eJournals mensch & pferd international 8/3

mensch & pferd international
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1867-6456
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mup2016.art19d
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Forum: Psychodynamische Pferdeunterstützte Traumatherapie (PPTT) bei Post-traumatischer Belastungsstörung (PTBS)

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Ilka Parent
Psychodynamische Pferdeunterstützte Traumatherapie ist eine bisher wenig verbreitete therapeutische Vorgehensweise, bei der Interaktionen zwischen Patienten und Pferden im Vordergrund stehen. Aufbauend auf dem EAGALA-Modell werden bei diesem interdisziplinären Ansatz verschiedene Methoden und Techniken miteinander verbunden, um Trauma-Folgestörungen effektiv zu behandeln. [...]
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Ilka Parent 120 | mup 3|2016|120-123|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378 / mup2016.art19d Psychodynamische Pferdeunterstützte Traumatherapie ist eine bisher wenig verbreitete therapeutische Vorgehensweise, bei der Interaktionen zwischen Patienten und Pferden im Vordergrund stehen. Aufbauend auf dem EAGALA- Modell werden bei diesem interdisziplinären Ansatz verschiedene Methoden und Techniken miteinander verbunden, um Trauma-Folgestörungen effektiv zu behandeln. Begriffserklärung EAGALA-Modell Pferdeunterstützte Therapie nach dem EAGALA- Modell findet mittlerweile breite Anwendung. Dieses Modell wurde 1999 von der in den USA gleichnamigen ansässigen Organisation („Equine Assisted Growth and Learning Association“) entwickelt. Seinen Ursprung hat das Modell in der Erlebnispädagogik. Aber auch psychologische Konzepte der Psychoanalyse, Gestalt- und Verhaltenstherapie werden mitberücksichtigt. Das klassische therapeutische Setting verlagert sich auf einen Reitplatz in Anwesenheit von Pferden. Der Fokus liegt auf Aufgabenstellungen, die mit Pferden durchgeführt werden. Das Augenmerk liegt nicht auf dem Gelingen, sondern auf den Pferdereaktionen, der nonverbalen Kommunikation sowie der Wahrnehmung und Zuordnung des Erlebten. Die Aufgaben gestalten sich aus dem Behandlungsplan, beobachteten Verhaltensweisen und verwendeten Metaphern und Symbolen heraus. Situationen können erst visualisiert, dann gestaltet und schließlich im „Hier und Jetzt“ ausagiert werden. Über die Reaktion der Pferde erhalten die Patienten eine direkte Rückmeldung über die Funktionalität ihrer Verhaltensweisen. Im anschließenden Verarbeitungsgespräch werden diese dann reflektiert. Alternative Verhaltensweisen, die sich daraus ergeben, können danach mit den Pferden direkt erprobt werden. Geleitet werden diese Mensch-Pferd Interaktionen von einem spezialisierten Behandlungsteam. Dieses besteht aus mindestens einer (psycho-) therapeutisch ausgebildeten Fachkraft und mindestens einem Pferdespezialisten. Das Vermitteln von Pferdewissen oder Elementen des „Natural Horsemanship“ sind nicht Teil oder Ziel dieser Behandlung. Psychodynamische Pferdeunterstützte Traumatherapie / -intervention (PPTT) Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist eine mögliche Folgereaktion auf ein oder mehrere traumatische Ereignisse, die entweder an der eigenen Person oder aber auch an fremden Personen erlebt wurden. In vielen Fällen kommt es in der Folge zu Gefühlen von Hilflosigkeit und einer Erschütterung des Selbst- und Weltverständnisses. Das Konzept der psychodynamischen Pferdeunterstützten Traumatherapie unter Einbezug des EAGALA-Modells habe ich 2008 im Rahmen meiner Arbeit mit amerikanischen Soldaten entwickelt. Die dazugehörige Behandlungsvorgabe „Top Team“ (2010) kann in zeitlich begrenztem Rahmen unter Themen- Forum Psychodynamische Pferdeunterstützte Traumatherapie (PPTT) bei Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) Forum: Parent - Psychodynamische Pferdeunterstützte Traumatherapie bei Posttraumatischer … mup 3|2016 | 121 vorgabe von Resilienzförderung, Reintegration nach einem Auslandseinsatz oder in einer zeitlich unbegrenzten Pferdeunterstützten Psychotherapie angeboten werden. Wie in der typischen Psycho-Traumatherapie können drei Phasen unterschieden werden: 1. Stabilisierung: In dieser Phase erfolgt eine Konzentration auf vorhandene Fähigkeiten und Ressourcen des Betroffenen. Eine Erfassung des „Hier und Jetzt“ in Abgrenzung zu erwünschten Zielen und vergangenen Erlebnissen sowie eine Stärkung der Ich-Funktionen stehen im Mittelpunkt. Kontrolle über Emotionen, Impulse und Affekte wird gefördert, was wiederum die Fähigkeit erhöht, über Erlebtes zu reflektieren. 