eJournals mensch & pferd international 6/4

mensch & pferd international
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1867-6456
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
101
2014
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Editorial

101
2014
Gerd Hölter
Liebe Leserin, lieber Leser, seitdem ich pädagogische Diskussionen in Deutschland bewusst verfolge, hat es immer wieder kontroverse, zum Teil recht emotionsgeladene Debatten zu verschiedenen Grundsatzthemen gegeben: sei es zu Strukturfragen ("Gesamtschule"), zu Erziehungszielen ("Emanzipation", "Soziales Lernen") oder zu Unterrichtsmethoden und Lehrstilen (von "lehrerzentriert" zu "projektorientiert"). Damit wurden zum Teil recht diffuse gesamtgesellschaftliche Veränderungsszenarien verbunden.
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Liebe Leserin, lieber Leser, seitdem ich pädagogische Diskussionen in Deutschland bewusst verfolge, hat es immer wieder kontroverse, zum Teil recht emotionsgeladene Debatten zu verschiedenen Grundsatzthemen gegeben: sei es zu Strukturfragen („Gesamtschule“), zu Erziehungszielen („Emanzipation“, "Soziales Lernen“) oder zu Unterrichtsmethoden und Lehrstilen (von „lehrerzentriert“ zu „projektorientiert“). Damit wurden zum Teil recht diffuse gesamtgesellschaftliche Veränderungsszenarien verbunden. Zur Zeit scheint es so zu sein, dass die Frage der Inklusion tsunamiartig zu einem Grundsatzthema geworden ist, obwohl hierzulande Integration und Heterogenität seit langem erziehungswissenschaftlich tiefschürfend ausgeleuchtet worden sind. Ähnlich wie sich Tsunamis abschwächen, wird auch die Inklusionsdebatte in kleineren Wellen auslaufen, aber dennoch bleibt die Frage, ob sich so „exklusive“ Interventionen wie die Hippotherapie oder die Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd der Frage nach einer stärkeren Berücksichtigung von Vielfalt werden entziehen können. Ich glaube kaum, und daher gilt es sich dieser Frage mit Augenmaß anzunehmen, aber vielleicht anders akzentuiert als dies im aktuellen gesellschaftlichen Diskurs der Fall ist. Ein Ansatzpunkt könnte meines Erachtens sein, in den Aus- und Weiterbildungscurricula zur Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd und zur Hippotherapie genauer auf die Vielfalt motorischer, kognitiver und sozialemotionaler Verhaltensweisen der Klienten einzugehen. Dies kann sich z. B. auf die Diagnostik beziehen, aber auch auf die heilpädagogische Methodik, die bei einem Kind mit Autismus-Spektrumsstörungen eine andere sein muss als bei Hyperaktiven. Hiermit eng verbunden ist die Tatsache, dass die Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd außerhalb von Einrichtungen der Erziehungshilfe in sozialer und geschlechtsspezifischer Hinsicht recht homogen ist. Dies mag u. a. mit dem beträchtlichen finanziellen Aufwand zur Ausübung dieser Aktivität zu tun haben, und es würde der Grundidee von Inklusion sicher entsprechen, wenn die Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd durch „Patenkinder“ aus der Schulklasse oder der Nachbarschaft „angereichert“ und damit vielfältiger auch in sozialer Hinsicht werden könnte. Ein gutes Beispiel hierfür ist die schon vor einigen Jahren von K. Moegling beschriebene Praxis, das sogenannte Schulsonderturnen durch die Teilnahme von Geschwistern und Freunden stärker zu öffnen und ihm damit den Nimbus des Medizinisch- Therapeutischen zu nehmen. Ein weiterer Ansatzpunkt wäre vielleicht, über eine stärkere finanzielle, personelle