mensch & pferd international
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1867-6456
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mup2016.art11d
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Forum: Hypnotherapie mit Kindern und Jugendlichen in der Reittherapie
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Uwe Krause-Straky
In diesem Artikel soll beschrieben werden, wie im Rahmen der Reittherapie hypnotherapeutische Methoden in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen eingesetzt werden können. In diesem Kontext unterscheidet sich Reittherapie von Reitpädagogik oder heilpädagogischem Reiten. Therapie wird im psychologischen oder pädagogischen Zusammenhang i. d. R. als Psychotherapie begriffen. Die inhaltlich saubere Abgrenzung zwischen Pädagogik und Therapie ist schwierig und kann an dieser Stelle nicht aufgeklärt werden. Dennoch können Unterschiede beschrieben werden, sodass zumindest im Ansatz eine Differenzierung möglich ist. Man muss sich aber auch im Klaren darüber sein, dass Therapie häufig (manchmal aus Versehen) reine Pädagogik ist und Pädagogik (meistens aus Versehen) Therapie. Differenzierter hat sich zwar Schleehauf (2004) in ihrem Aufsatz „Pädagogik versus Therapie“ mit diesem Thema beschäftigt; resümiert am Ende aber lediglich: „Eine Arbeit als Psychotherapie mit dem Medium Pferd zu benennen, ist klar an die Profession gebunden“ (Schleehauf 2004, 10–15). Hinzuzufügen wäre, dass sicherlich die Auswahl der Methoden eine wichtige Rolle bei dieser Frage spielt. Auch deshalb versteht sich Reittherapie in diesem Kontext als psychotherapeutisches Verfahren, weil sich dieser Aufsatz mit der Möglichkeit beschäftigt, eine psychotherapeutische Methode mit Reittherapie zu kombinieren, denn „Die moderne Hypnotherapie gilt als ein ressourcenorientiertes psychotherapeutisches Verfahren“ (Deutsche Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie e. V. 2015).
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62 | mup 2|2016|62-68|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378 / mup2016.art11d Forum Hypnotherapie mit Kindern und Jugendlichen in der Reittherapie Oder: Wie kann mit dem Unbewussten auf dem Pferd gearbeitet werden? Uwe Krause-Straky In diesem Artikel soll beschrieben werden, wie im Rahmen der Reittherapie hypnotherapeutische Methoden in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen eingesetzt werden können. In diesem Kontext unterscheidet sich Reittherapie von Reitpädagogik oder heilpädagogischem Reiten. Therapie wird im psychologischen oder pädagogischen Zusammenhang i. d. R. als Psychotherapie begriffen. Die inhaltlich saubere Abgrenzung zwischen Pädagogik und Therapie ist schwierig und kann an dieser Stelle nicht aufgeklärt werden. Dennoch können Unterschiede beschrieben werden, sodass zumindest im Ansatz eine Differenzierung möglich ist. Man muss sich aber auch im Klaren darüber sein, dass Therapie häufig (manchmal aus Versehen) reine Pädagogik ist und Pädagogik (meistens aus Versehen) Therapie. Differenzierter hat sich zwar Schleehauf (2004) in ihrem Aufsatz „Pädagogik versus Therapie“ mit diesem Thema beschäftigt; resümiert am Ende aber lediglich: „Eine Arbeit als Psychotherapie mit dem Medium Pferd zu benennen, ist klar an die Profession gebunden“ (Schleehauf 2004, 10- 15). Hinzuzufügen wäre, dass sicherlich die Auswahl der Methoden eine wichtige Rolle bei dieser Frage spielt. Auch deshalb versteht sich Reittherapie in