mensch & pferd international
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mup2014.art22d
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Die Auswahl von geeigneten Therapiepferden
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Patricia Graf
Die Auswahl von geeigneten Therapiepferden ist ein besonders wichtiges Thema, da sowohl Therapeuten als auch Patienten sich auf diese Pferde verlassen müssen. Besonders hinsichtlich des Verhaltens werden an Pferde, die zu therapeutischen Zwecken eingesetzt werden, große Ansprüche gestellt, die sich nicht immer mit ihrem natürlichen Verhalten und ihren Instinkten decken. Gerade deshalb ist es unerlässlich, geeignete Methoden und objektive Richtlinien zu entwickeln, welche die Auswahl von Pferden für die Therapie ermöglichen. In der Wissenschaft wurde bisher wenig zu diesem Thema geforscht. Im Folgenden sollen einige Projekte und deren Parameter näher erläutert werden. Eine Untersuchung mit 1028 Pferden könnte, durch die große Datengrundlage, als Praetest für eine Selektion dienen, jedoch muss auch hier noch mehr auf die speziellen Anforderungen an Therapiepferde eingegangen werden.
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166 | mup 4|2014|166-173|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378 / mup2014.art22d Patricia Graf Schlüsselbegriffe: Interieur, Verhalten, Temperamenttest, Therapiepferde, Auswahlkriterien Die Auswahl von geeigneten Therapiepferden ist ein besonders wichtiges Thema, da sowohl Therapeuten als auch Patienten sich auf diese Pferde verlassen müssen. Besonders hinsichtlich des Verhaltens werden an Pferde, die zu therapeutischen Zwecken eingesetzt werden, große Ansprüche gestellt, die sich nicht immer mit ihrem natürlichen Verhalten und ihren Instinkten decken. Gerade deshalb ist es unerlässlich, geeignete Methoden und objektive Richtlinien zu entwickeln, welche die Auswahl von Pferden für die Therapie ermöglichen. In der Wissenschaft wurde bisher wenig zu diesem Thema geforscht. Im Folgenden sollen einige Projekte und deren Parameter näher erläutert werden. Eine Untersuchung mit 1028 Pferden könnte, durch die große Datengrundlage, als Praetest für eine Selektion dienen, jedoch muss auch hier noch mehr auf die speziellen Anforderungen an Therapiepferde eingegangen werden. Die Auswahl von geeigneten Therapiepferden - Kann ein Verhaltenstest hier helfen? Graf - Die Auswahl von geeigneten Therapiepferden - Kann ein Verhaltenstest hier helfen? mup 4|2014 | 167 Die gesundheitliche Förderung von Körper und Geist durch das Pferd wird bereits bei Hippokrates (450 v. Chr.) beschrieben. Die Bewegungsimpulse des Pferdes sowie die positiven Eigenschaften der Ausstrahlung wurden hier schon erkannt und zielgerichtet eingesetzt (Isenbügel 2011). Bis heute hat das therapeutische Reiten eine außerordentliche Entwicklung, Verbreitung und Anerkennung erfahren (Potter u. a. 1994). Die pädagogischen, psychologischen, physiotherapeutischen, rehabilitativen und sozialintegrativen Maßnahmen im therapeutischen Reiten helfen nicht nur Kindern und Jugendlichen, sondern auch Erwachsenen mit körperlichen, seelischen und sozialen Entwicklungsstörungen oder Behinderungen (NARHA 1992). Im Rahmen der Therapie mit dem Pferd wird vor allem auf das fachkundige Wissen der Therapeuten großes Augenmerk gerichtet. Fundierte und genau geregelte Ausbildungs-, Prüfungs- und Weiterbildungsprogramme in diesem anerkannten Therapieberuf ermöglichen, dass gut ausgebildete Therapeuten ihre