mensch & pferd international
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1867-6456
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mup2015.art24d
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Pferdegestützte Therapie
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Nadja Amirmoini
Die Pferdegestützte Therapie wird seit vielen Jahren in unterschiedlichen Formen als Zusatzförderung bei Kindern und Jugendlichen mit ASS eingesetzt. Während dieser Zeit konnten bereits voneinander unabhängige, umfassende Erfahrungen seitens der Therapeuten gesammelt werden, die für eine daraus resultierende Entwicklungsförderung bei Kindern mit ASS sprechen. Die Ganzheitlichkeit dieses Therapieansatzes bietet Kindern mit ASS vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten (Gultom-Happe u. a. 2006). Im Rahmen einer Bachelorarbeit wurde eine qualitative Studie mit Hilfe von Experteninterviews durchgeführt. Die Fragestellung fokussierte sich auf die Veränderungen des Kommunikations- und Interaktionsverhaltens von Kindern mit ASS im Prozess der Pferdegestützten Therapie aus Sicht von Fachkräften. Der folgende Artikel basiert auf den Ergebnissen dieser Studie.
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144 | mup 4|2015|144-154|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378 / mup2015.art24d Schlüsselbegriffe: Pferdegestützte Therapie, Interaktionsverhalten, Kommunikationsverhalten, ASS Die Pferdegestützte Therapie wird seit vielen Jahren in unterschiedlichen Formen als Zusatzförderung bei Kindern und Jugendlichen mit ASS eingesetzt. Während dieser Zeit konnten bereits voneinander unabhängige, umfassende Erfahrungen seitens der Therapeuten gesammelt werden, die für eine daraus resultierende Entwicklungsförderung bei Kindern mit ASS sprechen. Die Ganzheitlichkeit dieses Therapieansatzes bietet Kindern mit ASS vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten (Gultom-Happe u. a. 2006). Im Rahmen einer Bachelorarbeit wurde eine qualitative Studie mit Hilfe von Experteninterviews durchgeführt. Die Fragestellung fokussierte sich auf die Veränderungen des Kommunikations- und Interaktionsverhaltens von Kindern mit ASS im Prozess der Pferdegestützten Therapie aus Sicht von Fachkräften. Der folgende Artikel basiert auf den Ergebnissen dieser Studie. Veränderungen des Kommunikations- und Interaktionsverhaltens bei Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) Pferdegestützte Therapie Nadja Amirmoini Amirmoini - Pferdegestützte Therapie mup 4|2015 | 145 Autismus-Spektrum-Störungen Der Begriff „Autismus-Spektrum-Störungen“ (ASS) stammt aus dem angloamerikanischen Bereich und umfasst das gesamte Spektrum autistischer Störungen. Die Autismus-Spektrum-Störungen werden als Synonym für Autismus verwendet. Autismus beinhaltet den frühkindlichen Autismus, das Asperger-Syndrom, den atypischen Autismus und die desintegrative Störung. Bei den ASS wird von einem Kontinuum gesprochen. Dabei befindet sich auf der einen Seite das Asperger-Syndrom und auf der anderen Seite der frühkindliche Autismus mit schwerster Ausprägung. Dieses Kontinuum erstreckt sich über stark ausgeprägte Formen bis hin zu minimalen Merkmalen der Betroffenen, sodass einzelne Betroffene kaum von Menschen ohne Asperger-Syndrom zu unterscheiden sind (Schirmer 2006, 29). ASS sind tiefgreifende Entwicklungsstörungen mit vielschichtigen Phänomenen (Poustka u. a. 2008, 8). Nach den internationalen Klassifikationssystemen der Weltgesundheitsorganisation ICD-10 wird Autismus als tiefgreifende Entwicklungsstörung klassifiziert und in die einzelnen Formen eingestuft (DIMDI 2015). Kommunikation und Interaktion bei Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen „Kommunikation ist ein Grundbedürfnis und subjektiv für Lebensqualität von entscheidender Bedeutung. Sie ist eine wesentliche Bedingung für soziale Partizipation und Selbstbestimmung und zudem wichtige Grundlage jeder Entwicklung“ (Wilken 2006, 1). Im Vordergrund der Autismus-Spektrum- Störungen steht häufig eine Störung der sozialen Interaktion und der Kommunikation, mit welcher die Betroffenen selbst, deren Familien sowie das soziale Umfeld konfrontiert sind. Hierbei sind verschiedene Therapieansätze mit unterschiedlichen Förderzielen möglich. Oftmals wird in herkömmlichen Therapien aufgrund dieser Interaktions- und Kommunikationsstörung der notwendige Kontakt zur Förderung zwischen Therapeut und Kind erschwert und führt zu einer gewissen