diesem Kontext als psychotherapeutisches Verfahren, weil sich dieser Aufsatz mit der Möglichkeit beschäftigt, eine psychotherapeutische Methode mit Reittherapie zu kombinieren, denn „Die moderne Hypnotherapie gilt als ein ressourcenorientiertes psychotherapeutisches Verfahren“ (Deutsche Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie e. V. 2015). Die Reittherapie In der von 2010 bis 2012 durchgeführten Studie der Technischen Universität Braunschweig wurde die Wirksamkeit der Reittherapie bei ADHS-Kindern nachgewiesen. Insbesondere konnten bei den untersuchten Kindern deutliche Verbesserungen hinsichtlich der Kernsymptomatik und des Sozialverhaltens erzielt werden. „Die Befunde belegen, dass die Reittherapie eine wirksame therapeutische Maßnahme bei der Behandlung von Kindern mit ADHS darstellt. […] Neben der ADHS-Symptomatik konnten außerdem die Symptome einer oppositionell-aggressiven Störung des Sozialverhaltens signifikant reduziert werden“ (Modellprojekt der Technischen Universität Braunschweig „Jim Knopf“ 2012, 24). Schley und Gerster (2010) beschreiben in ihrem Buch „Experientielle Reittherapie“ ebenfalls ausführlich die positive Wirkung des Umgangs mit dem Pferd im Rahmen der Reittherapie: „Dadurch (durch die Reittherapie, Anm. d. Verf.) können die Kinder die für den Aufbau des Selbstwertgefühls wichtige Erfahrung der Selbstwirksamkeit machen“ (Schley / Gerster 2009, 29). Die Wirksamkeit von Reittherapie basiert zu einem großen Teil darauf, dass die durch den Kontakt mit dem Pferd vorhandenen Emotionen und Empfindungen intensiviert werden. Das Pferd wird dadurch zum Verstärker. In der Reit- Forum: Krause-Straky - Hypnotherapie mit Kindern und Jugendlichen in der Reittherapie mup 2|2016 | 63 therapie entsteht eine Triade, die ermöglicht, dass nicht die Beziehung zwischen Klientin und Therapeutin im Mittelpunkt steht, sondern die Beziehung zwischen Pferd und Klientin (Schley / Gerster 2009, 29). Papke (1997) drückt diese Konstellation etwas anders aus, indem sie diese Triade als „gemeinsames Drittes“ bezeichnet und das Pferd als „Bindeglied in der therapeutischen Beziehung “ sieht. Triade ist in diesem Artikel aber eher als Identifikationsmöglichkeit des Kindes mit einem bestimmten Teil des Pferdes (z. B. dessen Unvoreingenommenheit) gemeint, der sich unabhängig von der Beziehung zur Therapeutin entwickeln kann, aber von dieser initiiert wird. Theoretisch kommt dieses Gedankenmodell eher dem Ansatz der Teilearbeit nahe (Peichl 2014). Das Kind oder die Jugendliche reagiert mit einem eigenen inneren Anteil auf einen inneren Anteil des Pferdes. Die Reittherapeutin bietet eine Struktur an, die dem Kind oder dem Jugendlichen ermöglicht, sich mit den eigenen Anteilen auseinanderzusetzen. In der Focusing-gestützten Experientiellen Reittherapie bietet diese Beziehungskonstellation besondere Möglichkeiten. Das Pferd wird hier zum Reflektor der eigenen Empfindungen und die Therapeutin hat die Chance, ein sogenanntes Hilfs-Ich zu werden. Oder, um es anders auszudrücken, die Therapeutin kann den erwachsenen Teil der Klientin repräsentieren und korrigieren. Prozesse verlaufen parallel. Durch das Spiegeln mithilfe des Pferdes werden unbewusst und bewusst Empfindungen hervorgerufen. Durch den meist verbalen Kontakt mit der Therapeutin werden Prozesse kognitiv beschreibbar und können dadurch versprachlicht werden. Unbewusstes wird durch die Beobachtung und das Benennen der Therapeutin bewusst gemacht. Die