eJournals mensch & pferd international 5/1

mensch & pferd international
2
1867-6456
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
11
2013
51

Der Einfluss pferdgestützter Therapie auf psychische Parameter

11
2013
Nora Winkler
Andreas Beelmann
Die Wirksamkeit pferdgestützter Therapie bezüglich psychischer Faktoren bei Kindern und Jugendlichen wurde bislang nur in einer US-amerikanischen Meta-Analyse von Graves (2011) geprüft. Eine Meta-Analyse zur Wirksamkeit pferdgestützter Interventionen im deutsch- und englischsprachigen Raum findet sich bislang nicht. Neben der durchschnittlichen Wirksamkeit wurden inhaltliche und methodische Einflussfaktoren auf die Effektstärken untersucht. Die generelle Wirksamkeit der Studien (N = 19) lag im mittleren bis hohen Bereich (d = .64). Es zeigte sich eine signifikante Zunahme der Effektivität der Therapien bei längerem Behandlungszeitraum, sowie eine Tendenz, dass Therapien im Gruppensetting jenen im Einzelsetting überlegen sind. Bei methodisch schwachen Designs ergaben sich signifikant höhere Effektstärken gegenüber qualitativ höher zu beurteilenden. Ferner deutete sich an, dass besonders objektive Maße wie standardisierte Tests oder physiologische Messungen für die Erfassung der Wirksamkeit pferdgestützter Interventionen geeignet sind. Insgesamt wurde festgestellt, dass noch ein großer Forschungsbedarf zur Wirksamkeit dieser Therapieform besteht; die bisherigen Befunde aber vielversprechend sind.
2_005_2013_001_0004
4 | mup 1|2013|4-16|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378/ mup2013.art01d Nora Winkler, Andreas Beelmann Schlüsselbegriffe: pferdgestützte Therapie, therapeutisches Reiten, Wirksamkeit, Meta-Analyse, Kinder, Jugendliche Die Wirksamkeit pferdgestützter Therapie bezüglich psychischer Faktoren bei Kindern und Jugendlichen wurde bislang nur in einer US-amerikanischen Meta-Analyse von Graves (2011) geprüft. Eine Meta-Analyse zur Wirksamkeit pferdgestützter Interventionen im deutsch- und englischsprachigen Raum findet sich bislang nicht. Neben der durchschnittlichen Wirksamkeit wurden inhaltliche und methodische Einflussfaktoren auf die Effektstärken untersucht. Die generelle Wirksamkeit der Studien (N = 19) lag im mittleren bis hohen Bereich (d = .64). Es zeigte sich eine signifikante Zunahme der Effektivität der Therapien bei längerem Behandlungszeitraum, sowie eine Tendenz, dass Therapien im Gruppensetting jenen im Einzelsetting überlegen sind. Bei methodisch schwachen Designs ergaben sich signifikant höhere Effektstärken gegenüber qualitativ höher zu beurteilenden. Ferner deutete sich an, dass besonders objektive Maße wie standardisierte Tests oder physiologische Messungen für die Erfassung der Wirksamkeit pferdgestützter Interventionen geeignet sind. Insgesamt wurde festgestellt, dass noch ein großer Forschungsbedarf zur Wirksamkeit dieser Therapieform besteht; die bisherigen Befunde aber vielversprechend sind. Eine quantitative Zusammenfassung des Forschungsstands Der Einfluss pferdgestützter Therapie auf psychische Parameter Nora Winkler, Andreas Beelmann Winkler, Beelmann - Der Einfluss pferdgestützter Therapie auf psychische Parameter mup 1|2013 | 5 Bedeutung integrativer Forschung Seit Jahren bemühen sich Experten, die im Bereich der tiergestützten Therapie tätig sind, ihre beobachteten Erfolge mit Hilfe empirischer Forschung auch wissenschaftlich nachzuweisen. Für die Legitimation eines bestimmten therapeutischen Verfahrens ist eine Untersuchung mithilfe anerkannter wissenschaftlicher Methoden notwendig, da subjektive Erfolgseinschätzungen von Therapeuten oder Patienten zahlreichen Urteilsverzerrungen unterliegen können. Aufgrund der mangelnden Aussagekraft von Einzelergebnissen wurde in den letzten drei Jahrzehnten verstärkt der Versuch unternommen, Wirksamkeitsstudien zu einer bestimmten Behandlungsform im Rahmen von sogenannten Meta-Analysen zusammenzufassen. Dabei wird versucht, den Kenntnisstand zu einer Fragestellung systematisch zu erfassen, in dem alle verfügbaren und nach wissenschaftlichen Kriterien durchgeführten Studien identifiziert und nach einheitlichen Kriterien ausgewertet werden. Der Kern einer solchen Arbeit besteht in der Berechnung einheitlicher Effektstärken. Dabei werden die Studienergebnisse in vergleichbare Maße für die Wirksamkeit übertragen und über alle Studien ausgewertet. Die Studien können darüber hinaus hinsichtlich verschiedener inhaltlicher und methodischer Merkmale (z. B. Behandlungsdauer, Art der Erfolgsmessung) kodiert und ausgewertet werden. Meta-Analysen versuchen also, eine umfassende Bewertung einer Behandlungsmethode auf Basis der verfügbaren Evidenz vorzunehmen. Integrative Forschung im Bereich der tiergestützten Therapie Das Forschungsfeld der tiergestützten Therapie - und somit auch der pferdgestützten Intervention - ist noch vergleichsweise jung. Erst in den letzten zehn Jahren wurde zunehmend auf eine wissenschaftliche Fundierung Wert gelegt. Bisher existieren vereinzelte Literaturübersichten, aber noch keine systematische Meta-Analyse zu diesem Thema. In einer Meta-Analyse zur Wirksamkeit tiergestützter Therapieverfahren im Allgemeinen (Nimer/ Lundahl 2007) befassten sich nur 10 von 119 einbezogenen Studien mit pferdgestützter Therapie. Je nach Erfolgskriterien wurde ihre Effektivität unterschiedlich beurteilt. Eher geringe Effektstärken ergaben sich beim emotionalen