2. Traumakonfrontation: Durch gezielte Aufgabenstellungen werden die als traumatisch erlebten Ereignisse erfahr- und bearbeitbar. 3. Integration: Da in jeder Aufgabenstellung exploriert wird, wie das mit den Pferden Erlebte im „Hier und Jetzt“ in den Alltag übertragbar ist, ist Integration in der Pferdeunterstützten Therapie Teil jeder Phase. Je nach vorgegebenem Zeit- und Behandlungsrahmen werden Aufgabenstellungen aus den entsprechenden Phasen zusammengefügt. Für viele Menschen ist die erste Begegnung mit Pferden mit Unsicherheit oder auch anfänglicher Angst verbunden, denn Pferde sind große und oft unbekannte Tiere. Trotzdem fällt es vielen Menschen leichter mit Tieren zu interagieren, statt mit unbekannten Menschen. In der Regel kann mit Tieren eine günstige Beziehungserfahrung gemacht werden. In unserer Gesellschaft haben Menschen häufig die Tendenz Tiere zu anthropomorphisieren, d. h. ihnen menschliche Eigenschaften zuzuschreiben. Darauf aufbauend und unter Einbezug bekannter psychotherapeutischer Techniken kommen folgende Vorgehensweisen in der Pferdeunterstützten Traumatherapie zur Anwendung: ■ Aufgabengestaltung nach vorab bestimmtem Behandlungsplan und Behandlungszielen ■ „Projektionsfläche Pferd“ ■ Neutrale Rückmeldung und Fragestellung basierend auf den Verhaltensreaktionen der Pferde von sowohl Pferdespezialist als auch therapeutischer Fachkraft ■ Fragestellung aus der „Perspektive des Pferdes“ ■ Gezielter Einsatz und (Weiter-)Verwendung von Metaphern und Symbolen ■ Fortführende Aufgabenstellungen anhand beobachteter Pferdereaktionen und verwendeter Metaphern und Symbole Praxisbeispiel: Die Teilnehmer befinden sich auf einem großen Reitplatz mit bis zu vier freilaufenden Pferden. Typische Reit- und Trainingshilfsmittel für Pferde wie z. B. Halfter, Gerten, Longierleinen etc. wurden vorab entfernt. Weiterhin befinden sich viele verschiedene Objekte und Materialien auf dem Platz: neutrale Gegenstände wie z. B. Pylonen, Stangen, Gymnastikbälle und Reifen sowie Objekte, die die anwesenden Patienten aus ihrem persönlichen Alltag kennen. Bei Mitgliedern der Streitkräfte sind diese beispielsweise Uniformen, Helme, markierte Rucksäcke, Stiefel und Ähnliches (siehe Abb. 1). Bekannte Objekte erleichtern sowohl eine symbolische Betrachtungsweise wie auch eine spätere Integration des Erlebten in den Alltag. Der Reitplatz ist in drei Abschnitten mit Pylonen und Stangen markiert: Im vorderen und hinteren Teil befindet sich jeweils ein Pylone. Im mittleren Teil markieren Stangen einen etwa drei Meter breiten Weg, der vom vorderen zum hinteren Teil führt. Eine mögliche Aufgabenstellung zur Erfassung der momentanen Situation und der erwünschten Zielvorstellung ist die folgende: „Wir laden Sie dazu ein, in dem vorderen Teil Ihre aktuelle Situation, in dem hinteren Teil Ihre 122 | mup 3|2016 Forum: Parent - Psychodynamische Pferdeunterstützte Traumatherapie bei Posttraumatischer … gewünschte Situation darzustellen. Auf dem dazwischenliegenden Weg können Sie mögliche Hindernisse darstellen, die Sie auf Ihrem Weg zur gewünschten Situation sehen. Alles in diesem Raum kann verwendet werden. Wenn Sie mit dem Aufbau fertig sind, bitten wir Sie, uns Bescheid zu geben.