Therapiemüdigkeit seitens der Kinder mit ASS. „Alle therapeutischen Strategien zur Behandlung autistischer Störungen verfolgen das Ziel, die soziale Interaktionsfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit und Selbstständigkeit zu verbessern sowie Rituale, Zwänge, Auto- und Fremdaggression, Unruhe / Hyperaktivität, grob- und feinmotorische Defizite sowie Isolation zu reduzieren“ (Poustka u. a. 2008, 37). Kommunikationsmöglichkeiten in der Pferdegestützten Therapie Im Vordergrund der Pferdegestützten Therapie bzw. der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd (HFP) steht die Beziehungsanbahnung. Der Therapeut vermittelt zwischen dem Teilnehmer und dem Pferd und hilft durch sprachliche und körpersprachliche Mittel dem Teilnehmer, die Sprache des Pferdes zu verstehen. Die Beziehungsanbahnung kann dabei als nonverbaler Dialog zwischen Teilnehmer und Pferd gesehen werden (Schulz 2005, 22). Das artgemäße Verhalten von Pferden untereinander wird in der HFP auf die menschliche Beziehungsebene übertragen und genutzt. Die Natur eines Pferdes ist geprägt von seinem sozialen und direkten Verhalten. Das Pferd zeigt keine „sekundärnarzisstischen Gefühle“, welche beim Menschen mit der Eigenschaft „nachtragend zu sein“ beschrieben werden können. Klüwer (in Schulz 2005, 22) betont, dass dieses artgemäße Verhalten des Pferdes als Modell einer zufriedenstellenden Kommunikation genutzt wird und positive Beziehungserfahrungen für den Teilnehmer ermöglicht. Aschenbach (2009, 89) gibt hinsichtlich der Sprachförderung mit dem Pferd an: „Besonders gut geeignet ist das Pferd, weil es als nonverbal kommunizierendes Wesen kein sprachliches Verhalten erwartet“. Die Kommunikationsmöglichkeiten in der HFP können nach Schäffer und Struck (2013) über den Bewegungsdialog durch entsprechende methodische Unterstützung angebahnt und erweitert werden. Die Teilnehmer 146 | mup 4|2015 Amirmoini - Pferdegestützte Therapie der HFP bringen häufig Erfahrungen aus der Unterstützten Kommunikation mit, auf welche aufgebaut werden kann. Es werden körpereigene Kommunikationsformen und komplexere Kommunikationsformen unterschieden. Vegetative Kommunikationsformen sind Atmung, Puls und Muskeltonus, Mimik, Lautieren, „Ja“- und „Nein“-Zeichen mit Kopf und Augen des Teilnehmers werden in der HFP angewandt, setzen aber ein Kennen des Teilnehmers voraus. Komplexere Formen sind Blickkontakt, Zeigebewegungen, Fingeralphabet, taktile Handzeichen, Gesten und individuelle Gebärden sowie lautunterstützende Gebärden (LUG) und Gebärdensprache (DGS). Hilfsmittel aus der UK wie zum Beispiel Symbolkarten mit Klett oder Taster werden ebenfalls in der HFP eingesetzt. Die Anwendung aller Formen setzt eine vorherige Absprache innerhalb des Teams der HFP voraus (Schäffer / Struck 2013, 117 f). Pferdegestützte Therapie bei Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen Die Pferdegestützte Therapie bietet allen Menschen eine ganzheitliche Therapie in der alle Wahrnehmungsbereiche angesprochen werden. Menschen mit ASS bekommen durch die HFP die Möglichkeit, „einen Weg zu sich selbst und in die Welt der „Anderen“ zu finden“ (Frömming 2006, 58). Vielen Kindern mit ASS fällt es leichter, Kontakt zu Tieren aufzunehmen als zu Menschen. Dies liegt darin begründet, dass das Pferd vorurteilsfrei dem Kind entgegentritt und es keine Erwartungshaltung an das Kind hat. Das Pferd steht in der HPF für das Kind im Vordergrund und motiviert es durch seine artspezifischen Eigenschaften. Kinder mit ASS bedürfen aufgrund mangelnder Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitung der Förderung von Körper- und Sinneserfahrungen. Sie benötigen ein ansprechendes und angemessenes Angebot mit Umweltaneignungsmöglichkeiten, Bewegung, um motorische Entwicklung anzustoßen und sie brauchen ein Angebot, das ihnen die Möglichkeit bietet, Sprache und Aufmerksamkeit zu entwickeln. Diese Bereiche werden durch die HFP geboten und in Gang gesetzt (Gultom-Happe u. a. 2006). Die rhythmischen Bewegungen des Pferdes übertragen sich auf den Reiter und vermitteln das Gefühl von Unterstützt-Sein. Auch der Muskeltonus des Reiters wird durch die Pferdebewegung reguliert, dies führt zu einer Entspannung. Das Gleichgewicht des Reiters wird auf sanfte Weise aktiviert und stabilisiert, das steigert die Balance. Kinder mit ASS können durch den Aufrichtungsimpuls vom Pferd aus frei umhersehen und Blickkontakt entwickeln. Der Pferdekörper dient ebenso als