Wohlbefinden (z. B. Depressivität oder Angst), moderate Effekte zeigten sich bei beobachtbaren Verhaltensfolgen (z. B. Aggressivität) und hohe Effektstärken wurden schließlich bei medizinischen Erfolgsindikatoren (z. B. Blutdruck, Herzrate, Koordinationsfähigkeiten, motorische Fähigkeiten) erzielt. Auf Basis dieser ersten Ergebnisse soll im Folgenden der Versuch unternommen werden, bisherige Forschungsergebnisse zu pferdgestützten Therapieverfahren quantitativ in Form einer Meta-Analyse zusammenzufassen. Dabei sollen vor allem die Auswirkungen auf psychische Parameter (z. B. Empathie, Selbstwertgefühl, Depressivität, unangepasstes Verhalten) von Kindern und Jugendlichen im Vordergrund stehen, im Gegensatz zu motorischen Parametern (z. B. Gleichgewichtssinn, Rumpfaufrichtung) bei Individuen mit Schädigungen oder Funktionsstörungen des zentralen Nervensystems oder des Stütz- und Bewegungsapparates. Konkret sollen folgende Fragestellungen beantwortet werden: 1.) Wie hoch ist die durchschnittliche Effektivität pferdgestützter Therapie nach Analyse der verfügbaren Evidenz? 2.) Welchen Einfluss haben Publikationsmerkmale (z. B. Publikationsquelle), sowie Programm- (Therapie im Gruppen- oder Einzelsetting) und Stichprobenmerkmale (z. B. Störungsbild der Klienten) auf die Effektivität? 3.) Wie hängt die Art der Erfolgsmessung (bspw. Datenerhebungsmethodik, Informanten) mit der Wirksamkeit zusammen? Methodisches Vorgehen Am Beginn einer Meta-Analyse müssen zunächst die Auswahlkriterien für die zugrunde gelegten Studien spezifi- 6 | mup 1|2013 Winkler, Beelmann - Der Einfluss pferdgestützter Therapie auf psychische Parameter ziert werden. Um für die vorliegende Fragestellungen berücksichtigt zu werden, mussten folgende Bedingungen erfüllt werden: (1) das Vorliegen der Studie in deutscher oder englischer Sprache, (2) die Stichprobe musste mindestens sechs Probanden umfassen, (3) die Stichprobe bestand aus Kindern und Jugendlichen zwischen 5 und 18 Jahren, (4) die pferdgestützte Therapie war die einzige Intervention (Studien, in denen pferdgestützte Therapie als Teilintervention durchgeführt wurde, wurden nicht berücksichtigt), (5) es mussten psychische Erfolgsindikatoren erfasst sein, sowie (6) die Ergebnisse mussten in einer Form ausgewertet und präsentiert sein, die eine zuverlässige Effektstärkenberechnung erlaubten. Auf Basis dieser Kriterien wurden eine Vielzahl einschlägiger Literaturdatenbanken (PsycINFO, PSYNDEX, PubMed u. a.) sowie die Literaturverzeichnisse ausgewählter Überblicksarbeiten (Nimer / Lundahl 2007; Gomolla 2009; Finck / Wäder 2008; Center for Companion Animal Health 2008) systematisch nach relevanten Studien durchsucht. Dabei konnten insgesamt 19 Wirksamkeitsstudien identifiziert werden, die hinsichtlich verschiedener Aspekte ausgewertet wurden (z. B. Erscheinungsjahr, Angaben zum Programm, Stichprobenmerkmale wie Alter und Geschlecht, forschungsmethodische Merkmale wie das Untersuchungsdesign sowie schließlich Merkmale der Erfolgsmessung wie die Erhebungsmethode; siehe auch Tabellen 1 und 2). Als einheitlicher Erfolgsparameter wurde die Effektstärke d, die als standardisierte Mittelwertsdifferenz zwischen zwei Messungen (entweder Therapievs. Kontrollgruppe oder Vorhernachher-Messung) berechnet (vergleichbar mit z-Werten). Dieser Parameter lässt sich entweder aus statistischen Basisdaten (Mittelwerte, Standardabweichungen) oder auch aus teststatistischen Befunden (t-Werte etc.) bestimmen (Lipsey / Wilson 2001). Die Zusammenfassung aller Effektstärken über die Studien hinweg wurde nach dem Modell von Hedges und Olkin (1985) vorgenommen, das den Stichprobenumfang der Studien bei der Aggregation mitberücksichtigt. Ergebnisse Beschreibung der Wirksamkeitsuntersuchungen Tabelle 1 gibt einen Überblick über relevante Merkmale der analysierten Studien. Inhaltliche Merkmale Publikationsmerkmale: 82 % der Studien wurden in den letzten zehn Jahren durchgeführt, was auf die zuvor beschriebene Entwicklung hinweist, dass sich erst seit einigen Jahren gezielt mit der Wirksamkeit pferdgestützter Therapieverfahren für psychische Problematiken auseinandergesetzt wird. Der Großteil der Forschung stammt aus den USA. 63 % der Studien blieben unveröffentlicht (Dissertationen, Abschlussberichte), die restlichen 37 % wurden in Zeitschriften veröffentlicht. Programmmerkmale: Weltweit existieren keine einheitlichen Bezeichnungen für die verschiedenen Formen pferdgestützter Verfahren. Allen Programmen gemein sind zumeist folgende Interaktionen mit dem Pferd, die jedoch in unterschiedlichem Maße vertreten sein können und vom Störungsbild der Patienten abhängig sind: Bodenarbeit mit dem Pferd (z. B. über Hindernisse führen), Striegeln, Satteln und Aufzäumen, Reiten und Durchführen verschiedener Übungen oder Spiele auf dem Pferd. Stallarbeit und die Vermittlung von theoretischem Wissen, beispielsweise über die Körpersprache von Pferden, gehören ebenfalls zu den häufig angewandten Inhalten der Therapien. Von einer prinzipiellen Ähnlichkeit der Programme, die für eine Zusammenfassung der Studien notwendig war, kann demnach ausgegangen werden. Wirksamkeitsanalysen wurden systematisch zusammengefasst und ausgewertet. Winkler, Beelmann - Der Einfluss pferdgestützter Therapie auf psychische Parameter mup 1|2013 | 7 Tabelle 1: Übersicht zu ausgewählten inhaltlichen und methodischen Merkmalen der Studien zur Wirksamkeit des Therapeutischen Reitens Autoren Publ.