fundierten Kenntnisse zum Wohle des Patienten einsetzen (Isenbügel, 2011). Dies ist unumstritten notwendig, um eine qualitativ hochwertige Therapie anzubieten. Auch dem Pferd als das zentralem Medium in der Therapie sollte besonderes Interesse gewidmet werden. Dies gilt nicht nur für die Ausbildung und die Haltung von Pferden, die im Therapeutischen Reiten eingesetzt werden (Anderson u. a. 1999). Schon bei der Auswahl geeigneter Pferde können die Weichen für eine erfolgreiche Therapie, ein zufriedenes Therapiepferd und einen glücklichen Patienten gestellt werden (Hart 2000). Für die Auswahl und die Ausbildung von geeigneten Therapiepferden sind, im Gegensatz zu der des Therapeuten, keine klaren Richtlinien oder Regelwerke vorhanden (Gomolla / Machauer 2006). Die Auswahl trifft der jeweilige Ausbilder eher nach subjektiven Empfindungen als nach klaren objektiven Methoden. Dies liegt unter anderem daran, dass an Pferde, die in der Therapie eingesetzt werden, durch den Patienten, den Therapeuten und den Pferdehalter vielfältige Anforderungen gestellt werden. Wie soll das optimale Therapiepferd aussehen - und gibt es dieses Optimum überhaupt? Muss das Therapiepferd nicht individuell auf den Patienten abgestimmt sein? Sind Richtlinien für die Auswahl sinnvoll, und wenn ja, woran orientiert man sich? Um diese Fragen zu klären, werden nachfolgend aus verschiedenen wissenschaftlichen Arbeiten Ansatzpunkte zusammengetragen, die Hilfen zur Auswahl von Therapiepferden bieten können. Dafür müssen die Anforderungen und die Bedürfnisse der einzelnen Gruppen an das Pferd genau definiert und objektive Parameter gefunden werden (z. B. Herzfrequenz oder definierte Verhaltensweisen wie Aktivität, Reaktivität), welche diese Anforderungen widerspiegeln, um sie im Rahmen eines Selektionsverfahrens effektiv nutzen zu können. Objektive Parameter könnten zum Beispiel die Herzfrequenz, genau definierte Verhaltensweisen oder die Beschreibung der Aktivität, Reaktivität und Schreckhaftigkeit sein. Für Therapiepferde sind keine klaren Richtlinien vorhanden. Anforderungen an ein Therapiepferd hinsichtlich des Verhaltens Therapiepferde werden in ihrer täglichen Arbeit mit den Patienten stark gefordert. Dabei stehen nicht, wie im Leistungssport, physische Leistungen im Vordergrund, sondern vor allem die mentale Arbeit. Gerade diese mentale Arbeit der Pferde ist für den Erfolg einer Intervention mit dem Pferd von großer Bedeutung (Minero u. a. 2006). Deshalb spielen bei Pferden, die in der Therapie eingesetzt werden, vor allem Charakter- und Temperamentmerkmale sowie das Verhalten eine große Rolle. Laut zahlreicher Autoren sollten Therapiepferde sehr kontakt- und lernfreudig, neugierig, verspielt, am Menschen interessiert, stressresistent, wenig schreckhaft, tolerant, unsensibel gegenüber plötzlich auftretenden und unerwarteten Geräu- 168 | mup 4|2014 Graf - Die Auswahl von geeigneten Therapiepferden - Kann ein Verhaltenstest hier helfen? schen, Bewegungen und Berührungen und außerdem ruhig und offen sein (Engel 1992; Anderson u. a. 1999; Visser u. a. 2001; Minero u. a. 2006; Gomolla / Machauer 2006). Das erwünschte Verhalten der Therapiepferde während einer Sitzung widerspricht also oft den natürlichen Instinkten des Fluchttieres Pferd (Kaiser u. a. 2006). Diese angeborenen Verhaltensweisen sind jedoch schon bei Wildpferden unterschiedlich stark ausgeprägt und durch die Domestikation über mehrere Jahrhunderte bei vielen Pferden deutlich abgeschwächt worden. Zudem können der