eJournals mensch & pferd international 5/2

mensch & pferd international
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1867-6456
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Praxistipp : Bodenarbeit zur psychomotorischen Förderung von Kindern

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2013
Elke Haberer
Melanie Ploppa
Praxistipp : Bodenarbeit zur psychomotorischen Förderung von Kindern
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mup 2|2013|101-104|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel | 101 Elke Haberer, Melanie Ploppa Praxistipp Bodenarbeit zur psychomotorischen Förderung von Kindern Im Rahmen der wissenschaftlichen Studie „Psychomotorik mit dem Pferd - Bodenarbeit als Methode zur Förderung psychomotorischer Kompetenzen“ wurden Handlungsweisen und Zielsetzungen der Psychomotorik auf pferdegestützte Interventionen mit Kindern übertragen und das Konzept „Psychomotorik mit dem Pferd“ entwickelt (Haberer 2012; Ploppa 2012). Bodenarbeit wurde als ein Baustein des Konzepts detailliert analysiert und das Potential der motorischen, kognitiven, emotionalen und sozialen Förderung von Kindern vom Boden aus wurde herausgearbeitet und im Heft 1 / 2013 der „Mensch und Pferd“ veröffentlicht (Haberer / Ploppa i. D.). Tabelle 1 veranschaulicht nun ausgewählte Interventionsinhalte des Bausteins, welcher sich inhaltlich und methodisch am kindzentrierten (Zimmer 2010) und kompetenzorientierten (Schilling 1990) Ansatz der Psychomotorik sowie am Natural Horsemanship (Parelli 1995; Tellington-Jones 2002) orientiert. Geordnet sind die Inhalte nach den Förderbereichen Material-, Körper- und Sozialerfahrung - es werden Durchführungshinweise gegeben und die jeweiligen Ziele beschrieben. Die Fotos dienen zur Veranschaulichung der Inhalte. Ausgegangen wird davon, dass in Situationen, in denen bewegungsorientiert vielfältige Material-, Sozial- und Körpererfahrungen gemacht werden, und in denen die Pädagogin psychomotorische Handlungsmethoden zeigt, ganzheitlich und kindgemäß die Entwicklung gefördert werden kann. Es können im Rahmen pferdegestützter Interventionen bewusst psychomotorische Handlungsmethoden nach Zimmer (2010) und Köckenberger (2008) gezeigt werden. Diese sind ■ die aufmerksame Beobachtung und Wachheit für momentane Situationen, um schnell auf das aktuelle Verhalten der Kinder reagieren zu können, ■ Ruhe und Zuversicht auch in kritischen Situationen, ■ die Regulierung der Nähe, damit jedes Kind die Möglichkeit hat, das Maß seiner Beteiligung sowie das Tempo selbst zu bestimmen, ■ nicht-direktives Verhalten, damit die Hauptaktivität bei den Kindern liegt und das kreative und selbstständige Spiel sowie das Sich-selbst- Erproben im Vordergrund der Stunde steht, ■ Reflexion von Gefühlen, Problemlöseverhalten und verbales Bewusstmachen von Verhaltensweisen - auf diese Weise wird an Stelle von Lob und direkter Verstärkung indirekt bewertet, ■ ressourcen- und bedürfnisorientiertes, verlaufs- und ergebnisoffenes Handeln, indem sich die Pädagogin aufgreifender (situativer), beteiligender (induktiver) und mitspielender (kommunikativer) Methoden bedient. 