“ Die Aufgabenstellung ist bewusst als Einladung ohne Vorgaben bzw. Anleitung formuliert. Das Darauffolgende wird vom Behandlungsteam beobachtet. Nach dem Aufbau fragt das Behandlungsteam, ob die dargestellten Objekte von den Teilnehmern beschrieben bzw. benannt werden möchten. Verwendete Metaphern in der Wortwahl der Patienten werden von der therapeutischen Fachkraft notiert, da diese in spätere Aufgabenstellungen wieder einfließen. Besonders wird darauf geachtet, wie die Pferde während des Prozesses von den Patienten wahrgenommen wurden. Auch während des Gesprächs beobachtet der Pferdespezialist weiter die Pferde und deren Verhaltensweisen. In der darauffolgenden Aufgabenstellung fließen eventuelle Metaphern bezüglich der Pferde mit ein: In diesem Beispiel wurden die Pferde mit Mitmenschen aus dem Alltag verglichen: „Wir laden Sie dazu ein, mit einem oder mehreren vierbeinigen Mitmenschen Ihrer Wahl den Weg von Ihrer aktuellen Situation bis hin zu Ihrer erwünschten Situation abzulaufen. Bitte geben Sie uns Bescheid, wenn Sie dies getan haben.“ Auch diesmal wird keine Hilfeleistung gegeben. Die symbolische Betrachtungsweise wurde eingeleitet. In Abbildung 2 wurde das Hindernis namens „PTBS“ lange mit vielen Details aufgebaut. Direkt nach der Aufgabenstellung wurde von den Teilnehmern verbalisiert, dass eine Überwindung dieses Hindernisses mit Pferden nicht möglich sei. Infolgedessen kam es zu einer Zerlegung des Hindernisses in Einzelelemente, die dann - gemeinsam mit Mit-Teilnehmern und Pferden - abgeschritten werden konnten. Solange das Hindernis in seiner Gesamtheit emotional negativ besetzt war, verblieben die Pferde in großem Abstand zu diesem. Nach der Zerlegung in Einzelelemente bewegten sich die Pferde ohne Hilfsmittel mit den Menschen an diesen vorbei. In dem darauffolgenden Gespräch konnte - anhand von Pferdebeobachtungen - erforscht werden, welche Gedanken, Überlegungen bzw. Verhaltensweisen zu dieser beobachtbaren Veränderung bei den Pferden geführt haben. Allgemein kann gesagt werden, dass mit der beschriebenen Methode der Pferdespezialist die Möglichkeit wahrnimmt, mit gezielten Fragenstellungen den Patienten zur Reflexion zu bewe- Abb. 1: Beispiel einer aktuellen und gewünschten (Ziel-) Situation, mit Pferden in der aktuellen Situation, einem Hindernis auf dem Weg, und Menschen in der Zielsituation Abb. 2: Abbildung eines Hindernisses, das auf dem Weg zur erwünschten Situation liegt Forum: Parent - Psychodynamische Pferdeunterstützte Traumatherapie bei Posttraumatischer … mup 3|2016 | 123 Die Autorin Ilka Parent Dipl.-Psych., Psychologische Psychotherapeutin, Inhaberin von Minds-n- Motion, arbeitet seit 2006 nach dem EAGALA Modell, Verfasserin verschiedener EAP Programme, die unter anderem für traumatisierte Soldaten oder Jugendgruppen entwickelt wurden, seit ihrer Rückkehr nach Deutschland (Juni 2011) ist sie die EAGALA Netzwerk Koordinatorin für Deutschland Anschrift Ilka Parent · Porrbacherstr. 15a · D-66879 Obermohr / Steinwenden · ilka.parent@mindsnmotion.net gen. Der Therapeut wiederum gewinnt aus den gelieferten Antworten der Patienten Informationen über zugrundeliegende Themen und Konflikte, die in der Wahrnehmung der Patienten auf die Pferde projiziert werden. Durch die kombinierte Anwendung von Symbolen und Metaphern im Beisein von Pferden haben Patienten die Möglichkeit, empfundene Realitäten darzustellen und über die Reaktion der Pferde Rückmeldung über unbewusste Gedanken und Gefühle zu erhalten. Eigene Stärken und Grenzen können spürbar erfahren und latente Gefühle greifbar werden. Damit entwickeln Patienten einen Weg für eine angemessene und für sie akzeptable Problemlösung. Literatur ■ Parent, I. (2010): „TopTeam - Transitions, Objectives and Progress - Together Everyone Achieves More“.2nd Ed. Amazon Media EU S.à r.l., Kindle Edition. ■ Parent, I. (2016): Grundlagen der Pferdeunterstützten Traumatherapie - mit Beispielen aus der Behandlung einsatzbedingter Belastungsstörung. CreateSpace Independent Publishing Platform, 28. April 2016 Anzeige Berufsverband PI Sanger Weg 41 | D-47638 Straelen Tel.: +49 2834 372 68 80 www.berufsverband-pi.de info @ berufsverband-pi.de Nur zusammen sind wir stark! ▶ Berufspolitische Vertretung aller qualifizierter Fachkräfte PI. ▶ Zum Schutze und Wohl der Klienten und des Therapiepartners Pferd. ▶ Etablierung pferdegestützter Therapie und Pädagogik.