mensch & pferd international
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mup2013.art05d
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Unterstützte Kommunikation (UK) in der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd
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Kathrin Schäffer
Henrike Struck
In der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd (HFP) wird konzeptionell stark über den Bewegungsdialog und die damit implizierte Verbesserung im Beziehungsaufbau und auch in der Kommunikation gearbeitet. Darüber hinaus gibt es im Bewegungsdialog mit dem Pferd vielfältige Fördersituationen, die eine Kommunikationsanbahnung und -erweiterung ermöglichen, wenn sie entsprechend methodisch unterstützt werden. Hier sind die besonderen Einsatzfelder der Unterstützten Kommunikation in der HFP zu sehen. Zur HFP kommen Kinder und Jugendliche, aber zunehmend auch Erwachsene, die bereits über Vorerfahrungen im Bereich der UK verfügen und diese Kenntnisse auch in der Förderung mit dem Pferd angemessen zur Kommunikation nutzen wollen. Der folgende Artikel gibt einen kurzen Einblick in die drei grundlegenden Bereiche der Unterstützten Kommunikation und zeigt die Vor- und Nachteile der einzelnen Verfahren für die HFP. Im nächsten Heft werden dann im Praxistipp weitere Ideen für Materialien vorgestellt.
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116 | mup 3|2013|116-124|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378/ mup2013.art05d Kathrin Schäffer, Henrike Struck Schlüsselbegriffe: UK = Unterstützte Kommunikation, körpereigene Kommunikationsformen, nichtelektronische Kommunikationsformen, elektronische Kommunikationsformen, Symbole In der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd (HFP) wird konzeptionell stark über den Bewegungsdialog und die damit implizierte Verbesserung im Beziehungsaufbau und auch in der Kommunikation gearbeitet. Darüber hinaus gibt es im Bewegungsdialog mit dem Pferd vielfältige Fördersituationen, die eine Kommunikationsanbahnung und -erweiterung ermöglichen, wenn sie entsprechend methodisch unterstützt werden. Hier sind die besonderen Einsatzfelder der Unterstützten Kommunikation in der HFP zu sehen. Zur HFP kommen Kinder und Jugendliche, aber zunehmend auch Erwachsene, die bereits über Vorerfahrungen im Bereich der UK verfügen und diese Kenntnisse auch in der Förderung mit dem Pferd angemessen zur Kommunikation nutzen wollen. Der folgende Artikel gibt einen kurzen Einblick in die drei grundlegenden Bereiche der Unterstützten Kommunikation und zeigt die Vor- und Nachteile der einzelnen Verfahren für die HFP. Im nächsten Heft werden dann im Praxistipp weitere Ideen für Materialien vorgestellt. Unterstützte Kommunikation (UK) in der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd Schäffer, Struck - Unterstützte Kommunikation (UK) in der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd mup 3|2013 | 117 „Unterstützte Kommunikation ist eine Methode zur Verbesserung der kommunikativen Fähigkeiten von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die noch nicht oder nicht mehr sprechen können“ (Otto / Wimmer 2010, 11). Dabei kommen neben körpereigenen Kommunikationsformen auch nichtelektronische und elektronische Kommunikationshilfen zum Einsatz. Die Unterstützte Kommunikation teilt sich somit in drei Bereiche, die einander in der Regel überschneiden. Körpereigene Kommunikationsformen Bei den körpereigenen Kommunikationsformen wird zwischen grundlegenden und komplexeren Kommunikationsformen