eJournals mensch & pferd international 6/3

mensch & pferd international
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1867-6456
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mup2014.art18d
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Praxistipp: Sensorische Integration

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Simone Lehnert-Pruß
Kinder und Jugendliche, die langsamer lernen als andere, die Schwierigkeiten haben, sich über einen längeren Zeitraum zu konzentrieren oder die durch ihr Verhalten in der Schule immer wieder auffallen, stellen immer häufiger den Alltag an unseren Schulen dar. Diese Schulschwierigkeiten können u. a. durch eine unvollkommene Integration der Sinne verursacht werden (Ayres 1992). Die Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd bietet eine Vielzahl von Fördermöglichkeiten in den Grundwahrnehmungsbereichen - vestibuläre, taktile und propriozeptive Wahrnehmung.
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mup 3|2014|135-142|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378 / mup2014.art18d | 135 Simone Lehnert-Pruß Praxistipp Sensorische Integration Anwendungsbereiche in der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd Kinder und Jugendliche, die langsamer lernen als andere, die Schwierigkeiten haben, sich über einen längeren Zeitraum zu konzentrieren oder die durch ihr Verhalten in der Schule immer wieder auffallen, stellen immer häufiger den Alltag an unseren Schulen dar. Diese Schulschwierigkeiten können u. a. durch eine unvollkommene Integration der Sinne verursacht werden (Ayres 1992). Die Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd bietet eine Vielzahl von Fördermöglichkeiten in den Grundwahrnehmungsbereichen - vestibuläre, taktile und propriozeptive Wahrnehmung. Das vestibuläre System Bei Störungen des vestibulären Systems werden die aus den Gravitations- und Gleichgewichtsrezeptoren ins Gehirn gelangenden Reize nicht in geeigneter Weise verarbeitet. Das führt dazu, dass Kinder mit entsprechenden Integrationsstörungen in ihrer Fähigkeit, Anpassungsreaktionen auszubilden, beeinträchtigt sind. Unterschieden wird zwischen einer Hypoaktion, also einer Unterfunktion des vestibulären Systems und einer Hyperaktion, einer Überfunktion des Systems. Bei einer Unterfunktion suchen sich betroffene Kinder ein Übermaß an vestibulärer Stimulation - sie sind ständig in Bewegung und Aktion. Bei einer Überfunktion des vestibulären Systems gelangen durch zu wenig Hemmung zu viele vestibuläre Informationen ins Gehirn. Kinder mit einer Hyperaktion bewegen sich nicht gerne und können mit Schwerkrafteinflüssen nicht adäquat umgehen. Die Schwerkraft wird als Bedrohung empfunden (Doering / Doering 1996, 21). Fördermöglichkeiten in der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd Es liegt auf der Hand: auf einem Pferd zu sitzen ist grundsätzlich eine einzige Gleichgewichtsübung. Vom Pferd getragen zu werden, stellt zunächst eine passive Bewegungserfahrung dar, welche dafür sorgt, dass Informationen aus den Bogengängen an das Gehirn weitergeleitet werden. Die passive Stimulation ist sowohl für Kinder mit Unterfunktion als auch für Kinder mit einer Überfunktion des vestibulären Systems eine grundlegende, wichtige Erfahrung. Immer gilt, dass die Reitpädagogin den Prozess genau beobachten muss, um erkennen zu können, welche Anforderung für das Kind geeignet ist. Das gut ausgebildete Therapiepferd wird einem Kind mit vestibulärer Hyperfunktion durch seine ruhige und zuverlässige Art Sicherheit vermitteln und ihm, gemeinsam mit der Reitpädagogin, dadurch neue Bewegungserfahrungen ermöglichen. Die Anforderungen an das vestibuläre System sind beim Reiten hoch. Das Kind muss sich zunächst trauen, die Füße vom Erdboden zu nehmen. Dies kann unter Umständen viel Zeit kosten. Auf einem Pferd zu sitzen ist dennoch für viele