102 | mup 2|2013 Praxistipp: Haberer, Ploppa - Bodenarbeit zur psychomotorischen Förderung von Kindern Tabelle 1: Praxistipp - Bodenarbeit zur psychomotorischen Förderung von Kindern Inhalte Durchführungshinweise Ziele Förderbereich Materialerfahrung Warm und kalt, weich und haarig Die Pädagogin stellt den Kindern die Frage, ob sich das Pferd überall gleich anfühlt. Die Kinder berühren das Pferd an unterschiedlichen Körperstellen und ordnen das Gefühlte Körperteilen zu: Z. B. weich und kaum Haare, ein paar lange Haare - Pferdemaul, Nüstern, Kinn etc. Die Körperteile können dann mit dem menschlichen Körper verglichen werden. - Sachkompetenz: Kennenlernen des Pferdekörpers und seine Eigenschaften: Oberflächenstruktur, -temperatur, Aussehen, Geräusche, Größe etc. - Sensomotorische Kompetenzen: Sinnesschulung: Taktil, olfaktorisch, akustisch, visuell - Körperorientierung, Körperbewusstsein: Vergleich des Pferdekörpers mit dem eigenen Körper Bürstensortieren Die Pädagogin fragt nach den Unterschieden der vorhandenen Bürsten (Größe, Härtegrad) und nach Ideen der Kinder, warum es unterschiedliche Bürsten gibt. Kinder probieren die Bürsten bei sich selbst und dem Pferd aus. Die Pferdebürsten werden dann sortiert und unterschiedlichen Körperteilen zugeordnet und schließlich damit geputzt. - Zugang zu neuem Material - Sachkompetenz: Kategorisierung, Erkennen von Unterschieden in Größe und Härtegrad - Sensomotorische Kompetenzen: Sinnesschulung: Taktil, visuell - Handlungskompetenz: Regelgerechter Umgang mit Materialien Im Urwald Die Pädagogin erzählt eine Geschichte vom Urwald, in der die Kinder die Aufgabe haben, mit ihrem Pferd Proviant über Moore und Flüsse zu transportieren. Es stehen unterschiedliche Materialien zur Verfügung: Stangen, Kisten, Decken etc. Die Kinder bauen einen Damm aus den Materialien und führen ihr Pony mit dem umgeschnallten Proviant durch den Urwald. - Sachkompetenz: Vielfältiger und kreativer Einsatz unterschiedlicher Materialien - Handlungskompetenz: Erarbeitung von Handlungsstrategien und -alternativen Körpererfahrung Die Pferdesprache Die Pädagogin macht die Kinder auf die Gefühlsäußerungen von Pferden aufmerksam - Ohrenspiel, Körperhaltung, Unterlippe, Kopfhaltung etc. Die Kinder versuchen in unterschiedlichen Situationen, die Gefühlslage des Pferdes zu erkennen (entspannt, nervös, ängstlich, aufmerksam) und mit menschlicher Ausdrucksweise nachzumachen. - Sinnesschulung: Wahrnehmung kleinster Reaktionen des Pferdes - Körperausdruck: Gefühle über den eigenen Körper ausdrücken Praxistipp: Haberer, Ploppa - Bodenarbeit zur psychomotorischen Förderung von Kindern mup 2|2013 | 103 Inhalte Durchführungshinweise Ziele Der Postbote Das Pferd ist ein Nachrichtenübermittler, eine Nachricht, die mit Fingerfarbe auf das Fell gemalt wurde, soll von der einen Kindergruppe zur anderen gesendet werden. Die Kindergruppen befinden sich an unterschiedlichen Positionen in der Halle und treiben das Pferd jeweils zur anderen Gruppe. Hierbei reagiert das Pferd auf Körpersprache (aufrecht, energetisch, selbstbewusst) unabhängig vom äußeren Erscheinungsbild. Das Pferd sollte dabei sicher das Spiel der Wegschickens und Heranholens beherrschen, ohne die Rangordnung zu hinterfragen. - Bewegungsschulung: Gezieltes Einsetzen des eigenen Körpers damit das Pferd von der Stelle weicht - Körperorientierung: Gezielter Einsatz des Körpers, damit das Pferd in die gewünschte Richtung läuft - Körperbewusstsein: Reflektion über Körperhaltung und Körpersprache - Körperausdruck: Handlungsziele über Körpersprache mitteilen Sozialerfahrung Führen und führen lassen Die Kinder spielen in 2er-Gruppen Pferd und Reiterin. Das Kind, das das Pferd spielt wird am Strick geführt, und die Reiterin gibt über den Strick die Kommandos. Richtung, Tempo etc. - Soziale Sensibilität: Achtsamkeit dem Partner gegenüber - Kontakt- und Kooperationsfähigkeit: Kommunikationsfähigkeit - Toleranz und Rücksichtnahme Zirkus Die Pädagogin erzählt eine Geschichte vom Zirkus. Das Pferd ist nun ein Zirkuspferd und will geschmückt auf die Bühne gehen. Den Kindern stehen unterschiedliche