Klientin steht nicht vor der Entscheidung, die Beschreibung der Therapeutin zu akzeptieren oder nicht, sondern durch die Hinwendung zum Pferd können entsprechende Kommentierungen stehengelassen und erst im Nachhinein reflektiert werden. Das bedeutet auch, dass im therapeutischen Prozess die Beziehung zur Therapeutin eine weniger wichtige Rolle spielt und sich mehr auf das eigene innere Erleben (körperlich und emotional) und die Entwicklung von neuen Einstellungen konzentriert werden kann. Hierin begründet sich im Wesentlichen die Focusing-gestützte Experientielle Reittherapie. Der Begriff „experientiell“ (erlebensorientiert) stammt aus dem Focusing nach dem amerikanischen Philosophen und Psychotherapeuten Gendlin (1998). Focusing versteht sich als therapeutisches Verfahren, das hilft, ohne Vorschläge von außen einen Weg zur Lösung eines bestimmten Problems zu finden. Durch Konzentration auf den eigenen Körper soll herausgefunden werden, wo im Körper das betreffende Problem spürbar ist. Durch dieses Erspüren verändert sich die innere Bedeutung des Problems. Das Erspüren umfasst die Emotion, die Kognition und das Körperempfinden. Die Problemlösung wird nicht - weder von der Klientin, noch von der Therapeutin - forciert. Es wird einfach wahrgenommen und geschehen gelassen. Die Lösung findet sich im wahrsten Sinne des Wortes von selbst. „Focusing ist eine psychologische Methode, die philosophisch begründet, empirisch überprüft und klinisch erprobt ist. In ihrem Zentrum steht das achtsame Wahrnehmen des körperlichen Erlebens. Aus diesem entfalten sich unter bestimmten Bedingungen lösungsorientierte Schritte - Denkschritte und Heilungsschritte zugleich. Focusing bedeutet, der Stimme des Körpers zu folgen. Es beschreibt den Kernprozess persönlicher Veränderung“ (Deutsches Ausbildungsinstitut für Focusing 2015). Pferde eignen sich als Unterstützer dieser prozessorientierten Arbeit besonders gut, weil sie aufgrund ihres großen Körpers und ihrer spürbaren Wärme präsenter wirken als andere Tiere. Besonders wertvoll ist das Pferd für uns Menschen, weil es geritten werden kann. Das ermöglicht in der Reittherapie das einzigartige Erleben von Getragensein. Gäng (2009) benutzt in ihrem Buch über Reittherapie den 64 | mup 2|2016 Forum: Krause-Straky - Hypnotherapie mit Kindern und Jugendlichen in der Reittherapie Begriff „Getragenwerden“. Der Begriff des Getragenseins ist zutreffender, weil er mehr auf den inneren Zustand des Kindes abzielt und daher eher eine aktive Position einnimmt, als das passivere „Getragenwerden“. In Tiergeschichten tauchen immer wieder Abenteuer auf, in denen das Pferd einen Menschen dank seiner Ausdauer und Schnelligkeit rettet. Atrax, das treue Pferd Atrejus aus dem Roman „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende, opferte sein Leben, um Atreju zu retten. Und wahrscheinlich kennen nur noch die Älteren von uns den Rappen Hatatitla, der Old Shatterhand aus der Feuersbrunst des explodierenden Öls in dem Buch „Der Ölprinz“ von Karl May rettet. Nach Nemetschek (2005) werden „heilende Kräfte …sinnvollerweise wieder vermehrt mobilisiert, wenn ich in Sicherheit bin“. Zwei weitere Faktoren sind von Bedeutung. Das Pferd als sozial funktionierendes Herdentier, das Beziehungen, manchmal lebenslange Freundschaften eingeht und das Fluchttier Pferd, das sich aufgrund seiner überlebensnotwendigen Wachsamkeit ständig nach außen orientiert und dabei Stimmungen und Befindlichkeiten seines