eJournals mensch & pferd international 5/2

mensch & pferd international
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Recht & Sicherheit: Rechts- und Versicherungsfragen in der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd

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Nadine Friedrich
Der Artikel informiert über die Rechts- und Versicherungsfragen für festangestellte Mitarbeiter von Einrichtungen in Deutschland, die die heilpäd­ago­gische Förderung mit dem Pferd anbieten. Es werden verschiedene versicherungsrechtliche Perspektiven erläutert und die dafür notwendigen Versicherungen aufgeführt. Des Weiteren wird auch auf die Schweige- und Aufsichtspflicht eingegangen.
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mup 2|2013|97-100|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel | 97 Nadine Friedrich Recht & Sicherheit Rechts- und Versicherungsfragen in der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd Die heilpädagogische Förderung mit dem Pferd (HFP) ist ein organisatorisch sehr komplexes Angebot. Die Therapie findet in der Regel auf einer Reitanlage statt. Dazu gehören der Hof, die Stallungen, der Reitplatz und nicht zuletzt die Reithalle. Des Weiteren kommen die Klienten, bei Kindern auch ihre Eltern, der Therapeut mit seinem Assistenten oder weitere Helfer oder Betreuer auf die Anlage. Und natürlich ist vor allem das Pferd Teil der Therapie. Der Artikel informiert über die Rechts- und Versicherungsfragen für festangestellte Mitarbeiter von Einrichtungen in Deutschland, die die heilpädagogische Förderung mit dem Pferd anbieten. Es werden verschiedene versicherungsrechtliche Perspektiven erläutert und die dafür notwendigen Versicherungen aufgeführt. Des Weiteren wird auch auf die Schweige- und Aufsichtspflicht eingegangen. Die Grundabsicherung besteht zunächst darin, dass der Klient nachweislich Teil eines Angebots der Einrichtung ist. Dies geschieht in der Regel durch eine Therapievereinbarung oder einen Fördervertrag. Bei Kindern oder beeinträchtigten Menschen erteilen die Sorgeberechtigten oder die Betreuer den Förderauftrag. Der festangestellte Mitarbeiter ist durch seinen Arbeitsvertrag immer über die Einrichtung abgesichert. Absicherung von Schäden durch das Pferd Die Einrichtung benötigt in diesem Setting für die Pferde zunächst eine umfangreiche Haftpflichtversicherung. Diese sollte die allgemeine Tierhalterhaftpflicht mit einer eingegliederten Therapiepferdehaftpflicht sowie einer Fremdreiterklausel umfassen. Werden auch Pferde eingesetzt, die nicht im Besitz der Einrichtung sind, sollte dies mit der Versicherung gesondert besprochen und die Pferde mitversichert werden. Diese Tierhalterhaftpflicht trägt zunächst alle Sach- und Personenschäden, die durch das Pferd entstehen. Hierzu zwei Beispiele: Durch einen unerwarteten Knall in der Umgebung erschreckt sich das Pferd und richtet durch einen Sprung zur Seite einen Schaden an einem PKW an. Oder das Pferd erschreckt sich, das Kind rutscht vom Pferd, kann nicht mehr gesichert werden, stürzt und verletzt sich. In diesen Fällen besteht Schutz durch die Haftpflichtversicherung. Weiterhin greift diese Versicherung auch dann, wenn der Geschädigte dauerhafte Schäden wie Behinderungen, Lähmungen oder Einschränkungen erleidet. Insgesamt sollte die Versicherung folgende Unfallsituationen erfassen und die anfallenden Kosten tragen: 98 | mup 2|2013 Recht & Sicherheit: Friedrich - Rechts- und Versicherungsfragen in der Heilpädagogischen Förderung ■ Schadensfall bei Eigennutzung des Pferdes ■ Schadensfall im therapeutischen Reit- und Voltigierunterricht bzw. allen durchgeführten Therapiesettings (ggf. auch Bodenarbeit, Handpferdereiten