-angaben Programmmerkmale Stichprobenmerkmale Methode Quelle Land Programmbezeichnung Zeitraum (in Wochen) Intensität (in Stunden) Setting Störungsbild(er) N Ø Alter (in Jahren) w(Anzahl) m(Anzahl) KG Ran. Bass, Duchowny & Llabre (2009) v USA Therapeutic Horseback Riding 12 12,0 Gruppe Autismus 34 7,34 5 29 ja ja Bowers & MacDonald (2001) v USA Equine Facilitated Psychotherapy (EFP) 7 10,5 Gruppe At-risk-children 10 16 k. A. k. A. ja nein Carlson (1983) uv USA Therapeutic Horseback Riding 14 11,0 Einzel Lernbehind. - o. probleme 24 Kl. 6-11 (14,5) 0 24 ja ja Emory (1992) uv USA Therapeutic Horsemanship 8 16,0 Gruppe emotionale- & Verhaltensprobleme 21 13,5 9 10 nein / Ewing et al. (2007) v USA Equine Facilitated Learning Program: Horse Power 9 36,0 k. A. Lernbehind. u. / o. Verhaltensstör. 26 11,5 k. A. k. A. nein / Gray (2007) uv USA Therapeutic Horseback Riding 6 3,0 Einzel Autismus 19 9 3 16 ja ja Hamsen (2003) uv D Heilpädagogisches Voltigieren 15 30,0 Gruppe ADHS 6 8,83 1 5 nein / Iannone (2003) uv USA Right Track Program 6 24,0 k. A. SED 23 13,56 10 17 ja nein Kaiser et al. (2004) v USA Therapeutic Riding Camp 1 36,0 Gruppe gesund 16 11,00 12 4 nein / MacDonald & Cappo (2003) v USA Equine Facilitated Learning Program: Horse Power 14 14,0 k. A. At-risk-children 7 14,00 k. A. k. A. nein / Mason (2004) uv USA Therapeutic Horseback Riding 10 7,5 k. A. Autismus 89 < 5 - 17 (10,5) 16 73 ja nein Pickartz, Schulz & Gultom-Happe (2006) uv D Heilpädagogisches Voltigieren 36 12,5 Einzel Autismus 20 5,30 0 20 ja nein Riedel (2005) uv D Heilpädagogisches Voltigieren 15 37,5 Gruppe ADHS 30 7,40 2 28 ja nein Schultz, Remick- Barlow & Robbins (2007) v USA Equine Facilitated Psychotherapy (EFP) 72 19,0 k. A. ADHS, PTBS, Verhaltens / Anpassungsstör. 49 10,80 26 37 nein / 8 | mup 1|2013 Winkler, Beelmann - Der Einfluss pferdgestützter Therapie auf psychische Parameter Autoren Publ.-angaben Programmmerkmale Stichprobenmerkmale Methode Quelle Land Programmbezeichnung Zeitraum (in Wochen) Intensität (in Stunden) Setting Störungsbild(er) N Ø Alter (in Jahren) w(Anzahl) m(Anzahl) KG Ran. Schmidtchen, Koch & Schuldt (1984) v D Heilpädagogisches Voltigieren 36 25,0 Gruppe Sehbehind., Ängste, motor. Stör., niedr. Sebstwertgefühl 7 11,80 0 7 nein / Sole (Studie 1) (2005) uv USA Equine Facilitated Therapy 8 8,0 k. A. Zerebralparese, Selbstwertprobleme 12 10,30 6 6 nein / Sole (Studie 2) (2005) uv USA Equine Facilitated Therapy 8 8,0 k. A. Zerebralparese, Selbstwertprobleme 12 13,80 6 6 nein / Stoner (2002) uv USA Therapeutic Horseback Riding 10 10,0 Einzel Autismus 12 6,05 1 11 ja ja Trotter (2006) uv USA Equine-assisted Group Counceling 12 24,0 Gruppe Lernschwierigk. u / o. Verhaltensstör. 164 11 72 92 ja ja Anmerkungen: N = Stichprobengröße (nach Dropout). Ø Alter = durchschnittliches Alter (bei ausschließlicher Angabe des Alters-Ranges wurde der mittlere Wert angegeben). Geschlecht (w = weiblich, m = männlich). KG = Vorhandensein einer Kontrollgruppe. Ran. = randomisierte Zuweisung zu EG & KG. v = veröffentlicht. uv = unveröffentlicht. D = Deutschland. At-risk-children = Schulschwänzer, Kinder mit sexuellen Missbrauchserfahrungen, emotionalen Störungen, Essstörungen, Drogenproblemen, Schwangerschaft. SEH = severely emotional handicapped. SED = severley emotional disturbed (Störung des Betragens, Oppositionsstörung, Hyperaktivität, emotionale Störungen, PTBS, Lernstörungen). k. A. = keine Angabe. Behandlungszeitraum und Intensität: Die Interventionen wurden im Durchschnitt über einen Zeitraum von 15 Wochen durchgeführt. Da die meisten Sitzungen wöchentlich stattfanden, lag die durchschnittliche Sitzungsanzahl bei 15,8 Sitzungen. Die durchschnittliche Interventionsdauer betrug 71,1 Minuten, mindestens aber 30 und maximal 120 Minuten, wobei die meisten Sitzungen genau eine Stunde dauerten. Um ein einheitliches Intensitätsmaß zu bilden, wurden Sitzungsdauer und -anzahl miteinander multipliziert und dann durch 60 geteilt, sodass ein Intensitätsmaß in Stunden angegeben werden kann (siehe Tabelle 1). Die Intensität der Interventionen lag im Mittel bei 17,3 Stunden. Störungsbilder: Die Störungsbilder der Probanden waren vielfältig. Es ließen sich grob die folgenden fünf Störungsbildkategorien bilden, die zum Teil in Kombinationen auftraten: (1) Autismus-Spektrum-Störung, (2) ADHS, (3) Lernbehinderungen und Lernprobleme, (4) emotionale Probleme und Selbstwertprobleme sowie (5) verhaltensbezogene Probleme und Auffälligkeiten. Die genauen Angaben über die verschiedenen Störungsbilder sind Tabelle 1 zu entnehmen. Forschungsmethodische Merkmale Untersuchungsdesign: Die Güte des Forschungsdesigns wurde in Anlehnung an Sherman u. a. (2002) auf einer fünfstufigen Skala im Hinblick auf das Vorhandensein einer Vergleichs- / Kontrollgruppe und der Zuteilung der Stichprobe zu den Versuchsbedingungen nach dem Prinzip der Randomisierung eingeschätzt. Zehn Studien verwendeten ein Kontrollgruppendesign und in fünf Studien wurde das Prinzip der Randomisierung angewandt. Am häufigsten wiesen die Studien ein Vorher-nachher-Design ohne oder nur mit nicht vergleichbarer Kontrollgruppe auf. Die Aussagekraft solcher Studien ist erheblich eingeschränkt, da ohne eine Kontrollgruppe verschiedene Validitätsgefährdungen auftreten (Cook / Campbell 1979), wie z. B. zwischenzeitliches Geschehen (inhaltlich relevante