Resonanzkörper, auf dem die Eigenwahrnehmung, An- und Entspannung erlebt werden können. Einige Kinder mit ASS lautieren in der Reitsituation zunehmend und beginnen manchmal sogar erste Wörter zu formulieren (Gultom-Happe u. a. 2006). Korn und Schulz führen nach Papke (1997) auf, dass für die Förderung von Kindern mit ASS das „Pferd als Medium“ „zur Befriedigung von Bedürfnissen nach sozialer Nähe und Körperkontakt“ und „zu sozialem Kontakt, Kommunikation und Kooperation“ vordergründig relevant ist. Durch die HFP werden alle Sinne der Kinder angesprochen, die Kinder erlernen positive Beziehungsinhalte, welche übertragbar auf bestehende menschliche Verbindungen sind, sie erleben ein rhythmisches „Getragen- Werden“ und Stereotypien nehmen während der Fördersituation ab (Pickartz 2000, 113). Untersuchungsmethode Zur Untersuchung der Fragestellung: „Wie beurteilen Fachkräfte die Veränderungen der Kommunikation und Interaktion bei Kindern mit ASS im Prozess der Pferdegestützten Therapie? “ wurden in dieser qualitativen explorativen Studie drei Experteninterviews halbstandardisiert mit Hilfe eines Interviewleitfadens durchgeführt und durch ein Audiotranskriptionsgerät festgehalten. Als Experten werden in dieser Arbeit Fachkräfte bezeichnet, die langjährige Erfahrungen im Bereich der Pferdegestützten Therapie mit Kindern mit Amirmoini - Pferdegestützte Therapie mup 4|2015 | 147 ASS sammeln konnten und auch aktuell in diesem Bereich arbeiten. Die aus den Interviews gewonnenen Daten wurden anschließend transkribiert und anhand der strukturierenden Inhaltsanalyse nach Mayring (2010, 63) ausgewertet, dazu wurde die Software MAXQDA genutzt. Ergebnisse Die Ergebnisse der Interviews werden zunächst in die Bereiche Kommunikation und Interaktion unterteilt. Anschließend werden die Veränderungen beider Bereiche vorstellt. Darauf folgen die Erklärungsansätze der Experten und die Interpretation der Ergebnisse. Interaktion und Kommunikation Die vorrangigen Förderziele der HFP sind laut Ergebnissen der Befragung der Beziehungsaufbau und die Kommunikationsanbahnung. Weitere Förderziele sind der sozial-emotionale Bereich, Kontaktaufnahme, Konzentration, Motorik, Abbau von Verhaltensauffälligkeiten und Stereotypien und die gesamte Wahrnehmung. Bei Kindern mit ASS wird stark strukturiert gearbeitet, der TEACCH- Ansatz mit Bildsymbolen und Ablaufstrukturierung wird einbezogen. Die Umgebungsreize werden minimiert und so ein sachorientiertes, langsames Herantasten an das Pferd ermöglicht. Beispiel: Bei einem leicht ablenkbaren Kind wird lediglich das Pferd ohne jegliches Material in die Förderung einbezogen. Die Ritualisierung bietet einen Rahmen für die Kinder. Der Fokus der HFP liegt auf dem Bewegungsdialog, der zum Beziehungsdialog wird. Zu Beginn der Therapie zeigen die Kinder wenig Kontaktaufnahme und keinen Blickkontakt. Sie scheinen fern und unerreichbar zu sein, bringen sich wenig ein. Sie zeigen oft Stereotypien wie Körperschaukeln, Summen oder Manierismen. Die Kontaktaufnahme der Kinder ist sehr unterschiedlich. Es gibt Kinder, die über den Pferdekontakt auch Kontakt zur Außenwelt und zum Pädagogen aufnehmen. Bei einigen bleibt der Kontakt auf das Pferd beschränkt. Das alles geschieht eher kleinschrittig. Erfahrungsgemäß gelingen dem Kind der Blickkontakt und die Ansprache vom Pferd aus besser. Jede Reaktion des Kindes muss vom Therapeuten aufgenommen und verstärkt werden. Kinder mit ASS, die bereits an vielen anderen Therapieformen teilnahmen, werden durch die HFP mit Impulsen aktiviert. Eltern erhalten die Informationen zur Pferdegestützten Therapie über Elternvereine sowie andere Eltern und probieren diese aus. Der Kontakt zwischen Kind und Pferd ist ein besonderes Kommunikationselement und stellt ein Rollenmodell dar. Dabei gibt es drei Partner: das Pferd, das Kind und den Pädagogen. Zwischen dem Kind und dem Pädagogen wird anfangs eher wenig Blickkontakt aufgebaut, vom Kind geht wenig aktives Kommunikationsverhalten gegenüber dem Therapeuten aus. Das Pferd fungiert dann als Vermittler oder als Medium, um Kommunikationsverhalten anzubahnen. Dazu werden Ansätze aus dem TEACCH- Bereich und der Unterstützten Kommunikation genutzt. Die Kinder lautieren sehr oft auf dem Pferd und gehen über die Geräusche des Pferdes in den Dialog. Das Pferd dient als Resonanzkörper, welcher die Stimme des Kindes verstärkt. Der Rhythmus des Pferdes fordert das Kind zum Lautieren auf. Durch die verschiedenen Gangarten