etc.) ■ Schadensfall in gewerblicher Vermietung des Pferdes ■ Schadensfall in gewerblicher Vermietung zur HFP Absicherung von Schäden durch den Therapeuten Die Therapeuten sollten durch eine Berufshaftpflicht versichert sein, die die HFP mit einschließt. Diese Berufshaftpflicht sichert alle nicht fahrlässigen Schäden seitens des Therapeuten mit ab. Sie sollte den vollständigen Tätigkeitsbereich des Pädagogen mit abdecken und folgende Schadensfälle mit einschließen: ■ Personenschäden ■ Sachschäden ■ Vermögensschäden Die Versicherung sollte zusätzlich Helfer und Praktikanten mit einschließen. Vorgehen im Schadensfall Damit bei Unfällen mit Verletzungen von Menschen oder Pferden schnell gehandelt werden kann, empfiehlt es sich, in der Reithalle einen Verbandskasten (Verwendbarkeitsdatum kontrollieren), eine Notfallnummerntafel sowie die Telefonnummer des Tierarztes und des Hufschmieds gut erkennbar auszuhängen. Nach der Versorgung des Geschädigten sollte dann der Mitarbeiter unabhängig von der Art des Schadensfalls umgehend den zuständigen Ansprechpartner der Versicherung informieren und ihn über Ort, Zeit, Art des Unfalls und den Unfallhergang in Kenntnis setzen. Orientiert an der Schwere und Art des Unfalls wird er notwendige Schritte einleiten und es der Versicherung mitteilen. Gegebenenfalls wird dann ein gemeinsames Gespräch geführt und der Unfall besprochen. Darüber hinaus muss der Mitarbeiter seinen Vorgesetzten über den Unfall informieren. Entsteht durch den Klienten ein Sachschaden am Material oder eine Verletzung am Pferd, so trägt dies die Haftpflichtversicherung des Klienten. Sicherheitsrelevante Bestimmungen zum Erhalt des Versicherungsschutzes und Unfallprävention Zunächst gehört ein sicherer und geübter Umgang mit dem Pferd zur ersten Unfallprävention. Ferner sollten der Therapeut und seine Assistenten die grundlegenden Regeln für den Umgang mit Pferden kennen und beachten. In den Richtlinien Band 4 der FN (Deutsche Reiterliche Vereinigung 2010) werden diese näher erläutert. Dazu gehört die artgerechte Haltung und Fütterung, das Wissen um sein arttypisches Verhalten, wie Fluchtverhalten und Herdenverhalten, aber auch die Trainingsplanung und Berücksichtigung des Ausbildungsstandes des Pferdes. Zusätzlich sollten die zutreffenden Paragraphen des Tierschutzgesetzes beachtet werden (Prinz 2009, 146-149). Die Rahmenbedingungen zur sicheren Durchführung einer Förderstunde umfassen z. B. die Einhaltung geltender Sicherheitsregeln in Stall und Halle, eine anspruchsgerechte Reithalle sowie vollständiges und funktionsfähiges Material (z. B. korrekte Zäumung, Voltigiergurte, Sättel etc.). Störungen und Unterbrechungen der Förderstunde sind zu vermeiden. Die Kleidung des Klienten muss dem Einsatz und den Witterungsansprüchen entsprechend sein (Deutsche Reiterliche Vereinigung 2008, 92). Bei Kindern sind der Entwicklungsstand und ihre individuellen Bedürfnisse unbedingt zu beachten. Häufig gestellte Fragen zum Thema „Reitkappe“ orientieren sich am Angebot. Inner- Recht & Sicherheit: Friedrich - Rechts- und Versicherungsfragen in der Heilpädagogischen Förderung mup 2|2013 | 99 halb des Heilpädagogischen Voltigierens sowie bei bestimmten geführten Settings der Frühförderung tragen die Kinder keine Kappe (zusätzliche Unterstützung des Therapeuten durch den Pferdeführer, erhöhte Möglichkeiten der Sicherung), beim Heilpädagogischen Reiten ist die Kappe Pflicht (Deutsche Reiterliche Vereinigung 2008, 93). Es wird hier vorausgesetzt, dass der Pädagoge über die notwendigen Kenntnisse in Pferdesport und pädagogischem Fördersetting verfügt und sie zertifiziert nachweisen kann. Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass Helfer und Pferdeführer ebenfalls über grundlegende Kenntnisse im Umgang mit Pferden verfügen (Basispass, Trainerlizenz, sonstige Abzeichen) und ordnungsgemäß vom verantwortlichen Therapeuten eingewiesen werden. Abschließend bleibt zu betonen, dass Verantwortliche sich regelmäßig fortbilden und informieren, um über Neuerungen und Veränderungen in Kenntnis zu sein. Der Einsatz von fachkompetenten Mitarbeitern erhöht die Qualität des Angebotes. Nicht alle dieser Sicherheitshinweise sind alle relevant für den Erhalt des Versicherungsschutzes, aber sie tragen zur Unfallprävention bei. Versicherungsrechtlich ist es natürlich wichtig, wesentliche Veränderungen dem Versicherungsmakler mitzuteilen. Eine fachlich verantwortungsbewusste und ordnungsgemäße Durchführung der Arbeit führt immer zu hoher Sicherheit und somit auch zum Versicherungsschutz. Die Aufsichtspflicht in der HFP mit Kindern und Jugendlichen Während der HFP haben Therapeuten die Aufsichtspflicht über die Kinder. Daher werden an dieser Stelle einige Aspekte zur Aufsichtspflicht dargestellt. Der Aufsichtspflicht unterliegen Kinder unter 14 Jahren und Jugendliche von 14 bis 18 Jahren. Die Aufsichtspflicht besteht von Personensorgeberechtigen und -beauftragten gegenüber Minderjährigen. Es gibt keinen Zeitpunkt, zu dem nicht irgendjemand die Aufsichtspflicht gegenüber Minderjährigen innehat. Grundsätzlich umfasst die Aufsichtspflicht das körperliche Wohl, das dingliche Wohl und das sittliche Wohl. Eine Verletzung der Aufsichtspflicht wird durch den Paragraphen § 832 BGB geregelt (Bürgerliches Gesetzbuch 2004, 205). Die Aufsichtspflicht des Therapeuten beginnt erst mit der Übergabe zu Beginn der Stunde und endet mit der Übergabe und Verabschiedung am Ende der Stunde. Es gilt also, die Kinder aufgrund ihres Alters und der offenen Situation einer Reithalle gut zu schützen. Schweigepflicht Wie oben bereits dargestellt, findet die HFP nur nach erteiltem Förderauftrag statt. Für alle Pädagogen, Helfer und fachverwandte Berufsgruppen gilt damit die gesetzliche, therapeutische Schweigepflicht. Eine Verletzung der Schweigepflicht regelt der § 302 Strafgesetzbuches (Strafgesetzbuch URL). Eine Schweigepflichtsentbindung für Kooperation mit anderen Fachkräften muss gesondert erteilt werden. Fazit Die zu bedenkenden Rechts- und Versicherungsfragen sind umfangreich und aufwendig, jedoch bilden sie eine unerlässliche Grundlage der Arbeit. Geschieht trotz aller möglichen Präventionsmaßnahmen ein Schadensfall, sollten alle Beteiligten gut abgesichert und versorgt sein. Daher sollten sich Einrichtungen ausführlich beraten lassen, um einen für sie vollständigen Versicherungsschutz zu erhalten. Literatur ■ Bürgerliches Gesetzbuch (2004): 55. Aufl., Beck-Texte im DTV, München ■ Deutsche Reiterliche Vereinigung e. V. (2010): Richtlinien für Reiten, Fahren und Voltigieren. Band 4, Haltung, Fütterung, Gesundheit und Zucht. 4. Aufl. FN, Warendorf ■ Deutsche Reiterliche Vereinigung e. V. (2008): Richtlinien für Reiten, Fahren und Voltigieren. Band 3, Voltigieren. FN, Warendorf 100 | mup 2|2013 Recht & Sicherheit: Friedrich - Rechts- und Versicherungsfragen in der Heilpädagogischen Förderung ■ Prinz, U. (2009): Gesetzliche Forderungen an die tierschutzgerechte Haltung von Pferden. Mensch und Pferd international 3, 146-149 ■ Strafgesetzbuch (1998): In: http: / / www. gesetze-im-internet.de/ bundesrecht/ stgb/ gesamt.pdf, 8.12.2012 Die Autorin Nadine Friedrich Dipl. Pädagogin, staatl. anerkannte Fachkraft für die heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd, Trainer C Voltigieren, Therapeutin in der Frühförderung. Anschrift: Nadine Friedrich · Am Bach 10 D-33829 Borgholzhausen · nadine-friedrich@gmx.de