unterschieden. Bei den grundlegenden Kommunikationsformen sind zu nächst die vegetativen Reaktionen zu nennen, d. h. Atmung, Puls und Muskeltonus. Die Veränderung dieser vegetativen Reaktionen lässt Rückschlüsse auf die Befindlichkeit des Teilnehmers zu. Dies setzt allerdings voraus, dass der Pädagoge den Teilnehmer gut kennt und so Veränderungen auch erkennen kann. Darüber hinaus muss er die Bereitschaft zu einem bewussten Umgang auch mit dem eigenen ganzkörperlichen Ausdrucksverhalten mitbringen. Umfassend konzeptionell eingesetzt werden diese Kommunikationsformen insbesondere bei Mall (2008) im Bereich der „Basalen Kommunikation“ sowie bei Fröhlich / Simon (2004) im Bereich der „Basalen Stimulation“. Mall (2001, 89) unterscheidet die Kommunikationsformen Atemrhythmus, Lautäußerung, Berührung und Bewegung, die es ermöglichen, die „Sprache“ des Kommunikationspartners zu erlernen, auch wenn er nicht oder nur wenig über Mimik, Gestik oder Lautsprache verfügt. Vegetative Reaktionen (Atmung, Puls, Tonus), Mimik, Lautieren und „ja“-„nein“ Zeichen (Kopf, Augen) sind auch bei der Arbeit mit dem Pferd gut einsetzbar. Es bedarf aber einer genauen Beobachtung und einer guten Kenntnis des Teilnehmers. „Basale Stimulation versteht sich als pädagogisches Konzept und nicht als therapeutische Technik. Im Vordergrund steht der Aufbau einer gemeinsamen Beziehung und das wechselseitige sich Einlassen der Kommunikationspartner aufeinander mittels der körperlichen Begegnung durch die Anregung primärer Körper- und Bewegungserfahrungen mit einfachsten Mitteln“ (Fröhlich / Simon 2004 nach Kaiser- Mantel 2012, 26). Basale Stimulation Übertragung auf die Arbeit mit dem Pferd Innerhalb dieses Konzeptes sind Spiegelungsprozesse, die das Pferd als Therapiemedium bietet, gut nutzbar zu machen. Daraus, wie gelöst oder verspannt das Pferd sich bewegt, wie es auf den Teilnehmer am Boden oder während der Arbeit auf dem Pferd reagiert, können z. B. bei guter Kenntnis und Beobachtung beider Interaktionspartner viele Rückschlüsse gezogen werden. Beim Lautieren kann durch das Liegen auf dem Pferd ein vergrößerter Resonanzkörper geschaffen werden, der zu Kommunikationsansätzen motivieren kann. In der Förderung mit dem lebendigen Partner Pferd können frühe Kommunikationserfahrungen aus dem körpernahen Dialog zwischen Mutter und Kind aufgegriffen bzw. erneut angebahnt werden (Schulz 2009, 86). Über den Bewegungsdialog und das „antwortende Bewegungsverhalten“ des Pferdes, „Mit der basalen Kommunikation erweitert Mall (2008) das Konzept von Fröhlich / Simon (2004) und stellt den Aspekt der Kommunikation in den Vordergrund. Alle körperlichen Verhaltensweisen werden von Mall grundsätzlich als Ausdrucksverhalten verstanden, auf das wiederum mit passendem körperlichen Verhalten sinnlich wahrnehmbar geantwortet werden soll“ (Kaiser-Mantel 2012, 26). Basale Kommunikation 118 | mup 3|2013 Schäffer, Struck - Unterstützte Kommunikation (UK) in der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd welches versucht, unter den Schwerpunkt des Reiters zu treten, entsteht ein Austausch feinster körperlicher Signale, in denen der Teilnehmer sich auch ohne aktive Lautsprache als selbstwirksam erfährt. Komplexere körpereigene Kommunikationsformen sind z. B.: ■ Blickkontakt und Zeigebewegungen ■ Fingeralphabet und taktile Handzeichen ■ Gesten und individuelle Gebärden ■ Lautunterstützende Gebärden (LUG) und Phonembestimmtes Manualsystem (PMS) ■ Gebärden der deutschen Gebärdensprache (DGS) Einige Gebärden sind intuitiv erkennbar, die