eJournals mensch & pferd international 7/1

mensch & pferd international
2
1867-6456
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mup2015.art02d
11
2015
71

Die Ausbildungsskala für Therapiepferde

11
2015
Katharina Westermann
Jeder erfolgreiche Einsatz des Pferdes wird zu einem großen Teil von der Qualität des eingesetzten Pferdes bestimmt und erfordert einsatzspezifische Ausbildungsinhalte. Die Betrachtung von Ausbildungsmethoden und -inhalten aus verschiedenen Blickwinkeln, z. B. aus verhaltensphysiologischer, lerntheoretischer, sportwissenschaftlicher, pädagogischer oder psychologischer Sicht, kann neue Möglichkeiten in der Pferdeausbildung eröffnen. Dies gilt insbesondere für den Bereich der Pferdegestützten Interventionen. Denn die Anforderungen an Therapiepferde unterscheiden sich grundlegend von denen der Pferde, die in den klassischen Sportdisziplinen eingesetzt werden. Darüber hinaus bedeuten die Besonderheiten der Zielgruppe zusätz­liche Belastungen für das Pferd, die bei der Auswahl und Ausbildung des Therapiepferdes beachtet werden müssen.
2_007_2015_1_0003
Katharina Westermann 4 | mup 1|2015|4-13|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378 / mup2015.art02d Schlüsselbegriffe: Therapiepferd, Erweiterung der Ausbildungsskala, Pferdegestützte Intervention, Perspektivwechsel, Partnerschaft Mensch-Pferd Jeder erfolgreiche Einsatz des Pferdes wird zu einem großen Teil von der Qualität des eingesetzten Pferdes bestimmt und erfordert einsatzspezifische Ausbildungsinhalte. Die Betrachtung von Ausbildungsmethoden und -inhalten aus verschiedenen Blickwinkeln, z. B. aus verhaltensphysiologischer, lerntheoretischer, sportwissenschaftlicher, pädagogischer oder psychologischer Sicht, kann neue Möglichkeiten in der Pferdeausbildung eröffnen. Dies gilt insbesondere für den Bereich der Pferdegestützten Interventionen. Denn die Anforderungen an Therapiepferde unterscheiden sich grundlegend von denen der Pferde, die in den klassischen Sportdisziplinen eingesetzt werden. Darüber hinaus bedeuten die Besonderheiten der Zielgruppe zusätzliche Belastungen für das Pferd, die bei der Auswahl und Ausbildung des Therapiepferdes beachtet werden müssen. Eine neue Dimension der Partnerschaft von Mensch und Pferd Die Ausbildungsskala für Therapiepferde Westermann - Die Ausbildungsskala für Therapiepferde mup 1|2015 | 5 Schon Xenophon beschrieb, dass nur ein Pferd, das korrekt und gezielt auf seine anspruchsvolle, sowie psychisch und physisch sehr belastende Aufgabe vorbereitet wird, in der Lage ist, sein Leistungspotential auch in Belastungssituationen sicher und zuverlässig abzurufen (Widdra 2007, 164). Voraussetzung hierfür ist zusätzlich zu pferdespezifischem Fachwissen das Wissen um die einsatzspezifischen Anforderungen und Belastungsmomente, denen das Pferd während seines Einsatzes ausgesetzt ist. Hier gibt es oft erhebliche Unterschiede zwischen den Nutzungsrichtungen. Von welchen Faktoren die Einsatzbereitschaft eines Pferdes in Pferdegestützten Interventionen (PGI) bestimmt wird, fasst Abbildung 1 zusammen. Abb. 1: Einflussfaktoren auf die Einsatzbereitschaft des Pferdes in Pferdegestützten Interventionen (PGI) (Westermann 2013, 91) 15 