Gegenübers „liest“ und spiegelt. Durch diese Achtsamkeit bekommen Klientinnen in der Regel eine direkte Rückmeldung ihres eigenen Verhaltens. Die Reaktion des Pferdes meldet eigene Haltungen und Befindlichkeiten zurück. Es entsteht ein Prozess von Distanz und / oder Annäherung, der körpersprachlich, nonverbal und in unreflektierter Form zunächst unterbewusst verläuft. Die Kommunikation zwischen Mensch und Pferd ist dabei direkt und echt (Gäng 2009). Hinzu kommt das Schaukeln beim Schrittreiten. Einige Reittherapeutinnen vergleichen dieses Schaukeln mit dem beruhigenden und Schutz bietenden Schaukeln im Mutterbauch. Dieses Schaukeln selbst kann einen Trancezustand einleiten, vorausgesetzt, das Kind fühlt sich sicher auf dem Pferd und hat Zutrauen zu den Pferdekompetenzen der Reittherapeutin. Die Hypnotherapie Ähnlich wie das Focusing greift die Hypnotherapie das innere Erleben der Klientinnen auf und versucht dadurch Wachstumsprozesse zu initiieren. Beide haben eine Kernannahme gemeinsam, nämlich dass die angestrebten Lösungen im Inneren eines Menschen verborgen sind. Die Aufgabe der Therapeutin besteht lediglich darin, diese Prozesse zu fördern. Seit mehreren Jahrhunderten wird die Hypnosebehandlung erfolgreich eingesetzt. Man findet Beschreibungen von Gelehrten in den alten griechischen und ägyptischen Schriften. Auch das Trommeln der Heiler, Schamanen und Medizinmänner aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen wurde benutzt, um Kranke zu heilen. Die Grundannahme war immer gleich und gilt bis heute noch. Durch Suggestion sollen Trancezustände hergestellt werden, um das Unbewusste zugänglich zu machen. Gleichzeitig wurde und wird heute noch davon ausgegangen, dass das Unbewusste lernfreudiger ist als das Bewusste, das oft von sogenannten Widerständen und dysfunktionalen Kognitionen getrübt ist. In dieser Grundannahme liegt der Schlüssel -laut Hypnotherapie - für tiefgreifende Verhaltensänderungen. Unter hypnotischer Trance wird eine Tiefenentspannung verstanden, in der man wach ist, aber die Umgebung und das eigene Innere anders wahrnimmt als in dem normalen Wachzustand (Trance-Lexikon für Psychologie und Pädagogik 2015). Tranceinduzierte Techniken werden auch von anderen Therapieschulen genutzt, z. B. Focusing (Gendlin 1998) oder Neurolinguistisches Programmieren (NLP) (NLP Ausbildung zum Practitioner 2015). Und auch Sigmund Freud hat bekanntermaßen schon mit Hypnose gearbeitet. Eingeleitet wird eine Trance in der Regel durch Suggestion, aber oft entsteht eine Trancesituation, ohne sich dessen bewusst zu sein, z. B. die sogenannte Alltagstrance. Die meisten Menschen kennen das Phänomen, sich beim Autofahren auf einer Routinestrecke plötzlich an einem Ort zu befinden und sich nicht erinnern zu können, Forum: Krause-Straky - Hypnotherapie mit Kindern und Jugendlichen in der Reittherapie mup 2|2016 | 65 diese Strecke bis dorthin überhaupt gefahren zu sein. Die moderne Hypnotherapie wurde im Wesentlichen durch Milton H. Erickson geprägt (Rosen 2014). Unter Anwendung von Analogien, Metaphern, Wortspielen („Wenn sich der rechte Arme entspannt und es nicht gelingt, dass der linke Arme sich entspannt, gelingt es bestimmt, wenn sich zuerst der rechte Arme entspannt und es dann auch mit dem linken Arm gelingt“) sollen Trancezustände hergestellt werden. Die Klientin kann dann durch Zugang zum Unbewussten eigene Lösungswege finden. Es wird davon ausgegangen, dass unser Unbewusstes automatisch nach