mensch & pferd international
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mup2014.art17d
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Recht & Sicherheit: Aktuelle Rechtsprechung und rechtliche Hinweise
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Peer Fiesel
Obwohl täglich zahlreiche Verträge über die Unterbringung von Pferden geschlossen werden, ist der Vertragstyp nicht speziell gesetzlich geregelt. Streitigkeiten entstehen häufig über die Kündigungsfristen, die Haftung bei „Beschädigung“ des Pferdes und das Pfandrecht an dem Tier. Oftmals versuchen die Stallbetreiber durch die Verträge ihre Haftung einzuschränken und ein Pfandrecht am Pferd zu begründen. Da sie es sind, die an Vertragsmustern interessiert sind, werden diese häufig auch zu ihren Gunsten formuliert.
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mup 3|2014|129-134|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378 / mup2014.art17d | 129 Peer Fiesel Recht & Sicherheit Aktuelle Rechtsprechung und rechtliche Hinweise 1. Der Pferdeeinstellvertrag und seine rechtliche Bewertung Obwohl täglich zahlreiche Verträge über die Unterbringung von Pferden geschlossen werden, ist der Vertragstyp nicht speziell gesetzlich geregelt. Streitigkeiten entstehen häufig über die Kündigungsfristen, die Haftung bei „Beschädigung“ des Pferdes und das Pfandrecht an dem Tier. Oftmals versuchen die Stallbetreiber durch die Verträge ihre Haftung einzuschränken und ein Pfandrecht am Pferd zu begründen. Da sie es sind, die an Vertragsmustern interessiert sind, werden diese häufig auch zu ihren Gunsten formuliert: Einfach zu handhaben ist der so genannte „einfache Boxenmietvertrag" - hier handelt es sich um die Miete von Räumen, bzw. Raumteilen, die keine Wohnräume sind (§ 578 II BGB). Diese Vorschrift verweist auf die entsprechende Anwendung aufgezählter Rechtsnormen aus dem Wohnraumrecht. Neben die Boxüberlassung treten aber oft weitere Leistungen „rund ums Pferd“, z. B. das Füttern des Tieres, das Ausmisten und Einstreuen der Box, die Pflege des Pferdes und dessen Beritt. Hier handelt es sich nicht mehr um einen einheitlichen Vertrag, sondern um einen so genannten typengemischten Vertrag, weil neben den mietrechtlichen Elementen dienstrechtliche Komponenten (Füttern, Ausmisten) und Bestandteile des Verwahrungsvertrages (§ 688 ff. BGB) hinzukommen. Die Behandlung derartiger typengemischter Verträge ist in Rechtsprechung und Literatur im Streit - der Bundesgerichtshof, und hier soll dieser Linie gefolgt werden, wendet nicht, je nach dem welcher Vertragstypus (Miete oder Verwahrung) dominiert, dann die dafür geltenden Regelungen an, sondern das im Einzelfall anhand der jeweiligen Problematik anzuwendenden Recht: Zur Kündigung wird die in der Praxis verbreitete Kündigungsfrist von einem Monat als angemessen angesehen (die ordentliche Kündigung ist mit einer Frist von einem Monat zulässig). Die Haftung des Stallbetreibers bei Beschädigung des Tieres ist grundsätzlich geklärt, weil der Stallbetreiber als Schuldner der Sachleistung haftet, und zwar in allen Fällen für Eigentumsschäden bereits bei einfacher Fahrlässigkeit. So haftet er etwa für Schäden am Pferd, wenn es beim Misten mit der Heugabel verletzt wird oder in Folge eines unsachgemäßen Zustandes der Box Schaden nimmt. Oftmals versucht der Stallbetreiber die Haftung zu begrenzen und auf die Reichweite des Versicherungsschutzes abzustellen oder die Haftung auszuschließen, wenn die Schäden nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruhen. Derartige