Veterinärmedizin---Biologie---- Agrarwissenschaften--- Pferdewissenschaften- Fachwissen-- Beobachtung - Überprüfung- Verhalten---Interieur-- Exterieur-- Gesundheit-- Ernährung---Leistungspotenzial Management- Ausbildung- Erziehung - Ausbildung-an-der-Hand- Ausbildung-unter-dem-Sattel- Ausbildung-an-der-Longe- Körperarbeit - Ausgleichsarbeit---Gesundheitsvorsorge---Korrekturarbeit- Partizipierende - Wissenschaften - Erfassung-der- beeinflussbaren - Veranlagungen-des- Pferdes- Beeinflussbare- Anlagen-des- Pferdes- Ausbildung-der- beeinfluss‐baren- Anlagen-des- Pferdes- Erhalt-der- beeinflussbaren- Anlagen-des- Pferdes- Potenzialanalyse: - Gesundheitspflege,-Erziehung,-Körperarbeit,-Ausbildung-an-der-Hand,-der-Longe-und-unter- dem Sattel Humanmedizin---Psychologie---- Pädagogik---Sportwissenschaften- Natürliche-Voraussetzungen- Einsatzspezifische-Voraussetzungen- Das-in-PGI-einsatzbereite-Pferd- Abb. 1: Einflussfaktoren auf die Einsatzbereitschaft des Pferdes in Pferdegestützten Interventionen (PGI) Voraussetzungen- des-Pferdes- Aufzucht- Haltung- Gesundheitspflege- Abb. 2: Stufen der Ausbildungsskala gemäß den Richtlinien für Reiten und Fahren Bd. 1 (Deutsche Reiterliche Vereinigung 1994, 168-174) 6 | mup 1|2015 Westermann - Die Ausbildungsskala für Therapiepferde Die bisher veröffentlichten Ausbildungsgrundlagen eines Pferdes gehen vom Umgang und von der Nutzung des Pferdes durch einen fach- und sachkundigen Menschen aus (Reiter, Fahrer, Longenführer und Voltigierer etc.). So dient z. B. die in Band 1 der „Richtlinien für Reiten und Fahren“ beschriebene Ausbildungsskala (siehe Abb. 2) der „systematischen Gymnastizierung, bei der es darum geht, das Pferd sowohl in körperlicher als auch in psychischer Hinsicht zur vollen Entfaltung seiner natürlichen Möglichkeiten zu bringen und es zu einem gehorsamen, angenehmen und vielseitig ausgebildeten Reitpferd zu machen“ (Deutsche Reiterliche Vereinigung 1994). Denn laut Stammer (2009) macht erst der durch die Ausbildung modifizierte Bewegungsablauf ein Pferd zum Reitpferd. Hier sind bereits erste gravierende Unterschiede zwischen der herkömmlichen Nutzung - - Abb. 2: Stufen der Ausbildungsskala gemäß den Richtlinien für Reiten und Fahren Bd. 1 (Deutsche Reiterliche Vereinigung 1994, 168--174) TAKT-- das-räumliche-und-zeitliche-Gleichmaß-in-den-drei-Grundgangarten,- also-in-Schritten,-Tritten-und-Sprüngen.- LOSGELASSENHEIT- ist-erreicht,-wenn-das-Pferd-bereit-ist,-in-allen-drei-Grund‐ gangarten-seinen-Hals-nach-vorwärts‐abwärts-zu-dehnen- und-mit-schwingendem-Rücken-und-natürlichen,- taktmäßigen-Bewegungen,-ohne-zu-eilen-vorwärts-geht.- ANLEHNUNG- die-stete,-weich‐federnde-Verbindung-zwischen- Reiterhand-und-Pferdemaul; -vom-Pferd-gesucht-und- vom-Reiter-gestattet.-Sie-gibt-dem-Pferd-die-nötige- Sicherheit,-sein-natürliches-Gleichgewicht-unter- dem-Reiter-wiederzufinden-und-sich-im-Takt-der- verschiedenen-Gangarten-auszubalancieren. SCHWUNG- die-Übertragung-des-energischen-Impulses- aus-der-Hinterhand-(über-den-Pferderücken)- auf-die-Gesamt‐Vorwärtsbewegung-des- Pferdes GERADERICHTUNG- das-Aufeinandereinspuren-von- Hinterhand-und-Vorhand-für-die- gleichmäßige-Verteilung-der- Belastung-beider-Körperhälften-- VERSAMMLUNG- Vermehrte-Lastaufnahme- durch-die-Hinterhand-bei- stärkerer-Hankenbeugung- und-verstärktem-unter‐ treten-unter-den-Schwer‐ punkt; -dadurch-Entlastung- und-vermehrte- Beweglichkeit-der-Vorder‐ beine.