Lösungen für Probleme sucht, sie - die Lösungen - also in den Tiefen des Unbewussten schon vorhanden sind und nur aktiviert werden müssen. Dies ist der Kern der hypnotherapeutischen Ressourcenarbeit. Die Wirksamkeit der Hypnotherapie nach Milton Erickson ist seit vielen Jahren erwiesen und unbestritten (Milton Erickson Gesellschaft für klinische Hypnose-Regionalstelle Tübingen 2015). Reittherapie und Hypnotherapie - Erfahrungen aus der Praxis In den Focusing-gestützten, Experientiellen Reittherapien wurde nun die Erfahrung gemacht, dass sich durch die oben beschriebenen Konstellationen besonders Pferde eignen, Trancephänomene zu fördern. Durch das Schaukeln im Schritt auf dem Pferderücken, durch die Wärme, die das Pferd ausstrahlt und natürlich durch das Gefühl des Getragenseins werden Ruhe und Entspannung gefördert. Die Therapeutin hat eine eher begleitende Funktion. Die Klientinnen können sich mehr und mehr auf das Selbst und die inneren Prozesse konzentrieren. Das innere Erleben steht im Vordergrund. Das Unbewusste wird angesprochen und durch den Trancezustand ist eine hohe Offenheit für neue (zunächst innere) Erfahrungen vorhanden. Interventionen der Therapeutin werden kaum als solche wahrgenommen, sondern möglicherweise als Teil des eigenen inneren Prozesses identifiziert. Dadurch erhöht sich automatisch das Empfinden von Selbstwirksamkeit. Es ist bekannt, dass dies eine der Hauptbedingungen für Selbstwert ist: Das Empfinden und die Überzeugung, selbst auf das eigene Leben und auf andere Menschen einwirken zu können (Schley / Gerster 2009). Kinder oder Jugendliche sind hypnotherapeutisch oft schwerer erreichbar als Erwachsene. Der Nutzen von Hypnotherapie kann ihnen kaum verbal vermittelt werden. Auf dem Rücken des Pferdes allerdings erreicht ein Kind oder Jugendlicher viel schneller einen Trancezustand als im normalen therapeutischen oder pädagogischen Setting. Diesen Umstand gilt es zu nutzen. Der Einsatz von Hypnotherapie in der Reittherapie soll im Folgenden an einem Methodenbeispiel verdeutlicht werden: Lebensflussmodell Hinführung zur Methode In Anlehnung an die von Nemetschek (2006) konzipierte Methode des Lebensflussmodells wird mit einem Kind oder einer Jugendlichen eine positive Zukunftsvision aufgebaut. Wie in dem von ihm entwickelten Verfahren auch, soll das Kind oder die Jugendliche ein Seil auswählen, das von der Farbe her zu ihm passt. Das Seil sollte lang genug sein, um die Breite des Reitplatzes auszufüllen. Es wird als Metapher für das eigene Leben vorgestellt (Lebenslauf, Lebenslinie, Lebensfluss etc.). Die Begriffe Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft werden beschrieben. Zur Durchführung müssen zwei Personen anleiten, die Reittherapeutin und die Pferdeführerin. Auch bei Kindern oder Jugendlichen, die bereits gut reiten können, ist eine Pferdeführerin notwendig, damit die Aufmerksamkeit des Kindes oder des Jugendlichen ausschließlich nach innen und nicht in die Kontrolle des Pferdes geht. Die Methode Lebensflussmodell ist eigentlich eine familientherapeutische Intervention, die aber für die Einzelarbeit mit Kinder und Jugendlichen sehr wirksam ist, weil das Hauptaugenmerk 66 | mup 2|2016 Forum: Krause-Straky - Hypnotherapie mit Kindern und Jugendlichen in der Reittherapie auf der Erlebensorientierung liegt und nicht auf kognitiven Prozessen. Durch den Einsatz des Pferdes als Medium werden diese Prozesse vertieft und die Aufmerksamkeit des Kindes oder der Jugendlichen