Ereignisse Winkler, Beelmann - Der Einfluss pferdgestützter Therapie auf psychische Parameter mup 1|2013 | 9 während der Untersuchung), Reifung / natürliche Entwicklung (Konfundierung der Effekte mit der natürlichen Entwicklung), unspezifische Interventionseffekte / Aufmerksamkeitseffekte (Veränderung allein durch Beschäftigung mit Teilnehmern). Die Studien müssen demnach bezüglich ihrer Ergebnisse unter Vorbehalt betrachtet werden. Stichprobengröße: Die durchschnittliche Stichprobengröße war im vorliegenden Datensatz mit durchschnittlich 32 Personen und unter Berücksichtigung der Dropout-Rate mit 28 Personen eher klein. Dropout-Häufigkeit: Die Dropout-Rate (Nichtvollenden der Intervention oder Fehlen von Messwerten zum Post-Zeitpunkt) lag im Mittel bei 11 %. Bei der Beurteilung der Dropout-Häufigkeit bei kleinen Stichproben ist jedoch zu bedenken, dass bereits ein Ausfall von zwei oder drei Personen einen hohen Prozentanteil ausmacht. Art und Anzahl der untersuchten Erfolgskriterien: In den vorliegenden Studien wurden insgesamt 60 Erfolgsmessungen vorgenommen. Die meisten Erfolgskriterien bezogen sich inhaltlich auf selbstbezogene Parameter (z. B. Selbstkonzept, Selbstwertgefühl) oder Emotionen (jeweils 14), die wenigsten (2) auf allgemeine Erfolgskriterien (Lebensqualität und generelles Funktionsniveau; siehe auch Tabelle 2). 50 % der erfassten Erfolgskriterien beruhen auf Selbstauskünften und 32 % auf Fremdbeurteilungen. Die restlichen ca. 18 % wurden über objektive Maße (wie z. B. standardisierte Tests oder physiologische Messungen) erfasst. 70 % der Erfolgskriterien wurden mit Hilfe von Fragebögen erfasst. Tests, Verhaltensbeobachtungen / -ratings und physiologische Messungen kamen in 30 % der Messungen zur Anwendung. Effektivitätsanalysen Durchschnittliche Wirksamkeit: Die Einzeleffektstärken der Untersuchungen schwankten von d = -1.03 bis 2.38 (M = 0.46, SD = 0.58, N = 60). Die nach Stichprobenumfang gewichtete mittlere Effektstärke lag bei d = 0.64, k = 19, 95 % CI = 0.48 bis 0.80. Nach einer Einteilung von Cohen (1988) liegt die Wirksamkeit pferdgestützter Therapie damit im mittleren bis hohen Bereich (nach einer Daumenregel werden Effektstärken um 0.20 als kleine, Effektstärken um 0.50 als mittlere und Effektstärken um 0.80 als hohe Werte eingeschätzt). Die durchschnittliche Effektstärke der Studien mit kontrolliertem Design und randomisierter Gruppenzuordnung (d. h. qualitativ hochwertige Studien) war mit d = 0.45 (k = 5, 95 % CI = −0.14- 1.04) etwas geringer. Einflussgrößen der Wirksamkeit Es fand sich eine Reihe von Einflussfaktoren auf die Effektivität der Studien, die zum Teil auch statistisch abgesichert werden konnten (vgl. Tabelle 2). Inhaltliche Einflussgrößen Bei der Analyse zum Zusammenhang zwischen dem Behandlungszeitraum und der Wirksamkeit ergab sich eine Zunahme der Effektivität mit ansteigender Therapiedauer. Bei einem Zeitraum von bis zu zwölf Wochen betrug die mittlere Effektivität d = 0.42; bei Therapien, die mindestens 14 Wochen dauerten, lag sie bei d = 0.99. Auch die Untersuchung zum Einfluss der Programmintensität ergab eine deutliche, allerdings nicht signifikante Überlegenheit von Therapien mittlerer Intensität (d = 0.94) gegenüber Therapien von geringer Intensität (d = 0.38). Bei einer hohen Intensität von über 24 Therapiestunden befand sich die Effektivität wieder auf einem mittleren Niveau (d = 0.55). Gruppen- oder Einzelsetting: Es wurde eine höhere, jedoch nicht signifikante Effektivität bei Therapien im Gruppensetting (d = 0.62) gegenüber Therapien im Einzelsetting konstatiert (d = 0.37). Pferdgestützte Therapie erzielt signifikante und substanzielle Effekte. 10 | mup 1|2013 Winkler, Beelmann - Der Einfluss pferdgestützter Therapie auf psychische Parameter Tabelle 2: Ergebnisse der Meta-Analyse inhaltlicher und forschungsmethodischer Aspekte Merkmale Studienmerkmale Kategorien d −95 % CI +95 % CI p-Wert k Publikationsmerkmale Publikationsquelle 1 = veröffentlicht 2 = unveröffentlicht 0.82 0.47 0.36 0.12 1.29 0.82 0.000 0.004 7 12 Publikationsjahr 1 = 2005 bis 2010 2 = älter als 2005 0.74 0.44 0.33 0.02 1.15 0.87 0.000 0.043 9 10 Publikationsland 1 = USA 2 = Deutschland 0.58 0.67 0.24 −0.04 0.91 1.38 0.001 0.065 154 Programmmerkmale Behandlungszeitraum 1 = bis zu 12 Wochen 2 = 14 und mehr Wochen 0.42 0.99 0.12 0.55 0.73 1.43 0.007 0.000 127 Anzahl der Therapiesitzungen 1 = bis zu 10 Sitzungen 2 = ab 12 Sitzungen 0.40 0.73 −0.06 0.35 0.86 1.11 0.085 0.000 8 11 Dauer der Therapiesitzungen 1 = unter 45 min 2 = ca. 60 min 3 = 75-120 min 0.32 0.82 0.42 −0.37 0.42 −0.06 1.01 1.22 0.90 0.359 0.000 0.087 3 106 Intensität des Programms 1 = gering (3-10,5 h) 2 = mittel (12-19 h) 3 = hoch (24-40 h) 0.38 0.94 0.55 −0.10 0.41 0.10 0.85 1.46 1.00 0.113 0.000 0.016 757 Einzel- oder Gruppensetting 0 = unklar / keine Angabe 1 = Einzelsetting 2 = Gruppensetting 0.68 0.37 0.62 0.18 −0.35 0.13 1.17 1.08 1.10 0.007 0.302 0.012 748 Stichprobenmerkmale Stichprobengröße 1 = 6-16 2 = 19-34 3 = 49-164 0.54 0.42 1.04 0.03 −0.03 0.39 1.04 0.88 1.69 0.038 0.066 0.002 883 Ø Alter 1 = unter 8 Jahre 2 = 8-12 Jahre 3 = 13-16 Jahre 0.60 0.75 0.32 −0.08 0.33 −0.25 1.28 1.18 0.88 0.085 0.001 0.271 496 Störungsbild 1 = Autismus-Spektrum- Störung 2 = ADHS, Lernprobleme, Verhaltensauffälligkeiten 3 = keine Störung 4 = emotionale Probleme, Selbstwertdefizite 5 = emotionale & Verhaltensstörung 0.32 0.52 