und strukturelle Trennung von Heilpädagogischer Förderung mit dem Pferd und Hippotherapie nachzudenken. Die Attraktivität beider Interventionsformen beruht zum einen auf den unnachahmlichen sensomotorischen Impulsen, die so nicht in anderen bewegungsorientierten Interventionen zu finden sind. Sie werden in der Hippotherapie stringenter als in der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd dokumentiert und evaluiert, was bis heute u. a. eine bessere Anerkennung der verschiedenen Kostenträger mit sich brachte. Auf der anderen Seite ist die Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd mehr als die Hippotherapie erlebnis- und ressourcenorientiert: In dem Spannungsfeld zwischen Leiter, Klient und Tier eröffnen sich nicht Editorial Editorial mup 4|2014|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378 / mup2014.art20d | 153 Herzlichen Dank an Frau Dr. Strauß und Herrn Prof. Hölter Liebe Frau Dr. Strauß, lieber Herr Professor Hölter, wir bedauern sehr, dass mit diesem Heft nun Ihr Abschied aus dem Herausgeberteam der „mensch & pferd international“ ansteht. Als Gründungsherausgeber haben Sie die Entwicklung dieser Fachzeitschrift im Bereich Förderung und Therapie mit dem Pferd von Anfang an mit Ihren Ratschlägen, Warnungen, Begutachtungen und vielem mehr begleitet und unterstützt. Ihr profundes Wissen über die Geschichte und die verschiedenen Bereiche des Therapeutischen Reitens und Ihre Kontakte, Frau Dr. Strauß, waren eine große Hilfe für die Zeitschrift. Sehr geschätzt haben wir auch Ihren Einsatz dafür, dass die Hippo(physio-)therapie in der Zeitschrift nicht zu kurz kommt. Verlag und Schriftleitung teilen Ihren großen Wunsch, dass sich noch mehr AutorInnen aus diesem Bereich finden lassen. Sie, Herr Professor Hölter, haben sich in der ersten Ausgabe der Zeitschrift (mup 1/ 2009) als „hippologischer Leiharbeiter“ eingeführt. Gerade dieser kenntnisreiche Überblick von außen auf die gesamte Szene des therapeutischen Reitens und Ihre moderatorischen Fähigkeiten waren für den Aufbau unserer verbands- und schulenunabhängigen Fachzeitschrift von unschätzbarem Wert. Herzlichen Dank auch für die Vermittlung von AutorInnen und MitarbeiterInnen für die Zeitschrift! Liebe Frau Dr. Strauß, lieber Herr Professor Hölter, für Ihr Engagement und die vertrauensvolle Zusammenarbeit danken wir Ihnen sehr und freuen uns, dass Sie der Zeitschrift weiterhin in der einen oder anderen Form verbunden bleiben. Hildegard Wehler und Helga Mattern, Ernst Reinhardt Verlag Dr. Meike Riedel und Henrike Struck, Schriftleitung der „mensch & pferd international“ nur motorische, sondern bedeutsame heilpädagogische und psychotherapeutische Zugangsmöglichkeiten, die auch bei einer engeren Ausdeutung von Therapie als motorisch-neurologische Stimulation von Nutzen sein könnten. Damit kann die Inklusionsdebatte eine Reflexion über Vielfalt im eigenen, eher „exklusiv“ beschreibbaren Handeln anstoßen. Sie ist allerdings sinnvoll auf die besonderen Bedürfnisse von Heilpädagogischer Förderung mit dem Pferd und Hippotherapie herunter zu brechen. Prof. Dr. Gerd Hölter Mit diesen Gedanken zur weiteren Entwicklung der HFP möchte ich mich als Mitherausgeber der „mensch & pferd international“ von Ihnen verabschieden. Durch die Zusammenarbeit mit meinen MitherausgeberInnen, den Schriftleiterinnen und dem Verlag habe ich viel gelernt. Ich werde die Diskussionen im weiten Feld tiergestützter Interventionen weiterhin mit großem Interesse verfolgen und kritisch begleiten.