des Pferdes wird der Muskeltonus des Kindes beeinflusst. Im Schritt wird dieser erniedrigt, im Trab wird er erhöht und im Galopp besteht ein ausgeglichener Muskeltonus. Die Kinder lautieren dementsprechend unterschiedlich. Im Schritt entstehen dadurch sehr lange warme Brummtöne und im Trab wird häufig im Rhythmus lautiert. Einzelne Reaktionen und Wörter wie z. B. Kommandos werden durch den Therapeuten verstärkt. Veränderungen der Interaktion Bei den meisten Kindern mit ASS lassen sich deutliche Verhaltensveränderungen beobachten. Der Zu- Der Rhythmus des Pferdes fordert das Kind zum Lautieren auf. 148 | mup 4|2015 Amirmoini - Pferdegestützte Therapie gang zum Pferd findet häufig über die taktile und olfaktorische Wahrnehmung statt. Dieser olfaktorische Wahrnehmungsbereich wird bereits bei der Ankunft im Stall durch vielfältige Gerüche gefördert. Die Kinder, die aktiv keinen taktilen Kontakt aufnehmen, erdulden vermehrt zumindest über den Sitz auf dem Pferd den Berührungsaustausch. Den Kindern fällt die Kontaktaufnahme zum Pferd leichter als zu Menschen und sie suchen taktile Reize. Obwohl es für diese Kinder eher ungewöhnlich ist, können sie sich relativ schnell und gut darauf einlassen. Die Kinder zeigen durch ihre Mimik und im taktilen Bereich mehr Offenheit, indem sie bei Ankunft im Stall deutlich machen, dass sie zum Pferd gehen und es berühren wollen. Die Kinder bauen eine Beziehung zum Pferd auf, die unterschiedliche Ausprägungen hat. Sie zeigen Interesse am Pferd und entwickeln Ansätze von empathischem Verhalten. Die Kinder lernen das Verhalten und die Körpersprache des Pferdes kennen, welche der Therapeut erklärt; dadurch lernt er selbst auch das jeweilige Kind einzuschätzen. Die Kinder werden kleinschrittig angeleitet: Erst sitzen sie auf dem Pferd und gucken von da aus umher, machen dann Übungen oder streicheln das Pferd, je nach Fortschritt. Sie können vom Pferd aus besser Blickkontakt zum Pädagogen aufnehmen als vom Boden aus, oftmals auch über den Reithallenspiegel. Der Blickkontakt wird über gewisse Anweisungen wie: „Wo sind die Ohren von Max? “ angebahnt und das Pferd als Motivationshilfe genutzt. Dieser Prozess verläuft bei jedem Kind ganz individuell und kann nicht zeitlich festgelegt werden. Es zeigen sich Veränderungen in der Eigenaktivität, die Kinder entwickeln eigene neue Verhaltensmuster. Beispiel: Ein Kind hat keine feste Nahrung aufgenommen, es fütterte das Pferd längere Zeit mit Mohrrüben und beobachtete dieses beim Kauen und Schlucken. Letztlich fing das Kind an, selbst feste Nahrung aufzunehmen. Die meisten Kinder kommen auf dem Pferd zur Entspannung, dies begünstigt zum Beispiel die Tonus-Regulation. Beispiel: Ein Kind mit extremsten Schlafstörungen ist auf dem Pferd immer eingeschlafen. Die Kinder lernen, sich ein Pferd in Kleinstgruppen zu teilen und gemeinsam in Interaktion mit Kindern mit anderen Beeinträchtigungen zu treten. Das Selbstbewusstsein wird zum Beispiel durch motorische Übungen, die von den Kindern mit ASS den Kindern mit körperlich-motorischen Beeinträchtigungen vorgeturnt werden können, gestärkt. Die Kinder werden aufgeschlossener, und auch die Eltern erleben ihr Kind in seinen Stärken und in der Gemeinschaft mit anderen Kindern. Durch diese Entlastung wird auch die Beziehung zwischen Eltern und Kindern gefestigt. Die Fortschritte sind kleinschrittig und können manchmal auf den Alltag der Kinder übertragen werden, dies wird von den Eltern rückgemeldet. Es entstehen aber auch Veränderungen durch das Kennenlernen der Abläufe und den Aufbau des Vertrauens zum Therapeuten. Kinder, die anfangs den Kontakt zum Pferd verweigern, es nicht berühren mögen und auch nicht auf dem Pferd in Bewegung gesetzt werden wollen, werden offener und nehmen nach einer gewissen Eingewöhnungszeit gern an der Therapie mit dem Pferd teil und können sich dann gut darauf einlassen. Veränderungen der Kommunikation Die Kinder werden dazu angeleitet, über Gesten und einzelne Wörter anzugeben, ob sie anreiten oder halten wollen. Um eine Sprachgrundlage zu entwickeln, werden auch entsprechende Symbole oder Symbolkarten eingesetzt. Hierbei wird den Kindern ein Ursache-Wirkungs-Zusammenhang deutlich. Die Kommunikationsformen sind nonverbal und verbal. Es entsteht ein antwortendes Verhalten. Die Reaktionen der Kinder werden mit der Zeit klarer, und die Kinder lernen, das Verhalten des Pferdes zu deuten. Es bestehen Die meisten Kinder kommen auf dem Pferd zur