meisten dieser Kommunikationsformen sind aber entstanden durch Vereinbarungen. Sie set- Bild 1a und 1b: Gebärdenbeispiele mit freundlicher Genehmigung des Zentrums Tanne, Schweizerische Stiftung für Taubblinde Bild 1a: „Pferd“ Bild 1b: „reiten“ zen eine Kenntnis dieser Vereinbarungen durch beide Kommunikationspartner voraus, damit die Kommunikation gelingen kann. Sie sind daher nur bedingt auf Situationen übertragbar, die diese Voraussetzung nicht bieten. Übertragung auf die Arbeit mit dem Pferd Die komplexeren körpereigenen Kommunikationsformen sind in der Arbeit mit dem Pferd in der Regel gut einsetzbar, solange alle Beteiligten mit den Systemen vertraut sind. Einfache Zeigebewegungen und Gesten sind häufig intuitiv und lassen sich z. B. einsetzen, um das Losgehen und Halten des Pferdes anzeigen zu können. Anhand des konkreten Handlungsbezuges durch die Reaktion des Pferdes auf das Signal kann Sinn und Symbolgehalt von Kommunikation verdeutlicht werden (Struck / Gultom-Happe 2006, 2). Umfangreichere Gebärdensysteme erweitern dann nach und nach die Kommunikationsmöglichkeiten. Sobald Personen einbezogen werden sollen, die diese Kommunikationsformen nicht kennen, stößt man allerdings schnell an Grenzen, da die Einarbeitung meist aufwändig ist. Die Kommunikation von Teilnehmern untereinander im Setting der Gruppenförderung erfordert in der Regel die Rolle des „Übersetzers“ durch den Pädagogen oder das Mitlernen der gesamten Gruppe. Darüber hinaus ist bei der Arbeit auf dem Pferd die Kommunikation dadurch eingeschränkt, dass die Hände zum Festhalten oder Führen der Zügel benötigt werden. Dies sollte z. B. dahingehend beachtet werden, dass Absprachen über ein „Stopp-Signal“ zunächst im Schritt getroffen werden, bevor eine höhere Gangart gewählt wird. Der Wortschatz ist, außer beim Einsatz der Deutschen Gebärdensprache, in der Regel eingeschränkt. Das bedeutet, dass für die Arbeit mit dem Pferd meist Sonderzeichen vereinbart werden müssen, die nicht uneingeschränkt auf andere Situationen übertragbar sind. Hier können in der praktischen Anwendung z. B. Fotos der Gebärden helfen, die anderen Kommunikationspartnern (Familie, Schule etc.) die Zeichen erklären. Schäffer, Struck - Unterstützte Kommunikation (UK) in der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd mup 3|2013 | 119 Nichtelektronische Kommunikationshilfen Im Bereich der nichtelektronischen Kommunikationshilfen sind als Grundlage vor allem die Symbolsammlungen zu nennen. Hier werden einzelne Wörter und kurze Sätze durch grafische Abbildungen dargestellt, die in der Regel durch Schrift ergänzt werden. Mittlerweile sind verschiedene Symbolsammlungen in Gebrauch, die gängigsten sind sicher die PCS der Firma Boardmaker und die Sammlung Metacom, die durch die Mutter eines unterstützt kommunizierenden Kindes erstellt wurde. Neu auf dem Markt und deshalb noch nicht so verbreitet ist eine Symbolsammlung mit dem Namen „Symbolstix“. Darüber hinaus können auch Fotos, eigene Bilder und Zeichnungen, Schrift oder Realgegenstände und deren Miniaturen (z. B. Playmobil) zur Kommunikation eingesetzt werden. Umgesetzt werden diese Symbole dann beispielsweise in Form von: ■ Buchstabentafeln, auf denen Wörter gezeigt werden können ■ Bildkarten mit Symbolen oder Fotos ■ Thementafeln ■ Ablaufplänen (auch für die gesamte Gruppe) ■ Ich-Büchern (Zeigebüchern). Übertragung auf die Arbeit mit dem Pferd Nichtelektronische Hilfsmittel lassen sich in der Arbeit mit dem Pferd gut einsetzen. Sie sind preiswert, robust und fast überall