- Schritt‐,-Tritt‐-und- Sprunglänge-wird-kürzer,- ohne-Verlust-an-Fleiß-und- Aktivität. GEWÖHNUNG SCHUBKRAFT- TRAGKRAFT GLEICHGEWICHT DURCHLÄSSIGKEIT- die-Bereitschaft-des-Pferdes,-die-Hilfen-des-Reiters-gehorsam-und-zwanglos-anzunehmen; -auf-treibenden-Hilfen-ohne-Zögern-zu- reagieren,-und-die-Zügelhilfen-vom-Maul-über-Genick,-Hals-und-Rücken-bis-in-die-Hinterhand-weiterzuleiten,-also-hindurchzulassen-- Festigung-des-Taktes-und-Erreichen-der-Losgelassenheit; - durch-Aufwärmen-von-Muskeln,-Bändern-und-Sehnen- sowie-Verbesserung-der-Aktivität-von-Rücken-und- Hinterhand- Anregung-des-Pferdes-zu-vermehrter-Akti----vität-der-Hinterhand-und-weiterem- Unterfußen-in-Richtung-Schwerpunkt- die-durch-vermehrtes------Treiben-gesteigerte-Schubkraft-wird-durch-haltende/ annehmende-Zügelhilfen- abgefangen-und-über--------den-durchlässigen-Rücken-an-die-Hinterhand-zurückgegeben- Abb. 3 Das Pferd in der Hippotherapie Nutzbare Wirkungen: - Übermittlung dreidimensionaler Bewegungsstimuli über den Pferderücken - die vom Pferd und seiner Umgebung übermittelten Wahrnehmungsstimuli Belastungsmomente: - Gewicht und Inbalancen des Patienten - trotz Ablenkung durch den Patienten sensible Reaktion auf die Hilfen des Pferdeführers - starke Reduktion des natürlichen Bewegungsdranges Anforderungsprofil: - Übermittlung korrekter und dosierbarer Bewegungsimpulse - Gehfreude - sicher und in feiner Anlehnung am Langzügel führbar sein - Akzeptanz des Patiententransfers mittels Lifter, Rampe o. Ä. - Akzeptanz von gleichzeitig zwei Reitern auf seinem Rücken - Duldung zusätzlicher nebenher gehender Hilfspersonen Westermann - Die Ausbildungsskala für Therapiepferde mup 1|2015 | 7 des Pferdes und der Nutzung als Therapiepferd zu erkennen, denn 1. stammt der Pferdeführer, i. d. R. der Therapeut, meistens aus einem „pferdefremden Grundberuf“. Im Rahmen einer Zusatzausbildung wird u. a. auch das pferdebezogene Fachwissen vermittelt. 2. ist der Klient auf dem Pferderücken / beim Umgang mit dem Pferd ein absoluter Laie hinsichtlich des Umgangs mit dem Pferd. Und dieser Zustand bleibt i. d. R. auch bestehen, da die Therapie zum Ziel hat, den Klienten in seiner Gesundheitsentwicklung und Persönlichkeit zu fördern und nicht zu einem kompetenten Reiter zu schulen (Westermann 2013). Aus der Mitnutzung des Pferdes durch Laien ergeben sich weitere Besonderheiten im Bereich der Anforderungen und Belastungsmomente eines Therapiepferdes: ■ Es ist häufig andauernden und wiederkehrenden Unannehmlichkeiten ausgesetzt und muss unter diesen Bedingungen leistungsfähig sein und bleiben. Die Unannehmlichkeiten reichen dabei von unkontrollierten Bewegungen / Lautäußerungen in unmittelbarer Pferdeumgebung über ein ständiges Unterschreiten der Individualdistanz, unkontrollierte Berührungen vor allem an „kritischen Körperstellen“ (wie z. B. der Flanke), „falscher Hilfengebung“ bis hin zur Behinderung des Bewegungsablaufes des Pferdes, z. B. durch fehlenden Gleichgewichtssitz (Stadler 2008). ■ Darüber hinaus muss das Pferd diese Unannehmlichkeiten