Fluchttrieb durch umfangreiches Training, artgerechte Haltung, Ausgleich zur Arbeit und Vertrauen zum Menschen reduziert und das erwünschte Verhalten verstärkt werden (Moore 1992; Meier-Bärwald 2012). Bei der Auswahl von Therapiepferden sollte also bereits im Vorfeld geklärt werden, wie sich die Tiere in verschiedenen Situationen verhalten und welche Vorgeschichte sie mitbringen. Kasten 1: Verschiedene Verhaltenstests Bei einem Novel-Object-Test werden die Reaktionen eines Tieres auf unbekannte Gegenstände beobachtet und aufgezeichnet. Diese Gegenstände können je nach Autor und nach Verwendungszweck des Pferdes angepasst werden. Verwendet werden u. a. aufblasbare Gegenstände, Regenschirme, Luftballons oder Flatterbänder. Dokumentiert und analysiert werden die Zeit bis zur Annäherung an das Objekt (Wolff u. a. 1997; Ley u. a. 2007), der Abstand zum Objekt, die Berührungsintensität, der Körperausdruck bzw. Ausdrucksverhalten (Forkman u. a. 2007) oder die Art der Bewegung. Im Rahmen des Reaktionstests wird das Pferd einem Reiz, z. B. einem Geräusch, einem plötzlich auftretenden Gegenstand oder beweglichen Gegenständen ausgesetzt, auf die es reagiert, also eine Reizantwort gibt, die dann dokumentiert wird (Forkman u. a. 2007). Dabei wird oft eine Fluchtreaktion ausgelöst, wobei vor allem die Stärke des Fluchtinstinktes sowie dessen Dauer bewerten wird. Beim Open-Field-Test geht es vor allem darum, das freilaufende Pferd und seine Reaktion auf soziale Separation zu beobachten. Dabei werden Bewegungen, Lautäußerungen und Reaktionen während einer definierten Zeitspanne, auch mit Hilfe von Videoüberwachungen, protokolliert (Fraser 1997). Der Handlingtest wird dazu verwendet, die Reaktion des Tieres auf den Menschen einzuschätzen. Auch die Auswirkung von Handlingmaßnahmen des Menschen am Pferd und die Reaktion darauf kann ermittelt werden (Visser u. a. 2001). Neben den Verhaltensmerkmalen stehen noch die Gesundheit, die Qualität der Gänge bzw. des Schritts, die Konstitution und das Gebäude bei der Auswahl der Therapiepferde im Vordergrund (Engel 1992; Moore 1992; NARHA 1992; Wiger 1992; Anderson u. a. 1999; Gomolla / Machauer 2006). Weniger wichtig scheinen auf den ersten Blick die Größe, Farbe, Rasse und das Geschlecht zu sein. Dennoch gibt es auch hier - bis auf die Farbe - Unterschiede, die für den Behandlungsfortschritt des jeweiligen Patienten wichtig sein können. Die deutlich höhere Gelassenheit von Wallachen in Schreckreaktionen im Vergleich zu Stuten (Graf 2013) kann einem eher nervösen Patienten die nötige Sicherheit geben, während z. B. eine sensible Stute direkter auf den Patienten reagiert und dadurch dem Therapeuten wichtige Aufschlüsse geben kann (Gomolla / Machauer 2006). Graf - Die Auswahl von geeigneten Therapiepferden - Kann ein Verhaltenstest hier helfen? mup 4|2014 | 169 Hilfsmittel aus der Forschung zur Bewertung des Verhaltens von potenziellen Therapiepferden Trotz der hohen Anforderungen an das Therapiepferd wurde bisher wenig hinsichtlich einer objektiven Erfassung von Temperament- und Charaktermerkmalen geforscht. Es gibt zwar einige validierte Testmethoden (siehe Kasten 1) zur Erfassung dieser Merkmale, jedoch wurden sie nur selten direkt auf Therapiepferde angewandt. Generell ist die Beurteilung von Charakter- und Temperamentmerkmalen bei Pferden oft mit einigen Schwierigkeiten verbunden, da sie nur indirekt über das Verhalten erfasst werden können. Deshalb ist es wichtig, dass im Vorfeld eines Versuchsaufbaus die zu