mensch & pferd international
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Gesundheitssport mit dem Pferd
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Anna Hielscher
Ein Pferd fasziniert, kann aber auch gleichermaßen Respekt und Furcht einflößen. Meist sind zu viele Hemmungen der Grund dafür, dass der Wunsch nach mehr Kontakt oder erstmaligem Kontakt zum Pferd im Erwachsenenalter schnell „begraben“ wird. Dabei lässt sich die Intensität im Umgang mit dem Pferd stetig an die eigenen Befindlichkeiten anpassen.
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18 | mup 1|2016|18-20|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378 / mup2016.art04d Anna Hielscher Forum Gesundheitssport mit dem Pferd Ein Pferd fasziniert, kann aber auch gleichermaßen Respekt und Furcht einflößen. Meist sind zu viele Hemmungen der Grund dafür, dass der Wunsch nach mehr Kontakt oder erstmaligem Kontakt zum Pferd im Erwachsenenalter schnell „begraben“ wird. Dabei lässt sich die Intensität im Umgang mit dem Pferd stetig an die eigenen Befindlichkeiten anpassen. Der Gesundheitssport mit dem Pferd kann einen wichtigen Teil zur Gesundheitsförderung und Lebensqualität beitragen, da alle Tätigkeiten und Übungen um das Pferd, mit und auf dem Pferd den Kreislauf aktivieren und die Muskeln kräftigen. Die alltägliche körperliche Betätigung von Erwachsenen wird meist von den z. T. einseitigen und monotonen Tätigkeiten bei der Arbeit und in der Freizeit geprägt. Zu langes Sitzen und Stehen, Stress und psychischer Druck können die Entstehung von Haltungsfehlern verstärken und den allgemeinen Bewegungsmangel zudem vorantreiben. Das Fehlen körperlicher Ausgleichsbewegungen (gezieltes Training) verstärkt darüber hinaus körperliche Beeinträchtigungen wie z. B. Haltungsschwächen und mindert zudem die Wahrnehmung des eigenen Körpergefühls. In wissenschaftlichen Studien (u. a. Gollhofer u. a. 2006) wird allerdings gezeigt, dass dem Training der motorischen Fähigkeiten, insbesondere der Kraft und der koordinativen wie auch der kognitiven Fertigkeiten mit steigendem Alter eine große Bedeutung zur Erhaltung der selbstständigen Mobilität zukommt. Gesundheitsförderung sollte daher Grundlage für jedes Angebot im Erwachsenenbereich sein. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der damit verbundenen Neuorientierung vieler Vereine, hin zum älteren Vereinsmitglied, besteht mit dem Gesundheitssport mit dem Pferd aber auch eine große Chance für die Bindung neuer Mitglieder. Im Folgenden wird das Bewegungsprogramm „Gesundheitssport mit dem Pferd“ beschrieben, welches in Kooperation mit dem Landessportbund NRW und dem Pferdesportverband Westfalen im Rahmen des Programms „Bewegt ÄLTER werden in NRW“ veranstaltet worden ist. Zunächst wurde über die regionale Presse zu einem informativen Aktionstag für ein „präventives Bewegungsangebot für junggebliebene Hüpfer und alte Hasen“ eingeladen. Hierzu meldeten sich neun Teilnehmer im Alter von 40 bis 60 Jahren an, die zunächst über kleine Impulsvorträge auf das Thema „Bewegung und Sport im Altersgang“ und die angestrebte Verknüpfung „Gesundheitsförderung mit dem Partner Pferd“ eingestimmt wurden. Durch diese Einführung ließen sich anfängliche Unsicherheiten und Bedenken gegenüber der Bewegung mit dem Pferd sachlich erörtern und bewerten. Die Vorteile der Bewegungsförderung mit dem Pferd über den charakteristischen mehrdimensionalen Bewegungsdialog konnten somit für alle Teilnehmer Forum: Hielscher - Gesundheitssport mit dem Pferd mup 1|2016 | 19 unter sportwissenschaftlichen und therapeutischen Aspekten verdeutlicht werden. Dabei wurde der Fokus auf eine physiologische Beckenposition als Basis für eine korrekte und gesundheitsförderliche aufrechte Haltung gelegt. Vor dem Hintergrund steigender Multimorbiditäten (Mehrfacherkrankungen) im Altersverlauf ist hierbei zudem die Beachtung möglicher körperlicher Beeinträchtigungen ein wichtiger Grundstein für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit älteren Erwachsenen und bestimmt essentiell über den Erfolg bzw. Misserfolg einer solchen Veranstaltung. Die in der