nicht nur tolerieren, sondern auch noch von relevanten, d. h. unverzüglich zu befolgenden Hilfengebungen seitens des Therapeuten unterscheiden und gleichzeitig die therapeutisch notwendigen Impulse an den Klienten korrekt übermitteln (Westermann 2013). Ein Pferd, das all diese Aufgaben gleichzeitig erfüllen kann, ist ein wahres Multitasking-Talent - und ohne spezielle Schulung niemals zu dieser Leistung in der Lage! Eine kurze Übersicht über die Nutzungsprofile von Therapiepferden verschiedener Einsatzgebiete (siehe Abb. 3) macht den hohen an die Abb. 3 (fortfolgend) 8 | mup 1|2015 Westermann - Die Ausbildungsskala für Therapiepferde Das Pferd im Heilpädagogischen Voltigieren und Reiten Nutzbare Wirkungen: - Übermittlung dreidimensionaler Bewegungsstimuli über den Pferderücken - Takt, Bewegungsrhythmus und Bewegungsfluss der Pferdebewegung - die vom Pferd und seiner Umgebung ausgehende Wahrnehmungsstimuli - Verhalten und Kommunikationsbereitschaft des Pferdes - Pflege und Versorgung des Pferdes Belastungsmomente: - Gewicht und die Inbalancen des Klienten - unkontrollierte Bewegungen, (krankheitsbedingte) Verhaltensbesonderheiten / Verhaltensschwankungen des Klienten - viel Unruhe in der direkten Pferdeumgebung - im Rahmen des Voltigierens: Turnübungen auf dem Pferderücken Anforderungsprofil: - gesetzte, taktreine und ausdauernde Galoppade - Longiersowie Voltigierausbildung - Vertrautheit mit Bodenarbeit und Voltigierspielen - Unempfindlichkeit im Bereich von Rücken, Nieren, Flanken und Kruppe - belastbarer Hals Das Pferd in der Ergotherapie Nutzbare Wirkungen: - vom Pferd und seiner Umgebung ausgehende Sinnesstimulationen zur Unterstützung der sensorischen Integration Belastungsmomente: - Inbalancen des Patienten - krankheitsbedingte Verhaltensbesonderheiten des Patienten Anforderungsprofil: - keine offiziellen Quellen verfügbar Das Pferd in der Psychotherapie Nutzbare Wirkungen: - Übermittlung dreidimensionaler Bewegungsstimuli über den Pferderücken auf den Patienten - Takt, Bewegungsrhythmus und Bewegungsfluss der Pferdebewegung - vom Pferd und seiner Umgebung ausgehende Wahrnehmungsstimuli - Verhalten und Wahrnehmungsfähigkeit des Pferdes - Pflege und Versorgung des Pferdes - Erscheinungsbild und Geschlecht des Pferdes - Funktionalität des Pferdes als Interaktionspartner, Surrogator und Eisbrecher Abb. 3 (fortfolgend) Westermann - Die Ausbildungsskala für Therapiepferde mup 1|2015 | 9 Belastungsmomente: - innerer Widerstand, Abwehrmechanismen, Ängste, emotionale Blockaden des Patienten - „neurotische Spiele“, Verhaltensschwankungen / -anomalien des Patienten - körperliche Verspannungen des Patienten Anforderungsprofil: - arttypisches Verhalten mit ausgeprägtem Sozialverhalten - Selbstbewusstsein und ungebrochene Persönlichkeit - eigenständiges Handeln - Bereitschaft zur Kontaktaufnahme und Kommunikation mit dem Patienten - Fähigkeit, sich auf den Patienten einzulassen, dessen Befindlichkeit wahrzunehmen und zu spiegeln - Longensicherheit Das Pferd im Sport für Menschen mit Behinderung Nutzbare Wirkungen: - vom Pferd und seiner Umgebung ausgehende Wahrnehmungsimpulse - Versorgung und Pflege der Pferde - speziell beim Reiten: Wirkungen der dreidimensionalen