eJournals mensch & pferd international 5/4

mensch & pferd international
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Hilfsmittel zur Unterstützten Kommunikation in der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd

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Henrike Struck
Unterstützte Kommunikation (UK) findet in der Heilpäd­ago­gischen Förderung mit dem Pferd (HFP) ein immer breiteres Einsatzfeld. Insbesondere nichtsprechende Teilnehmer im Schulalter haben in der Regel schon Vorerfahrungen in diesem Bereich und möchten ihre Fähigkeiten natürlich auch während der HFP ­nutzen. Die folgenden Praxistipps sollen auch „Einsteigern“ auf diesem Gebiet ermöglichen, ohne große Vorkenntnisse erste Hilfsmittel einzusetzen. Alle hier vorgestellten Hilfsmittel können daher selbst hergestellt oder auch im Büro für Unterstützte Kommunikation Dortmund bezogen werden. Einige Vorlagen stehen auch auf der Seite des Verlages für Abonnenten zum kostenfreien Download bereit.
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196 | mup 4|2013|196-199|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel Henrike Struck Praxistipp Hilfsmittel zur Unterstützten Kommunikation in der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd Unterstützte Kommunikation (UK) findet in der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd (HFP) ein immer breiteres Einsatzfeld. Insbesondere nichtsprechende Teilnehmer im Schulalter haben in der Regel schon Vorerfahrungen in diesem Bereich und möchten ihre Fähigkeiten natürlich auch während der HFP nutzen. Die folgenden Praxistipps sollen auch „Einsteigern“ auf diesem Gebiet ermöglichen, ohne große Vorkenntnisse erste Hilfsmittel einzusetzen. Alle hier vorgestellten Hilfsmittel können daher selbst hergestellt oder auch im Büro für Unterstützte Kommunikation Dortmund bezogen werden. Einige Vorlagen stehen auch auf der Seite des Verlages für Abonnenten zum kostenfreien Download bereit. UK im praktischen Einsatz Das gängigste nichtelektronische Medium im Bereich der HFP sind Bildkarten. Hierbei kommen neben unterschiedlichen Symbolsystemen, die entweder als Software erhältlich sind, oder selbst gemalt werden, auch Fotos zum Einsatz. Bei der Form, Größe und Darstellung der Symbole ist dann vor allem der Einsatzort (auf dem Pferd, am Boden etc.) entscheidend. Bildkarten zur Nutzung am Pferd Am oder auf dem Pferd ist wichtig, dass die Medien Im Büro für Unterstützte Kommunikation der Werkstätten der AWO Dortmund GmbH arbeiten zur Zeit zwölf Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen, die selbst UK-Nutzer sind. Das Büro bildet eine „Dezentrale Einheit“ des Bereichs für Menschen mit Komplexen Behinderungen, die in dieser Werkstatt arbeiten. Es ist ein Kooperationsprojekt mit Bethel.regional. Grundidee der „Dezentralen Einheiten“ ist, auch Menschen mit schwersten und mehrfachen Behinderungen Arbeitsplätze zu ermöglichen, die an ihre Ressourcen anknüpfen und damit ihren Fähigkeiten und Interessen entsprechen. Das Ladenlokal, in mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichender Innenstadtlage, bietet neben Beratungen im Bereich UK auch einfache nichtelektronische Hilfsmittel an. Sie werden dort zusammen mit den Mitarbeitern mit Behinderungen selbst hergestellt und von diesen Mitarbeitern auf ihre Funktionalität geprüft. Weitere Infos und Kontaktmöglichkeiten zur Beratung unter: www.uk-buero-dortmund.de Beratung zu Hilfsmitteln durch das UK-Büro Dortmund: Praxistipp: Struck - Hilfsmittel zur Unterstützten Kommunikation in der Heilpädagogischen Förderung mup 