Klauseln halten einer Überprüfung in rechtlicher Hinsicht an den gesetzlichen Maßstäben nicht stand. Dies ergibt sich daraus, dass entsprechend der „Kardinalpflichten-Rechtsprechung“ des Bundesgerichtshofs die Obhutspflicht im Einstellvertrag von großer Bedeutung ist und aus diesem Grunde nicht einseitig zu Lasten des Einstellers abgemildert werden soll. Auch ein Ausschluss der 130 | mup 3|2014 Recht & Sicherheit: Fiesel - Aktuelle Rechtsprechung und rechtliche Hinweise Haftung für vertragstypische vorhersehbare Schäden, die Folge der Verletzung vertragswesentlicher Pflichten sind, kommt formularvertraglich nicht in Betracht. Darüber hinaus muss der Stallbetreiber und Verwender das Transparenzgebot beachten, er muss also die Rechte des Kunden klar, durchschaubar und verständlich darstellen, ebenso wie die Einschränkung dieser Rechte. Es wird diskutiert, ob die Vorschriften über das Vermieterpfandrecht Anwendung auf Einstellverträge finden - hier stellt sich die Frage, ob man überhaupt ein Pfandrecht am eingestellten Pferd rechtsgeschäftlich begründen kann. Auch wenn dies nahezu einhellig bejaht wird, liegen hier erhebliche Probleme, die auch zu unterschiedlicher Rechtssprechung geführt haben. Im Einzelfall scheint der Stallbetreiber jedoch, wenn er sich absichern will, besser beraten, sich durch eine entsprechende Kautionszahlung wirtschaftlich abzusichern, die natürlich im Rahmen verbleiben und das Verhältnis zum Wert der Tiere berücksichtigen muss. Im Streitfall sollten sich Stallbetreiber wie Einsteller auf Grund der komplexen vertragsrechtlichen Situation ausführlich anwaltlich beraten lassen. 2. Reiter und Jäger Wenn Reiter und Jäger im Wald und in der freien Natur aufeinander treffen, entstehen häufig Streitigkeiten, insbesondere weil zu wenig Rücksicht genommen wird. So gibt es häufig Auseinandersetzungen, wenn Pferde aufgrund eines Schussgeräusches scheuen, der Reiter vom Pferd stürzt und sich verletzt. Die Rechtsfrage ist hier, inwieweit Reiter im Wald mit Schussgeräuschen rechnen und sich darauf einstellen müssen. Die Rechtsprechung ist hier wenig tierfreundlich eingestellt und entscheidet durchgängig, dass den Jagdveranstalter keine generelle Verkehrssicherungspflicht treffe, andere vor Gefahren zu schützen, die von Schussgeräuschen ausgehen. Es gibt zwar z. B. bei der Treibjagd und auch bei der Benutzung von Schusswaffen grundsätzlich bestimmte Verhaltenspflichten. So trifft z. B. den Veranstalter einer Treibjagd natürlich die Pflicht zur Vermeidung von Verkehrsunfällen durch Wildwechsel auf der Straße. Auch wird durch die Unfallverhütungsvorschriften „Jagd“ postuliert, dass jeder Schütze sich zur Vermeidung von Schussverletzungen vor Abgabe eines Schusses vergewissert, niemanden zu gefährden. Diese Regeln schützen aber nicht den Reiter vor den unkontrollierbaren Reaktionen ihrer Pferde bei Schussgeräuschen. Die Rechtsprechung vertritt grundsätzlich die Auffassung, dass hiermit im Wald zu rechnen sei und auch ein Reiter sich darauf einstellen müsse, dass im Wald Schüsse fallen können. Insoweit dürfe er ein Pferd, welches daran nicht gewöhnt sei, eben nur auf eigenes Risiko im Wald reiten (BGH, Urteil vom 15.02.2011, VI 176 / 10). Nur wenn in unmittelbarer Nähe eines Pferdes ein Schuss abgegeben wird, kommt eine Haftung in Betracht. Eine Entfernung von 30 Meter reicht hierzu aber immer noch nicht aus (so das saarländische Oberlandesgericht). Nach Auffassung der Tierschützer ist diese Rechtsprechung zu überdenken, weil es nicht darauf ankommen sollte, strikt eine Entfernung