verwendbar. Deshalb haben sie im Bereich der nicht-körpereigenen Kommunikationsformen sicher das größte Einsatzgebiet im Bereich der HFP. Wenn Symbole zusätzlich mit Schrift versehen werden, sind sie übertragbar, so dass auch Personen, die nicht in die Symbolsammlung eingewiesen sind, mit dem Teilnehmer kommunizieren können. In allen Symbolsammlungen finden sich einige Symbole rund um den Bereich „Pferd und reiten“, am umfangreichsten und flexibelsten ist allerdings das dementsprechend teure System PCS von Boardmaker. Spezielles Vokabular ist meist schwer zu finden, hier müssen oft eigene Symbole oder Fotos erstellt werden. Ein Nachteil nichtelektronischer Hilfsmittel ist, dass das Vokabular in der Regel sehr eingeschränkt ist, da nicht mit zu vielen Karten oder Symbolen gleichzeitig gearbeitet werden kann. Außerdem erfordern Symbolkarten und Zeigetafeln die Aufmerksamkeit des Kommunikationspartners, so dass ein Kommunikationsansatz häufig übersehen wird. Größere Zeigetafeln sind am Pferd z. T. auch unhandlich und die Bewegung des Pferdes erschwert das „Zielen“ auf Symbole. Hinsichtlich der Umsetzung von UK in der HFP hat sich in der Praxis deshalb besonders der Einsatz von kleineren Symbolkarten bewährt. Bild 2: Beispiel für eine Kommunikationstafel Bild 3: Symbolsammlung Pferd am Karabiner 120 | mup 3|2013 Schäffer, Struck - Unterstützte Kommunikation (UK) in der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd Mit einem Karabinerhaken, z. B. am Therapiegurt befestigt, sind diese Symbole für alle Kommunikationspartner stets leicht verfügbar und damit sehr einfach zu handhaben. Die einzelnen Karten des abgebildeten Systems haben eine Größe von etwa 10x10 cm und sind mit Boardmaker-Symbolen versehen, mit denen sowohl einfache Begriffe wie „Putzzeug“ oder „Halfter“, aber auch Tätigkeiten wie „Pferd füttern“ oder „auf das Pferd aufsteigen“ dargestellt werden können. Ziel der Verwendung dieser Symbolkarten in der HFP ist, mit den Karten z. B. in Form eines Ablaufplanes eine klarere Strukturierung der Therapiesituation zu erreichen (Schulte Mesum / Siepmann 2011, 145) sowie nichtsprechenden Teilnehmern mehr Kommunikationsmöglichkeiten zu eröffnen. Über einen Frage-Antwort-Dialog hinaus, welcher meist durch den Therapeuten initiiert wird, sollen dem Teilnehmer mehr Kommunikationsstrategien eröffnet und z. B. das Äußern von konkreten Bedürfnissen und Wünschen erleichtert werden, so dass dieser nicht mehr ausschließlich von den Fragen des Therapeuten abhängig ist. Dies gilt insbesondere für Teilnehmer mit Autismus-Spektrum-Störungen oder komplexen (schwersten und mehrfachen) Behinderungen. Als sinnvoll hat es sich dabei erwiesen, aus einem gewissen vorgefertigten Kartenkontingent für den jeweiligen Teilnehmer einen individuellen Kartensatz auszuwählen. Unter Berücksichtigung der sprachlichen Fähigkeiten (aktiver/ passiver Wortschatz und Sprachverständnis), welche den Schwierigkeitsgrad der Symbole bestimmen, scheint insbesondere zu Beginn der Förderung mit UK ein Kartensatz von fünf bis zehn Symbolen angemessen zu sein. Bewährt hat es sich außerdem, zwei Kartensätze parallel zu verwenden, welche erstens auf die Vorbereitung des Pferdes zum Reiten und zweitens auf das Reiten / Voltigieren selbst abgestimmt sind. Beide Kartensätze sollten dabei sowohl situationsgebundene Begriffe wie „aufsteigen“, als auch übergreifende Symbole, die in beiden Kartensätzen wiederzufinden sind, wie „ja“ und „nein“ beinhalten. Als pädagogische Vorgehensweise haben sich dabei folgende Grundsätze als