Entspannung, dies begünstigt zum Beispiel die Tonus-Regulation. Amirmoini - Pferdegestützte Therapie mup 4|2015 | 149 Veränderungen in Form von Lautieren. Der Pferdekörper wird dazu als Resonanzkörper genutzt. Die Kinder nehmen Anweisungen an und beantworten Fragen. Sie beginnen vermehrt, sich beim Reiten verbalsprachlich zu äußern. Die Verbalsprache und der Blickkontakt nehmen während der Therapie zu: Es gibt Kinder, die über das Pferd zu sprechen beginnen. Beispiel: Das allererste gesprochene Wort eines zweieinhalbjährigen Frühförderkindes war „MAX“, der Name des Therapiepferdes. Die Kinder zeigen Interesse am Pferd und Empathie ihm gegenüber. Beispielsweise stellen sie Fragen zum Befinden des Pferdes. Das Thema „Pferd“ bietet sich als Gesprächsanlass im Stall und auch Zuhause in der Familie an. Ein Kind mit Asperger-Syndrom hat über das Pferd angefangen zu sprechen. Erklärungsansätze der Experten ■ ganzheitliche Förderung aller Wahrnehmungsbereiche ■ Medium „Pferd“ ist ein verlässlicher und wertneutraler Partner ■ artspezifisches Verhalten des Pferdes ■ Sachorientierung durch einschätzbares direktes Verhalten des Pferdes ■ motivierender Aufforderungscharakter des Pferdes ■ Sicherheit durch strukturierten Stundenaufbau und klare Regeln ■ Kommunikationserfahrungen mit dem Pferd in den Alltag der Kinder übertragbar ■ Beziehungsaufbau zum Pferd ■ Dreiecksbeziehung ermöglicht Beziehungs- und Kommunikationsmodell ■ positive Beziehungserfahrungen ermöglichen tragfähige Beziehungen, die Entwicklung anstoßen ■ Bewegungsdialog ■ Pferd als Resonanzkörper, der die Stimme der Kinder verstärkt ■ Rhythmus der Gangarten fordert zum Lautieren auf ■ Stimulation des Muskeltonus ■ Charakter des Therapiepferdes (ruhig, gemütlich) ist erfolgsentscheidend ■ Therapeut übernimmt die Moderatorenrolle Interpretation der Ergebnisse Im Hinblick auf die Fragestellung: „Wie beurteilen Fachkräfte die Veränderungen der Kommunikation und Interaktion bei Kindern mit ASS im Prozess der Pferdegestützten Therapie? “ werden nun die Ergebnisse, die zur Beantwortung der Fragestellung relevant sind, in Zusammenhang mit der Theorie gebracht, interpretiert und vorgestellt. Unter der Kategorie der Interaktion und Kommunikation und den dazugehörigen Veränderungen wird deutlich, dass die im Vordergrund stehenden Förderziele der Pferdegestützten Therapie bei Kindern mit ASS dem Beziehungsaufbau und der Kommunikationsanbahnung dienen. Durch die entstehende positive Beziehung stellen sich Verhaltensänderungen ein. Die Beziehungsanbahnung wird bereits durch Schulz (2005) im Theorieteil als Vordergrund der Förderung beschrieben. Die Experten erklären, dass die besonderen Eigenschaften des Pferdes wie der Aufforderungscharakter, seine Wertneutralität und die Dreiecksbeziehung dafür Vorteile mit sich bringen. Der Aufforderungscharakter des Pferdes und die Atmosphäre im Stall werden von den Kindern als Motivation aufgenommen. Zudem erleben die Kinder die Pferdegestützte Therapie nicht als typische ihnen bisher bekannte Therapie. Die Dreiecksbeziehung zwischen Pferd, Kind und Therapeut bietet den Kindern ein ihnen oft unbekanntes Beziehungs- und Kommunikationsmodell an. So haben die Kinder die Möglichkeit, 150 | mup 4|2015 Amirmoini - Pferdegestützte Therapie positive Beziehungserfahrungen zu erleben. Hierbei wird interpretiert, dass die Wertneutralität des Pferdes - dies bedeutet, dass das Pferd keinerlei Erwartungen an das Kind hat - das Kind zu einer Beziehung einlädt (Aschenbach 2009). Das Kind wiederum interessiert sich für das Pferd, da es selbst entscheiden kann, wie weit es Kontakt zu dem Tier zulässt. Durch die zurückhaltende Art des Pferdes wird das Interesse des Kindes mit ASS eher geweckt als beispielsweise durch einen sich freuenden, stürmischen Hund. Dabei ist auch der Therapeut wichtig, der jede Reaktion des Kindes aufnehmen, begleiten und verstärken muss, so die Aussage eines Experten. In Bezug auf Schulz (2005) mündet die Beziehungsanbahnung in einen Beziehungsdialog, in dem die Kinder und das Pferd nonverbal kommunizieren. Hieraus wird interpretiert, dass die Beziehung als Grundstein der Kommunikation gesehen werden kann. Die Beziehung und die Kommunikation einschließlich der Interaktion stehen in Wechselwirkung zueinander. Diese Wechselwirkung bietet Kindern mit ASS individuelle Entwicklungsmöglichkeiten in der Kommunikation und Interaktion. (Durch diese Interpretation wird deutlich, wie schwer eine Abgrenzung zwischen