in Metern zu postulieren, sondern im Einzelfall darauf abzustellen, ob ein Schütze einen Reiter gesehen und bemerkt hat oder nicht. Aus welcher Entfernung dies erfolgt, sollte unerheblich sein, weil nach dieser Auffassung auch ein Jäger immer scheuende Pferde bei Schussgeräuschen in Erwägung ziehen muss. Einen ganz anderen Fall musste das OLG Karlsruhe entscheiden. Hier war ein Jagdhund aus dem geparkten Pkw des Jägers gesprungen, in einen Turnierstall gerannt und hatte dort einem auf der Stallgasse angebundenen Pferd in die Hinterbeine gebissen. Das Pferd rutschte vor Schreck aus, brach sich die Hüfte und musste eingeschläfert werden. Hier entschieden die Richter, dass aufgrund der allgemeinen Tierhalterhaftung der Recht & Sicherheit: Fiesel - Aktuelle Rechtsprechung und rechtliche Hinweise mup 3|2014 | 131 Jäger für den verursachten Schaden haften muss, wobei im zu entscheidenden Falle die Jagdhaftpflichtversicherung eintrat. 3. Das Tätowieren von Tieren ist tierschutzwidrig Das höchste westfälische Verwaltungsgericht, das Oberverwaltungsgericht Münster, hat entschieden, dass das Tätowieren von Tieren, soweit es nicht der besonderen Einschränkung zur Kennzeichnung von Schweinen, Schafen, Ziegen…durch Ohrtätowierung innerhalb der ersten zwei Lebenswochen gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 7 Tier- SchG dient, einen Verstoß gegen das TierSchG darstellt, weil es den Tieren ohne vernünftigen Grund Schmerzen und / oder Leiden zufügt. Hintergrund der zweitinstanzlichen Entscheidung war, dass der Kläger ein Gewerbe angemeldet hatte „Tatoo-Service für Tiere“ und beabsichtigt hatte, auf dem Oberschenkel eines Schimmelponys eine ca. 15 cm große Abbildung der „Rolling-Stones-Zunge“ einzutätowieren. Der örtlich zuständige Veterinärmediziner erstellte hierzu ein tierärztliches Gutachten und kam zu dem Ergebnis, dass das Tätowieren, insbesondere bei Pferden, zu Schäden an der Haut und zu länger anhaltenden Schmerzen führe. Dementsprechend ordnete die zuständige Behörde gegenüber dem Kläger an, keine Tiere zu tätowieren bzw. tätowieren zu lassen. Die Richter stellten fest, dass ohne Einholung eines Gutachtens davon auszugehen ist, dass durch die Tätowierung beim Tier zumindest unangenehme Sinnes- oder Gefühlserlebnisse auftreten, die mit akuten oder potentiellen Gewebeschädigungen verknüpft sind. Das Einbringen der Farbpigmente mittels Tätowiernadeln in die mittlere Hautschicht ist nicht ohne Verletzungen der Haut und Reizung der in ihr vorhandenen Schmerzrezeptoren durchführbar. Auch der Hinweis des Klägers, dass Menschen üblicherweise ohne Betäubung tätowiert würden, überzeugte die Richter zu Recht nicht. Der Mensch lässt diese Prozedur freiwillig über sich ergehen, weil er das Ergebnis wünscht, er hat die Möglichkeit, schmerzlindernde oder schmerzhemmende Mittel zu nehmen, darüber hinaus sind Tiere anders als Menschen zu einer vernunftmäßigen Abwägung von Vor- und Nachteilen einer - Tieren notwendig zwangsweisen beigebrachten - Tätowierung außerstande. Auch einen vernünftigen Grund, der den Eingriff erlaubt hätte, sah das Gericht nicht. Bei Abwägung auch der wirtschaftlichen und gewerberechtlichen Interessen des Klägers mit dem Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit der Tiere überwiegt nach Auffassung des Gerichts der Tierschutz, wobei sich das Gericht ausdrücklich auf das Staatsziel „Tierschutz“, geregelt in Art. 20 a GG, bezieht. Das Gericht sah auch keinen Anlass eine Ausnahme anzunehmen aufgrund einer notwendigen und tierschutzgerechten Kennzeichnung dieses