Bewegungsimpulse auf den Klienten - speziell beim Fahrsport: Möglichkeit, auch dann noch zusammen mit dem Pferd Sport zu treiben, wenn das Reiten aufgrund der Behinderung nicht mehr möglich ist Belastungsmomente: - Gewichtsbelastung durch den Reiter - schiefer Sitz, verminderte Einwirkung und falsche Hilfengebung des Reiters - u. U. sich plötzlich verstärkende Verkrampfungen Anforderungsprofil: a) Reitsport: - Vertrautheit mit behinderungsbedingt veränderter Hilfengebung - sichere Akzeptanz der Reitbahnbegrenzung - sicher in der Abteilung und im Gelände zu reiten - verstärkter Kontakt zwischen Pferd und Reitlehrer - zusätzliche, sich aus den Handicaps der Reiter ergebende Anforderungen, z. B bei: ≥ Armbehinderungen: wenig empfindliches Maul, eine natürliche Kopfhaltung, die der in der Anlehnung entspricht ≥ einseitige Behinderungen: gute Sattellage, gute Eigenbalance und Reaktion auf reiterliche Gewichtshilfen ≥ Spastiken / Hüftbehinderungen: schmaler Rücken, wenig Schwung in der Bewegung, nicht kitzelig ≥ Dysmelie: ein nicht zu tief angesetzter Hals, ruhiges Gangmaß, ohne Neigung, die „Zügel aus der Hand“ zu ziehen ≥ Wirbelsäulenfehlhaltungen: weiche Gänge ≥ geistigen Behinderungen: ruhige Kopfhaltung ≥ Blindheit: ruhige Kopfhaltung, taktreine Gänge ≥ sportlichen Ambitionen: gute, fleißige Grundgangarten mit weichen Übergängen, gut ausgebildete Muskulatur, Leistungsbereitschaft Abb. 3: Nutzungsprofile von Therapiepferden verschiedener Einsatzgebiete (Westermann 2013, 5-14) 10 | mup 1|2015 Westermann - Die Ausbildungsskala für Therapiepferde Das Pferd im Gesundheitssport Nutzbare Wirkungen: - Übermittlung dreidimensionaler Bewegungsimpulse über den Pferderücken Belastungsmomente: - mangelnde Balance und Beweglichkeit des Kunden - unkoordinierte, fehlerhafte Hilfengebung - Unausgeglichenheit Anforderungsprofil: - mindestens Ausbildung zum Schulpferd - besser: Ausbildung zum Pferd für den Einsatz in der Hippotherapie Das Pferd im Schulsport Nutzbare Wirkungen: - dreidimensionale Bewegungsstimuli, Bewegungsrhythmus und Takt - Verhalten und Kommunikationsbereitschaft - Motivation Belastungsmomente: - nicht ausbalancierter Sitz und die nicht korrekte Hilfengebung der Schüler - zusätzlich beim Voltigierpferd: ≥ Belastungen durch Turnübungen auf dem Rücken ≥ umgebende Aktivitäten der Kinder durch Voltigierspiele - zusätzlich beim Einsatz in Sonderschulen: Verhaltensbesonderheiten der Schüler Anforderungsprofil: - sicher und ruhig beim Longieren, Voltigieren (vgl. Anforderungsprofil im Heilpädagogischen Voltigieren und Reiten) - sicher und ruhig im Gelände und als Handpferd - Springen über kleine Hindernisse - auch ohne Sattel gut zu sitzen b) Fahrsport: - nachhaltige Ausbildung - vermehrte Sensibilität - Fähigkeit, sich auf den behinderten Fahrer einzulassen Abb. 4: Erweiterungen derAusbildungsskala für Therapiepferde beweglich sein geben und nehmen können sich zusammenfinden etwas gehen lassen können Situationen unvoreingenommen, situativ einwirken zu lassen Leidenschaf t Entschlusskraft Ansporn Engagement Selbstbeherrschung Abgeklärtheit „jmd. aus dem Takt bringen “ (jmd. verwirren) „aus dem Takt kommen“ (den Überblick verlieren) „den Takt angeben“ (dominierend