Kommunikation und Interaktion umzusetzen ist). Das Kennenlernen des Pferdeverhaltens und seiner Körpersprache findet unter Anleitung des Therapeuten statt. Dieser lernt dabei gleichzeitig das Kind kennen und dessen Fähigkeiten einzuschätzen. Er hält sich aber dabei im Hintergrund, dies kommt besonders den Kindern mit ASS entgegen und wirkt sich förderlich auf die Entwicklung aus. Die Experten geben an, dass bei den meisten Kindern mit ASS deutliche Verhaltensänderungen zu beobachten sind. Es gibt natürlich individuelle Unterschiede zwischen den Kindern in den Entwicklungsfortschritten, die meist kleinschrittig vorangehen. Daraus wird abgeleitet, dass dennoch auch kleine Erfolge nicht unerwähnt bleiben sollten, da Entwicklung immer von einer Stufe zur nächsten stattfindet. Der Bewegungsdialog des Pferdes dient ebenfalls dem Beziehungsaufbau, da dieser in den Beziehungsdialog mündet, so die Experten. Die Kinder werden taktil durch den Berührungsaustausch mit dem Pferd nonverbal aufgefordert, in Interaktion (erst durch Berührung und dann durch die Bewegung des Pferdes) mit dem Pferd zu treten. Darauf können sich die Kinder oft sehr gut einlassen, obwohl sie Nähe und Körperkontakt häufig meiden. Durch den Bewegungsdialog und die dreidimensionalen Schwingungen wird das Kind körperlich aktiviert und seine Motorik gefördert. Gleichzeitig entsteht durch dieses antwortende Verhalten das Gefühl von Vertrauen und Geborgenheit durch das Getragen-Werden (Hartje 2009). Darin lässt sich die pränatale und frühe postnatale Phase zwischen Mutter und Kind wiedererkennen und interpretieren. In dieser Phase findet erste nonverbale Kommunikation statt, welche zum Beziehungsaufbau beiträgt. Es wird berichtet, dass im Prozess der Therapie Stereotypien der Kinder abnehmen und die Konzentration zunimmt. Die Zunahme der Konzentrationsfähigkeit wird mit der Aufmerksamkeit, die während des Reitens auf verschiedene Dinge wie auf das Pferd, den Therapeuten und den eigenen Körper gerichtet werden muss, begründet. Weiter wird interpretiert, dass die Stereotypien wie zum Beispiel das Schaukeln durch die Pferdebewegung kompensiert werden könnten, da die Stimulation des Gleichgewichtes bereits gegeben ist. Dies führt langfristig zu Verhaltensänderungen. Kinder, die Schwierigkeiten mit der Regulation ihres Muskeltonus haben, können durch die rhythmischen Bewegungen der Gangarten des Pferdes zur Entspannung kommen, so wie das bereits genannte Kind mit extremen Schlafstörungen, das zu fast jeder Einheit auf dem Pferd in den Schlaf finden konnte. In Bezug Die Experten geben an, dass bei den meisten Kindern mit ASS deutliche Verhaltensänderungen zu beobachten sind. Amirmoini - Pferdegestützte Therapie mup 4|2015 | 151 auf dieses Beispiel kann wieder die Erklärung des Geborgenheitsgefühls und des Vertrauens abgeleitet werden. Ein interessanter Aspekt ist, dass der Blickkontakt vom Pferd aus besser aufgenommen werden kann, so die Experten. Der Spiegel in der Reithalle trägt dazu bei. Das Kind kann vom Pferd aus den Kopf in alle Richtungen drehen und frei umhersehen. Der Blickkontakt von Kindern mit ASS nimmt im Prozess der Therapie zu. Durch den Beziehungsaufbau entwickeln die Kinder empathisches Verhalten, sie interessieren sich für das Befinden des Pferdes und geben bei Ankunft im Stall zu verstehen, dass sie zum Pferd gehen möchten. Dieses Verhalten spricht für Interesse und Zuneigung zum Pferd seitens der Kinder. Hinsichtlich der Veränderungen des Verhaltens entwickeln die Kinder Eigenaktivitäten und neue Verhaltensmuster. Wie zum Beispiel das Kind, welches über das Beobachten des kauenden Pferdes selbst begann, feste Nahrung aufzunehmen. Die soziale Interaktion innerhalb von Kleinstbis Kleingruppen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen lässt sich bei Kindern mit ASS über die Arbeit mit dem Pferd anbahnen. Die Kinder mit ASS können sich in Situationen mit dem Pferd besser auf andere Kinder einlassen, dies könnte mit dem Aufforderungscharakter des Pferdes begründet werden. Zu den Veränderungen hinsichtlich des Selbstbewusstseins der Kinder mit ASS tragen beispielsweise motorische Übungen in den Kleingruppen bei. Hier können auch die Kinder mit ASS gegenüber anderen Kindern mit motorischen Beeinträchtigungen ihre Stärken zeigen. Die Kinder mit ASS erleben Erfolge und werden dadurch aufgeschlossener. Auch die Eltern erleben ihr Kind in seinen Stärken und die Beziehung zwischen Eltern und Kind wird