relevant erwiesen: (1) schrittweises Einführen der einzelnen Symbole, um einer Überforderung entgegenzuwirken, (2) Kontinuität durch regelmäßigen Einsatz der Symbole sowie (3) Konstanz (Beständigkeit) in der Verwendung der Symbole. So sollten die gleichen Symbolkarten auch immer für die gleichen Tätigkeiten verwendet werden. Die Bilder sollten immer mit Wörtern kombiniert werden, um einen möglichst breiten Einsatz zu ermöglichen. Wichtig ist beim Einsatz auf dem Pferd, auf den veränderten Bewegungsradius und die veränderten Bewegungsmöglichkeiten des Teilnehmers in dieser Situation zu achten. Bildtafeln, die am Boden gut einsetzbar sind, müssen für die Arbeit auf dem Pferd evtl. verkleinert oder in der Symbolanzahl reduziert werden. Über einen Frage-Antwort-Dialog sollen dem Teilnehmer mehr Kommunikationsstrategien eröffnet werden. Bild 4: Symbolkarten zum Thema „Reiten“ Schäffer, Struck - Unterstützte Kommunikation (UK) in der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd mup 3|2013 | 121 Exemplarisch sind folgende Situationen der Verwendung von UK in der HFP vorstellbar: ■ auf dem Pferd: der Teilnehmer nimmt durch Zeigen auf die Symbolkarten „schneller“ oder „langsamer“ aktiv Einfluss auf die Gangart des Pferdes und erfährt damit direkt einen Ursache- Wirkungszusammenhang zwischen Kommunikationsmittel und der Reaktion des Tieres. ■ nach dem Reiten: der Teilnehmer wählt zwischen den drei Symbolkarten „Apfel“, „Möhre“ und „Brot“ ein Belohnungsfutter für das Pferd aus, der Therapeut gibt ihm das jeweilige Futter bzw. holt es gemeinsam mit dem Teilnehmer aus dem entsprechenden Korb / Kiste. Dies ermöglicht eine eigenständige Auswahl zwischen mehreren Alternativen. Das Erlernen der Symbole sowie das Erweitern des Wortschatzes können neben der eigentlichen Therapiesituation auch im Alltag, zu Hause oder in der Schule durch den Einsatz verschiedener Lernmaterialien erfolgen. Hierbei erweist sich der Einsatz z. B. von Memoryspielen mit den entsprechenden Symbolen als effektiv. Generell sollten die Begriffe schrittweise eingeführt („Symbol / Gebärde der Woche“) und häufig wiederholt werden, damit sie im Bedarfsfall abrufbar sind. Darüber hinaus kann die Verwendung von Symbolen zur Unterstützung des Erkennens und Arbeitens mit den Bahnpunkten sinnvoll sein. Beispielsweise „Elefant“ für den Bahnpunkt „E“ oder „Apfel“ für den Bahnpunkt „A“. Mit einem unter dem entsprechenden Bahnpunkt befestigten Magnetstreifen bieten diese einerseits eine verbesserte Orientierung, andererseits können sie als weitere Anlässe zur Kommunikation genutzt werden: ■ Die Teilnehmer einer Reitgruppe vereinbaren untereinander eine Reihenfolge, in der bestimmte Bahnpunkte angeritten werden sollen (z. B. Elefant - Blume - Apfel - Hund o. ä.). ■ Auf einem Würfel werden die gleichen Symbole angebracht, welche sich an den Bahnpunkten befinden und die Reihenfolge der Bahnpunkte wird gewürfelt. ■ Im Rahmen der Frühförderung werden die Bahnpunkte zur Sprachanbahnung verwendet: „Wohin soll ‚Mogli‘ gehen? Zur Blume? “ Diese Begriffe müssen dabei nicht zwangsläufig allgemein gehalten werden, sondern könnten ganz unterschiedlichen Themenfeldern entsprechen, z. B. dem Thema Pferd („A“ wie Apfel, „H“ wie Halfter, „B“ wie „Bürste“ u. ä.). Als wichtig hat sich dabei herausgestellt, stets mit altersgerechten bzw. lebensweltrelevanten Begriffen zu arbeiten, um ein großes Interesse beim Teilnehmer und damit den größtmöglichen Effekt zu erzielen. Elektronische Kommunikationshilfen Zur Einführung elektronischer Kommunikationshilfen werden meist so genannte „Taster“ verwendet. Bild 5: Symbole ergänzen die Bahnpunkte Als wichtig hat sich dabei herausgestellt, stets mit altersgerechten Begriffen zu arbeiten. 