überprüfenden Merkmale genau definiert werden. Zudem ist zu beachten, dass ein Testverfahren möglichst vielfältige Situationen und Reaktionen überprüft, um ein umfassendes Bild liefern zu können (Graf 2013). Bei Therapiepferden scheinen aufgrund der in der Literatur genannten Eigenschaften und der Anforderungen, die an sie gestellt werden, vor allem die Reaktivität, die Erregung, die Aufmerksamkeit, die Aktivität und die Schreckhaftigkeit eine Rolle zu spielen. Die Reaktivität und auch die Schreckhaftigkeit beschreiben die Reaktion auf einen Stimulus (unbekanntes oder plötzlich auftauchendes Objekt oder Handlingmaßnahme), wobei die einzelnen Beschreibungen genau definiert und dann Notenpunkten zugeordnet werden. Die Erregung und Aufmerksamkeit werden meist anhand von Mimik, Ohrenspiel, Aktivität, Atmung und Augen beurteilt. Die Aktivität kann einfach anhand der Gangarten oder der zurückgelegten Strecke je Zeiteinheit gemessen werden. Alle diese Parameter scheinen für die Selektion von Therapiepferden sinnvoll zu sein. Denkbar wäre auch, das Sicherheitsgefühl von erfahrenen Testreitern abzufragen oder auch Messungen von physiologischen Merkmalen wie Herzfrequenz oder Stresshormonspiegeln einzubeziehen. Diese Parameter können wichtige Informationen gerade hinsichtlich der Erregung und des Stresses liefern, jedoch sollten sie immer im Zusammenhang mit Verhaltensbeobachtungen ausgewertet werden, um Fehlinterpretationen vorzubeugen. Generell könnten in Zusammenarbeit mit erfahrenen Therapeuten noch weitere Merkmale und Parameter ermittelt, in ein Testverfahren integriert und in der Praxis getestet werden. Therapiepferde sollten eine hohe Reaktionsschwelle aufweisen. Um ermittelte Merkmale oder Parameter abzuprüfen, können zum Beispiel Novel- Object-Tests, Reaktionstests, Handling-Tests und / oder Open-Field-Tests durchgeführt werden (siehe Kasten 1). Therapiepferde sollten eine hohe Reaktionsschwelle aufweisen, da Patienten oft unvorhergesehene und zu intensive Aktionen ausführen, die nicht sofort zu einer erhöhten Reaktion des Pferdes führen sollen. Deshalb können für die Selektion von Therapiepferden Testverfahren, Stimuli oder Gegenstände verwendet werden, die bei einem durchschnittlichen Pferd schnell eine starke Reaktion hervorrufen. Wissenschaftliche Untersuchungen zur Auswahl von Therapiepferden Wie bereits erwähnt, gibt es nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen zur Auswahl von Therapiepferden hinsichtlich ihres Verhaltens. Exemplarisch sollen hier vier verschiedene Ansätze erläutert werden. Spink (1993) hat ein umfassendes Model aus Standards und Fähigkeiten entwickelt, das zur Auswahl, zum Training und zur Haltung von Therapiepferden herangezogen werden kann. Hierfür müssen Pferde über gewisse Grundvoraussetzungen bezüglich des Gehorsams und des Umgangs verfügen, die durch vorherige Besitzer belegt werden müssen, bevor das Modell 170 | mup 4|2014 Graf - Die Auswahl von geeigneten Therapiepferden - Kann ein Verhaltenstest hier helfen? greifen kann. Generell umfasst der sogenannte „ Equine Behavioral Profile System (EBPS)“ einen Verhaltenstest, verschiedene Testverfahren zur Anpassungsfähigkeit und zur Eignung in der Therapie und das Reiten an sich. Alle Teile beinhalten eine genaue Verhaltensbeobachtung, welche vor allem die Anpassungsfähigkeit des Pferdes an bestimmte Alltagssituationen bewertet. Für die Therapiepferde war die Reizschwelle des Verhaltenstests jedoch zu niedrig. Anderson u. a. (1999) haben mithilfe von 103 