positiv beeinflusst. Neben dem Beziehungsaufbau steht die Kommunikationsanbahnung im Vordergrund. Als Kommunikationselement wird das Rollenmodell der Dreiecksbeziehung Pferd - Kind - Therapeut genutzt. Im Wechsel fungiert das Pferd als Medium oder als Vermittler zwischen den Therapiebeteiligten. Als Kommunikationsansätze werden die Unterstützte Kommunikation und der TEACCH-Ansatz eingesetzt (Schäffer / Struck 2013). Diese Ansätze bieten den Kindern Sicherheit und Struktur, sie dienen als Kommunikationsausgangslage und können Barrieren überbrücken. Nach Angaben der Experten lautieren Kinder sehr oft auf dem Pferd und gehen über die Geräusche des Pferdes mit diesem in den Dialog. Der Erklärungsansatz ist der Resonanzkörper des Pferdes, der als Verstärker wirkt. Durch die verschiedenen Gangarten des Pferdes wird der Muskeltonus des Kindes beeinflusst. Im Schritt wird dieser erniedrigt, im Trab erhöht und im Galopp besteht ein ausgeglichener Muskeltonus. Die Kinder lautieren dementsprechend unterschiedlich. Im Schritt entstehen dadurch sehr lange warme Brummtöne und im Trab wird häufig im Rhythmus lautiert. Durch diesen Prozess wird das Kind wie in keiner anderen Therapieform angeregt, Laute zu produzieren. Wie letztendlich darauf aufgebaut werden kann, ist individuell von Kind zu Kind sehr unterschiedlich. Hier geht es um das Anstoßen eines lautsprachlichen Kommunikationsprozesses und die Entwicklung einer Sprachgrundlage. Die Reaktionen der Kinder werden durch die Therapeuten begleitet und verstärkt. Die Experten berichten von Kindern, die über den Prozess der Therapie verbale Sprache entwickelt haben oder erste Worte wie beispielsweise den Namen des Therapiepferdes gesprochen haben. Allerdings ist dies auch ein äußerst gravierendes Beispiel und auf keinen Fall die Regel. Auffällig ist jedoch, dass die Kinder Fragen vom Therapeuten zunehmend beantworten, verbal und nonverbal, und dass sie Anweisungen ausführen. Es werden Kommandos gegenüber dem Pferd von den Kindern ausgesprochen wie zum Beispiel „Los“ oder „Halt“. Die Motivation, Kommandos zu geben und damit Kinder haben erste Worte wie beispielsweise den Namen des Therapiepferdes gesprochen. 152 | mup 4|2015 Amirmoini - Pferdegestützte Therapie etwas zu bewirken, ist groß. Das Pferd bietet sich ebenso als Gesprächsanlass an. Dies spricht für Interesse am Pferd und einer stattfindenden Aktivierung der Kinder durch die Therapie. Bei der Auswahl des Therapiepferdes ist wichtig, dass Kind und Pferd miteinander harmonieren und sich gut „verstehen“; so ist die Grundlage des Beziehungsangebotes geschaffen. Da es im Leben häufig um Wechselwirkungen geht, dürfen der Rahmen und die Inhalte der Pferdegestützten Therapie nicht unberücksichtigt bleiben. Die Experten berichteten von einer starken Strukturierung mit Ritualen, klaren Regeln und der Anwendung des TEACCH-Ansatzes, der Orientierung an der Sache, der Reduzierung von Umgebungsreizen sowie einem langsamen, individuellen Herantasten an das Pferd. Diese Gesamtheit trägt in der Summe zu individuellen Erfolgen bei. Hier wird deutlich, dass die Therapie von erfahrenen Fachkräften durchgeführt werden sollte. Die Pferdegestützte Therapie bei Kindern mit ASS ist eine alternative Therapieform mit zum Teil individuell großen Wirkungen. Die Ganzheitlichkeit dieser Therapie spricht für vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder. Die Rückmeldungen der Eltern bestätigen dies, jedoch darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass diese auch Veränderungen sehen wollen und diese eventuell auch intensiv suchen. Kritisch zu betrachten ist aber auch, dass die beschriebenen Veränderungen durch andere Therapien, die neben der Pferdegestützten Therapie von den Kindern besucht werden, angestoßen wurden; oder dass vielleicht die Kombination von mehreren Therapien Erfolge zeigt. Abschließend wird festgehalten, dass Veränderungen der Kommunikation und der Interaktion im Prozess der Pferdegestützten Therapie bei Kindern mit ASS aus Sicht von Fachkräften stattfinden. Während der Auswertung der Ergebnisse stellte sich heraus, dass bei Trennung der Kommunikation und Interaktion vermehrte Veränderungen in der Interaktion bei den Kindern zu verzeichnen sind. Die Veränderungen der Kommunikation nach der Definition des Kodierleitfadens: „Unter Kommunikation fallen in dieser Untersuchung alle Lautäußerungen vom Lautieren bis hin zum Sprechen und Tonproduktionen wie Brummen, Summen, etc.