0.92 0.59 1.06 −0.16 0.02 −0.22 −0.13 0.47 0.81 1.02 2.06 1.32 1.66 0.188 0.043 0.114 0.107 0.001 6 5 13 4 Störungsbild inter- & externalisierend 1 = internalisierend 2 = externalisierend 3 = beides 4 = keines 0.46 0.55 1.12 0.46 −0.14 0.02 0.48 0.01 1.06 1.11 1.76 0.91 0.130 0.057 0.001 0.044 5437 Methodische Merkmale Forschungsdesign 1 = schwach 2 = stark 0.93 0.39 0.53 0.05 1.34 0.72 0.000 0.023 8 11 Vohandensein einer KG 0 = keine KG 1 = KG vorhanden 0.81 0.41 0.40 0.02 1.22 0.80 0.000 0.035 9 10 Randomisierung 0 = keine Randomisierung 1 = Randomisierung 0.65 0.45 0.29 −0.14 1.00 1.04 0.000 0.135 145 Dropout 0 = kein Dropout 1 = 5-20 % 2 = über 20% 0.53 0.37 0.98 0.16 −0.18 0.43 0.90 0.93 1.53 0.005 0.187 0.001 1045 Winkler, Beelmann - Der Einfluss pferdgestützter Therapie auf psychische Parameter mup 1|2013 | 11 Störungsbild: Bei Kindern mit einer Störung im Autismus-Spektrum besaß die Effektivität die geringste Ausprägung (d = 0.32), während bei einer Kombination aus emotionalen und Verhaltensstörungen die höchste Wirksamkeit erzielt werden konnte (d = 1.06). Forschungsmethodische Einflussgrößen Die Publikationsquelle hatte einen deutlichen Einfluss auf die Effektivität. Bei Studien, die in Zeitschriften veröffentlich wurden, fand sich eine erheblich höhere Effektivität (d = 0.82) als bei unveröffentlichten Studien (d = 0.47). Bei der Analyse des Forschungsdesigns zeigte sich, dass sich die Studien mit schwachem Design (ohne Kontrollgruppe oder zweitem Messzeitpunkt) mit d = 0.93 signifikant von den Studien mit einem qualitativ höher zu beurteilenden Design mit d = 0.39 unterscheiden (Q(df=1) = 4.21, p = 0.40). Auf der Inhaltsebene der Erfolgskriterien unterschied sich die Effektivität bei unterschiedlichen Erfolgsmaßen: allgemeine Maße (Erfassung des globalen Funktionsniveaus und Lebensqualität) und Maße zur Erfassung der ADHS-Symptomatik (z. B. Hyperaktivität oder Aufmerksamkeit) wiesen mit d = 1.67 und d = 0.89 die höchste Effektivität auf. Die geringste Effektivität (d = 0.20) ergab sich bei Erfolgsmaßen, die Emotionen wie beispielsweise Depressivität oder Ärger erfassten (Q(df=5) = 14.58, p =.012). Die Analysen zum Einfluss unterschiedlicher Informanten ergab, dass Fremdbeurteilungen (bspw. durch Eltern oder Psychologen) mit d = 0.62 höhere Effekte hervorbrachten als Selbstbeurteilungen (durch die Patienten) mit d = 0.29. Die höchsten Effekte jedoch wurden von objektiven Urteilen (bspw. durch physiologische Messungen) produziert mit d = 0.73. Entsprechend zeigten die Analysen zur Datenerhebungsmethode , dass Messungen anhand von Fragebögen geringere Effekte erzielen (d = 0.36) als solche anhand von Tests (d = 0.71) oder Verhaltensbeobachtungen und -ratings (d = 0.73) und die höchsten Effekte durch physiologische Messungen (d = 0.83) zustande kommen, wobei der letzte Wert von nur einer abhängigen Variable produziert wurde und die Aussagekraft des Wertes dadurch eingeschränkt ist. Diskussion Die vorliegenden Ergebnisse bestätigen zunächst, dass pferdgestützte Therapie signifikante Erfolge aufweist. Die Effekte schwanken entsprechend unterschiedlicher Durchführungsmerkmale und in Abhängigkeit verschiedener Faktoren allerdings von eher ge- Merkmale Studienmerkmale Kategorien d −95 % CI +95 % CI p-Wert k Erfolgskriterien Erfolgskriterien Inhaltsebene der Erfolgskriterien 1 = auf das Selbst bezogen 2 = verhaltensbezogen 3 = emotionsbezogen 4 = autismusbezogen 5 = ADHS-bezogen 6 = allgemein 0.39 0.43 0.20 0.38 0.89 1.67 0.04 0.04 −0.16 −0.00 0.45 0.85 0.74 0.82 0.56 0.75 1.32 2.48 0.028 0.032 0.284 0.050 0.000 0.000 14 8 14 11 112 Informanten 1 = Selbstbeurteilung 2 = Fremdbeurteilung 3 = objektive Beurteilung 0.29 0.62 0.73 0.05 0.33 0.28 0.54 0.91 1.17 0.020 0.000 0.001 30 19 11 Datenerhebungsmethode 1 = Fragebogen 2 = Test 3 = Verhaltensbeobachtung / -rating 4 = physiolog. Messung 0.36 0.71 0.73 0.83 0.15 0.23 0.28 −0.46 0.58 1.19 1.19 2.13 0.001 0.004 0.002 0.206 42 107 1 Anmerkungen: d = Effektstärke. p <.05 = Signifikanzniveau von 5 %. −95 % CI / +95 % CI = 95 % - Konfidenzintervall (untere und obere Grenze). k = Anzahl der Studien in jeder Kategorie / bzw. Kategoriegröße bei den Erfolgskriterien. 12 | mup 1|2013 Winkler, Beelmann - Der Einfluss pferdgestützter Therapie auf psychische Parameter ringen bis hin zu sehr hohen Werten. Zudem müssen zwei relativierende Befunde berücksichtigt werden. Zum einen wiesen auch forschungsmethodische Merkmale einen bedeutsamen Einfluss auf die Effektivität aus. Sehr hohe Wirkungen werden vor allem von Studien mit methodisch schwachem Design erzielt. Zum anderen ist der Befund, dass publizierte Arbeiten eine deutlich höhere Wirksamkeit ermitteln, nicht ganz unproblematisch. Solche Befunde deuten auf Publikationsverzerrungen (engl.: publication bias ) hin, ein in Meta-Analysen bekanntes Phänomen. Damit ist gemeint, dass die Wahrscheinlichkeit für die Veröffentlichung hypothesenkonformer bzw. positiver Forschungsergebnisse größer ist, da nicht signifikante Ergebnisse oder Studien mit sehr geringen Effekten seltener der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und entsprechend bei Forschungszusammenfassungen nicht angemessen berücksichtigt werden können. Sowohl methodische Überlegungen als auch die Ergebnisse zu Publikationsverzerrungen implizieren eine gewisse Überschätzung der tatsächlichen Wirksamkeit durch die hier gefundene mittlere