mittebacht.“ Die Reitpäd- 200 | mup 4|2011 Praxistipp: Ehring-Hüttemann - Die Marte-Meo-Methode in der Praxis der Heilpädagogischen Arbeit 200 | mup 4|2011 Praxistipp: Ehring-Hüttemann - Die Marte-Meo-Methode in der Praxis der Heilpädagogischen Arbeit agogin: „Oh, du hast für Max Möhren mitgebracht. Da wird er sich aber freuen.“ - MME: „Bestätigen und Benennen der sprachlichen Initiative des Kindes“ - Die Reitpädagogin bestätigt das, was Lisa gesagt hat, indem sie den Satz wiederholt und ihn sprachlich korrekt wiedergibt. Lisa fühlt sich von der Reitpädagogin verstanden und wahrgenommen. Sie bekommt die Information, dass das richtig ist, was sie getan hat. Ihr Selbstwertgefühl wird dadurch gestärkt und sie wird ermuntert, eigene Ideen zu entwickeln und zu präsentieren. Durch die sprachlich korrekte Wiedergabe ihres Satzes erhält sie Informationen zum Erlernen der Sprache. Die Reitpädagogin wartet nun ab, ob Lisa die Möhren selbständig auf den Tisch legt oder ob Lisa nicht so genau weiß, was sie nun mit den Möhren tun soll. - MME: „Warten und Folgen der kindlichen Initiativen“ - Die Reitpädagogin gibt Lisa durch das Warten die Möglichkeit, selbstständig zu handeln. Sie zeigt ihr, dass sie ihr zutraut, die richtige Lösung selbst zu finden. Sie nimmt dabei genau wahr, was Lisa im nächsten Moment tun will und handelt dann entsprechend. Wenn die Reitpädagogin sieht, dass Lisa zögert, sagt sie: „Du kannst die Möhren auf den Tisch legen. Max bekommt sie ja erst nach dem Reiten.“ Lisa legt die Möhren auf den Tisch. - MME: „Leiten und Lenken - positiv leiten“ - Bevor Lisa etwas Falsches tut oder unsicher wird, weil sie nicht weiß, was sie mit den Möhren tun soll, sagt die Reitpädagogin, dass sie die Möhren auf den Tisch legen soll. Lisa erfährt so genau, was von ihr verlangt wird, und kann handeln und erfolgreich sein. Wenn Lisa sich dem Tisch zuwendet, sagt die Reitpädagogin: „Genau, die Möhren kommen auf den Tisch. Max bekommt sie ja erst nach dem Reiten.“ - MME: „Bestätigen der kindlichen Initiative auf der Handlungsebene“ - Die Reitpädagogin gibt Lisa eine positive Rückmeldung auf ihr Verhalten, indem sie sagt, was Lisa tut. Lisa empfindet: „Die Reitpädagogin sieht, was ich mache, und es ist richtig.“ Das stärkt ihr Selbstbewusstsein. - MME: „Lenken und Leiten - Schritt für Schritt anleiten“ - Indem die Reitpädagogin abwartet, um zu sehen, was Lisa tun wird, braucht sie ihr nur soviel Anleitung zu geben, wie sie benötigt, um erfolgreich zu sein. Das Selbstbewusstsein und die Selbstsicherheit des Kindes werden einerseits durch eigenes erfolgreiches Handeln gestärkt, andererseits wird erfolgloses Handeln durch gezielte Anleitung vermieden. Dies ist gerade auch bei Kindern hilfreich, die häufig negative Verhaltensweisen zeigen. Bevor sie einen falschen Handlungsimpuls umsetzen und dann eine negative Rückmeldung bekommen, kann durch aufmerksames Folgen eine positive Handlung angeregt und so Misserfolge vermieden werden. Lisa und die Reitpädagogin gehen zu Max und klopfen ihn. Lisa sagt: „Hallo Max“, die Reitpäd- Bild 1: Freundliche Gesichter unterstützen die emotionale Verbindung. Praxistipp: Ehring-Hüttemann - Die Marte-Meo-Methode in der Praxis der Heilpädagogischen Arbeit mup 4|2011 | 201 agogin sagt: „Max hat die Ohren gespitzt. Das mag er gerne.