4|2013 | 197 nicht zu groß sind, sodass sie gut festzuhalten sind. Allerdings dürfen sie auch nicht zu klein sein, da durch die Bewegung auf dem Pferderücken das zielgerichtete Zeigen oft erschwert ist. Bewährt hat sich hier: Kartensatz am Schlüsselring und Karabiner Mehrere Symbolkarten mit jeweils einem Symbol sind an einem Schlüsselring befestigt, der wiederum mit einem Karabiner am Gurt befestigt ist, damit die Karten jederzeit verfügbar sind. Im Gegensatz zum Kartensatz, z. B. in der Jackentasche des Pädagogen oder auf der Bande, kann der Teilnehmer so jederzeit durch Zeigen auf den Kartensatz oder selbständiges Greifen der Karten deutlich machen, dass er kommunizieren möchte. Neben pferdebezogenen Begriffen sollten die Kartensätze bei Bedarf auch immer grundlegende Begriffe wie „ja - nein“ oder auch das Zeichen für „nochmal“ enthalten. Dem Begriff „nochmal“ kommt gerade in der Anbahnung der UK eine große Bedeutung zu, weil die Motivation zur Nutzung der Karten darüber sehr einfach geschaffen werden kann. Im zweiten Schritt kann das „nochmal“ dann mit weiteren positiven Begriffen verknüpft werden („nochmal traben“, „nochmal streicheln“, „nochmal füttern“ etc.). Bei einem Kartensatz kann die Abfrage über gezieltes Zeigen auf ein Symbol, aber auch durch „Abfragen“ der einzelnen Karten geschehen. Hier reicht dann z. B. ein „Ja - Nein Zeichen“ in der Mimik oder Gestik, um mit den Karten zu arbeiten. Zeigetafel Eine Zeigetafel enthält mehrere Symbole, auf die gezielt gedeutet werden muss. Dies erfordert eine genauere motorische Ansteuerung als ein Kartensatz. Andererseits ist es schneller möglich, mehrere Symbole hintereinander zu zeigen und so umfangreicher zu kommunizieren. Zeigetafeln werden vom Inhalt und Layout meist auf den Benutzer angepasst und sind damit sehr individuelle Hilfsmittel. Neben der Arbeit am Pferd können sie aber auch in anderen Lebensbezügen genutzt werden, um über das Thema Pferd zu kommunizieren. Bildkarten zur Nutzung in der Halle Neben den Symbolsätzen, die direkt am Pferd genutzt werden, gibt es auch die Möglichkeit, Bildkarten in der Halle einzusetzen, die dann meist nur in einigen Phasen der Einheit zum Einsatz kommen: Bahnpunkte Karten für Bahnpunkte können sich z. B. auf den Anlaut des Bahnpunktes beziehen oder durch unterschiedliche Farben eine Raumorientierung geben (gleiche Farben für die Wechselpunkte). Sie können Anlass zur Kommu- Bild 1: Kartensatz am Karabiner Bild 2: Zeigetafel Bild 3: Bahnpunkte 198 | mup 4|2013 Praxistipp: Struck - Hilfsmittel zur Unterstützten Kommunikation in der Heilpädagogischen Förderung nikation bieten und die aktive Sprachanbahnung unterstützen. Aufgabenkarten Verschiedene Übungen auf Kartensätzen ermöglichen auch nichtsprechenden Teilnehmern, sich eine Übung auszuwählen oder anderen Teilnehmern der Gruppe eine Übung vorzuschlagen. Hierzu sind eigene Symbole oder Fotos möglich, darüber hinaus gibt es aber auch komplette Kartensätze zu bestellen (z. B. Wunschkarten von Julie Rauert). Strukturpläne Strukturpläne können den Ablauf der verschiedenen Phasen der Einheit darstellen und dadurch die zeitliche Orientierung erleichtern. Sie kommen insbesondere im Bereich der Förderung von Menschen mit Autismus zum Einsatz. Die verschiedenen Phasen der Einheit (Pferd holen, Putzen, Gurten …) werden durch Symbole dargestellt und können z. B. jeweils auf einen Ablaufplan geklettet werden. Fertige Phasen „verschwinden“ in der Tasche unter dem Plan und ermöglichen so eine Übersicht. Darüber hinaus können Strukturpläne auch als „Konsequenzenpläne“ zum Einsatz kommen, die