Effektstärke. Allerdings zeigten selbst forschungsmethodisch hochwertige Arbeiten positive Effekte, so dass die grundsätzliche Wirksamkeit u. E. nicht in Frage steht. Diskussion bedeutsamer Einflussfaktoren der Wirksamkeit Behandlungszeitraum: Die signifikante Zunahme der Effektivität bei längerem Behandlungszeitraum spricht dafür, dass Änderungen des Verhaltens oder der Selbstwahrnehmung Prozesse sind, die Zeit benötigen, um in den Alltag übernommen zu werden. Zudem bieten längerfristige Therapien die Chance, Veränderungen schrittweise in den Alltag zu übernehmen, und eine intensive Beziehung zwischen Patient und Pferd sowie Patient und Therapeut aufzubauen. Ein erfolgreicher Beziehungsaufbau stellt die Grundlage tiergestützter Therapieverfahren dar (Parish-Plass 2008). Die Überlegenheit von psychotherapeutischen Langzeittherapien wurde auch in einer Meta-Analyse von Leichsenring und Rabung (2008) festgestellt. Gruppen- oder Einzelsetting: Es deutete sich an, dass pferdgestützte Therapien im Gruppensetting effektiver sind als Therapien im Einzelsetting. Dieser Befund ist aus verschiedenen Gründen nachvollziehbar. Kinder und Jugendliche haben im Umgang mit dem Pferd die Gelegenheit, prosoziales Verhalten beispielsweise durch Pferdepflege und Stallarbeit zu erlernen. Dies kann in der Gruppe besser als im Einzelsetting auf die Interaktion mit anderen Kindern und Jugendlichen übertragen und geübt werden (Vernooij / Schneider 2007). Zudem kann das Akzeptieren der Eigenheiten der Pferde die Akzeptanz gegenüber anderen Gruppenmitgliedern erhöhen. Schließlich kann der Gruppenkontext ähnlich wie in Selbsthilfegruppen (Janig 1999) dazu führen, dass sich Patienten mit ihrer Problematik weniger isoliert und besser verstanden fühlen, was sich positiv auf den weiteren Verlauf der psychischen Störung auswirken kann. Störungsbilder: Bei der Frage, für welche Störungsbilder die pferdgestützte Therapie empfohlen werden kann, muss zunächst berücksichtigt werden, dass die Studienanzahl der vorliegenden Meta-Analyse sehr gering ist, um wissenschaftlich fundierte Aussagen zu treffen. Kinder und Jugendliche mit einer Kombination aus emotionalen Problemen, Selbstwertproblemen und Verhaltensstörungen profitieren aber vermutlich am stärksten von pferdgestützter Therapie. Dagegen fallen die Ergebnisse bei Störungen im Autismusspektrum deutlich geringer aus. Dieser Befund ist möglicherweise damit zu erklären, dass die pferdgestützte Therapie mit Es liegen forschungsmethodische Probleme vor, die jedoch die grundsätzliche Wirksamkeit der pferdgestützen Therapie nicht in Zweifel ziehen. Winkler, Beelmann - Der Einfluss pferdgestützter Therapie auf psychische Parameter mup 1|2013 | 13 ihren vielfältigen und besonderen Merkmalen gerade bei Klienten zur Geltung kommt, bei denen unterschiedliche Verhaltensprobleme und Selbstwertprobleme vorliegen. Wichtige Wirkmechanismen, die in der Wissenschaft diskutiert werden und sowohl auf internalisierender als auch auf externalisierender Problemebene ansetzen, sind die Förderung des Selbstwertes und der Selbstwirksamkeit, das akzeptierende und unvoreingenommene Naturell von Tieren, ihr Aufforderungscharakter, die Projektionsfläche für Wünsche, Bedürfnisse und Erwartungen, die sie darstellen, das ungezwungene entspannte Setting, in dem die Sitzungen stattfinden (Parish-Plass 2008) und die Möglichkeit zum Beziehungsaufbau und korrigierenden Beziehungserfahrungen (Zilcha-Mano u. a. 2011). Methodik und Inhalte der Erfolgsmessung: Wie in anderen Therapiefeldern wiesen die unterschiedlichen Erfolgsmaße zum Teil deutlich unterschiedliche Effektstärken auf. Die Wirksamkeit von pferdgestützter Therapie ist somit auch eine Frage der Erfolgsmessung. Sie wird bspw. durch die Datenerhebungsmethodik und die Informanten beeinflusst. So ergaben sich beim Einsatz von Fragebögen eher geringere Effekte im Vergleich zu Tests und physiologischen Messungen. Dies ist in Meta-Analysen eher ein ungewöhnliches Ergebnis, spricht aber für die Validität der Befunde, da Tests und physiologische Messungen als weniger verzerrungsanfällig gelten. Dies wurde auch durch die Auswertungen zu den Informanten gestützt, wo die höchsten Befunde durch objektive Maße und weniger durch Selbst- und Fremdurteile zustande kamen. Einige neuere Studien, in denen auf physiologische Messungen und objektive Testverfahren Wert gelegt wurde, liefern ebenfalls vielversprechende Ergebnisse (Allen u. a. 2012). Inhaltlich zeigten sich, abgesehen von wenigen (und damit verzerrungsanfälligen) Messungen des globalen Funktionsniveaus mit sehr hohen Effektstärken, relativ hohe Veränderungen in ADHS-Maßen und Verhaltenseinschätzungen. Diese wiederum wurden vor allem mit Hilfe von Tests erfasst, sodass nicht geklärt werden kann, ob die hohe Effektivität bei diesen Maßen mit der besonderen Eignung der pferdgestützten Therapie bei ADHS zusammenhängt oder mit der Datenerhebungsmethode. Resümee Insgesamt lässt sich feststellen, dass die empirische Befundlage der pferdgestützten Therapie deutlich ausgebaut werden könnte. Ersten ermutigenden Befunden stehen deutliche Forschungslücken und -probleme gegenüber. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass das Forschungsgebiet zum einen noch am Anfang steht und zum anderen Untersuchungen im Feld immer eine Reihe an Schwierigkeiten mit sich bringen. Bei der pferdgestützten Therapie handelt es sich um eine sehr aufwändige Therapieform, deren Durchführung von vielen äußeren Faktoren abhängig ist. Daraus resultieren verschiedene erschwerende Bedingungen für die Evaluation ihrer Wirksamkeit - angefangen bei der Akquirierung ausreichend großer Stichproben mit vergleichbarem Störungsbild bis hin zu praktischen Schwierigkeiten wie der Integration der wissenschaftlichen Untersuchung in den Therapiealltag oder dem Umgang mit Witterungsschwankungen. Gleichwohl können Wege gefunden werden, diesen Erschwernissen zu begegnen. Zu einer ähnlichen Wirksamkeitseinschätzung pferdgestützter Interventionen kommt eine jüngst in den USA durchgeführte weitere Meta-Analyse, die die Effektivität der Therapieform bei verhaltensgestörten und autistischen Kindern untersucht (Graves 2011). Die Autorin Die hohen Effekte bei objektiven Erhebungsmethoden sind ein ungewöhnliches Ergebnis in Meta- Analysen; sprechen aber für die Validität der Befunde. 14 | mup 1|2013 Winkler, Beelmann - Der Einfluss pferdgestützter Therapie auf psychische Parameter findet anhand von 17 Studien (davon 50 % im vorliegenden Datensatz) eine durchschnittliche Effektstärke von d = 0.67 sowie eine Überlegenheit der Behandlung verhaltensgestörter Kinder gegenüber Kindern mit einer Autismus-Spektrum-Störung. Weitere Befunde, die nicht mehr für die vorliegende Meta-Analyse einbezogen werden konnten, liefern auch Bachi u. a. (2011). In einer kontrollierten Studie über einen Behandlungszeitraum von sieben Monaten stellen die Autoren einen Zuwachs an Vertrauen, Selbstkontrolle und allgemeiner Lebenszufriedenheit bei Risikokindern fest. In einer weiteren Studie mit Wartelistenkontrollgruppen-Design bei Kindern mit Autismus-Spektrum-Störung fanden Gabriels u. a. (2012) nach einer zehnwöchigen Therapie signifikante Verbesserungen in den Dimensionen Irritierbarkeit, Lethargie, stereotypes Verhalten, Hyperaktivität sowie in sprachlichen und motorischen Bereichen. Die Durchführung und Mitarbeit an weiteren methodisch hochqualitativen Studien in diesem Forschungsfeld soll hiermit noch einmal allen interessierten Praktikern und Forschern nahe gelegt werden, um diese Befunde weiter zu stützen. Literaturverzeichnis ■ Allen, K., Blascovich, J., Mendes, W. B. (2002): Cardiovascular reactivity in the presence of pets, friends, and spouses: The truth about cats and dogs. Psychosomatic Medicine 64, 727-739 ■ Bachi, K., Terkel, J., Teichman, M. (2012): Equine-facilitated psychotherapy for at-risk adolescents: The influence on self-image, self-control and trust. Clinical Child Psychology and Psychiatry 17, 298-312 ■ Bass, M. M., Duchowny, C. A., Llabre, M. M. (2009): The effect of therapeutic horseback riding on social functioning in children with autism. Journal of Autism and Developmental Disorders 39, 1261-1267 ■ Beetz, A. M., Julius, H., Kotrschal, K., Uvnäs- Moberg, K. (2012): Basic neurobiological and psychological mechanisms underlying therapeutic effects of Equine Assisted Activities (EAA / T), in press ■ Bowers, M. J., MacDonald, P. M. (2001): The effectiveness of equine-facilitated psychotherapy with at-risk adolescents: A pilot study. Journal of Psychology and Behavioral Sciences 15, 62-76 ■ Carlson, E. A. (1983): The effects of a program of therapeutic horsemanship on the self-concept and locus of control orientation of the learning disabled. Dissertation Abstracts International: Section B: The Sciences and Engineering 43, 4123-4124 ■ Cawley, R. C., Cawley, D. J., Retter, K. (1994): Therapeutic horseback riding and self-concept in adolescents with special educational needs. Anthrozoös 7, 129-134 ■ Center for Companion Animal Health (2008): Equine-assisted Therapy - selected journal articles and book titles. In: www.vetmed.ucdavis.edu/ CCAB/ EATbooks.htm, 15.05.2010 ■ Cohen, J. (1988): Statistical power analysis for the behavioral sciences. 2. Aufl. Lawrence Erlbaum, New Jersey ■ Cook, T. D., Campbell, D. T. (1979): Quasi Experimentation: Design and Analytical Issues for Field Settings. Houghton Mifflin Company, Boston ■ Emory, D. K. (1992): Effects of therapeutic horsemanship on the self-concept and behaviours of asocial adolescents. Dissertation Abstracts International: Section B: The Sciences and Engineering 53, 2561 ■ Ewing, C. A., MacDonald, P. M., Taylor, M., Bowers, M. J. (2007): Equine-facilitated learning for youths with severe emotional disorders: A quantitative and qualitative study. Child & Youth Care Forum 36, 59-72 ■ Gabriels, R. L., Agnew, J. A., Holt, K. D., Shoffner, A., Zhaoxing, P., Ruzzano, S., Clayton, G. (2012): Pilot study measuring the effects of therapeutic horseback riding on school-age children and adolescents with autism spectrum disorders. Research in Autism Spectrum Disorders 6, 578-588 ■ Gomolla, A. (2009): Vortragsskript XIII internationaler Kongresses für Therapeutisches Reiten „Forschungsstand und Forschungsperspektiven pferdgestützter (Psycho)-Therapie“ in Münster. In: www.ipth.ch/ veroeffentlichungen.html, 15.5.2010 ■ Graves, L. M. (2011): The effectiveness of equine assisted psychotherapy with severely emotionally disturbed and autistic children and adolescents: A meta-analysis. Dissertation Winkler, Beelmann - Der Einfluss pferdgestützter Therapie auf psychische Parameter mup 1|2013 | 15 Abstracts International: Section B: The Sciences and Engineering 72, 533 ■ Gray, A. C. (2007): The effects of therapeutic horseback riding with autistic children. Proquest ■ Hamsen, R. (2005): Heilpädagogisches Voltigieren bei Kindern mit Aufmerksamkeitsdefizit - und Hyperaktivitätsstörung. Sonderheft des DKThR e. V. Heilpädagogisches Voltigieren und Reiten - spezielle Aufgabenfelder 1, 16-29 ■ Hedges, L. V., Olkin, I. (1985): Statistical methods for metaanalysis. Academic Press, Orlando ■ Iannone, V. N. (2003). Evaluation of a vocational and therapeutic riding program for severely emotionally disturbed adolescents. Dissertation Abstracts International: Section B: The Sciences and Engineering 64, 1493 ■ Janig, H. (1999): Wirkung von Selbsthilfegruppen auf Lebensqualität und Gesundheit. Erste Ergebnisse einer österreichischen Studie. In: Selbsthilfegruppenjahrbuch 1999. Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e. V, Gießen, 103-108 ■ Kaiser, L., Spence, L. J., Lavergne, A. G., Vanden Bosch, K. L. (2004). Can a week of Therapeutic riding make a difference? - A pilot study. Anthrozoös 17, 63-72 ■ Leichsenring, F., Rabung, S. (2008): Effectiveness of long-term psychodynamic psychotherapy: A meta-analysis. Journal of the American Medical Association 300, 1551-1565 ■ Lipsey, M. W., Wilson, D. B. (2001): Practical meta-analysis. Sage Publications, Thousand Oaks / London / New Dehi ■ Macauley, B. L. (2004): The Effectiveness of Hippotherapy for Children with Language- Learning Disabilities. Communication Disorders Quarterly 25, 205-217 ■ MacDonald, P. M., Cappo J. (2003): Equinefacilitated therapy with “at-risk” youth: Does it work? Strides 9, 30-31 ■ Mason, M. A. (2004): Effects of Therapeutic Horseback riding in children with autism. Dissertation Abstracts International: Section B: The Sciences and Engineering 65, 4505 ■ Nimer, J., Lundahl, B. (2007): Animal-assisted therapy: A meta-analysis. Anthrozoös 20, 225-238 ■ Parish-Plass N. (2008): Animal-assisted therapy with children suffering from insecure attachment due to abuse and neglect: a method to lower the risk of intergenerational transmission of abuse? Clinical Child Psychology and Psychiatry 13, 7-30 ■ Pickartz, A., Schulz, M., Gultom-Happe, T. (2006): tapfer. Therapeutische Arbeit mit dem Pferd. Evaluationsstudie zur Wirksamkeit von heilpädagogischem Reiten bei Kindern mit autistischen Störungen. Unveröffentlichter Abschlussbericht. Institut für Qualität in Erziehungshilfen, Kürten-Biesfeld Die Autoren Nora Winkler Jg. 1987, M. Sc. Psychologin der Friedrich-Schiller-Universität Jena, 2009-2010 als wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Forschungssynthese, Intervention und Evaluation, 2011-2012: Mitarbeit am Projekt „Basic neurobiological and psychological mechanisms underlying therapeutic effects of Equine Assisted Activities (EAA / T)“. Prof. Dr. Andreas Beelmann Dipl.-Psychologe, Leiter der Abteilung Forschungssynthese, Evaluation und Intervention am Institut für Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena, seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Entwicklungs- und Präventionsforschung zu kindlichen Verhaltensproblemen, der Evaluationsforschung sowie der integrativen (zusammenfassenden) Forschung zu psychologischen Interventionen. Anschriften: Nora Winkler · Ahornweg 38 · D-12529 Schönefeld nora.winkler@uni-jena.de Prof. Dr. Andreas Beelmann · Humboldtstr. 26 · D-07743 Jena andreas.beelmann@uni-jena.de 16 | mup 1|2013 Winkler, Beelmann - Der Einfluss pferdgestützter Therapie auf psychische Parameter ■ Riedel, M. (2005): Eine sportmedizinische Wirkanalyse des Heilpädagogischen Voltigierens bei Kindern mit dem Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätssyndrom. In: http: / / bieson.ub.unibielefeld.de/ volltexte/ 2006/ 858/ , 21.05.2010 ■ Schmidtchen, S., Koch, B., Schuldt, H. (1984): Prozeß- und Wirksamkeitsanalyse eines Voltigiertrainings mit seh- und lernbehinderten Kindern. Heilpädagogische Forschung 11, 313-327 ■ Schultz, P. N., Remick-Barlow, G. A., Robbins, L. (2007): Equine-assisted psychotherapy: A mental health promotion / intervention modality for children who have experienced intra-family violence. Health & Social Care in the Community 15, 265-271 ■ Sherman, L. W., Farrington, D. P., Welsh, B. C., MacKenzie, D. L. (2002): Evidence-Based Crime Prevention. Routledge, New York ■ Sole, D. P. (2007): Effects of equine-facilitated therapy on self-efficacy beliefs of cerebral palsied pre-adolescents and adolescents. Dissertation Abstracts International: Section B: The Sciences and Engineering 67, 4723 ■ Stoner, J. B. (2002): The Efficacy of Therapeutic Horseback Riding as a Treatment Tool for Selected Children with Autism, Dissertation Abstracts International: Section B: The Science and Engineering 41, 95 ■ Trotter, K. S. (2006): A Comparative Study of the Efficacy of Group Equine Assisted Counseling With At-Risk Children and Adolescents. Journal of Creativity in Mental Health 3, 254-284 ■ Vernooij, M., Schneider, S. (2007): Handbuch der Tiergestützten Interventionen. Quelle & Meyer, Wiebelsheim ■ Vfa. Die Forschenden Pharma-Unternehmen (2010): „Publication bias“. In: www.vfa.de/ de/ wirtschaft-politik/ positionen/ pos-publicationbias.html, 24.08.2010 ■ Wilson, S. J., Lipsey, M. W. (2007): School- Based Interventions for Aggressive and Disruptive Behavior Update of a Meta-Analysis. American Journal of Preventive Medicine 33, 130-143 ■ Zilcha-Mano, S., Mikulincer, M., Shaver, P. R. (2011): Attachment & Human Development 13, 541-556