Pferdes, zumal das geplante Bildsymbol eher optische und ästhetische Wirkung nach Auffassung zumindest des Klägers hatte und weniger der Unterscheidung von anderen Pferden diente. Zur entsprechenden Unterscheidung dient neben dem Equidenpass die Implantation eines elektronischen Transponders. Ein schutzwürdiges menschliches Interesse an einer zusätzlichen Kennzeichnung durch betäubungslose Tätowierung älterer Tiere besteht jedenfalls nicht. Damit deckt sich diese Entscheidung auch im Einzelfall mit den Anträgen zur Änderung des TierSchG, die im Rahmen der Beratungen und Lesungen von den Tierschützern eingebracht wurden, um generell kraft Gesetzes den sog. „Schenkelbrand“ zu verbieten. 4. Der sogenannte „Sachkundenachweis" - ein unbekanntes Wesen Oftmals taucht beim Umgang mit Tieren die Frage auf, ob im Rahmen der entsprechenden Tierhaltung ein Sachkundenachweis durch den entsprechenden Halter erworben wurde und z. B. der Behörde oder einem Gericht vorgelegt werden kann, ohne dass die betroffenen Personen genau wissen, worum es geht. 132 | mup 3|2014 Recht & Sicherheit: Fiesel - Aktuelle Rechtsprechung und rechtliche Hinweise Der Begriff „Sachkundenachweis“ taucht sowohl im bundesgesetzlichen Tierschutzgesetz, als auch im landesgesetzlichen Landeshundegesetz auf. Die Kernvorschrift des § 11 TierSchG verlangt von allen Personen, die Tiere für andere in einem Tierheim oder in einer ähnlichen Einrichtung halten, Tiere zur Schau stellen, für Dritte Hunde zu Schutzzwecken ausbilden, Tierbörsen durchführen, gewerbsmäßig Wirbeltiere züchten und halten oder mit Wirbeltieren handeln, die Erlaubnis der zuständigen Behörde - maßgeblich ist hier das örtlich zuständige Veterinäramt. In einem Antragsverfahren wird geprüft, welche Tierarten in welcher Bestandsgröße gehalten werden sollen, ob die betreffende Person zuverlässig ist (polizeiliches Führungszeugnis), wie die Räume und Einrichtungen, die dem Tierheimbetrieb dienen sollen beschaffen sind und ob die für die Tierhaltung verantwortliche Person die erforderliche Sachkenntnis hat. Die erforderlichen fachlichen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen besitzt insoweit derjenige, der eine Tierpflegerausbildung hat oder in einem persönlichen Gespräch seine Sachkunde gegenüber dem Veterinär- und Ordnungsamt nachweisen kann. Der Sachkundige, der bei der Behörde als verantwortliche Bezugsperson angegeben wird, sollte derjenige sein, der sich überwiegend um die Tiere kümmert und die erforderlichen Maßnahmen durchsetzen kann. Personen, die einschlägig wegen Vergehen gegen das Tierschutzgesetz auffällig wurden, suchtkrank sind oder zu Gewalttaten neigen, können schon die Zuerkennung der Zuverlässigkeit nicht erwarten. Wer also nicht kraft Ausbildung (Tierarzt oder Tierpfleger) schon die entsprechenden Kenntnisse hat, muss sie erwerben. Hierzu bieten der Deutsche Tierschutzbund, aber auch der Landestierschutzverband NRW mit Sitz in Herne, ein fünftägiges Sachkundeseminar an, das mit einer schriftlichen und mündlichen Prüfung abschließt. In diesem Seminar werden die maßgeblichen veterinärmedizinischen, seuchenrechtlichen, verwaltungstechnischen und tierschutzrechtlichen Themen von entsprechenden Fachleuten behandelt und besprochen. Wer nach bestandener Abschlussprüfung die darüber schriftlich erstellte Urkunde dem zuständigen Veterinäramt vorlegt, erhält entweder ohne weitere Prüfung den Sachkundenachweis oder kann aufgrund seiner erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten im persönlichen Gespräch den Veterinärmediziner leicht