den Teilnehmern die Konsequenzen verschiedener Handlungsalternativen verdeutlichen. Der Einsatz von Konsequenzenplänen (z. B. nach InterAACT) erfordert allerdings eine Einarbeitung des Pädagogen in dieses System und wird sinnvollerweise mit dem Einsatz dieser Pläne in anderen Lebensbereichen kombiniert. Reflektions- und Zielvereinbarungskarten Diese Karten kommen insbesondere zur Vorbereitung bzw. Auswertung einer Einheit mit den Teilnehmern zum Einsatz. Hier werden über verschiedene Symbole („Smilies“ etc.) dem Teilnehmer Möglichkeiten gegeben, gemeinsame Ziele zu vereinbaren bzw. eine Bewertung von unterschiedlichen Aspekten einer Fördereinheit vorzunehmen. Zielvereinbarungs- und Reflektionskarten kommen vorwiegend bei Gruppenförderungen zum Einsatz. Hier können sie nicht- Bild 4: Memory Bild 5: Go Talk 1 Bild 6: Go Talk 2 Praxistipp: Struck - Hilfsmittel zur Unterstützten Kommunikation in der Heilpädagogischen Förderung mup 4|2013 | 199 Die Bahnpunkte von Bild 3 als PDF-Datei zum Ausdrucken finden Sie zum kostenlosen Download im Archiv von MuP 4/ 2013 unter http: / / www.reinhardt-journals.de/ index.php/ mup/ issue/ archive Die Autorin Henrike Struck Sonderpädagogin, Voltigier- und Reitpädagogin DKThR, Abteilungsleitung Werkbereich für Menschen mit komplexen Behinderungen sowie Reiterhof der Werkstätten der AWO Dortmund GmbH Anschrift: Henrike Struck · Werkstätten der AWO Dortmund GmbH · Lindenhorster Str. 38 44147 Dortmund h.struck@awo-reiterhof.de sprechenden Teilnehmern die Möglichkeit geben, sich an der Zielvereinbarung oder Reflektion zu beteiligen, aber auch Sprachanlass und -anreiz für (z. B. aus sozial-emotionalen Gründen) wenig sprechende Teilnehmer sein. Bildkarten zur Nutzung zu Hause Bei der Nutzung von Symbolen aus dem Bereich HFP in anderen Lebensbezügen steht der Kommunikationsaspekt über den Erfahrungen und Erlebnissen im Vordergrund. Das gewählte Vokabular sollte dies berücksichtigen, indem es Wörter zur Bewertung und zum Ausdruck von Gefühlen enthält. Thementafeln zum Kernvokabular Bei der Nutzung von „Kommunikationsordnern“ (z. B. „Kölner Kommunikationsordner“) ergänzt die Symbolsammlung bereits vorhandenes Vokabular. Auch die Nutzung von Kommunikationsordnern setzt Erfahrung oder Einarbeitung seitens des Pädagogen in dieses System voraus. Memory Eine gute Hilfe zur Anbahnung der Nutzung von Kartensätzen oder Zeigetafeln kann das Üben der Begriffe über „Memorys“ sein. Hier sind die jeweiligen Begriffe doppelt vorhanden und durch unterschiedliche Zuordnungsübungen kann das Erkennen der Begriffe trainiert werden. Für den Bereich der HFP steht über das UK-Büro ein spezielles Memory zur Verfügung. Talker Falls einfache Talker (Go-talk, Supertalker, Tobii S32 etc.) vorhanden sind, aber im Bereich HFP aus unterschiedlichen Gründen nicht eingesetzt werden, bietet es sich an mit Zeigetafeln zu arbeiten, die im gleichen Layout gestaltet sind. Dies gilt insbesondere für Geräte mit einer Ebene, sogenannte statische Systeme, bei denen gedruckte Symbolvorlagen eingesetzt werden. Die Zeigetafeln ermöglichen dem Teilnehmer, sein vertrautes Vokabular im gewohnten Layout zu nutzen. Darüber hinaus wird bei einer Anwendung der gleichen Tafeln im Talker eine Übertragung der Förderergebnisse auf den Alltag ermöglicht. Weiterführende Links: Kölner Kommunikationsordner: http: / / www.hf.uni-koeln.de/ 31801 UK-Büro Dortmund: www.uk-buero-dortmund.de Wunschkarten Julie Rauert: www.wunschkarten-reiten.de Konsequenzenpläne: www.activecommunication.ch/ media/ Workshopunterlagen/ Verhaltensunterstuetzung%20 mit%20InterAACT.pdf