122 | mup 3|2013 Schäffer, Struck - Unterstützte Kommunikation (UK) in der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd Dabei handelt es sich um einfache Sprachausgabegeräte mit unterschiedlich großen Tasten, die mit einer oder mehreren individuellen Nachrichten besprochen werden können. Die nächste Stufe stellen dann einfache „Talker“, also Sprachausgabegeräte dar, bei denen zwei bis ca. vierundzwanzig Begriffe auf einer Oberfläche abgebildet sind. Sie können mit Begriffen und Texten besprochen werden. Drückt man die Taste mit einem Symbol, wird der entsprechende Text oder das Wort wiedergegeben. Talker mit mehreren Ebenen, zwischen denen der Nutzer wechseln kann, stellen die komplexeste Stufe der Unterstützten Kommunikation dar. Hier kann umfassend mit grammatikalischen Strukturen gearbeitet werden und der Wortschatz ist deutlich umfangreicher. Übertragung auf die Arbeit mit dem Pferd Einfache elektronische Kommunikationshilfen können in klar umrissenen Situationen in der HFP eingesetzt werden. Wichtig ist dabei allerdings, dass das Pferd vorher an die Geräusche gewöhnt wird, und dass die Lautstärke des Gerätes regulierbar ist. Zwei verschiedenfarbige Taster können in der Einzelförderung am geführten Pferd zum Beispiel eingesetzt werden, um dem Pferd (und natürlich auch dem Pferdeführer) die Signale „los“ und „stopp“ auch in Lautsprache selbst geben zu können. Einige Geräte sind auch klein und flach genug, um mit Klettband am Gurt angebracht zu werden. In der Gruppenförderung sind einzelne Taster, die in der Bahn verteilt sind, vom UK-Nutzer, aber auch von den anderen Teilnehmern verwendbar, um Anweisungen für Bahnfiguren oder Voltigierübungen für die ganze Gruppe zu geben. Komplexere Talker sind aufgrund von Größe und Gewicht meist nicht für die Arbeit auf dem Pferd geeignet. Sie können aber mit einer Schutzhülle an einem festen Platz in der Halle stehen und so vor und nach der Arbeit auf dem Pferd genutzt werden. Generell schaffen Sprachausgabegeräte Aufmerksamkeit, die nicht lautsprachlich sprechenden Teilnehmern sonst oft nicht zuteil wird. Sie sind universell einsetzbar, werden auch von nicht eingewiesenen Personen verstanden und sind in der Schwierigkeit individuell anpassbar. Komplexere Geräte sind für die Arbeit auf dem Pferd meist zu unhandlich und wartungsanfällig. Darüber hinaus haben sie häufig sehr hohe Preise, so dass eine Anschaffung nur für die HFP nicht infrage kommt. Wenn die Geräte aber vorhanden sind, sollte darauf geachtet werden, dass sie mit dem entsprechenden Vokabular zum Thema Pferd bestückt werden, damit die Teilnehmer im Alltag die Möglichkeit haben, über die HFP zu erzählen (Schulte Mesum / Siepmann 2011, 147). UK-Geräte sind meist anerkannte Hilfsmittel aus dem Hilfsmittelkatalog, so dass sich in Rücksprache mit dem betreuenden Umfeld vielleicht eine Anschaffung eines Talkers lohnt, wenn es Bild 6: Taster mit Sprachausgabe Bild 7: Taster mit Sprachausgabe und Symbol, der auch mit Klettband am Gurt befestigt werden kann Schäffer, Struck - Unterstützte Kommunikation (UK) in der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd mup 3|2013 | 123 auch in weiteren Lebensbereichen Verwendung findet. Je komplexer das Gerät, desto umfangreicher ist allerdings auch die Einarbeitung, die notwendig ist, um es überhaupt einsatzfähig zu machen und mit dem