Materialien zur Verfügung: Decken, Schals, Spielzeug etc. Die Kinder schmücken das Pferd. Bei der Spielzeugschlange zeigt das Pferd Angst. Die Kinder verzichten auf ihren Plan, es weiter zu schmücken und beschäftigen sich stattdessen mit der Desensibilisierung und Gewöhnung an das Spielzeug. - Soziale Sensibilität: Erkennen der Gefühle Anderer - Frustrationstoleranz: Eigene Bedürfnisse aufschieben lernen - Toleranz und Rücksichtnahme: Akzeptieren der Bedürfnisse Anderer Putzen Die Pädagogin lässt die Kinder selbstständig das Pferd putzen. In einigen Situationen benötigen die Kinder Hilfe und fragen untereinander nach Hilfestellung. Die Kinder helfen sich beispielsweise beim Auskratzen der Hufe. - Kontakt- und Kooperationsfähigkeit: Um Hilfe fragen, Hilfe anbieten, gegenseitig helfen. 104 | mup 2|2013 Praxistipp: Haberer, Ploppa - Bodenarbeit zur psychomotorischen Förderung von Kindern Des Weiteren können Situationen mit dem Pferd hergestellt werden, die ein Zusammenspiel von Bewegung, Wahrnehmung, Erleben, Denken und Fühlen in sozialen Bezügen ermöglichen, so dass individuell neue Sozial-, Material- und Körpererfahrungen gesammelt werden können. Die Bodenarbeit versteht sich als Kommunikations- und Beziehungsaufbau zwischen Mensch und Pferd und beinhaltet vielfältige Bewegungs-, Spiel- und Handlungsmöglichkeiten. Sie wird innerhalb der „Psychomotorik mit dem Pferd“ in Themen wie „Beobachten und Wahrnehmen“, „Handlungen am Pferd“, „Führen“, „Treiben“ und „Bewegen einzelner Körperteile des Pferdes“ umgesetzt. Detailliert sind diese Bausteine in Ploppa (2012) beschrieben. Literatur ■ Haberer, E., Ploppa, M. (2013): Psychomotorik mit dem Pferd - Bodenarbeit als Methode zur Förderung psychomotorischer Kompetenzen. Mensch und Pferd 1, 17-27 ■ Haberer, E. (2012): Psychomotorik mit dem Pferd. Unveröffentlichte Projektarbeit im Rahmen der Weiterbildung zur erlebnisorientierten Reitpädagogin IPTH ■ Köckenberger, H. (2008): Vielfalt als Methode - Methodische und praktische Hilfen für lebende Bewegungsstunden, Psychomotorik und Therapie. Löer Druck, Dortmund ■ Parelli, P., Gieseke, U. [Übers.], Gieseke, B. [Übers.] (1995): Natural Horse-Man-Ship. Kierdorf, Wipperfürth ■ Ploppa, M. (2012): Psychomotorik mit dem Pferd. Unveröffentlichte Masterarbeit. Universität Osnabrück ■ Schilling, F. (1990): Das Konzept der Psychomotorik - Entwicklung wissenschaftlicher Analysen, Perspektiven. In: Huber, G., Rieder, H., Neuhäuser, G. (Hrsg.): Psychomotorik in Theorie und Pädagogik. Modernes Lernen, Dortmund, 55-77 ■ Tellington-Jones, L. (2002): TTOUCH und TTEAM für Pferde - Der sanfte Weg zu Gesundheit, Leistung und Wohlbefinden. Kosmos, Stuttgart ■ Zimmer, R. (2010): Handbuch der Psychomotorik - Theorie und Praxis der psychomotorischen Förderung von Kindern. 5. Aufl. Herder, Freiburg im Breisgau Die Autorinnen Dr. Elke Haberer Dipl.-Pädagogin, Promotion an der Universität Osnabrück, Reitpädagogin (IPTh), wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sport- und Bewegungswissenschaften der Universität Osnabrück, selbständige Reittherapeutin in der Praxis VI.OS in Osnabrück. Melanie Ploppa MA Lehramt an Grund- und Hauptschulen, Masterarbeit zum Thema „Psychomotorik mit dem Pferd - Bodenarbeit als Methode zur Förderung psychomotorischer Kompetenzen? “, Lehramtsanwärterin für Sport und Mathematik, selbstständige Erlebnispädagogin, arbeitet pferdegestützt im Setting Psychomotorik in der Praxis VI.OS in Osnabrück. Anschriften: Dr. Elke Haberer · Kokschestraße 33 D-49080 Osnabrück · ehaberer@uos.de Melanie Ploppa · Herminenstraße 23 D-49080 Osnabrück · melanie_ploppa@yahoo.de