Kinder ein solch erstrebenswertes Ziel, dass sie sich früher oder später dazu überwinden werden. Eine aktive Stimulation ist für Kinder mit Hyperfunktion zu empfehlen. Das bedeutet, sie werden aktiv an der Bewegung beteiligt und können langsam an stärkere Stimu- 136 | mup 3|2014 Praxistipp: Lehnert-Pruß - Sensorische Integration lationen herangeführt werden. Kinder mit Unterfunktion suchen sich die Reize oft selbst, können sie jedoch nicht adäquat verarbeiten. Betroffene Kinder trauen sich häufig sehr schnell, an der Longe zu traben oder zu galoppieren, sich auf den Pferderücken zu stellen, rückwärts auf dem Pferd zu sitzen oder neben dem Pferd herzulaufen. Die Bewegungen des Pferdes, insbesondere die Galoppbewegungen, lösen zahlreiche vestibuläre Wahrnehmungsreize aus, welche entsprechende Impulse an das Gehirn weiterleiten und dadurch soziomotorisches Lernen ermöglichen und trainieren (Hamsen 2005, 20). Kinder mit vestibulärer Hypofunktion sind häufig unruhig und hektisch in ihren Bewegungen, mitunter können sie auch ziemlich laut und draufgängerisch sein. Hier bietet sich ein ausgeglichenes, freundliches Therapiepferd an, das dennoch deutlich zeigen kann, was ihm gefällt und wann die Grenze erreicht ist. Pferde lassen sich erstaunlich viel von Kindern gefallen, zeigen aber auch, wenn es ihnen zu viel wird. In der Regel akzeptieren Kinder solche Zurechtweisungen von Pferden besser als von Erwachsenen. Dies kann sich die Reitpädagogin zu Nutze machen, immer vorausgesetzt, sie kennt „ihr“ Pferd so gut, dass sie einschätzen kann, wie viel Erziehungsarbeit dem Pferd zuzumuten ist (Gäng 2010, 24 f). Kinder mit Störungen des vestibulären Systems können bei geübten Bewegungsabläufen relativ sicher wirken. Wichtig sind für diese Kinder aber neue Bewegungserfahrungen, die das vestibuläre System zusätzlich trainieren. Das Reiten oder Führen des Pferdes über unebenes Gelände ist eine Möglichkeit. Mit geschlossenen Augen auf dem Pferd sitzen oder reiten ist eine simple, aber für das vestibuläre System anspruchsvolle Aufgabe. Wenn das Kind auf dem Pferd sitzend Gegenstände wie beispielsweise einen Ball balanciert, macht es passive und aktive Bewegungserfahrungen zugleich. Zu Anfang kann es ausreichend sein, auf dem Pferderücken des stehenden Pferdes zu liegen oder verschiedene Sitzpositionen einzunehmen. Beim Reiten von Hufschlagfiguren oder durch einen Parcours mit vielen Bögen und Wendungen muss sich das Kind besonders darauf konzentrieren, gerade auf Praxistipp: Lehnert-Pruß - Sensorische Integration mup 3|2014 | 137 dem Pferd sitzen zu bleiben, es muss sich ständig ausbalancieren. Das taktile System Eine taktile Übererregbarkeit, die Ayres (1992) als „taktile Abwehr“ bezeichnet, kann Ausdruck einer allgemeinen Übererregbarkeit des Nervensystems sein. Bei einer Übererregbarkeit können spezifische Wahrnehmungen der Umwelt nicht adäquat entwickelt werden. Kinder mit solchen Störungen vermeiden dann häufig Hautkontakt, können Berührungen nicht richtig verorten, Temperaturen nur schlecht einschätzen und haben ein gestörtes Schmerzempfinden (Delius 2005, 42). Um eine optimale Körperempfindung zu erhalten, benötigt das Gehirn Informationen des taktilen Systems. Man unterscheidet dabei das protopathische System, ein schützendes System, welches Impulse sehr schnell zum Gehirn weiterleitet, damit Schutzreaktionen wie Zurückziehen, Abwehr oder Angriff erfolgen können. Beim epikritischen System, dem beurteilenden System, ist die Leistungsgeschwindigkeit deutlich langsamer. Die Impulse dürfen nicht zu schnell im Gehirn ankommen, damit eine notwendige Differenzierung im Großhirn möglich ist. Bei Funktionsstörungen in beiden Bereichen werden die taktilen Informationen ungenügend an die entsprechende Hirnregion weitergeleitet (Pauli / Kirsch 2012, 42). Bei einer Störung des protopathischen Systems kann das Kind aufgrund