entsprechenden Vokabular zu besprechen. Fazit Unterstützte Kommunikation bietet auch im Bereich der HFP vielfältige Möglichkeiten, wenn die Medien entsprechend der Situation adaptiert werden. Die Möglichkeit, gezielt in der Situation kommunizieren zu können, eröffnet den Teilnehmern Entwicklungsperspektiven in Bezug auf Eigenaktivität und Einfluss auf die Interaktion. Komplexere elektronische Medien haben aber Grenzen bezüglich der Robustheit und Bedienfähigkeit, daher kommen in der Praxis meist körpereigene, nichtelektronische oder einfachere elektronische Medien zum Einsatz. Literatur ■ Fröhlich, A., Simon, A. (2004): Gemeinsamkeiten entdecken. Mit schwerstbehinderten Kindern kommunizieren. selbstbestimmtes lernen, Düsseldorf ■ Kaiser-Mantel, H. (2012): Unterstützte Kommunikation in der Sprachtherapie. Ernst Reinhardt, München / Basel ■ Mall, W. (2008): Kommunikation mit schwer geistig behinderten Menschen. Edition Schindele, Heidelberg ■ Mall, W. (2001): Basale Kommunikation - Kommunikation ohne Voraussetzungen. In: Berufsverband der Heilpädagogen e. V. (Hrsg.): Mehr als nur reden - Heilpädagogik und Kommunikation. BHP Eigenverlag, Kiel, 87-92 ■ Otto, K., Wimmer, B. (2010): Unterstützte Kommunikation: Ein Ratgeber für Eltern, Angehörige sowie Therapeuten und Pädagogen. Schulz- Kirchner, Idstein ■ Schulte Mesum, R., Siepmann, S. (2011): Kommunikationshilfen in der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd. mensch und pferd international 3, 145-148 ■ Schulz, M. (2009): Heilpädagogisch-psychomotorische Aspekte der vorschulischen Förderung mit Hilfe des Pferdes. In: Gäng, M. (Hrsg.): Ausbildung und Praxisfelder im Heilpädagogischen Reiten und Voltigieren. 4. Aufl. Ernst Reinhardt, München / Basel, 82-94 ■ Struck, H., Gultom-Happe, T. (2006): Frühe Förderung mit Hilfe des Pferdes bei geistig behinderten und entwicklungsverzögerten Kindern. In: Kaune, W. (Hrsg.): Das Heilpädagogische Voltigieren und Reiten für Menschen mit geistiger Behinderung. 4. Aufl. FN, Warendorf, 22-46 Symbolsammlungen ■ The Picture Communikation Symbols © 1981- 2012 by Mayer-Johnson LLC. All Rights Reserved Worldwide Boardmaker is a trademark of Mayer-Johnson LLC. Dynavox Mayer-Johnson, 2100 Wharton Street, Suite 400, Pittsburgh, PA 15203, Phone: 800-588-4548, Fax: 866-585-62620, mayer-johnson.usa@mayer-johnson.com, www.mayer-johnson.com ■ METACOM: Symbolsystem zur Unterstützten Kommunikation, Version 5.0, © Annette Kitzinger, 2000-2011, www.metacom-symbole.de Bild 8: Talker mit einer Ebene Bild 9: Talker mit Augensteuerung und mehreren Ebenen 124 | mup 3|2013 Schäffer, Struck - Unterstützte Kommunikation (UK) in der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd Die Autorinnen Kathrin Schäffer Dipl. Pädagogin, Voltigierpädagogin (DKThR), Zusatzqualifikation Sprachheilpädagogik (2010), seit 2003 beim Zentrum für Therapeutisches Reiten der Werkstätten der AWO Dortmund Henrike Struck Sonderpädagogin, Reit- und Voltigierpädagogin DKThR, Leitung des Zentrums für Therapeutisches Reiten der Werkstätten der AWO Dortmund, des Werkbereiches für Menschen mit komplexen Behinderungen und des UK-Büros Dortmund, eines dezentralen Arbeitsbereiches für Menschen, die unterstützt kommunizieren, Lehrbeauftragte der TU Dortmund und des DKThR, Schriftleitung der „mensch & pferd international“. Anschriften: Kathrin Schäffer · Henrike Struck UK-Büro der Werkstätten der AWO Dortmund GmbH Leuthardstr. 11-13 · D-44135 Dortmund k.schaeffer@awo-reiterhof.de · h.struck@awo-werkstaetten.de www.uk-buero-dortmund.de
