eJournals mensch & pferd international 4/4

mensch & pferd international
2
1867-6456
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
101
2012
44

Praxistipp: Mobile, flexibel kombinierbare Aufstiegshilfe

101
2012
Juliane Deppisch
Aufstiegshilfen dienen einerseits zum stressfreien, sicheren Besteigen eines Pferdes und andererseits der Schonung der Pferde und des Materials (Sattel). Innerhalb der hippopädagogischen Angebote müssen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung und Reitschülern beachtet werden. Über die Jahre hinweg haben wir bei "Bewegende Pferde - Das Fortbildungszentrum" eine aus mehreren Kästen bestehende Aufstiegshilfe entwickelt, die den verschiedenen Anforderungen gerecht wird.
2_004_2012_4_0007
170 | mup 4|2012|170-172|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel Aufstiegshilfen dienen einerseits zum stressfreien, sicheren Besteigen eines Pferdes und andererseits der Schonung der Pferde und des Materials (Sattel). Innerhalb der hippopädagogischen Angebote müssen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung und Reitschülern beachtet werden. Über die Jahre hinweg haben wir bei „Bewegende Pferde - Das Fortbildungszentrum“ eine aus mehreren Kästen bestehende Aufstiegshilfe (vgl. Bild 1) entwickelt, die den verschiedenen Anforderungen gerecht wird. Außerdem ermöglicht das Kistensystem eine jeweils optimale Aufstiegshöhe bei unterschiedlich großen Pferden (140-165 cm Stockmaß). Ein weiterer Vorteil ist das einfache Handling - die einzelnen Kisten sind so leicht, dass sie sich gut transportieren lassen. Trotzdem sind die Kisten stabil gebaut und stehen wackelfrei, somit fühlen sich auch unsichere Menschen darauf wohl, und sie sind auch für schwerere Reiter geeignet. Leider gilt innerhalb des Reitunterrichts oft noch die Maxime - ein Reitschüler muss sein Pferd vom Boden aus besteigen können und sportlich abspringen, sonst gehört er nicht aufs Pferd. Viele Reiteinsteiger verfügen jedoch nicht über die notwendige Beweglichkeit, und ein Abspringen vom Pferd birgt generell eine große Gefahr von Bänder- und Gelenkverletzungen. Mein Plädoyer für die Benutzung von Aufstiegshilfen im Reitunterricht stützt sich zusätzlich auf eine beachtenswerte Beobachtung: Viele Pferde bleiben beim Aufsteigen nicht ruhig stehen, schlagen mit dem Schweif oder beißen sogar seitlich nach dem Reiter - damit zeigen sie deutlich ihren begründeten Unmut. Wenn der aufsteigende Reiter einen Fuß im Steigbügel platziert hat und sich auf das Pferd hochzieht, bringt er dieses stark aus dem Gleichgewicht. Um das wieder zu finden, müssen die Pferde seitliche Ausgleichsbewegungen machen oder laufen einfach los. Das Aufsteigen mithilfe des Kistensystems bringt Sicherheit und Entlastung für Pferd und Reitschüler. Von der großen Kiste (blau) kann man Pferde mit 140-150 cm Stckm. bequem direkt besteigen, bei einer Größe von 150-160 cm Stckm. setzt man eine kleine Kiste (rot oder schwarz) auf die große (vgl. Bild 2). Eventuell kann es bequemer sein, von hier zunächst kurz in den Steigbügel zu treten. Die dritte Kiste dient als Stufe für die große (vgl. Bild 3). Das Absteigen funktioniert auf die gleiche Weise umgekehrt. Juliane Deppisch Praxistipp Mobile, flexibel kombinierbare Aufstiegshilfe Bild 1: Kombinierte Aufstiegshilfe Praxistipp: Deppisch - Mobile, flexibel kombinierbare Aufstiegshilfe mup 4|2012 | 171 Der große Vorteil des Kistensystems im