der langsamen und reduzierten Rückmeldung des Systems Gefahren nur schwer einschätzen. Die Verletzungsgefahr für Kinder mit dieser Störung ist sehr hoch. Gleichzeitig reagieren diese Kinder überempfindlich auf Körperkontakt, wenn das protopathische System zu viele Informationen, die nicht verarbeitet werden können, ungehemmt weiterleitet. Bei einer Störung des epikritischen Systems empfindet das Kind alle Berührungen undifferenziert. Der eigentliche Kontaktpunkt kann nicht lokalisiert werden, da die Informationsübermittlung vom Ort der Berührung so schnell abläuft, dass das Kind die Reize nicht aufnehmen und verarbeiten kann. 138 | mup 3|2014 Praxistipp: Lehnert-Pruß - Sensorische Integration Fördermöglichkeiten in der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd Das Pferd bietet eine Vielzahl an unterschiedlichen taktilen Wahrnehmungsmöglichkeiten. Bereits bei der Kontaktaufnahme und bei der Vorbereitung des Pferdes bieten sich viele Gelegenheiten für taktile Erfahrungen. Allerdings wird ein Kind mit einer Hyperaktion des taktilen Systems das Pferd nicht direkt anfassen wollen. Über Striegel und Bürste kann es dennoch mit dem Tier in Kontakt treten und sich langsam an den Pferdekörper heranwagen. Delius (2005) empfiehlt, solche Kinder möglichst schnell auf das Pferd zu setzen, da sie durch die Sinneswahrnehmungen der vestibulären und propriozeptiven Reize schneller bereit sind, sich auch auf taktile Stimuli einzulassen. Viele Kinder gehen von sich aus auf die Pferde zu und strecken ihnen meistens zuerst einmal die Hand hin. Kinder, die nicht überängstlich auf taktile Reize reagieren, können schnell von den unterschiedlichen taktilen Reizen profitieren, denn an einem Pferdekörper gibt es viel zu ertasten. Mähne und Schweif fühlen sich anders an als das kurze Deckhaar, die weichen Nüstern stehen im Kontrast zu den harten Hufen, man kann den warmen Atem des Pferdes spüren, Kopf und Beine fühlen sich eher knochig und hart an, während andere Stellen am Pferdekörper rund und weich sind. Ich habe viele Kinder in der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd erlebt, die diese Reize geradezu in sich aufsaugten. Zurückzuführen ist das vermutlich auf die emotionale Bedeutung und Wichtigkeit des taktilen Systems. Das taktile System entwickelt sich im Mutterleib vor allen anderen Sinnessystemen. Für ein Neugeborenes ist die Haut und damit die taktile Wahrnehmung das zunächst wichtigste Kommunikationssystem. Zur gezielten Förderung des taktilen System bieten sich z. B. Tastspiele an, bei denen das Kind mit geschlossenen Augen zu einem Gegenstand in der Reitbahn geführt wird, den es dann erraten soll. Wenn das Laufen mit geschlossenen Augen eine zu große Herausforderung darstellt, können die Gegenstände wie beispielsweise ein Hufauskratzer oder eine Bürste auch dem Kind in die Hand gegeben werden. Sehr viel Spaß entwickeln Kinder auch beim Pferde- Raten-Spiel. Dabei stehen beispielsweise drei Therapiepferde in der Bahn. Eventuell können die Praxistipp: Lehnert-Pruß - Sensorische Integration mup 3|2014 | 139 Pferde von den Kindern auf einem Zirkel geführt werden. Ein Kind steht mit verbundenen Augen in der Mitte und sagt „Stopp“. Das Pferd, das ihm am nächsten ist, wird in die Mitte geführt und das Kind errät durch Tasten, um welches Pferd es sich handelt. Hat es eine lange oder eine kurze Mähne, wie groß ist das Tier, wie fühlt sich das Fell an? Man wird sich wundern, an welchen Merkmalen die Kinder ihre Pferde wiedererkennen. Vielfältige taktile Erfahrungen bietet auch das Malen mit Fingerfarben. Im Rahmen eines kleinen Indianerfestes können die Pferde und Ponys bunt gestaltet werden, die eine oder andere Feder kann in die Mähne eingeflochten werden. An warmen Tagen freut sich das Pferd über eine Dusche. Das Pferd gezielt von unten nach oben sacht mit Wasser abzuspritzen und anschließend trocken zu reiben bietet neben den taktilen Reizen auch die Möglichkeit zu sozialem Lernen. Das Kind übernimmt Verantwortung für ein Lebewesen und sorgt dafür, dass es sich wohl fühlt. Auf dem Pferd können dem Kind bestimmte Aufgaben mit unterschiedlichen Anforderungen gegeben werden wie „Streichle das Pferd sanft am Hals.