eJournals mensch & pferd international 6/4

mensch & pferd international
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1867-6456
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2014
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Praxistipp: Anlagengestaltung unter psychomotorischen Gesichtspunkten

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2014
Rita Hölscher-Regener
Henrike Struck
Im Rahmen der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd finden sich auf einem Reiterhof vielfältige Möglichkeiten, Bewegungserfahrungen unter psychomotorischen Gesichtspunkten zu machen. Das naturnahe Umfeld und der Aufforderungscharakter der ungewohnten Umgebung setzen allein schon viele Reize. Darüber hinaus kann eine Anlagengestaltung unter psychomotorischen Gesichtspunkten diesen Prozess aber unterstützen.
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mup 4|2014|183-186|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378 / mup2014.art25d | 183 Rita Hölscher-Regener, Henrike Struck Praxistipp Anlagengestaltung unter psychomotorischen Gesichtspunkten - ein Praxisbeispiel vom Carolinenhof in Essen Der Reiterhof als psychomotorische Erlebniswelt Im Rahmen der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd finden sich auf einem Reiterhof vielfältige Möglichkeiten, Bewegungserfahrungen unter psychomotorischen Gesichtspunkten zu machen. Das naturnahe Umfeld und der Aufforderungscharakter der ungewohnten Umgebung setzen allein schon viele Reize. Darüber hinaus kann eine Anlagengestaltung unter psychomotorischen Gesichtspunkten diesen Prozess aber unterstützen. Viele Kinder verbringen heute ihre Kindheit in einer Umgebung, die (zu) wenig Bewegungsanreize bietet. Der Reiterhof als Erlebniswelt wird deshalb von Kindern und Eltern gern und häufig auch noch einige Zeit über die eigentliche Therapieeinheit hinaus angenommen. Darüber hinaus können Kinder und Jugendliche häufig auch einen Teil ihrer Freizeit oder auch Ferien auf dem Hof verbringen. Hier macht es Sinn, sich über eine Anlagengestaltung Gedanken zu machen, die dem Anspruch Rechnung trägt, vielfältige Bewegungserfahrungen zu ermöglichen. Auf dem Carolinenhof in Essen haben wir einige Praxisbeispiele gefunden, die vielleicht auch für andere Höfe umsetzbar sind. Der „Reitbalken“ (siehe Abb. 1), ein breiter Balken auf vier Füßen neben dem Reitplatz, wurde „scheckig“ gestrichen. Er kann zur Ablage von Sätteln und Materialien dienen oder als Sitz- und Anlehngelegenheit. Durch den schwarz-weißen Anstrich erhält er aber einen Aufforderungscharakter, ihn in „Pferdspiele“ einzubeziehen, im Reitsitz oder zum Balancieren zu nutzen oder Voltigierübungen auf ihm auszuprobieren. Dadurch werden Gleichgewicht und Kraft gefördert und soziale Interaktion im Rollenspiel ermöglicht. Wichtig ist allerdings eine solide Verankerung der „Beine“ im Boden, um die Standsicherheit zu gewährleisten. Falls dies nicht möglich ist, bieten auch alte Baumstämme (siehe Abb. 2), die liegend auf dem Hofgelände platziert werden, ähnliche Möglichkeiten. Ein Spielraum mit Strohballen (siehe Abb. 3 und Abb. 4) bietet vielfältige Wahrnehmungs- und Erfahrungsmöglichkeiten beim Klettern, Springen, Rutschen usw. Eine gute Ergänzung zur vestibulären Stimulation sind hier Schwingtaue oder Schaukeln aus textilen Materialien. Ein Fallschutzboden Abb. 1: Reitbalken 184 | mup 4|2014 Praxistipp: Hölscher-Regener, Struck - Anlagengestaltung unter psychomotorischen Gesichtspunkten im Eingangsbereich und Polster an den Tragbalken des Raumes mindern auf dem Carolinenhof die Verletzungsgefahr. Die Strohballen sollten stufenförmig aufgebaut sein, und höher gelegene Ballen müssen entsprechend gegen Abrutschen und Kippen gesichert werden. Wenn es der Platz ermöglich, ist ein beidseitig gesicherter Außenweg (siehe Abb. 5) um das Hofgelände eine schöne Ergänzung zum Außenplatz und Gelände. Er bietet weniger erfahrenen Reitern die Möglichkeit, in einem geschützten Rahmen „draußen“ zu reiten. Darüber hinaus können hier über Lauf- und Führspiele mit dem Pferd die Ausdauer und Raumorientierung verbessert werden. Im Eingangsbereich oder Wartebereich bietet sich die Anbringung einer „Pferdewandtafel“ (siehe Abb. 6 und Abb. 7) an, an der die Kinder „ihre“ Pferde mit Tafelkreide kreativ bemalen bzw. an kleineren Fühlfeldern unterschiedliche taktile Wahrnehmungserfahrungen machen können. Dabei ist es sinnvoll, die Fühlelemente etwas vertieft wie in einem Bilderrahmen anzubringen, damit sie länger halten und sich nicht vom Untergrund lösen. Als Fühlelemente bieten sich Teppichreste, Gummimatten u. ä. an. Gleichzeitig dienen die Tafeln als Dekoration, die eine sympathische Atmosphäre im Eingangsbereich vermittelt. In der Sattelkammer (siehe Abb. 8) wurde auf die Anbringung der Sattel- und Trensenhalter in Kinderbzw. Rollstuhlhöhe geachtet. Die Putzboxen stehen tief, und auch für noch nicht lesende Kinder ist die Zuordnung der Materialen durch Fotos und / oder Symbole der Pferde erkennbar. Dies schafft die Voraussetzung für die maximale Beteiligung der Kinder oder Rollstuhlfahrer an den auszuführenden Arbeiten rund um die Pflege und Ausrüstung der Pferde. Hier können Handlungsplanung und Eigenaktivität gefördert werden. Abb. 3: Kleiner Spielraum Abb. 4: Großer Spielraum Abb. 2: Baumstämme Praxistipp: Hölscher-Regener, Struck - Anlagengestaltung unter psychomotorischen Gesichtspunkten mup 4|2014 | 185 Abb. 5: Außenreitweg Abb. 6: Maltafeln Abb. 7: Fühlfelder Abb. 8: Barrierefreie Sattelkammer 186 | mup 4|2014 Praxistipp: Hölscher-Regener, Struck - Anlagengestaltung unter psychomotorischen Gesichtspunkten Henrike Struck Förderschullehrerin (Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung) und Voltigierpädagogin DKThR, Leitung des Zentrums für Therapeutisches Reiten der AWO Dortmund, Schriftleitung der „mensch & pferd international“, Lehrbeauftragte der TU Dortmund und des Deutschen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten (DKThR). Rita Hölscher-Regener Dipl. Sozialarbeiterin, Trainer B Reiten, Trainer C Voltigieren, Reit- und Voltigierpädagogin (DKThR), seit 1993 freiberufliche Tätigkeit in der HFP in eigener heilpädagogischer Praxis, Lehrbeauftragte des DKThR, Sprecherin der Arbeitsgruppe HFP des DKThR, seit Mai 2012 zusätzliche angestellte Tätigkeit am Carolinenhof (integrativer Reiterhof) in Essen. Anschriften: Rita Hölscher-Regener Leierweg 24 · D-44137 Dortmund hoelscher-regener@web.de Henrike Struck Am Rode 48 · D-44149 Dortmund mup-schriftleitung@gmx.net Die Autorinnen