Reittherapiebereich liegt darin, dass die Reittherapeutin zur Unterstützung des Patienten beim Aufsteigen auf der Kistenplattform gut stehen kann (vgl. Bild 4). Mit der Technik der Schwungunterstützung (beim Aufsteigen von rechts - Halten des rechten Unterschenkels bei gleichzeitigem Abspringen mit dem anderen Bein) kann die Reitpädagogin auch kleinen Kindern aufs Pferd helfen, ohne ihren eigenen Rücken zu stark zu belasten. Menschen, deren Leistenfreiheit einen Spreizsitz nicht zulässt, haben durch das Aufsitzen über die Kisten, die Möglichkeit sicher und Bild 2: Kombinierte Aufstiegshilfe für Pferde mit 150-160 cm Stckm. leicht, von Anfang an im Seitsitz zu sitzen (vgl. Bild 5). Falls beim Aufsteigen die Unterstützung durch eine Hippopädagogin nicht ausreicht, stellt sich die Frage, ob überhaupt ein selbstständiges Aufsteigen sinnvoll bzw. nicht sogar zu gefährlich ist und deshalb ein Aufstiegskran angebrachter wäre. Im Verlauf vieler Stunden stellte sich eine zusätzliche Benutzungsmöglichkeit der Kisten heraus. Wenn man diese herumdreht, können unterschiedliche Gegenstände (Bälle, Sandsäcke, Bild 3: Kleine Kiste als Stufe für die große Kiste Bild 4: Reittherapeutin steht mit auf der Kistenplattform Bild 5: Aufsitzen in den Seitsitz 172 | mup 4|2012 Praxistipp: Deppisch - Mobile, flexibel kombinierbare Aufstiegshilfe Tennisringe, Tücher u. v. m.) hineingeworfen werden. Da die Kisten farblich unterschiedlich gestaltet sind, lassen sich die Aufgabenstellungen mit anderen bunten Gegenständen kombinieren. Zur Herstellung Die Kisten sind absichtlich nicht lackiert, sondern mit Beize behandelt, weil die Standflächen so mehr Rutschsicherheit bieten. Ein jeweils an den Kanten aufgebrachter schmaler weißer Lackstreifen betont die Kanten der Kisten. Das erhöht die Aufmerksamkeit beim Besteigen der Kisten und ist besonders wichtig für Menschen mit Sehbehinderung. Pro Kiste: Man erstellt 2 gleich große Grundrahmen (späterer Boden und Deckel) aus Kanthölzern (60 / 40 mm) mit Ecküberplattung. Vier senkrecht angeordnete Kanthölzer werden durch die Ecküberplattungen der beiden Grundrahmen geschraubt. So erhält man den Grundkörper (vgl. Abb. 1). Bei der großen Kiste wird in die beiden Grundrahmen darüber hinaus mittig eine Querverstrebung als Standflächenunterstützung eingebracht (vgl. Abb. 2). Dann werden 10 mm starke Seekiefer-Sperrholzplatten auf den Grundkörper aufgeschraubt. Dadurch erhält dieser seine Stabilität in alle Richtungen. An der offenen Seite werden an die große Kiste seitlich noch zwei Griffe angeschraubt. Diese dürfen nicht abstehen, müssen also beiklappbar sein, damit sich kein Pferd daran verletzen kann. Kistenmaße Große Kiste Kleine Kiste Länge 850 cm 575 cm Breite 580 cm 435 cm Höhe 650 cm 205 cm Gutes Gelingen beim Zusammenbauen und viel Freude beim Benutzen! ! ! Abb. 1: Bauskizze für die große Kiste Abb. 2: Bauskizze für die kleine Kiste Die Autorin Juliane Deppisch Diplom-Motologin, Feldenkrais- Pädagogin, Lehramtsstudium für Sport und Biologie, Trainer B Reiten und Voltigieren, 1992 Gründung und Leitung von Bewegende Pferde - Das Fortbildungszentrum, Entwicklung des Konzepts Hippopädagogik, Aus- und Weiterbildung im Bereich Reitpädagogik und Reittherapie, unterschiedliche Veröffentlichungen zum Themengebiet Anschrift: Juliane Deppisch Bewegende Pferde Das Fortbildungszentrum Upratsberg 5 · D-87634 Günzach info@bewegendepferde.de · www.hippopaedagogik.eu