“ sind auch vorhanden, jedoch nicht in der gleichen Präsenz wie die Interaktionsveränderungen. Berücksichtigt werden müssen die individuellen Entwicklungsmöglichkeiten eines jeden Kindes und die kleinschrittigen Entwicklungsfortschritte. Fazit Innerhalb der Pferdegestützten Therapie bieten sich für die Teilnehmer vielfältige Möglichkeiten, mit dem Pferd in Kontakt zu treten; dies kann verbal und vor allem nonverbal geschehen. Vielen Kindern fällt der Zugang zum Pferd leichter als zu Menschen, dies erklärt sich durch das bereits erwähnte artspezifische Verhalten des Pferdes. Kommunikationshilfen Die Autorin Nadja Amirmoini Sonderpädagogin (B. A.), Bachelorarbeit zum Thema: „Veränderungen im Kommunikations- und Interaktionsverhalten bei Kindern mit Autismus- Spektrum-Störungen im Prozess der pferdegestützten Therapie aus Sicht von Fachkräften“, 2014-2016 konsekutives Studium: Sonderpädagogik (M. Ed.) mit den Fachrichtungsschwerpunkten „Geistige Entwicklung“ und „Emotionale und soziale Entwicklung“ an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Anschrift: Nadja Amirmoini · Athenstr. 25 · D-26384 Wilhelmshaven nadja.amirmoini@uni-oldenburg.de Die Ganzheitlichkeit dieser Therapie spricht für vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder. Amirmoini - Pferdegestützte Therapie mup 4|2015 | 153 wie der Einsatz von Bildern und Symbolkarten im Rahmen von Unterstützter Kommunikation werden in der Pferdegestützten Therapie bereits angewandt. Die Pferdegestützte Therapie bietet eine ganzheitliche Förderung aller Wahrnehmungsbereiche und wird bei Menschen mit ASS seit langem erfolgreich angewandt. Nach Frömming (2006) können die Menschen mit ASS durch die Therapie mit dem Pferd einen Weg zu sich selbst und in die Welt der „Anderen“ finden. Die Ergebnisse der Experteninterviews bestätigen die Theorie. Es bestehen individuelle Veränderungen der Interaktion und der Kommunikation bei den Kindern mit ASS, die im Rahmen der Pferdegestützten Therapie gefördert wurden. Diese Veränderungen kennzeichnen sich durch mehr Offenheit, Eigenaktivität, zunehmenden Blickkontakt, Entwicklung von empathischem Verhalten, Steigerung der Konzentration, Tonus-Regulation, Abbau von Stereotypien, Entwicklung von eigenen Ideen und Strategien, Aufbau von Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein, Lautproduktion sowie Entwicklung und Aufbau verbalsprachlicher Fähigkeiten. Durch die Erklärungsansätze der Experten werden die Zusammenhänge dieser Fortschritte deutlich. Es handelt sich um individuelle Entwicklungen bei diesen Kindern, die von einer Entwicklungsstufe zur nächsten stattfinden. Wechselwirkungen mit anderen zeitgleich angewandten Therapien können ebenfalls zu diesen Fortschritten beitragen. Dies ist allerdings schwer zu überprüfen, sollte aber bedacht werden. Die Pferdegestützte Therapie ist eine solide Therapieform, die sicherlich Anerkennung verdient, jedoch auch „keine Wunderheilung“ - so eine Expertin - bewirken kann. Der ganzheitliche Ansatz dieser Therapie spricht dafür, dass jedem Kind mit ASS die Möglichkeit gegeben werden sollte, diese Form der Therapie alternativ zu anderen Therapien und auch ergänzend auszuprobieren. Die Chance, eine „Brücke“ über das Pferd in die Welt der „Anderen“ zu finden, besteht und ist einen Versuch wert. Zukünftig sind erneute Studien notwendig, um die Erkenntnisse dieser Arbeit zu überprüfen. Denkbar und umsetzbar wären qualitativ angelegte Beobachtungen zur Fragestellung dieser Untersuchung. Durch größere quantitativ angelegte Studien hinsichtlich der Veränderungen der Kommunikation und Interaktion bei Kindern mit ASS durch die Pferdegestützte Therapie bestünde die Möglichkeit, wissenschaftlich aussagekräftige Erkenntnisse zu erhalten, um vorher erstellte Hypothesen zu überprüfen. Diese Erkenntnisse könnten die Anerkennung und dadurch die Kostenübernahme der Pferdegestützten Therapien durch Kostenträger wie Krankenkassen vorantreiben. Es könnten Konzepte zur optimalen Förderung von Kindern mit ASS in der Pferdegestützten Therapie von bereits erfahrenen Experten entwickelt werden, um diese Erfahrungen anderen Therapeuten zugänglich zu machen. Abschließend wären zudem Fortbildungen denkbar, welche die Pferdegestützte Therapie bei ASS aufgreifen. Literatur ■ Aschenbach, L. (2009): Pferdegestützte Sprachtherapie? ! Das Pferd in der Therapie von Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen. 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