“ - MME: „Benennen von Gefühlen“ - Die Reitpädagogin sagt, wie Max sich fühlt. Lisa wird so unterstützt, sozial aufmerksam zu sein, um soziale Signale lesen zu lernen und Empathie zu entwickeln. Soziale Signale zu lesen ist eine wichtige Voraussetzung für jegliche Interaktion und Kommunikation, wie z. B. auch für die Fähigkeit, mit anderen Kindern erfolgreich spielen zu können. Die Reitpädagogin: „So, jetzt müssen wir Max putzen.“ - MME: „Lenken und Leiten - einen klaren Anfang machen“ - Die Reitpädagogin sagt, dass Max jetzt geputzt werden muss. Indem die Reitpädagogin den nächsten Schritt benennt und einen klaren Anfang durch das Wort „jetzt“ setzt, strukturiert sie das Geschehen der Stunde. Für Lisa werden die einzelnen Arbeitsabschnitte erkennbar, die nacheinander erfolgreich bewältigt werden können. Der Ablauf wird vorhersehbar und vermittelt dem Kind dadurch Sicherheit. Klare Strukturen mit deutlichem Anfang und Ende sind gerade für Kinder mit Schwierigkeiten in der Selbststeuerung und Konzentration bedeutsam. Lisa geht zur Putzkiste, nimmt eine Bürste und beginnt Max zu putzen. Die Reitpädagogin: „Du putzt den dicken Bauch,…jetzt ist der Rücken dran,… das Bein,…“ - MME: „Benennen der handelnden Initiativen des Kindes“ - Die Reitpädagogin benennt, was Lisa tut. Sie fühlt sich wahrgenommen und gesehen, was sich positiv auf ihr Selbstwertgefühl auswirkt. Lisa hört, was sie gerade tut. Die Reitpädagogin unterstützt damit die Eigenwahrnehmung des Kindes. Die Eigenwahrnehmung vermittelt dem Kind das Gefühl und das Wissen über sich selbst. Das ist wichtig, um das eigene Handeln zu strukturieren und Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Eine gute Eigenwahrnehmung ermöglicht dann auch eine Eigenregulation. Indem das Kind die passenden Worte zu dem hört, mit dem es gerade beschäftigt ist, wird die Sprachentwicklung positiv angeregt. Indem die Reitpädagogin benennt, was Lisa tut, gibt sie ihr ein Modell für das Benennen von eigenen Initiativen. Letzteres ist wichtig, um sich zu präsentieren und in sozialen Situationen wahrgenommen zu werden, z. B. im gemeinsamen Spiel mit anderen Kindern. Die Reitpädagogin: „Da freust du dich, dass der Max so schön geputzt ist.“ - MME: „Benennen der Gefühle des Kindes“ - Indem die Reitpäd- Bild 2: Dem Blick des Jungen folgen, um wahrzunehmen, was ihn interessiert Bild 3: Die Initiative des Kindes wahrnehmen 202 | mup 4|2011 Praxistipp: Ehring-Hüttemann - Die Marte-Meo-Methode in der Praxis der Heilpädagogischen Arbeit 202 | mup 4|2011 Praxistipp: Ehring-Hüttemann - Die Marte-Meo-Methode in der Praxis der Heilpädagogischen Arbeit agogin Lisas Gefühle aufgreift, wird diese unterstützt, ihre Emotionen besser wahrzunehmen. Eine gute Selbstwahrnehmung ermöglicht die Regulation von Gefühlen. Lisa hört, wie ihre Gefühle durch Worte ausgedrückt werden. Dies dient der Entwicklung der Sprachfähigkeit. Die Reitpädagogin: „Ich bringe den Max jetzt in die Reithalle. Da kannst du dann aufsteigen.“ - MME: „Benennen der eigenen Initiative“ - Die Reitpädagogin beschreibt ihr eigenes Handeln. Lisa ist so über den nächsten Schritt informiert und kann sich darauf einstellen. Ihre Aufmerksamkeit wird durch das Benennen auf das Pferd und die Reitpädagogin gelenkt. Warum sollte und wie kann eine Reitpädagogin die Marte-Meo-Methode anwenden? Um für jedes Kind ein gutes, die Entwicklung förderndes Klima zu schaffen, sind einerseits eine gute emotionale Beziehung, andererseits auch Struktur und Leitung wichtig. Unter Anwendung der bereits beschriebenen Marte-Meo-Elemente