sein) Taktgefühl Versammlung Geraderichtung Takt Anlehnung Losgelassenheit Durchlässigkei t Schwung PFERD: Interieur : MENSCH Feingefühl Rücksichtnahme Zurückhaltung Gelassenheit; innere Ruhe in schwierigen Situationen Fassung bewahren/ mit Verstand handeln Geduld (seelisches) Gleichgewicht inhaltl. Orientierung nach dem Vorbild von … handeln psychischen Halt geben; Stütze sein „etwas wieder gerade richten“; wieder gut machen etwas zu sich vordringen lassen offen sein Aufmerksamkeit Achtsamkeit Konzentratio n Besinnung sich verbinden sich verbünden sich begegnen sich vereinigen gerade aus gehen (im Sinn von selber denken) direkt sein sich treffen Begeisterung Aktivität Drang sich zu betätigen Arbeitslust Glei chgewicht : (innere, seelische) Ausgeglichenheit; Seelenstärke; Ausgewogenheit; Stabilität Schubkraft: Synonym für Antriebskraft, => Kraft sich zu motivieren, sich vorwärts zu bewegen vgl. auch engl.: motive force (Triebkraft, treibende Kraft, Bewegungskraft, bewegende Kraft); propulsive power Tragkraft: vgl. engl.: burden (u. a. Last, Belastung) => Kraft zu ertragen (psychisch) Westermann - Die Ausbildungsskala für Therapiepferde mup 1|2015 | 11 12 | mup 1|2015 Westermann - Die Ausbildungsskala für Therapiepferde Pferde gestellten Leistungsanspruch deutlich. Weiter wird ersichtlich, warum für die Therapiepferdeausbildung Ergänzungen der klassischen Ausbildungsskala (siehe Abb. 4) notwendig sind. Durch die Ausbildung zum Therapiepferd muss das Pferd mit Hilfe der gezielten Schulung seiner natürlichen Möglichkeiten befähigt werden, in einem vorgegebenen Rahmen (siehe Abb. 5), unterstützt durch den Therapeuten, selbstständig und eigenverantwortlich die geforderten Impulse auf den Klienten zu übermitteln und auf diesen zu reagieren. Des Weiteren soll es gelehrt werden, die Eigenverantwortung außerhalb dieses Rahmens wieder an den Therapeuten abzugeben. Finden diese Besonderheiten in der Therapiepferdeausbildung Berücksichtigung, „wird die Ausbildung eines Therapiepferdes, vergleichbar mit der Ausbildung des Menschen, zu einem pädagogischen Prozess“ (von Máday 1912; Widdra 2007), zu einer ganzheitlichen Persönlichkeitsschulung einschließlich der Schulung des Bewegungsablaufes. Das Pferd lernt, sein Sozialverhalten, das es während der Prägung und Sozialisationsphase von Artgenossen gelernt hat (Henry u. a. 2005; Schöning 2008), und sein Bewegungsverhalten (Westermann 2013) auf den Menschen zu übertragen und anzupassen. Für diese anspruchsvolle Transferleistung braucht es den Ausbilder zur Orientierung. Orientierung und Schutz bietet in der Welt der Pferde das Leittier (Simonds / Meyer 2007). Daher muss ein Ausbilder, um ein Pferd erziehen und ausbilden zu können, als Leittier fungieren. Überzeugt er durch eine gute Kommunikationsfähigkeit, einen hellwachen, besorgten Charakter, eine gute Gefahreneinschätzung und das Wissen um beste Futter- und Wasservorkommen sowie Witterungsschutz, fühlt sich das Pferd sicher und in der Definition des eigenen Ranges bestätigt (Zeeb 1998). Es entwickelt Selbstvertrauen, Vertrauen zum Menschen und zur Umwelt. Der Ausbilder wird zum Vorbild für die zwischenartliche Interaktion, denn Pferde lernen nur von ranghöheren Gruppenmitgliedern (Krüger / Heinze 2008). Er lebt das gewünschte Verhalten vor, da er es selber beherrscht und umsetzt und so dem Pferd vermittelt (Widdra 2007). Durch diese gegenseitige Erziehung lernen Pferd und Ausbilder „wohlerzogene Umgangsformen“ miteinander zu pflegen (Dikreiter 1937; von Máday 1912). Damit erfährt die Ausbildungsskala eine Erweiterung des Gültigkeitsbereiches vom Pferd auf den Menschen. Sie entwickelt sich zur Grundlage „für den Abb. 5: Der Kompetenzbereich eines Therapiepferdes a) an der Longe b) am Langzügel: (zwischen Longe und Longierpeitsche) (zwischen den Zügeln) Abb. 5: Der Kompetenzbereich eines Therapiepferdes a) an der Longe b) am Langzügel: (zwischen Longe und Longierpeitsche) (zwischen den Zügeln) Abb. 5: Der Kompetenzbereich eines Therapiepferdes a) an der Longe b) am Langzügel: (zwischen Longe und Longierpeitsche) (zwischen den Zügeln) Abb. 5: Der Kompetenzbereich eines Therapiepferdes Westermann - Die Ausbildungsskala für Therapiepferde mup 1|2015 | 13 Umgang mit Pferden und Menschen“ und schafft die Voraussetzung für eine nachhaltige Therapiepferdeausbildung. Literatur ■ Deutsche Reiterliche Vereinigung e. V. (Hrsg.) (1994): Richtlinien für Reiten und Fahren - Grundausbildung für Reiter und Pferd. Band 1. 26. Aufl. FN, Warendorf ■ Dikreiter, O. (Hrsg.) (1937): Du und Dein Pferd. Kanter, Berlin / Königsberg, / Leipzig ■ Henry, S., Hemery, D., Richard, M.-A., Hausberger, M. (2005): Human - mare relationships and behavior of foals towards humans. Applied Animal Behaviour Science 39, 341-62, http: / / dx.doi. org/ 10.1016/ j.applanim.2005.01.008 ■ Krüger, K., Heinze, J. (2008): Horses’ sense: social status of horses (Equus caballus) affects their likelihood of copying other horses’ behavior. Anim. Cogn. 11, 431-439, http: / / dx.doi. org/ 10.1007/ s10071-007-0133-0 ■ Schöning, B. (2008): Pferdeverhalten - Körpersprache und Kommunikation, Probleme lösen und vermeiden. Franckh-Kosmos, Stuttgart ■ Stammer, S. (2009): Funktionale Zusammenhänge als Grundlage für Ausbildung und Training. In: Handout zum Kongress „Gesundheit Pferd“ der Deutschen Akademie des Pferdes, Warendorf, 26.11.2009 ■ Stadler, P. (2009): Schmerzen und Leiden beim Pferd. In: Handout zum Kongress „Gesundheit Pferd“ der Deutschen Akademie des Pferdes, Warendorf, 26.11.2009 ■ Máday von, S. (1912): Psychologie des Pferdes und der Dressur. Paul Parey, Berlin ■ Westermann, K. (2013): Pferdegestützte Interventionen (PGI) zur Gesundheitsförderung des Menschen - Einsatzvoraussetzungen, Anforderungen, Belastungsmomente, Ausbildung und Leistungsprüfung des Pferdes. Mensch und Buch, Berlin ■ Widdra, K. (2007): Xenophon Reitkunst. 2. Aufl. Wu Wei, Schorndorf ■ Zeeb, K. (1998): Die Natur des Pferdes. Franckh-Kosmos, Stuttgart Dr. med. vet. Katharina Westermann promovierte Veterinärmedizinerin, schrieb ihre Dissertation an der FU Berlin und Charité Universitätsmedizin Berlin über das Pferd in Pferdegestützten Interventionen, arbeitete 10 Jahre in einer Gemischtpraxis, ist zur Zeit für ein veterinärmedizinisches Labor tätig und Inhaberin der Agentur „Delphine des Nordens“. Anschrift: Dr. med. vet. Katharina Westermann Westladbergen 165 · D-48369 Saerbeck info@delphine-des-nordens.de Die Autorin