Theorie aufgezeigten Aspekte von körperlicher Aktivierung mit dem Pferd beabsichtigten das Erleben und Nachfühlen der vielfältigen Vorteile dieser Intervention wie beispielsweise die dynamische Kräftigung der rücken- und rumpfstabilisierenden Muskulatur, Verbesserung der koordinativen und kognitiven Fähigkeiten, Mobilisierung, Stressabbau und Entspannung sowie sensomotorisches und propriozeptives Training. Im Folgenden werden die drei Workshops vorgestellt. Workshop 1: „Der 1. Kontakt“ Um ängstlichen Teilnehmern anfängliche Bedenken im Umgang mit dem Pferd zu nehmen, wurden diese zunächst an das Putzen des Pferdes herangeführt. Die Putzbewegungen sollten mit großen Bewegungsamplituden, vom Hals des Pferdes bis zum Schweif, vom Kopf bis zu den Hufen, rotierend und diagonal am Pferd ausgeführt werden und gaben den Teilnehmern einen ersten Eindruck über die eigene körperliche Aktivierung neben bzw. an dem Pferd. So stellte sich ganz nebenbei eine vertrauensvolle Basis zum Pferd her, die in den weiteren Workshops individuell intensiviert werden konnte. Workshop 2: „Der 1. Versuch - Reiten an der Longe“ Dieser Teil richtete sich an Wiedereinsteiger und Neuanfänger, die das klassische Reiten an der Longe (wieder) ausprobieren 20 | mup 1|2016 Forum: Hielscher - Gesundheitssport mit dem Pferd wollten. Das aufrechte Sitzen im Sattel und das Einfühlen in die Bewegung des Pferdes erfordern motorische Fähigkeiten, die im Alltag oft in Vergessenheit geraten sind. Nach einleitenden Übungen zur Körperwahrnehmung und -koordination konnten die Teilnehmer selbst das Tempo bestimmen und auch eine erste Runde im Galopp wagen. Workshop 3: „Voltigieren - Funktionelle Gymnastik auf dem Pferd“ Klassische Elemente aus der Rückenschule wie Übungen zur Beckenmobilisation und -stabilisation, Kräftigungsübungen mit dem Theraband zur Körperaufrichtung oder Rumpfrotation sowie die Schulung von Beweglichkeit und Koordination lassen sich problemlos auch auf dem Pferd ausführen. Diese Übungen wurden durch die Bewegungsimpulse des Pferdes positiv unterstützt. Über den zuvor erörterten theoretischen Hintergrund bot sich immer wieder die Gelegenheit, Theorie und Praxis mit einander zu verknüpfen. Zwischen all den praktischen Erfahrungen mit dem Pferd bestand für die Teilnehmer auch die Möglichkeit, ihre körperlichen Beeinträchtigungen anzusprechen, für die sie individuelle funktionsgymnastische Übungen (ohne Pferd) aufgezeigt bekommen haben. Um das geweckte Interesse bei den Teilnehmern aufrechtzuerhalten, wurde zeitnah zu diesem Aktionstag ein Schnuppervormittag mit dem Inhalt „Voltigieren - Funktionelle Gymnastik mit dem Pferd“ angeboten. Hier bot sich die Möglichkeit, intensiver und individueller auf die Befindlichkeiten der einzelnen Teilnehmer einzugehen (Gesundheitsförderung) und den Spaß an der Bewegung mit dem Pferd zu fördern. Dabei vermischen sich Elemente des klassischen Voltigierens (z. B. Bank, Fahne, Liegestütz) mit den Elementen funktioneller Gymnastik (Rumpfstabilisation mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden) und konnten je nach Leistungsstand in den unterschiedlichen Tempi umgesetzt werden. Auch hier zeigte sich, dass die Beachtung körperlicher Beschwerden und ein individuelles Eingehen auf die Teilnehmer als notwendige Grundlagen für eine erfolgreiche Unterrichtsgestaltung sind. Mit dem Beginn der wärmeren Monate soll ein zusammenhängender Kurs die Teilnehmer nachhaltig an ein konstantes Bewegungsprogramm („Voltigieren - Aktiv und gesund mit dem Pferd“) binden. Literatur ■ Gollhofer, A., Granauer, U., Taube, W., Melnyk, M., Gruber, M. (2006): Bewegungskontrolle und Verletzungsprophylaxe. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin 11 / 12, 266-270 Die Autorin Anna Hielscher Sportwissenschaftlerin (M. A.) Sport-und Bewegungsgerontologie, Sport- und Bewegungstherapeutin (DVGS), Trainer C Voltigieren, arbeitet im Bereich ambulante Rehabilitation, Prävention, Medizinische Trainingstherapie und Betriebliche Gesundheitsförderung. Anschrift Anna Hielscher · Wellingholzhauser Str. 33 D-33829 Borgholzhausen · anna_hielscher@yahoo.de