kann der Dialog und damit letztlich die Qualität der Beziehungsarbeit verbessert werden. Zudem können diese auch genutzt werden, um den Kindern eine effektivere Unterstützung zuteil werden zu lassen. Um herauszufinden, wie die gewünschte Unterstützung optimal gegeben werden kann, sind auch hier Videoaufnahmen aus den Therapiestunden sinnvoll. Kurze Sequenzen von ca. fünf Minuten Dauer machen viele Interaktionsmomente sichtbar, die in dieser Deutlichkeit und Differenziertheit aus der Erinnerung so nicht erkennbar wären. Mit Hilfe spezieller Marte-Meo-Checklisten werden die Aufnahmen in einer Videointeraktionsanalyse ausgewertet. Dabei werden die sozial-emotionalen und kommunikativen Kompetenzen der Kinder ermittelt, aus denen sich dann in der Folge die individuellen Entwicklungsbedürfnisse der Kinder ableiten lassen. Gleichzeitig kann die Reitpädagogin auch erkennen, in welchen Situationen sie das jeweilige Kind bereits aktiv unterstützt und in welchen Momenten noch weitere Hilfestellungen möglich sind. Weitere Videoaufnahmen zu einem späteren Zeitpunkt können den Erfolg der Maßnahme aufzeigen. Welche Erkenntnisse vermittelt die Marte-Meo- Videointeraktionsanalyse? Im folgenden Beispiel wird ein kurzer Ausschnitt einer Videosequenz mit zwei Vorschulkindern beschrieben. Die Reitpädagogin blickt die beiden Jungen freundlich an und sagt: „So, Leon und Felix, jetzt müssen wir Max putzen.“ Beide Jungen schauen sie an. Felix dreht sich um und holt sich eine Bürste. Leon sieht zu Felix und nimmt sich dann einen Gummistriegel. Felix sagt: „Ich nehme die grüne Bürste“ und beginnt zu putzen. Er bürstet zuerst den Bauch des Pferdes, putzt kurz über die Flanke, die Beine und hört ein Bellen von draußen. Er ruft: „Da ist ein Hund! “, und wendet sich vom Pferd ab, um nach dem Geräusch zu sehen. Auch Leon beginnt zu putzen. Er bürstet systematisch, sieht die sandigen Stellen im Fell und putzt dort intensiv. Beim Bellen des Hundes horcht er auf, unterbricht kurz seine Tätigkeit und fährt dann weiter fort. Die Reitpädagogin sieht zu und sagt zu Leon gewandt: „Mit dem Gummistriegel geht der Dreck gut ab.“ Welche Erkenntnisse kann die Marte-Meo- Reittherapeutin aus diesen ersten Interaktionsmomenten ziehen? In dieser kurzen Sequenz werden bereits Fähigkeiten, aber auch einige Entwicklungsbedürfnisse deutlich. Wichtig ist zu beachten, dass aus einer einzelnen kurzen Interaktionssequenz keine verallgemeinernden Schlussfolgerungen gezogen werden sollten. Eine Videoaufnahme von etwa fünf Minuten bietet viele Interaktionsmomente, die in der Summe die ersten Beobachtungen bestätigen können. Bei den Kindern zeigt sich in diesem kurzen Ausschnitt Folgendes: ■ Felix und Leon können den Fokus auf die Reitpädagogin richten. Praxistipp: Ehring-Hüttemann - Die Marte-Meo-Methode in der Praxis der Heilpädagogischen Arbeit mup 4|2011 | 203 ■ Felix ist in der Lage, die Aufgabenstellung zu verstehen, und führt den ersten Arbeitsschritt eigenständig aus, indem er eine Bürste holt. ■ Leon schaut zu Felix. Als er merkt, dass Felix nach einer Bürste greift, nimmt er sich einen Gummistriegel. Hier stellt sich die Frage, ob Leon die Aufgabe nicht verstanden hat und er sich darum an Felix orientieren muss, oder ob er, bevor er seine Handlungsidee ausführt, sich bei Felix bezüglich der Richtigkeit seines Vorhabens absichern muss. Die Antwort kann durch diese Szene nicht gegeben werden, sondern muss durch weitere Beobachtungen geklärt werden. ■ Felix kann seine Initiative benennen („Ich nehme die grüne Bürste.