Pferden (76 Therapiepferde und 27 Pferde, die nicht in der Therapie eingesetzt werden) verschiedene Methoden auf ihre Eignung zur Selektion von Therapiepferden hinsichtlich des Verhaltens untersucht. Zum einen wurde ein Fragebogen entwickelt, der 20 verschiedene Charakter- und Temperamentmerkmalspaare enthielt und für jedes Pferd von drei unterschiedlichen Ausbildern oder Betreuern der Pferde ausgefüllt werden musste. Beispiele für die Merkmalpaare sind: gelassen - nervös, aufmerksam - unaufmerksam, geduldig - ungeduldig. Die Teilnehmer der Umfrage mussten nun auf einer Skala angeben, ob das entsprechende Pferd eher gelassen oder eher nervös ist. Um diese Angaben und die Methodik zu überprüfen, wurden Blutproben auf das Stresshormons Cortisol und auf die Menge an Adrenalin und Noradrenalin hin untersucht sowie ein Verhaltenstest mit den Pferden durchgeführt. Der Verhaltenstest umfasste ein laufendes, quiekendes Spielzeugschwein, welches vor dem Pferd auftauchte, einen auf Höhe der Flanke hochspringenden Luftballon und einen plötzlich sich öffnenden Regenschirm. Vor allem die Reaktion auf die unterschiedlichen Stimuli wurde bewertet. Die Ergebnisse zeigen, dass die Abfrage von Merkmalen als Methode in diesem Fall zu subjektiv war, da es in nur 37,8 % der Fälle eine Übereinstimmung zwischen zwei Fragebögen eines Pferdes und bei lediglich 7,8 % eine Übereinstimmung zwischen allen drei Fragebögen gab. Zudem konnten die Wissenschaftler keine allgemeingültigen Zusammenhänge zwischen den Ergebnissen aus Fragebogen, Verhaltenstest und Bluttest ziehen. Minero u. a. (2006) versuchten mithilfe eines Verhaltenstests und der Messung von Herzfrequenz sowie Herzfrequenzvariabilität die Reaktion von Therapiepferden mit der von Springpferden zu vergleichen, um daraus Rückschlüsse für eine mögliche Selektion zu ziehen. Zudem wurden auch hier die Stresshormone analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass Therapiepferde während des Verhaltenstests eine höhere Herzfrequenz aufwiesen als Springpferde, was durchaus mit der besseren Kondition der Springpferde zusammenhängen kann. Zudem konnten die Autoren nicht zeigen, dass die eingesetzten Therapiepferde weniger auf einen plötzlich auftretenden Stimulus reagierten; jedoch war die Anzahl der Versuchstiere (vier Therapie- und drei Springpferde) nicht repräsentativ. Ein Ansatzpunkt für eine groß angelegte Untersuchung In einer eigenen Untersuchung wurden mithilfe eines Verhaltenstests 1028 Pferde hinsichtlich ihres Temperaments beurteilt (Graf 2014; Graf 2013). Der Verhaltenstest, der inzwischen beim Deutschen Patent- und Markenamt als Gebrauchsmuster geschützt ist, umfasste zwei liegende Bälle, einen Ball, der von einer Rampe am Pferd vorbei rollt, eine mit blauem Teppich überzogene Holzplatte und eine aus Pylonen und Windschutznetzen gebaute Gasse. Die Stimuli sollten sowohl optische als auch auditive Reize setzen und Alltagssituationen möglichst abstrakt darstellen. Dieser Verhaltenstest wurde bei Stuten- und Hengstleistungsprüfungen sowie bei Stutenschauen und in privaten Betrieben bundesweit durchgeführt. Bewertet wurde das Verhalten der Pferde anhand solcher Parameter wie Aktivität, Erregung, Interesse am Stimulus, Hilfenannahme, Raktivi- Graf - Die Auswahl von geeigneten Therapiepferden - Kann ein Verhaltenstest hier helfen? mup 4|2014 | 171 tät und die Zeit bis zur Beruhigung von einem unabhängigen Richter; dazu wurden die Sicherheit, die Erregung und Reaktivität von erfahrenen Fremdreitern