“ oder „Klopfe es etwas kräftiger am Hintern." Das propriozeptive System Um sich vorwärts bewegen zu können oder das Gleichgewicht zu halten, reichen die Informationen aus dem vestibulären System nicht aus. Das Gehirn benötigt zusätzlich Informationen aus dem Bewegungsapparat, also aus der Körpermuskulatur, den Sehnen und Gelenken. Sind die vestibulären und propriozeptiven Impulse im Gehirn nicht ausreichend miteinander integriert, hat ein Kind Schwierigkeiten zu erkennen, wo es sich im Raum befindet und wie es sich in diesem Raum bewegt. Dadurch kann ein zwanghaftes Bedürfnis nach einer Gleicherhaltung der Umwelt entstehen. Diese Kinder leiden häufig unter Veränderungsängsten. Störungen im Bereich der Propriozeption in Verbindung mit den beiden anderen Basissystemen können zu mangelnden Informationen über das Umweltbild führen. Das betroffene Kind kann sich nur unzureichend mit dem Raum, der es umgibt, auseinandersetzen. In einem unveränderten Raum kann es eine Beziehung zwischen seinem Körper und dem Raum herstellen, was dem Kind ein Gefühl von Sicherheit vermittelt. Durch Veränderungen dieser Umwelt können Ängste ausgelöst werden. Saetre (2000) beschreibt die Vorgänge bei hyperaktiven und hypoaktiven Kindern folgendermaßen: Bei einem hyperaktiven Kind können die vestibulären Informationen im Gehirn nicht haften bleiben, das Kind kann sie dadurch nicht für weitere Systeme verwenden, wie zum Beispiel für eine adäquate Entwicklung der Propriozeption. Aufgrund dieser schlechten Informationsvermittlung kann sich die Propriozeption nicht voll entwickeln. Bei einem hypoaktiven Kind ist die Informationsvermittlung zwischen der vestibulären und der propriozeptiven Wahrnehmung deswegen ungenügend, weil die vestibulären Reize sozusagen festgehalten werden müssen. Das Kind hat kein Gefühl für Bewegungs- und Tempoveränderungen sowie für Richtungswechsel, da es solche Bewegungen bisher kaum ausgeführt hat. 140 | mup 3|2014 Praxistipp: Lehnert-Pruß - Sensorische Integration Fördermöglichkeiten in der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd Propriozeption lässt sich kaum getrennt von anderen Wahrnehmungsbereichen fördern. So basiert beispielsweise eine gute Bewegungsplanung auf der Integration der drei Grundsinneswahrnehmungen. Bewegungsabläufe müssen gezielt trainiert werden, was zum Beispiel mit dem Auf- und Absteigen vom Pferd geübt werden kann. Aber auch vom Boden aus bieten sich schon zahlreiche Möglichkeiten zur Förderung der Propriozeption, z. B. das Pferd zu putzen und zu striegeln und es für das Reiten vorzubereiten. Den Kindern kann man einen deutlichen Plan über diesen Ablauf geben, der sich jedes Mal in derselben Art und Weise und in der Reihenfolge wiederholt, sodass das Putzen immer im gleichen ritualisierten Ablauf erfolgt. Das Kind beginnt beispielsweise auf der linken Seite und putzt in Fellrichtung von vorne nach hinten, zuerst den Hals, dann den Rücken und den Bauch, dann die Hinterhand. Ob das Kind auch die Beine putzt, hängt davon ab, ob es sich das zutraut, denn sich zu bücken oder in die Hocke zu gehen stellt weitere vestibuläre Anforderungen an das Kind. Der ritualisierte Ablauf unterstützt das Einüben einer Bewegungshandlung und ermöglicht dem Kind, eine Aufgabe selbstständig von Anfang bis Ende durchzuführen. Den Umfang dieser Aufgabe bestimmt die Reitpädagogin und passt ihn gegebenenfalls immer wieder neu an, gerade so, dass es für das Kind keine Überforderung darstellt. Das Bewältigen dieser Aufgabe wird dem Kind nicht nur helfen seine Eigenwahrnehmung