“) und kann sich somit präsentieren. Er wird dadurch für die anderen sichtbar. ■ Felix nimmt kaum Blickkontakt auf, er kann daher wenig soziale Information bekommen. ■ Leon benennt seine Initiative nicht, so kann er von den anderen nicht so deutlich wahrgenommen werden. ■ Leon nimmt häufig Blickkontakt zu Felix auf, da er aber seine Initiativen nicht benennt, nimmt Felix ihn nicht wahr. ■ Beide Kinder nehmen keinen Kontakt zueinander auf, um ihre Handlungen aufeinander abzustimmen. ■ Leon erkennt die schmutzigen Stellen am Pferd und putzt dort. Er hat eine Vorstellung vom Ablauf des Putzens und ist in der Lage, die Aufgabe strukturiert auszuführen. Als er das Gebell hört, horcht er kurz auf, lässt sich aber nicht stören und putzt weiter. Er ist in der Lage, seine Konzentration beständig aufrechtzuerhalten. ■ Felix beginnt zu bürsten, putzt aber eher planlos. Er hat offensichtlich für sich keinen Plan von der Aufgabe „Putzen“. Als er das Hundegebell hört, lässt er sich durch die Störung ablenken, kann sich selbst nicht wieder dem Putzen zuwenden. Er kann also die Konzentration über den Zeitraum des Putzens nicht aufrechterhalten. Wenn sich Beobachtungen wie diese in mehreren Interaktionssequenzen bestätigen, kann man ableiten, welche Fähigkeiten Leon und Felix noch erlernen müssen und welche konkrete Unterstützung sie von der Reitpädagogin dabei benötigen. Leon braucht Unterstützung, sein Selbstbild zu entwickeln, Selbstvertrauen und Sicherheit zu erlangen. Die Reitpädagogin kann ihn unterstützen, indem sie viele seiner Initiativen bestätigt und benennt. Leon macht dadurch die Erfahrung, dass er gesehen wird und dass das, was er tut, richtig ist. Er wird dadurch ermuntert, eigene Handlungsimpulse umzusetzen und damit erfolgreich zu sein. Dadurch wird er auch von den anderen Kindern besser wahrgenommen. Felix muss lernen, seine Handlungen besser wahrzunehmen, um dadurch eine bessere Eigensteuerung zu erreichen und strukturierter arbeiten zu können. Weiterhin ist es für ihn wichtig, seine Aufmerksamkeit zu intensivieren und über eine Zeitspanne aufrechtzuerhalten. Die Reitpädagogin kann ihn darin unterstützen, indem sie seine Initiativen benennt. Felix bekommt Bild 4: Mit einem Lächeln die Initiative des Kindes bestätigen 204 | mup 4|2011 Praxistipp: Ehring-Hüttemann - Die Marte-Meo-Methode in der Praxis der Heilpädagogischen Arbeit 204 | mup 4|2011 Praxistipp: Ehring-Hüttemann - Die Marte-Meo-Methode in der Praxis der Heilpädagogischen Arbeit dadurch eine Rückmeldung über sein eigenes Handeln und registriert dieses deutlicher. Daraus kann sich eine bessere Eigensteuerung entwickeln. Weiterhin sollte die Reitpädagogin die nächsten Arbeitsschritte benennen und Felix in seinem Handeln Schritt für Schritt anleiten, damit er den Ablauf erkennen und erfolgreicher umsetzen kann. Felix muss zudem seine soziale Aufmerksamkeit verbessern. Die Reitpädagogin sollte dafür die Initiativen des anderen Kindes benennen, um sie für Felix größer und damit besser sichtbar zu machen. In der dargestellten Sequenz hätte die Reitpädagogin z. B. die Körperteile des Pferdes, die Felix putzt, benennen können. Dies hätte Felix geholfen, sein Handeln besser wahrzunehmen und die Aufmerksamkeit zu vergrößern. Sie hätte ihn besser anleiten können, indem sie sagt, welcher Schritt als nächster folgt: „Wir putzen den Bauch, ja, und der Rücken ist auch noch schmutzig …“ Felix erfährt dadurch Struktur und Orientierung. Sein Handeln könnte dadurch erfolgreicher werden. In der Videosequenz werden bereits folgende Unterstützungsmomente der Reitpädagogin sichtbar: Die Reitpädagogin spricht beide Jungen mit Namen an. Indem sie zu den Kindern schaut, kann sie erkennen, ob diese aufmerksam und bereit sind, ihrer Aufgabenstellung zuzuhören. Sie stellt einen Augenkontakt zu beiden Kindern her und zeigt einen freundlichen Gesichtsausdruck. Dadurch erzeugt sie eine gute Atmosphäre, in der sich beide Jungen emotional mit ihr verbunden und angenommen fühlen. Indem sie beide beim Namen nennt, fühlen sie sich angesprochen und lenken ihren Fokus auf die Reitpädagogin. Sie sind aufmerksam bei der Sache. Die Reitpädagogin setzt einen deutlichen Anfang. Das ist auch gerade für Felix wichtig, der dadurch die Struktur für den Ablauf kennen lernt. Er weiß nun, was als Nächstes zu tun ist und kann dadurch erfolgreich sein. Als die Reitpädagogin zu Leon sagt: „Mit dem Gummistriegel geht der Dreck gut ab“, bestätigt und benennt sie seine Initiativen, den Gummistriegel zu nehmen und intensiv zu putzen. Die Reitpädagogin zeigt ihm, dass sie ihn wahrnimmt und dass seine Initiativen gut sind. Dadurch unterstützt sie sein Selbstbewusstsein. Fazit Das Beispiel zeigt, welchen Gewinn die Marte-Meo-Methode für die heilpädagogische Arbeit mit dem Pferd hat. Es werden sehr konkrete Einschätzungshilfen zum Entwicklungsstand der Kinder gegeben und daraus klare ableitbare Schlussfolgerungen für das weitere Vorgehen aufgezeigt, die in konkrete Handlungsanweisungen für den Reitpädagogen münden - das Ganze in einer eindeutigen, leicht verständlichen Sprache, deren Botschaft unmittelbar in der alltäglichen Situation zu verwirklichen ist. Grundlage allen Handelns ist eine Sammlung von Informationen, die in ihrem Umfang, ihren Details und ihrer Einordnung nur durch die intensive Analyse von Videoaufnahmen gewonnen werden kann. Die Marte-Meo-Methode stellt insofern einen äußerst praxistauglichen Rahmen zur Verfügung, der von Reitpädagogen in ihrer alltäglichen Arbeit gewinnbringend genutzt wer- Bild 5: Freude teilen Praxistipp: Ehring-Hüttemann - Die Marte-Meo-Methode in der Praxis der Heilpädagogischen Arbeit mup 4|2011 | 205 den kann und deshalb auch in die Ausbildung von Reitpädagogen eingebunden werden könnte. Darüber hinaus wird Marte Meo auch in der Supervision sinnvoll genutzt. Literatur ■ Aarts, M. (2009): Marte Meo. Ein Handbuch. 2. Aufl. Aarts Production, Eindhoven Die Autorin Barbara Ehring-Hüttemann Dipl.-Sozialpädagogin und Dipl.-Heilpädagogin, Reitpädagogin (DKThR), Zusatzausbildung Psychomotorik des AkPM, Marte-Meo-Therapeutin / Kollegentrainerin, seit vielen Jahren tätig in der heilpädagogischen Förderung von Kindern im Alter von null bis zehn Jahren und in der Frühförderung im Kindergarten und der Schule Anschrift: Barbara Ehring-Hüttemann · An der Moerd 42 D-48157 Münster · barbara@ehring-huettemann.de Die Handorfer Spielekartei als praktische Datenbank und als gedruckte Kartei! Vorteilspreis für print + electronic: Beide Produkte als Kombi bestellen und 20,- € sparen! Die lange Erfahrung, die in der Handorfer Spielekartei für Voltigier- und ReitpädagogInnen steckt, ist nun auch als praktisches Arbeitsmittel für den Computer erhältlich. 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