eher gebunden. Mithilfe des Pferdes soll eine optimistische Grundstimmung erzeugt werden, die durch bestimmte Formulierungen vorangebracht werden kann. Das Pferd kann als treuer Gefährte eingeführt werden, der in eine gute Zukunft trägt. Der Geruch des Pferdes als stets begleitender Wind bezeichnet werden, der die Nähe des Tieres spüren lässt, auch durch die Wärme des Körpers, der trägt und hält…., die einzigartigen Geräusche … und der immer wieder spürbare Atem des Pferdes, das Ein- und Ausatmen, das immerzu spürbar ist, bewusst oder unbewusst. Von Anfang an kann z. B. durch die Konfusionstechnik ein hypnotischer Zustand vorbereitet werden. Durch das Erzählen verwirrender, aber doch in sich logischer Zusammenhänge kann eine Trance eingeleitet werden. 1. Schritt Das Kind wird nach seiner Meinung nach wichtigen Ereignissen in seiner Geschichte befragt (z. B. Schulanfang, Umzug, Kommunion). Ausdrücklich wird nach wichtigen Ereignissen (nicht explizit nach belastenden) gefragt. Emotionen oder Bewertungen werden nicht allzu viel Bedeutung gegeben. Die Vergangenheit soll einen eher geringen Stellenwert einnehmen. Für jedes Ereignis kann sich das Kind einen Gegenstand aussuchen, der zu dem Ereignis passt. Es hat sich bewährt, allein zu diesem Zwecke ein Sammelsurium von Gegenständen anzulegen, die sogenannte „Krimskramskiste“. Gut eignen sich Gummitiere, Spielzeugautos, Glasperlenketten, Trillerpfeifen - alles Mögliche. Das Kind oder die Jugendliche wird dann aufgefordert, das ausgewählte Seil auf dem Reitplatz auszulegen. Die Instruktion sollte von vornherein ressourcenorientiert sein („Hier ist die Vergangenheit, dort, wo die Sonne scheint, ist die Zukunft“. Oder: „Die Zukunft ist dort, wo die Sonne ist [oder wo es hell ist]“). Das Kind oder die Jugendliche ordnet dann - nachdem es kurz erzählt hat - die Gegenstände den jeweiligen Ereignissen zu und wird aufgefordert, am Seil an der jeweiligen Stelle einen kleinen Kringel zu machen, sodass bis zum Punkt „Gegenwart“ eine Art Schlangenlinie entsteht. 2. Schritt Das Kind oder die Jugendliche setzt sich auf das Pferd. Es wird auf der Seillinie ein Punkt festgelegt, der als Gegenwart bestimmt wird. An diesen Punkt legt die Therapeutin eine mitgebrachte Glaskugel (oder einen Stein): „Das ist die Gegenwart“ „Das bisher Gelegte ist die Vergangenheit“. Dann wird von der Therapeutin durch das Legen eines Bogens auf der Seillinie der Verlauf einer Krise beschrieben, mit Entstehung, Höhepunkt und der allmählichen Besserung. Das Kind oder die Jugendliche wird danach gefragt, wo es / sie mit seinem Problem, wegen dem es in die Therapie gekommen ist, im Moment steht. Erfahrungsgemäß ordnen sich die Klientinnen schon im Bereich der Besserung ein, wenn der Höhepunkt der Krise schon überschritten ist. 3. Schritt Anschließend wird danach gefragt, wann das Kind oder die Jugendliche das Problem gelöst haben wird und wird nach einem entsprechenden Punkt auf der Seillinie gefragt (Futur 1). Zu dem Zeitpunkt befindet sich das Kind oder die Jugendliche - auf dem Pferd sitzend - noch auf Höhe des von ihr bezeichneten Krisenpunktes, also in der Gegenwart. Von dort aus gibt es / sie die Information an die Therapeutin, wohin sie die Glaskugel legen soll. Wenn das geschehen ist, wird das Kind oder die Jugendliche gefragt, wie es / sie es schaffen wird, dorthin zu kommen, welche drei Eigenschaften ihr dabei helfen werden, immer noch in der Gegenwart verweilend. Diese drei