von der vorhandenen Sachkunde überzeugen. In diesem Zusammenhang musste sich das Bundesverwaltungsgericht im Oktober 2008 mit der rechtlichen Problematik befassen, ob auch private Pflegestellen eine sogenannte Betriebserlaubnis nach § 11 TierSchG und damit einen Sachkundenachweis benötigen (BVerwG 7 C.9.08). Die Richter verneinten dies und wiesen darauf hin, dass eine private Haltung mehrerer Tiere, wenn sich die Anzahl der untergebrachten Tiere im Rahmen einer üblichen privaten Haustierhaltung halte, nicht mit einem Tierheim oder tierheimähnlichen Haltung vergleichen lasse. Die Richter wiesen darauf hin, dass der Gesetzgeber nur dann, wenn typischerweise eine größere Anzahl von Tieren in Zwingern oder ähnlichen Räumlichkeiten untergebracht werden, eine besondere Sachkunde erforderlich sei und bei wenigen Tieren in Privatwohnungen nicht zu befürchten sei, dass diese nicht ordnungsgemäß gehalten würden. Der Schutzzweck des Gesetzes wird hier deutlich, der dahin zielt, dass Tiere, wenn sie in größerer Anzahl gewerbsmäßig zur Zucht oder zum Handel gehalten werden oder auch auf Veranstaltungen zur Schau gestellt werden, nur von besonders ausgebildeten und sachkundigen Personen betreut werden sollen. Der Begriff „Sachkundenachweis“ taucht dann noch einmal im allerdings unter Tierschützern umstrittenen LHundG NRW auf. Derjenige, der einen gefährlichen Hund hält, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Veterinärbehörde, die wiederum nur erteilt wird, wenn die erforderliche Sachkunde vorhanden ist. Gefährliche Hunde im Sinne dieses Gesetzes sind alle Hunde der gesetzlich aufgelisteten Rassen (z. B. Pit Bull Terrier, Ame- Recht & Sicherheit: Fiesel - Aktuelle Rechtsprechung und rechtliche Hinweise mup 3|2014 | 133 rican Steffordshire Terrier u. a.), aber auch Hunde die im Einzelfall als gefährlich festgestellt wurden, weil sie einen Menschen gebissen hatten, Menschen in gefahrdrohender Weise angesprungen oder andere Tiere durch Bisse verletzt hatten, ohne selbst angegriffen worden zu sein. Ganz allgemein gelten als sachkundig Tierärzte, Inhaber eines Jagdscheines und Polizeihundeführer - wer ansonsten einen gefährlichen Hund halten möchte, muss über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, einen solchen Hund zu halten und so zu führen, dass von diesem keine Gefahr für Leben oder Gesundheit von Menschen oder Tieren ausgeht - diese Sachkundebescheinigung erteilt ebenfalls der amtliche Tierarzt nach entsprechender Vorstellung und Prüfung. 5. Gefahr : Horten von Tieren ("Animal Hoarding") Animal Hoarding, das sog. Tiere sammeln, stellt ein immer größer werdendes gesellschaftliches Problem dar. Die untrüglichen Anzeichen sind eine ungewohnt große, stetig wachsende Zahl von Tieren (entweder durch weiteren Zukauf oder unkontrollierte Vermehrung), eine tierschutzwidrige Unterbringung, sowie die fehlende Einsicht des Tierhalters, dass es den Tieren nicht gut geht. Ursache sind oft psychische Schwierigkeiten und Erkrankungen auf Seiten des Tierhalters, der falsch verstandene Tierliebe nicht mit den Voraussetzungen einer tierschutzgerechten Haltung in der Realität in Übereinstimmung mehr bringen kann. Ziel des Eingreifens kann in solchen Fällen nur die schnelle Sicherstellung der Tiere durch die zuständige Behörde sein. Dies erfolgt während eines laufenden Verfahrens, also z. B. nach Erstattung einer Strafanzeige oder einer Ordnungswidrigkeitenanzeige entweder durch die Staatsanwaltschaft nach § 111 b StPO oder durch die Ordnungsbehörde nach § 46 I OWiG. Da diese zuständigen