zu verbessern, es wird ihm auch Sicherheit und dadurch mehr Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein geben. Kinder mit Störungen in der propriozeptiven Wahrnehmung fühlen sich meistens in der Reithalle wohler als auf dem Reitplatz oder gar im Gelände. Die Halle gibt einen sicheren Rahmen, in dem das Kind sich schneller orientieren kann. Führübungen bieten sich zur Förderung von räumlicher und zeitlicher Orientierung an. Das Kind kann sein Pferd durch einen bestimmten Parcours führen und mit Hilfe seiner Körpersprache das Pferd dazu bringen, vorwärts zu laufen oder stehen zu bleiben. Dafür sind koordinierte Bewegungsabläufe erforderlich, welche mit dem Kind Schritt für Schritt geübt werden müssen. Bei all diesen Übungen spielt die visuelle Form- Praxistipp: Lehnert-Pruß - Sensorische Integration mup 3|2014 | 141 und Raumwahrnehmung ebenfalls eine große Rolle. Zu einem bestimmten Ziel zu kommen, sich einen Weg zu suchen, Bilder oder Gegenstände an einem Ort einzusammeln - diese Aufgaben fördern die visuelle und die propriozeptive Wahrnehmung. Selbstverständlich können auch auditive Wahrnehmungsübungen mit eingebaut werden, indem Geräusche oder Lautquellen in verschiedenen Raumbereichen gehört und gesucht werden müssen. Diese Übungen können sowohl vom Boden aus als auch auf dem Pferderücken durchgeführt werden. Wenn das Kind noch nicht in Lage ist, sein Pferd selbstständig in eine Richtung zu lenken, kann es geführt werden. Hierbei liegt der Schwerpunkt der Förderung dann auf der Kommunikation, denn das Kind muss dem Pferdeführer erklären, wo es hin möchte. Diese Aufgabe bietet sich auch als Partnerübung an. Als weitere Übungen zur Förderung der propriozeptiven Wahrnehmung und zum Erleben und Erfassen des Körperschemas können dem Kind auf dem Pferd verbale Anweisungen gegeben werden wie „Berühre mit der rechten Hand deine Nase.“ Damit wird das Erfassen der Rechts-Links-Beziehung am eigenen Körper gefördert. Die Körpermittellinie wird beim Klopfen des Pferdehalses an der gegenüberliegenden Seite überkreuzt. Kann das Kind sein Pferd bereits selbständig in der Reitbahn bewegen und gezielt lenken, kann die propriozeptive Wahrnehmung durch reiterliche Übungen gefördert werden. Körperteile bewusst an- und abzuspannen kann einem Reiter beispielsweise beim Durchparieren oder Anreiten verinnerlicht werden. Die Hilfengebung beim Reiten lässt Zug, Druck und Widerstand bewusst erleben und ermöglicht dadurch eine bessere Eigenwahrnehmung. Literatur ■ Ayres, A. J. (1992): Bausteine der kindlichen Entwicklung. 2. Aufl. Springer, Berlin ■ Delius, F. (2005): Möglichkeiten zur Förderung der sensorischen Integration durch das Heilpädagogische Voltigieren bei Kindern mit Wahrnehmungsstörungen. In: DKThR (Hrsg.): Heilpädagogisches Voltigieren und Reiten - Grundlagen - Sonderheft. 3. Aufl., Warendorf, 40-46 ■ Doering, W., Doering, W. (1996): Sensorische Integration. Anwendungsbereiche und Vergleich mit anderen Fördermethoden / Konzepten. 3. Aufl. borgmann, Dortmund 142 | mup 3|2014 Praxistipp: Lehnert-Pruß - Sensorische Integration ■ Gäng, M. (2010): Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren. 6. Aufl. Ernst Reinhardt, München / Basel ■ Hamsen, R. (2005): Heilpädagogisches Voltigieren bei Kindern mit Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörungen. In: DKThR (Hrsg.): Heilpädagogisches Voltigieren und Reiten - Spezielle Aufgabenfelder - Sonderheft. Warendorf, 16-29 ■ Pauli, S., Kirsch, A. (2000): Was ist los mit meinem Kind? 2. Aufl. Ravensburger, Ravensburg ■ Saetre, A. M. (2000): Peter und Nadine - zwei „normale“ Kinder? 3. Aufl. Modernes Lernen, Dortmund Die Autorin Simone Lehnert-Pruß Sonderpädagogin (Geistig- und Körperbehindertenpädagogik), Trainer C Reiten, Voltigier- und Reitpädagogin (DKThR). Anschrift: Simone Lehnert-Pruß Eschenweg 4 · D-26532 Großheide simone@lehnert-web.de