Eigenschaften = Ressourcen werden ausführlich besprochen und anschließend durch Tranceinduktion verankert. Das heißt, das Kind oder die Jugendliche wird neben der Eigenschaft auch nach der Emotion und dem Körpergefühl gefragt und anschließend aufgefordert, beides in sich zu verwahren, etwa so, wie ein Dokument im PC gespeichert wird. Zur Verstärkung kann noch ein Geräusch hinzugefügt werden, wie auch das „Klick“ des PCs. Erst dann wird das Kind oder die Jugendliche auf dem Pferd sitzend zum dem Punkt Futur 1 geführt, bzw. wäre es günstig, wenn sie - je nach Reitkompetenz - selber Impulse an das Pferd gibt. Dadurch wird das Empfinden von Selbstwirksamkeit gestärkt. An dem Punkt Futur 1 angekommen, wird ebenfalls danach gefragt, Forum: Krause-Straky - Hypnotherapie mit Kindern und Jugendlichen in der Reittherapie mup 2|2016 | 67 wie es sich anfühlt, das Problem gelöst zu haben. Außerdem wird nach einem dafür passenden Satz (Kognition) gefragt (z. B. „Ich hab es geschafft“). Dieses Gefühl plus Körperempfinden plus Kognition wird auch verankert. 4. Schritt Dann wird Futur 2 vorbereitet. Das Kind oder die Jugendliche wird danach gefragt, wie es sein wird, wenn sie in Zukunft irgendwann kaum noch an das Problem, wegen dem es gekommen ist, denken wird. Und wie das Empfinden ist, wenn sie dann auf das Problem (das es dann früher mal gegeben hat) reagieren wird. Zu diesem Zeitpunkt verweilt sie immer noch - auf dem Pferd sitzend - an Futur 1. Es wird dann zusammen ein Punkt festgelegt, wo diese dritte Glaskugel positioniert wird. Dann wird das Kind oder die Jugendliche - auf dem Pferd sitzend - dorthin geführt. Nun entsteht die eigentliche positive Zukunftsvision. Die Trance wird dann weiter eingeleitet, indem von innen nach außen mehr und mehr auf das Innere fokussiert wird. Zuerst wird den Außengeräuschen Aufmerksamkeit gewidmet, dann auf die Empfindung fokussiert (z. B. der Geruch des Pferdes), dann auf die Atmung geachtet. Vielleicht passt sich die Atmung des Kindes oder der Jugendlichen der Atmung des Pferdes an. Dann wird das Kind oder die Jugendliche aufgefordert, sich vorzustellen, wie ihr Leben dann aussehen wird und sich ein Bild dazu vorzustellen. Das nun entstandene Bild wird durch Nachfragen konkretisiert. Wer ist auf dem Bild? Wo ist es? Fehlt noch etwas? Das Bild kann korrigiert werden („Wir sind in der Welt der Fantasie“), bis es stimmt. Dann wird wieder nach Körpergefühl, Emotion und Kognition gefragt und alles zusammen im Körper verankert und einige Runden ohne zu sprechen mit dem Pferd gegangen. Erst danach wird aus der Trance auf umgekehrtem Wege herausgeführt. Die Umsetzung der Methode kann variieren. So kann z. B. zu einer Ressource der Vergangenheit gegangen werden, das Körpergefühl, die Emotion und die Kognition erfragt sowie verankert werden, um dann mit diesen dreien in die Gegenwart zum jetzigen Problem gegangen werden. Das Körperempfinden, die Emotion und die Kognition werden kurz fokussiert, verankert und dann wird die verankerte Ressource wie eine Folie auf das Problem gelegt und gefragt, wie sich das Problem mit der gefühlten Ressource anfühlt. Durch die Entwicklung einer positiven Zukunftsvision soll das Selbstwirksamkeitsempfinden des Kindes gestärkt und die Hoffnung vermittelt werden, dass es aufgrund der eigenen Ressourcen Probleme lösen kann. Zusammenfassung Dieses Methodenbeispiel soll verdeutlichen, dass Hypnotherapie in die Experientielle Reittherapie integriert werden kann und