Stellen nicht die personelle Struktur haben, große Tierhaltungen regelmäßig zu kontrollieren, sind sie darauf angewiesen, dass der besorgte Bürger, wenn er denn derartige Zustände irgendwo feststellt, schnell und sachgerecht informiert. Hierzu gehört die genaue Angabe des Ortes, möglichst die Anzahl der Tiere, eine Beschreibung des Zustandes der Tiere und weiteres Hintergrundwissen, soweit vorhanden. Staatsanwaltschaft oder Ordnungsbehörde, hier meistens das Veterinäramt, prüfen dann im Rahmen einer Ortsbesichtigung, ob eine Straftat nach § 17 TierSchG vorliegt, ob also Tiere ohne vernünftigen Grund getötet werden oder ob ihnen erhebliche Schmerzen oder Leiden zugefügt werden und inwieweit Ordnungswidrigkeiten nach § 18 TierSchG gegeben sind; also wird geprüft, ob vorsätzlich oder fahrlässig die Tiere nicht tierschutzgerecht gehalten werden. In dringlichen Fällen erlässt die zuständige Ordnungsbehörde Eilentscheidungen unter Anordnung sofortiger Vollziehung und rückt dann meistens bei vielen betroffenen Tieren mit Mitarbeitern der Tierschutzvereine und umliegender Tierheime an. Unter Anweisung des Veterinäramts müssen dann oft über 100 Tiere eingefangen werden, was insbesondere bei Widerstand seitens des Tierhalters zu einer außerordentlichen großen körperlichen und psychischen Belastung für alle beteiligten Personen führt. Anschließend stellt sich das logistische Problem der Unterbringung der großen Tierzahlen, da in den Sommermonaten z. B. auch viele Tierheime, was die Aufnahme von Tieren angeht, an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Oftmals werden Tiere dann im Rahmen der Vernetzung der Tierheime untereinander auf verschiedene ortsnahe Stellen verteilt. Da diese Tiere zum Teil sehr krank und in schlechtem Pflegezustand sind, müssen sie häufig strengen Quarantänemaßnahmen unterzogen werden. Hierfür wiederum ist ein hoher Betreuungsaufwand notwendig. Da ein Teil der Tiere erfahrungsgemäß trächtig ist, ergibt sich ein erneut anwachsender Tierbestand. Des Weiteren wurde bei Hunden, Katzen und Pferden beobachtet, dass diese Tiere in Folge der oftmals über viele Jahre andauernden falschen Haltung und 134 | mup 3|2014 Recht & Sicherheit: Fiesel - Aktuelle Rechtsprechung und rechtliche Hinweise Pflege traumatisiert sind, d. h. ein Teil der Tiere Verhaltensstörungen aufweist oder im Umgang sehr schwierig sind (scheu oder aggressiv). Die Folge davon ist, dass diese Tiere oftmals sehr schwer bis gar nicht mehr vermittelbar sind und viele Monate, Jahre oder gar den Rest ihres Lebens im Tierheim verbringen müssen. Häufig schließen sich dann auch noch lang dauernde Gerichtsverfahren an, die aber bei sorgfältiger Arbeit der Behörden regelmäßig damit enden, dass die Gerichte das Vorgehen als rechtmäßig feststellen. Animal Hoarding ist mithin ein großes gesellschaftliches Problem, mit dem sich die Öffentlichkeit, aber auch der Tierschutz und die entsprechenden Organisationen in den nächsten Jahren noch intensiv auseinandersetzen müssen. Grundsätzlich müssen neue Wege in Politik und Vollzug gefunden werden, um in solchen Fällen frühzeitig eingreifen und prophylaktisch Rückfälle verhindern zu können. Der Autor Peer Fiesel Rechtsanwalt, Präsident des Landestierschutzverbandes NRW seit dem 01.05.2006, Mitglied des Beirats für Tierschutz am Landtag NRW, seit 20 Jahren 2. Vorsitzender des Tierschutzvereins Groß-Dortmund e. V., der Autor befasst sich seit über 20 Jahren mit tierschutzrechtlichen Fällen. Anschrift: Peer Fiesel · Redtenbacher Straße 30 D-44139 Dortmund kanzlei@ra-fiesel.de