beurteilt. Unter den 1028 Pferden waren sowohl Stuten und Hengste als auch Wallache aller Altersgruppen, Rassen und Einsatzbereiche vertreten, darunter auch wenige Pferde, die für das therapeutische Reiten eingesetzt werden (n = 11). Die Ergebnisse zeigten Pferde gesamt Therapiepferde -1 0 1 2 3 4 5 Liegende Bälle Rollender Ball Brücke Gasse Stange Gesamt Note für Erregung 0 2 4 6 8 10 12 Liegende Bälle Rollender Ball Brücke Gasse Stange Gesamt Note für Reaktivität Abb. 1: Unterschied in der Erregung und der Reaktivität von Therapiepferden und Pferden, die nicht im Therapeutischen Reiten eingesetzt werden (Graf 2013) deutlich, dass ein solcher Verhaltenstest geeignet ist, um verschiedene Verhaltensweisen bei Pferden zu erkennen. Für die Therapiepferde war die Reizschwelle des Verhaltenstests jedoch zu niedrig. Sie reagierten auf alle Stimuli im Verhaltenstest kaum, waren eher desinteressiert (siehe Abbildung 1). Dies ist natürlich bei einem gut ausgebildeten und in der Therapie regelmäßig eingesetzten 172 | mup 4|2014 Graf - Die Auswahl von geeigneten Therapiepferden - Kann ein Verhaltenstest hier helfen? Pferd nicht verwunderlich, da im Verhaltenstest zum Teil Gegenstände verwendet werden, mit denen das Therapiepferd täglich konfrontiert wird. Um hier schwach reagierende Pferde von denen, die überhaupt nicht reagieren, besser trennen zu können und die Reaktionsschwelle besser auszuloten, wäre es durchaus denkbar, stärkere Reize einzusetzen. Dennoch könnte man diesen Verhaltenstest als eine Art Praetest für eine Vorselektion nutzen und die Pferde, die gelassen und ruhig reagieren sowie eher desinteressiert sind, genauer auf ihre Eignung überprüfen. Generell eignen sich die Parameter des Verhaltenstests für die Auswahl von Therapiepferden, da Merkmale wie Aktivität, Erregung und Reaktivität auch von anderen Autoren bevorzugt werden. Fazit und Perspektiven Die wissenschaftliche Herangehensweise an die Selektion von Therapiepferden steckt noch in den Kinderschuhen. Die vorhandenen Studien liefern unbefriedigende und wenig aussagekräftige Ergebnisse, mit denen in der Praxis kaum etwas anzufangen ist. Generell sind zwar verschiedene Testverfahren für die Verhaltenserfassung von Pferden bekannt und zum Teil auch validiert, jedoch wurden sie noch nicht explizit an die Anforderungen für Therapiepferde angeglichen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, um einen praktischen Ansatz für Richtlinien bei der Auswahl von Therapiepferden zu schaffen. Vorstellbar wäre eine groß angelegte Studie, die verschiedene Methoden (wie z. B. Verhaltenstests, Befragung, Erfassung des natürlichen Verhaltens, Herzfrequenzmessung) in zahlreichen Therapiepferdezentren und Reitställen erprobt und so geeignete Tests selektieren kann. Generell sollte immer bedacht werden, dass die praktische Anwendung im Vordergrund stehen muss. Literatur ■ Anderson, M. K., Friend, T. H., Evans J. W., Sushong, D. M. (1999): Behavioral assessment of horses in therapeutic riding programs. 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Anschrift: Dr. Patricia Graf Schützenstr. 14 · D-73635 Rudersberg P_Graf@web.de Die Autorin Stellengesuch Reittherapeutin/ Naturpädagogin - Mit langjähriger Erfahrung im HPV und RSB - Ausbildung und Ausgleichsarbeit von Therapiepferden - Tierkommunikation und Tierheilung - Und der ganzheitlichen Förderung mit dem Tier Freut sich auf neue Aufgaben ! ! Bevorzugt Raum MZ WI DA Kontakt Nikola Doliwa E-Mail Nikola.Doliwa@gmx.de Tel. 0174-2417097