es möglich ist, das Pferd als Verstärker und Motivator zu nutzen. Durch die detaillierte Darstellung wird erklärt, wie die Methode technisch umgesetzt werden kann und was für die ausführenden Reittherapeutinnen zu beachten ist. Neben dem Focusing gibt es dadurch eine weitere psychotherapeutische Methode, die in der Experientiellen Reittherapie eingesetzt werden kann. Literatur ■ Deutsches Ausbildungsinstitut für Focusing und Focusing-Therapie (DAF), www.daf-focusing. de/ ? page_id=10. html, 05.10.2015 ■ Deutsche Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie e. V., hypnose.de / hypnose-undhypnotherapie.html, 07.10.2015 ■ Gäng, M. (Hrsg.) (2009): Reittherapie. 2. Aufl. Ernst Reinhardt, München / Basel ■ Gendlin, E. (1998): Focusing-orientierte Psychotherapie. Ein Handbuch der erlebensbezogenen Methode. 3. Aufl., Klett-Cotta, München ■ Hosser, D. (2012): Modellprojekt der Technischen Universität Braunschweig „Jim Knopf“, Evaluation der Wirksamkeit von Reittherapie bei Kindern mit ADHS und / oder einer Störung des Sozialverhaltens. In: www.tu-braunschweig.de/ psychologie/ abt/ epf/ forschung/ abgeschlosseneprojekte/ jimknopf, 29.11.2015 68 | mup 2|2016 Forum: Krause-Straky - Hypnotherapie mit Kindern und Jugendlichen in der Reittherapie ■ Milton Ericksen Gesellschaft für klinische Hypnose-Regionalstelle Tübingen. www.megtuebingen.de/ 1-hypnose-hypnoseforschung.html, 29.11.2015 ■ Nemetschek, P. (2006): Systemische Familientherapie mit Kindern, Jugendlichen und Eltern. Lebensfluss-Modelle und analoge Methoden. Klett-Cotta, Stuttgart ■ Nemetschek, P. (2005): Begleitung und Nachsorge bei Krebs und lebensbedrohlichen Krankheiten. Unveröffentlichtes Manuskript, Milton- Erickson-Institut Rottweil, München ■ NLP Ausbildung zum Practitioner, Coach, Master und Trainer. www.landsiedel-seminare.de/ nlp/ was-ist-nlp.html, 29.11.2015 ■ Papke, A. (2009): Das Pferd als Medium in der Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen: Psychodiagnostische und psychotherapeutische Wirkungsmomente des Einsatzes von Pferden in Kindergruppenpsychotherapie. In: Schley, K., Gerster, S. (Hrsg.): Experientielle Reittherapie. Adebar, Offenburg ■ Peichl, J. (2014): Innere Kinder, Täter, Helfer & Co: Ego-State-Therapie des traumatisierten Selbst (Leben lernen). Klett-Cotta, Stuttgart ■ Peichl, J. (2011): Jedes Ich ist viele Teile. 2. Aufl. Kösel, München ■ Rosen, S. (Hrsg.) (2003): Die Lehrgeschichten von Milton H. Erickson, 6. Aufl. Iskopress, Salzhausen ■ Schleehauf, K. (2004): Pädagogik versus Therapie? In: www.therapie-mit-pferden.de/ literatur. htm, 29.11.2105 ■ Schley, K., Gerster, S. (2009): Experientielle Reittherapie. Adebar, Offenburg ■ Trance-Lexikon für Psychologie und Pädagogik. www.lexikon.stangl.eu/ 5325/ trance/ html, 09.10.2015 Der Autor Uwe Krause-Straky Dipl. Sozialpädagoge, Kinder- und Jugendpsychotherapeut, Hypnotherapeut für Kinder und Jugendliche, Traumatherapeut für Kinder und Jugendliche (mit EMDR), Integrativer Suchttherapeut (GSM), Ausbildungsleiter bei IFERT (Institut für Experientielle Reittherapie, Elzach), Mitarbeit in der psychologischen Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche beim Caritasverband in Breisgau-Hochschwarzwald, Dozent an der OAP (Offenburger Akademie für Psychotherapie), Mitarbeit in der Praxis für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie von K. Schley in Offenburg. Anschrift Uwe Krause-Straky · Otto-Burger-Str. 10 D-79215 Elzach · straky@gmx.de
